Titel: | Fortschritte in der Theorie des Eisenbetons seit 1904. |
Autor: | P. Weiske |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 132 |
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Fortschritte in der Theorie des Eisenbetons seit
1904.
Von Dr.-Ing. P. Weiske,
Kassel.
(Fortsetzung von S. 115 d. Bd.)
Fortschritte in der Theorie des Eisenbetons seit 1904.
Hervorzuheben sind noch einzelne Arbeiten, welche besondere Querschnittsformen
und Bauglieder behandeln.
1. Thumb („Beton und Eisen“ 1905 II) gibt eine
praktische Formel für die Wahl der Durchmesser der einzubettenden Rundeisen an. Aus
den Bedingungen der Bruchbelastung leitet er die Faustformel ab:
dmm
= t lm,
d.h. der Durchmesser in mm darf höchstens gleich der
zulässigen Scherspannung (4,5 kg/qcm) multipliziert mit der Spannweite in m sein.
2. Koenen („Beton und Eisen“ 1905, S. 148) macht
Mitteilungen über die gefährlichen Abscherflächen in Beton eingebetteter Eisenstäbe
mit Einbuchtungen und Einkehlungen (Walzprofile). Bei der Berechnung der
Scherspannungen ist nicht der Umfang der Eiseneinlagen, sondern der Umfang des
kleinsten umgeschriebenen Betonpolygams einzuführen, außerdem sind die zulässigen
Mindestabstände der Eiseneinlagen von der Betonunterkante von der Querschnittsform
abhängig.
3. Eisenbetonkonstruktionen mit großen Profileinlagen.
Diese zuerst von Melan eingeführten Konstruktionen
(Decken und Brücken) sind auch zuerst von ihm berechnet. Melans Formeln finden sich u.a. für Träger im Betonkalender 1906, S. 61, für Gewölbe im Betonkalender 1906, S. 166.
Zu erwähnen ist noch die Arbeit von Elwitz „Berechnung
doppelt bewehrter oder mit Profileisen versehener Betoneisenträger“
(„Beton und Eisen“ 1905, Heft 10 und 11). In dieser Arbeit
werden die Flanschen der Profileisen als doppelte Armierung angesehen und die
Wirkung des Steges vernachlässigt. Außerdem wird auch noch in einer zweiten
Berechnungsweise nach dem Vorgange von Melan das
Trägheitsmoment des armierten Querschnittes in die Berechnung eingeführt.
Die Aufgabe läßt sich auch graphisch mit Hilfe von Kraft und Seileck lösen. Ein
Beispiel ist vom Verfasser durchgeführt in „Cement und
Beton 1904, Heft 8.“
4. Berechnung von Stufenquerschnitten.
Da die Druckzone der Stufen nicht rechteckig, sondern trapezähnlich ist, was
besonders für freitragende Stufen in Betracht kommt, schlägt Emperger eine analytisch graphische Methode unter Benutzung von Kraft und
Seileck vor („Beton und Eisen“ 1906, Heft
6).
Rein analytisch ist die Aufgabe der Berechnung von Eisenbetonbalken mit Dreieck- und
trapezförmigen Querschnitt gelöst von Rösler in seinem
Aufsatz: „Berechnung des Eisenbetonbalkens mit Dreieck-
und trapezförmigem Querschnitt“. „Zement und Beton“ 1905, No.
12.
5. Berechnung von Kreisringquerschnitten mit Eiseneinlagen
für Schornsteine.
Die Berechnung der Schornsteine aus den verschiedenen Baustoffen ist von Lang eingehend in seinem Werke: Der Schornstein, Hellwings Verlag, behandelt worden. Für die Aufstellung
der statischen Berechnung hat Lang in seiner Anleitung
zum Entwerfen und zur statischen Berechnung gemauerter Schornsteine ein Schema
angegeben, welches auch bei dem Entwerfen von Eisenbetonschornsteinen Verwendung
finden kann. Die spezielle Untersuchung der Spannungen in kreisrunden
Schornsteinquerschnitten mit Eiseneinlagen ist durchgeführt von Landmann in der Zeitschrift für
Architektur und Ingenieurwesen 1905 und von Sauger in „Beton und Eisen II und
X.“
6. Eisenbetonpfeiler mit spiralförmiger
Eiseneinlage.
Considère konstruiert Eisenbetonsäulen mit
Längsarmierung und umwindet die Säulen außerdem mit einer Spiralarmierung aus
Rundeisen. (Umschnürter Beton, beton frette). Durch die Spiralarmierung soll die
Bruchfestigkeit der Säulen bedeutend erhöht werden. Die Firma Wayß & Freytag hat das
Ausführungsrecht für Deutschland erworben und Versuche anstellen lassen, welche in
Mörsch-Wayß & Freytag,
S. 69 ff. beschrieben sind.
Considère stellte die Formel auf
Bruchlast P = 1,5 k Fb + σe
(Fe
+ 2,4 Fe1)
Hierbei ist k die Bruchfestigkeit
des Betons, Fb der von
der Spirale eingeschlossene Betonquerschnitt, Fe der Querschnitt der Längsarmierung, Fe1 der Querschnitt der gedachten Längsstangen,
deren Gewicht derjenigen der Spiralarmierung gleich wäre. Die Wirkung der
Spiralarmierung, welche vornehmlich ein Ausweichen der gequetschten Betonteile
verhindert, würde also das 2,4 fache der Längsarmierung
betragen. Man wäre also imstande, schlankere Eisenbetonsäulen zu konstruieren. Die
von Wayß & Freytag
veröffentlichten Versuche stimmen in ihren Resultaten mit den durch die Formel
gegebenen Zahlen annähernd überein. Außerdem werden noch wichtige Aufschlüsse über
die Ganghöhe der Spiralen und über das Verhältnis der Längsarmierung zur
Spiralarmierung gegeben.
Die Versuche werden ergänzt durch solche von Bach,
welche auf Veranlassung von Wayß & Freytag mit 61 Probekörpern, in auf der Baustelle
üblicher Herstellungsweise angefertigt, angestellt sind. (Beton and Eisen 1905, Heft 12, 1904 Heft 1 und 2). Die Ergebnisse haben
Considère vorgelegen, welcher trotz der Mängel der
Ausführung für einzelne Probekörper eine befriedigende Uebereinstimmung mit seiner
Formel in derselben Veröffentlichung zahlenmäßig nachweist, im übrigen bemerkt, daß
die Ganghöhe der Spiralen zu vermindern sei, und daß der Querschnitt oder die Zahl
der Längsstangen vergrößert werden müsse, je stärker die Spiralen sind.
7. An den Rändern aufliegende oder eingespannte
Eisenbetonplatten.
Es erscheint wünschenswert, die Stärke der Platten zwischen den Haupt- und
Nebenunterzügen bei Eisenbetondecken tunlichst herabzumindern. Ein Mittel hierzu ist
die Armierung der Platte parallel zu den beiden Auflagerrichtungen, da eine
Inanspruchnahme des Betons nach zwei Richtungen unbedenklich ist und die
Eiseneinlagen die nun rechnungsmäßig in beiden Richtungen auftretenden Zugspannungen
aufnehmen. Die früher üblichen sogen. Verteilungsstäbe kommen nunmehr auch
rechnungsmäßig zur statischen Wirkung. –
Die noch wenig geklärten Verhältnisse erörtert Zipkes in
seinem Aufsatz: „Ein Lagerhaus für Eisenwaren in
Eisenbeton“ Deutsche Bauzeitung, Mitteilungen über Zement, Beton und
Eisenbetonbau 1906, No. 5.
Zipkes stellte die Ergebnisse der verschiedenen Arbeiten
von Föppel, Bach, Grashof zusammen und schlägt für die
an den Umfangsseiten eingespannten Platten der beschriebenen Ausführung für die
Mitte
M_m=\frac{p\,l^2}{28}
für die Auflager
M_a=-\frac{p\,l^2}{20}
vor.
Christophe verwendet in seinem Buche, „Der Eisenbeton
und seine Anwendung im Bauwesen“ (Verlag der „Tonindustriezeitung“
1905) die Formel:
M=\varphi\,\frac{{l_1}^4}{l^4+{l_1}^4}\cdot q\,l^2 bezw. M_1=\varphi\,\frac{l^4}{l^4+{l_1}^4}\,q\,l^2
für die Momente nach beiden Richtungen. φ ist der Koeffizient, der von der Art der Auflagerung
abhängig ist. Der Einfluß der Auflagerung auf vier Seiten nimmt hiernach sehr
schnell mit einer Vergrößerung der längeren zur kürzeren Seite ab. Ist die längere
Seite doppelt so lang als die kürzere, so ermäßigt sich das Biegungsmoment für die
kürzere Richtung nur um 6 v. H. gegen den Wert, den man bei Vernachlässigung der
Auflagerung in der längeren Richtung erhält. Der auf der gleichen Grundlage der
Momentenverteilung stehende Aufsatz von Fröhlich:
„Massivplatten mit kreuzweiser Armierung“ („Beton und Eisen“
1905, Heft 8) bezeichnet das Seitenverhältnis 4:7 als Grenzverhältnis, bei
welchem es sich noch lohnt, gekreuzte Eiseneinlagen zu verwenden.
Aus Lolat-Eisenbeton 1904 entnehmen wir folgende
Tabelle, welche auf derselben Grundlage berechnet ist und die Verminderung ω des Biegungsmomentes für verschiedene
Verhältniszahlen der Seiten s und r zeigt.
Quadrat
Rechteck
s/r
1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
1,7
1,8
1,9
2,0
ω
0,500
0,59
0,68
0,74
0,80
0,84
0,87
0,89
0,91
0,93
0,94
Hiernach hat also die kreuzweise Eisenarmierung nur Zweck bis etwa s/r= 1,8.
8. Ueber mehrere Stützen fortlaufende Balken. Statisch
unbestimmte Systeme.
Die amtlichen Bestimmungen schreiben vor:
Bei Platten, die über mehrere Felder durchgehen, darf das Biegungsmoment in den
Feldmitten zu ⅘ des Wertes angenommen werden, der bei einer auf zwei Stützen frei
aufliegenden Platte vorhanden sein würde, falls nicht die wirklich auftretenden
Momente und Auflagerkräfte rechnerisch oder durch Versuche nachgewiesen werden.
Diese Vorschrift scheint den tatsächlichen Verhältnissen nicht besonders zu
entsprechen. Für Platten und Plattenbalken, welche über mehrere Stützen weglaufen,
wird im allgemeinen ein größeres Stützenmoment als q\,\frac{l^2}{40}, welches obiger
Vorschrift entspricht, vorhanden sein, so daß auch das Moment in der Mitte
<\,q\,\frac{l^2}{10} ist. Allerdings dürfte die Annahme voller Einspannung, also q\,\frac{l^2}{12}
über der Stütze und q\,\frac{l^2}{24} in der Mitte zu günstig sein. Daher schlägt Christophe vor, derartig mit halber Einspannung zu
rechnen, daß das Einspannmoment mit q\,\frac{l^2}{24} statt q\,\frac{l^2}{40} und das Moment in der Mitte mit
q\,\frac{l^2}{12} gerechnet wird.
Da die amtlichen Bestimmungen den rechnerischen Nachweis der verschiedenen Momente
zulassen, so empfiehlt sich für gleichmäßig verteilte Belastung die Anwendung der
Clapeyronschen Gleichungen oder die Benutzung der
Ordinatenwerte der Maximalmomentenlinien mit Trennung der konstanten und beweglichen
Belastung für kontinuierliche Balken von Winkler.
Allerdings wird hierbei elastisches Material und konstantes Trägheitsmoment
vorausgesetzt; Mörsch hebt jedoch hervor, daß eine von
der Proportionalität abweichende Beziehung zwischen Moment und Deformation keine
Aenderungen von praktischer Bedeutung in den nach der Elastizitätslehre ermittelten
Reaktionen zu bewirken vermag, und daß man mit demselben Recht Eisenbetonträger
verschiedenen Querschnittes als mit konstantem Trägheitsmoment behaftet in die
Rechnung einführen kann, wie dies auch bei eisernen Trägern geschieht. – Er weist
auf Versuche von Wayß & Freytag mit
kontinuierlichen Deckenplatten ungleicher Nutzweite hin, welche die Uebereinstimmung
mit den theoretischen Voraussetzungen ergaben. (Mörsch-Wayß & Freytag 1906, S. 141.)
Neuere Arbeiten berücksichtigen die Veränderlichkeit des Trägheitsmoments.
Gottschalk untersucht in seinem Aufsatz: „Stützenmoment des Eisenbetonbalkens“ (Beton und
Eisen 1905, Heft 4) einen Balken auf drei Stützen und nimmt zwei
verschiedene Trägheitsmomente innerhalb des positiven und negativen
Momentenbereiches, entsprechend der Vertauschung der Platte und des Balkens in der
Zug- und Druckwirkung an.
Die Verkleinerung des Trägheitsmomentes des Balkenquerschnittes über der Stütze gegen
das Trägheitsmoment in der Balkenmitte hat eine nicht unerhebliche Verminderung des
Stützmomentes zur Folge, so daß das Maximalmoment des Balkenfeldes weniger entlastet
wird.
Daher kommt Gottschalk zu der Schlußfolgerung, daß sich
in normalen Fällen ein besonderer Nachweis für das Auflagermoment erübrigt, wenn die
Oeffnungen mit B=\frac{q\,l^2}{10} berechnet werden, der hierfür erhaltene Eisenquerschnitt
annähernd auch über der Stütze vorhanden ist und der Balken sich mit einer Schräge
an die Säule anschließt, die schon die architektonische Rücksicht erfordert.
Hinzuzufügen ist, daß die angedeutete Verstärkung des Balkens an der Säule wegen der
aufzunehmenden Schub- und Scherspannung vorteilhaft ist, und daß die vorhandenen
Druckeisen die aus den gewöhnlichen Formeln, also aus größeren Momentwerten
ermittelten Druckspannungen vermindern. Kaufmann
untersucht in seinem Aufsatz: „Kontinuierliche Balken und
statisch unbestimmte Systeme im Eisenbetonbau“ (Beton und Eisen 1906,
Heft 5, 6 und 7) ebenfalls einen Balken auf
drei Stützen mit Berücksichtigung veränderlichen Trägheitsmomentes und verschiedener
Höhenlage.
Bei Annahme gleicher Höhenlage findet er nicht wesentlich andere Resultate als bei
den gewöhnlichen Annahmen konstanten Querschnitts. Mit Recht betont er auch die
Bedeutung der Betonzugspannungen im Bereich der negativen Momente, welche hier nicht
hoch sind, weil die Nullinie in der Nähe der Platte liegt, so daß diese Spannungen
wohl zur statischen Wirkung kommen und daher auf die Betondruckspannungen im
schmalen Balken vermindernd wirken. –
Ferner weist Kaufmann den bedeutenden Einfluß einer
Veränderung der Höhenlage nach, sowohl auf die absolute Höhe der Biegungsmomente,
als auch auf den gegenseitigen Bereich der positiven und negativen Momentenflächen.
Man sollte durch möglichst weites Uebergreifen der Eisen dafür sorgen, daß ein
gezogener Querschnitt nie ohne Eiseneinlagen ist und über den Stützen auch auf der
Unterseite die Druckeisen sich gegenseitig decken.
Neuerdings hat Grabowski (Forscherarbeiten Heft IV) die
statisch unbestimmten Systeme zum Gegenstand einer eigenen Untersuchung gemacht
unter dem Titel: „Formänderungsarbeit der Eisenbetonbauten bei Biegung“.
Diese verdienstliche Arbeit wendet die Arbeitsgleichungen auf die statisch
unbestimmten Systeme an und untersucht u.a. ebenfalls einen Balken auf drei Stützen.
Er weist nach, daß die Vernachlässigung der Zugspannungen bei den Querschnitten, die
negativen Momenten ausgesetzt sind, eine bedeutende Verminderung der Stützmomente
zur Folge hat, wodurch sich der große Unterschied, den Gottschalk berechnet, erklären läßt. Die Stützenmomente seien tatsächlich
größer, aber nicht so groß, als sich bei konstanter Annahme des Trägheitsmomentes
ergibt. –
Aus diesen Untersuchungen kann man den Schluß ziehen, daß man die kontinuierlichen
Balken wohl nach den amtlichen Bestimmungen oder den Maximalmomentenwerten berechnen
darf, daß man ferner bei den Querschnitten über den Stützen die Betondruckspannungen
reichlich hoch annehmen darf, weil sie durch die vorhandenen Betonzugspannungen und
die Armierung der Druckzone entlastet werden.
Grabowski bezieht auch andere statisch unbestimmte
Konstruktionen, z.B. Rahmen und gebogene Eisenbetonstäbe in den Bereich seiner
Untersuchungen und es sei daher an dieser Stelle auf das Werkchen ausdrücklich
verwiesen, weil der vorhandene Raum die Behandlung dieser Konstruktionen nicht
gestattet.
Es soll im übrigen noch erwähnt werden, daß Fachwerke, Bogenträger, zylindrische
Rohre mit Innen- und Außendruck, Behälter, Erd- und Wassermauern usw. nach den
Regeln der Statik bezw. Elastizitätstheorie zur Ermittelung der äußeren Kräfte
untersucht werden, unter Annahme eines konstanten Elastizitätsmoduls des Betons für
Druck, und, falls zugelassen, auch für Zug. In der Fachliteratur, sowohl in
Zeitschriften, als auch in Spezialwerken finden sich zahlreiche Beispiele
ausgeführter Anlagen mit Angabe der angenommenen Unterlagen zur Ermittelung der
äußeren Kräfte nach den anerkannten Regeln der Statik. Für die Beurteilung der
inneren Spannungen sind dann die eingangs erwähnten amtlichen Bestimmungen
maßgebend.
9. Wirtschaftliche Ausnutzung und Bemessung der
Eisenbetonquerschnitte.
Die beiden wichtigsten Querschnittsformen sind die Platte und der Plattenbalken. Bei
ersterer erhält man die günstigste Querschnittsform, wenn Eisen und Beton voll
ausgenutzt werden, also für σd = 40 kg/qcm, σe =
1200 kg/qcm. Dies
Resultat erhält man, wenn man die Kostengleichung, die eine Funktion der vorhandenen
Beton- und Eisenmengen ist, auf ihr Minimum untersucht. Bei Plattenbalken liegen die
Verhältnisse am günstigsten, wenn man das Eisen voll ausnutzt, und wenn die Stärke
der Druckplatte möglichst gering wird. Da diese jedoch wieder von der Balkenteilung
abhängig ist, außerdem bei höheren Balken die Einschalungskosten teurer werden, und
im allgemeinen die Konstruktionshöhen beschränkt sind, da ferner die Betonmischungen
die Kosten des Betons verändern, so erkennt man, daß eine theoretische Behandlung
aller dieser zusammenwirkenden Verhältnisse schwierig und, speziell gesprochen, von
wenig praktischem Werte ist, weil man in der Regel bei der Bemessung der Teilungen
und Abmessungen von der gegebenen Konstruktionshöhe und der Grundrißteilung abhängig
ist. Es soll hier auf zwei Arbeiten verwiesen werden, welche die in Frage kommenden
Verhältnisse berücksichtigen.
Diese Arbeiten sind:
Turley, die wirtschaftlich günstigsten
Abmessungen bei Bauteilen aus Eisenbeton, Zement und Beton 1905, No. 2
und
Elwitz, die Querschnittsbestimmung von Platten und
Plattenbalken aus Eisenbeton nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, Beton und
Eisen 1905, Heft I und II.
10. Eisenbetonbauten für Eisenbahnzwecke.
Die Wirtschaftlichkeit der Eisenbetonbauten macht ihre Einführung auch bei
Eisenbahnbauten vorteilhaft.
Von dem Gesichtspunkte ausgehend, daß für Bauten aus Eisenbeton, welche dem Einfluß
der Witterung, der Nässe, der Rauchgase und ähnlicher schädlicher Einflüsse besonders ausgesetzt
sind, unter allen Umständen eine Sicherheit gegen Entstehen von Zugrissen vorhanden
sein muß, hat die Königliche Eisenbahndirektion in Berlin vorläufige Bestimmungen
für das Entwerfen und die Ausführung von Ingenieurbauten in Eisenbeton erlassen,
welche im Zentralblatt der Bauverwaltung 1906, No. 52
veröffentlicht sind. Diese Bestimmungen sind von Labes
ausgearbeitet und eingehend motiviert.
Die Eisenbetonquerschnitte sollen hiernach nicht nur den amtlichen Bestimmungen vom
16. April 1904 im allgemeinen genügen, sondern es sollen auch die nach besonderer
Anleitung berechneten Zugspannungen im Beton so mäßig sein, daß das Eintreten
wirklicher Risse ausgeschlossen ist.
Hierbei ist das Elastizitätsmaß des Eisens zu dem 10 fachen von dem des Betons
anzunehmen.
Die Untersuchung ist eine doppelte:
a) die Eiseneinlagen nehmen sämtliche Zugkräfte auf,
b) der Beton beteiligt sich voll an der Aufnahme der
Zugkräfte.
Die zulässigen Spannungen für Eisen und Beton auf Zug und Druck werden nach dem Zweck
und der Spannweite des Bauwerks verschieden angegeben.
Maßgebend für die Berücksichtigung der Zugspannungen waren die neueren Versuche über
die Dehnungsfähigkeit des Betons, nach welchen diese geringer ausgefallen ist, als
wie nach den früheren Versuchen zu erwarten war. Wir kommen hierauf noch einmal
zurück. Die Zug- und Druckfestigkeit ist an besonderen Probekörpern
nachzuweisen.
Die Zugfestigkeit ist aus Biegeversuchen nach vorgeschriebener Form und Formel
zu ermitteln. Für Bauten aus Eisenbeton in geschlossenen Räumen sind die bisherigen
Bestimmungen maßgebend.
In Anbetracht der Verantwortlichkeit für die Unternehmer derartiger, schweren
Belastungen ausgesetzter Konstruktionen ist das Erscheinen dieser Bestimmungen nur
zu begrüßen. Hoffentlich werden sie denselben Einfluß auf die Entwicklung des
Eisenbetonbaues im Eisenbahnbau haben, wie die Bestimmungen von 1904 auf die
Entwickelung des Eisenbetonbaues im Hochbau. In den Einzelheiten werden sich die
erforderlichen Aenderungen bezüglich der anzunehmenden Spannungen schon ergeben. Es
steht zu erwarten, daß nicht allein Unterführungen, Stützmauern usw. in Eisenbeton
zahlreicher ausgeführt werden, sondern daß auch die Eisenbetonschwelle sich ihren
Weg bahnen wird.
In der vorstehenden Zusammenstellung sind besonders diejenigen Arbeiten
zusammengestellt, welche im Anschluß an die amtlichen Bestimmungen praktische Ziele
der Querschnittsbemessung, der Untersuchung gegebener Querschnitte und der
Ermittelung der äußeren Kräfte in der verschiedenen Eisenbeton-Bauteilen und Formen
verfolgen. Im folgenden Teil sollen nun noch die Fortschritte in dei Untersuchung
der Eigenschaften des Eisenbetons, auf welchen seine statische Wirkung beruht, die
Untersuchung der Spannungen auf experimenteller Grundlage, und die neueren
Anschauungen über die Bruchursachen besprochen werden.
(Schluß folgt.)