Titel: | Der Einfluß der verschiedenen Erscheinungsformen des Kohlenstoffs auf die Festigkeit von Gußeisen. |
Autor: | E. Preuß |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 156 |
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Der Einfluß der verschiedenen Erscheinungsformen
des Kohlenstoffs auf die Festigkeit von Gußeisen.
Der Einfluß der verschiedenen Erscheinungsformen des Kohlenstoffs
auf die Festigkeit von Gußeisen.
Gußeisen der gleichen chemischen Zusammensetzung und insbesondere auch mit dem
gleichen Gehalt an Graphit und chemisch gebundenem Kohlenstoff, das in der gleichen
Weise hergestellt ist, zeigt bei der Prüfung auf Festigkeit häufig sehr stark von
einander abweichende Werte. Hatfield untersuchte, inwieweit diese
Unterschiede durch die verschiedenen Formen, in denen der Kohlenstoff im Gußeisen
auftritt, bedingt sind und welchen Einfluß der Siliziumgehalt sowie die Gießwärme
hierbei haben. Dem BerichtJourn. of the Iron a. Steel
Inst. 1906, Bd. II, S. 157. über seine
Ergebnisse sei folgendes entnommen.
1. Erscheinungsformen des Kohlenstoffes im Gußeisen.
Kohlenstoff kommt im Gußeisen frei oder chemisch gebunden vor und zwar ist der freie
Kohlenstoff entweder Graphit oder Temperkohle, während der gebundene Kohlenstoff als
Eisenkarbid Fe3C, auch Cementit genannt, oder als eutektisches Gemenge
von Eisenkarbid und Ferrit, Perlit genannt, auftritt. Enthält das Gußeisen fast
ausschließlich gebundenen Kohlenstoff, so zeigt das Gefüge ein Netzwerk von
Cementit, dessen Maschen mit Perlit ausgefüllt sind. Befindet sich der Kohlenstoff
im Gußeisen dagegen in freiem Zustande, so besteht das Gefüge aus Ferrit, der nach
allen Richtungen mit Graphitblättern durchsetzt ist und gelegentlich Einschlüsse von
Perlit zeigt. Ist der Kohlenstoff teils gebunden, teils frei, so bilden sich
durcheinander gelagerte Inselchen von Cementit. Perlit, Ferrit und Graphit. Tab. 1
zeigt, inwieweit sich beim Gußeisen mit 2,5 v. H. Silizium durch Wärmebehandlung
eine Umwandlung des gebundenen in freien Kohlenstoff und der Gefügebestandteile
erreichen läßt.
Tabelle 1.
Zustand
freierCv.
H.
gebunden.Cv.
H.
Gefügebestandteile
Gegossen
2,4
0,8
Perlit mit
eingebettetenCementitkrystallen.
Geglüht
3,24
0,05
Ferritkrystalle mit Graphitu. Temperkohle
untermischt
5 Std. bei 1000° geglüht und ab- geschreckt
1,65
1,60
Austenitartiges Gefüge beisehr großer
Härte
Angelassen auf 500°
1,65
1,60
Perlit und Cementit-einschlüsse
2. Einfluß des Siliziums auf die Festigkeit von
Gußeisen. Unter Berücksichtigung früherer ähnlicher Versuche von Turner hat Hatfield
Gußeisenproben mit verschiedenem Siliziumgehalt untersucht. Um den Einfluß des
Mangans, Phosphors und Schwefels auszuschalten wurde der Gehalt an diesen
Bestandteilen so gering als möglich gewählt. Er überschritt bei Mangan nicht 0,2 v.
H., bei Phosphor und Schwefel nicht 0,05 v. H. Fig.
1 zeigt die erhaltenen Ergebnisse. Man erkennt, daß bis zu 1,7 v. H.
Siliziumgehalt der Kohlenstoff nahezu vollständig gebunden ist, während darüber
hinaus der größte Teil als Graphit erscheint und nur noch ein kleiner Bruchteil
gebunden bleibt. Diese Umwandlung des Kohlenstoffs findet nicht stets bei 1,7 v. H.
Si-Gehalt statt, sondern ist auch von der
Gießwärme abhängig. So zeigt z.B. Fig. 2, das die
Ergebnisse einer anderen Versuchsreihe mit einem im Mn-,
P- und S-Gehalt ganz gleichen Material
wiedergibt, bei der jedoch der Guß bei einem höheren Wärmegrad erfolgte, daß die
Schnittpunkte der Schaulinien für den freien und gebundenen Kohlenstoff nicht mehr
wie in Fig. 1 bei 1,7 v. H. Si, sondern bei etwa 2 v. H. Si liegt. Die
Zugfestigkeit zeigt in beiden Reihen mit wachsendem Si-Gehalt eine geringfügige Abnahme.
Textabbildung Bd. 322, S. 156
Fig. 1.
Cg Kohlenstoff gebunden, Cf
Kohlenstoff frei, Si Silicium, σ Zugfestigkeit; Silicium u. Kohlenstoff.
3. Einfluß der Gießwärme auf die Festigkeit des
Gußeisens. Proben aus Material mit verschiedenem Si-Gehalt, von 1,29–2,5 v. H., und bei verschieden hoher Wärme gegossen,
ließen keine besondere Beeinflussung der Festigkeit durch die Gießwärme erkennen.
Die bei verschiedenen Wärmestufen gegossenen Proben wurden ferner bei 1000°
ausgeglüht. Auch hierdurch wurde keine wesentliche
Veränderung der Festigkeit hervorgerufen; jedoch scheint das Material, in dem vor
der Wärmebehandlung der Kohlenstoff hauptsächlich gebunden vorhanden war, eine
geringe Zunahme der Festigkeit erfahren zu haben, während bei Eisensorten, in denen
der Kohlenstoff vor der Wärmebehandlung als Graphit oder Temperkohle aufgetreten
war, sich eine Festigkeitsabnahme zeigt.
Textabbildung Bd. 322, S. 156
Fig. 2.
Cg Kohlenstoff gebunden, Cf
Kohlenstoff frei, Si Silicium, σ Zugfestigkeit; Kohlenstoff u. Silicium.
4. Einfluß der Erscheinungsformen des Kohlenstoffs auf die
Festigkeit des Gußeisens. Die Probestäbe waren 200 mm lang und hatten einen
rechteckigen Querschnitt von 13 × 25 mm Seitenlänge, was bei Beurteilung der
gewonnenen Ergebnisse zu berücksichtigen ist, da Materialproben in anderen Stärken
vielleicht andere Ergebnisse aufweisen dürften. Eisen mit weißem Bruch zeigte
gegenüber solchem mit grauem Bruch höhere Festigkeit. Ersteres ließ bei
mikroskopischer Untersuchung ein Gefüge erkennen, das aus wohl vermengten
Cementitkristallen und Perlitmassen bestand. Bei grauem Eisen dagegen zeigte der Schliff mit Graphit
untermischte Perlitanhäufungen, die mit Ferrit- und gelegentlich auch mit
Cementitkristallen durchsetzt waren. Je höher der Graphitgehalt des grauen Gußeisens
war, desto geringer war seine Festigkeit, während sie mit hohem Perlitgehalt
zunahm.
5. Einfluß der Erscheinungsformen des Kohlenstoffs auf die
Festigkeit des geglühten Gußeisens. Das Gefüge des ausgeglühten grauen
Gußeisens bestand aus Ferrit und Graphit, das des weißen Gußeisens aus Ferrit, der
mit Temperkohle untermischt war. Probestäbe der ersten Art ergaben eine
Zugfestigkeit von 6–8 kg/qmm, solche der zweiten Art eine Festigkeit von im
Mittel 32 kg/qmm
bei einer Dehnung von 6–12 v. H.
E.
Preuß.