Titel: | Aërogengas. |
Autor: | Friedrich Meyenberg |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 209 |
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Aërogengas.
Von Dipl.-Ing. Friedrich Meyenberg,
Braunschweig.
Aërogengas.
Es dürfte noch allgemein in Erinnerung sein, wie vor etwa 1½ Jahrzehnten der
schon fast zugunsten der elektrischen Beleuchtung entschiedene Kampf sich plötzlich
durch die Erfindung Auers für das Leuchtgas siegreich
gestaltete. Noch ist es der Elektrizität trotz lebhaftester Bemühungen, trotz der
zahlreichen namentlich in den letzten Jahren erfundenen, stromsparenden Lampen nicht
gelungen, das strittige Gebiet zu erobern, überall werden die städtischen
Gasanstalten vergrößert, neue blühen empor und werfen teilweise beträchtlichen
Reingewinn für die betreffenden Gemeinden ab. Und doch gibt es auch für sie eine
Grenze, wo der wirtschaftliche Nutzen aufhört, ja sich in sein Gegenteil zu
verkehren imstande ist: es ist das eine Grenze nach unten hin. Je kleiner die in
Frage kommende Gemeinde ist, desto geringer wird sich auch verhältnismäßig die
Rentabilität einer Leuchtgasanstalt stellen, bis sie dann bei Orten mit 1500 bis
3000 Einwohnern ganz verschwinden kann. Hier trat früher allgemein das
Petroleumlicht in die Schranken, dem aber in der Beleuchtung sowohl einzelner
Landhäuser, Restaurants, alleinstehender Fabriken wie kleinerer Ortschaften seit
einigen Jahren mächtige Konkurrenten erwachsen sind. Unter ihnen hat sich das sogen.
„Aërogengas“ in heißem Kampfe einen ehrenvollen Platz gesichert.
Im folgenden soll versucht werden, ein Bild von der Entstehung und den Eigenschaften
dieses Gases zu geben, die verschiedenartigen Anstalten zu schildern, in denen seine
Herstellung vor sich geht, und einen Begriff von seiner heutigen Bedeutung zu
ermöglichen. Dabei wird naturgemäß auch die wirtschaftliche Seite des Problems zu
behandeln und ein Vergleich mit dem mächtigen Gegner des Aërogengases, dem Acetylen,
nicht zu umgehen sein.
Wie der, übrigens wenig schöne, Name andeutet, handelt es sich um ein Luftgas, d.h.
um Luft, die Dämpfe leicht siedender Kohlenwasserstoffe aufgenommen hat. Erreicht
wird dies allgemein, indem man die Luft unter eine gewisse Pressung bringt und sie
dann in Blasenform durch den flüssigen Kohlenwasserstoff hindurchtreten läßt. Die
Versuche, auf diese Weise einen Ersatz für Steinkohlengas herzustellen, sind schon
alt; sie scheiterten alle daran, daß es nicht gelang, ein genügend gleichmäßiges Gas
zu erhalten.
Der Grund dieser Erscheinung ist leicht einzusehen, wenn wir uns zunächst die
Eigenart der hier in Frage kommenden Kohlenwasserstoffe vergegenwärtigen. Sie
entstehen sämtlich durch Destillation aus Erdöl oder Rohpetroleum; dieses wird
zuerst von erdigen und wässerigen Bestandteilen durch Abscheidung befreit und dann
mittels Dampf in einer Blase ganz allmählich erhitzt. Die sich bei einer bestimmten
Temperatur bildenden Dämpfe werden durch eine Kühlschlange geleitet, und die
alsdann entstehenden Niederschläge haben naturgemäß einen höchsten Siedepunkt,
welcher der Erzeugungstemperatur entspricht. Die einzelnen so entstandenen
Flüssigkeiten haben in der Praxis die verschiedensten Namen erhalten, die zum Teil
keinerlei tiefere Bedeutung besitzen. Sie haben mit steigendem höchsten Siedepunkte
zunehmendes spezifisches Gewicht und lassen sich etwa in folgende Reihe bringen:
spez. Gew.
Höchster Siedepunkt.
Rhigolen
0,615–0,625
35° C
Petroleumäther
0,630–0,640
45° „
Leichtbenzin
0,640–0,670
85° „
Mittelbenzin
0,675–0,720
100° „
Schwerbenzin
0,725–0,750
120° „
Petroleum
0,780–0,820
300° „
Schmieröle u. Vaseline
> 0,820
> 300° „
Uns interessieren von diesen Stoffen hier nur die Benzine, und
unter ihnen insbesondere die Leichtbenzine, welche man hauptsächlich zu
Leuchtzwecken verwendet, während die Mittelbenzine zumeist in Motoren, die
Schwerbenzine in Wäschereien und Reinigungsanstalten benutzt werden. Jene
Leichtbenzine teilt man noch wieder in das sogen. „Gasolin“ mit einem spez.
Gewicht von 0,640 bis 0,650 und in das „Solin“ mit einem spez. Gewicht von
0,655 bis 0,670. Letzteres ist das billigere und zur Aërogengasherstellung in
unserem Klima geeignetere; nur bei starkem, langanhaltendem Frost wird zu seiner
Ersetzung durch Gasolin geraten.
Untersuchen wir nun ein solches Leichtbenzin genauer, so ergibt sich zunächst, daß
die im Handel vorkommenden Sorten ganz ungemeine Verschiedenheiten untereinander
zeigen, sodann aber, was uns hier im Zusammenhange mehr interessiert, daß ein
solches Leichtbenzin wiederum aus einer Anzahl Körper besteht deren Siedepunkte von
einander abweichen. So lieferte z.B. eine fraktionierte Destillation eines solchen
im Handel bezogenen Benzins folgendes Ergebnis:
Temperaturenin ° C
Flüssigkeiten in Volumprozenten,welche bei
Erwärmung bis zuden angegebenen
Temperaturenüberdestillieren
40°
10,75
50°
26,00
60°
22,75
70°
32,00
80°
8,50
Spez. Gew. bei 15° C
0,6664
Nach dieser Betrachtung dürfte es ohne weiteres klar sein, warum der Versuch, in
der geschilderten Weise ein gleichmäßiges Luftgas darzustellen, fehlschlagen mußte:
bläst man Luft durch eine Flüssigkeit aus derartig verschieden leicht siedenden
Bestandteilen, so wird sich die Luft zunächst mit denjenigen Teilen sättigen, die
leichter sieden; allmählich aber muß die Karburierung der Luft abnehmen; denn es
bleiben immer schwerer siedende Teile zurück; der Gehalt an Kohlenwasserstoffen und
damit Heiz- und Leuchtkraft für einen Raummeter des Gases nehmen ab. Sodann ist die
Temperatur der eingeblasenen Luft von wesentlicher Bedeutung, da warme Luft an und
für sich mehr Dämpfe von Kohlenwasserstoffen aufzunehmen imstande ist, als
kalte.
Demgegenüber besteht der Grundgedanke der Aërogengaserzeugung darin, genau
abgemessene Mengen Benzin in einen luftverdünnten Raum zu bringen, wo sie
verdunsten, sie dann mit ebenfalls genau abgemessenen Mengen Luft zu vermischen und
mit dieser gemeinsam auf einen bestimmten Verbrauchsdruck, etwa 140 mm Wassersäule,
zu pressen. Entgegen der früheren Art, Luftgas herzustellen, indem man der Luft
gestattet, so viel Benzindampf in sich aufzunehmen, als den gerade vorliegenden
Verhältnissen entspricht, also bei Aenderung dieser Verhältnisse natürlich auch
verschieden viel, sorgt man also jetzt dafür, daß der Gehalt an Benzindämpfen
niemals von einer bestimmten, als richtig anerkannten Größe abweicht.
Textabbildung Bd. 322, S. 210
Aeußerlich unterscheidet sich der Apparat, in dem die Bildung des Aërogengases
erfolgt, dadurch von anderen, die zur Herstellung von Luftgas dienen, daß in ihm
Karburierung und Kompression gleichzeitig vorgenommen werden, während sonst stets
die Erzielung des erforderlichen Druckes und die Dampfaufnahme in zwei getrennten
Vorrichtungen erfolgte. Dieses sogen. Karburationsgebläse, der Gaserzeuger, ist
zusammen mit einem Schöpfwerk, welches ihm das erforderliche Benzin zuführt, im
Prinzip in Fig.
1 und 2 dargestellt. In dem allseitig geschlossenen Zylinder 1 dreht sich um die in den Stopfbüchsen 10 und 11 abgedichtete
Achse 9 die Schraubenrohrpumpe 2. Sie wird durch die hohle Blechtrommel 3
gebildet in der vier Rohre von rechteckigem Querschnitte 5
51
52
53 nebeneinander
schraubenförmig aufgewunden sind. Sie sind auf der einen, linken, Seite offen, auf
der anderen münden sie in die hohle Achse 9, die,
durch Stopfbüchse 11 gegen den ersten Raum, den
Saugraum, abgeschlossen, in einen zweiten, den Druckraum, mündet. Als einzige
Verbindung zwischen diesen beiden Räumen dient das ∪-förmig gebogene Rohr 14. Während der Druckraum durch das Rohr 20 an den Gaseinlaß des Gasmessers D angeschlossen ist, kann in den Saugraum Luft durch
den Stutzen 15 eintreten. Im allgemeinen ist dieser
allerdings durch ein Rückschlagventil geschlossen, das durch den Gewichtshebel 16 jedoch nur so lange in dieser seiner Lage gehalten
wird, als nicht ein genügend großer Unterdruck im Saugraume herrscht. Ein zweiter
Stutzen ist durch das Rohr 18 mit der Vorrichtung
verbunden, welche das Benzin in genau abgemessenen Mengen dem Gaserzeuger zuführt.
Oben auf dem Benzinbehälter B, einem kreisrunden,
allseitig geschlossenen Gefäß, sitzt nämlich das Schöpfwerk C. Dieses besteht aus einer Scheibe, die sich um die Achse 19 dreht und am Umfang sechs, um Zapfen schwingende
Becher trägt, welche in das Benzin tauchen. Durch eine halbkreisförmige Haube ist
das Ganze luftdicht verschlossen. Wird das Schöpfwerk nun gedreht, so wird in den
Bechern Benzin mit nach oben genommen; über einer an der Haube angebrachten Schale
werden die Becher aber zwangsweise umgekippt und entleeren ihren Inhalt in die
Schale, die durch das Rohr 18 mit dem Saugraume in
Verbindung steht. Wird nun die Achse 9 des
Gaserzeugers, der zu ⅖ mit Wasser gefüllt ist, von der Antriebscheibe 12 aus in Umdrehung versetzt, so entsteht, da das in
die Schlangenrohre eintretende Wasser die in diesen enthaltenen Luftsäulen absperrt
und fortdrückt, im Saugraume ein Unterdruck, und das in diesen eintropfende Benzin
wird lebhaft verdampfen. Etwa nicht verdampftes Benzin schwimmt als feine Schicht
mit großer Oberfläche auf dem Wasser und verdunstet im Laufe des weiteren Prozesses.
Nunmehr gelangt demnach in die Schlangenrohre nicht mehr reine, sondern carburierte
Luft und diese wird in ihnen mit Hilfe der als Abschluß und Kolben wirkenden
Wassersäulen auf die gewünschte Pressung gebracht. Deren Größe hat man von
vornherein vollkommen in der Hand, da sie nur von der Anzahl der Rohrwindungen
abhängt. Gleichzeitig mit dem Gas gelangt selbstverständlich auch Wasser mit in den
Druckraum, das sich aber hier natürlich abscheidet und durch das ∪-förmige Rohr in
den Saugraum zurücktreten kann. Sobald in diesem der Unterdruck unter ein bestimmtes
Maß sinkt, öffnet sich das Rückschlagventil 15 und läßt
frische Luft ein. Wird dagegen im Druckraum der Druck zu hoch, so tritt durch das
∪-Rohr Gas in den Saugraum zurück. Die Größe beider Spannungen läßt sich genau
festlegen, jene durch Veränderung der Gewichtsbelastung des Rückschlagventils, diese
durch Wahl einer entsprechenden Länge des ∪-Rohres.
Vom Druckraume aus fließt das Gas durch Rohr 20 zu einer
nassen Gasuhr D bekannter Konstruktion, die sich nur
dadurch von der sonst üblichen Ausführung unterscheidet, daß sie eine verlängerte
Achse erhält; mit ihr ist die Achse 19 des oben
beschriebenen Schöpfwerkes gekuppelt die sich daher nur dann dreht, wenn Gas durch
den Gasmesser fließt.
Der Gaserzeuger hat infolge dieser eigentümlichen Anordnung die Fähigkeit, seine
Produktion genau dem Verbrauche anzupassen. Selbstverständlich wird ja durch den
Gasmesser hindurch nur so viel Gas abgezogen, als dem augenblicklichen Bedarfe
entspricht; der Gasmesser und damit das Schöpfwerk wird hiernach eine entsprechende
Umdrehungsgeschwindigkeit erhalten, also auch soviel Benzin fördern, als zur
Herstellung des in jedem Augenblicke gebrauchten Gases erforderlich ist. Wird
nirgends eine Flamme gebrannt, so steht natürlich der Gasmesser und damit
auch das Schöpfwerk still. Gleichzeitig aber steigt auch im Druckraume die Pressung,
bis wie geschildert ein Ausgleich nach dem Saugraume durch das ∪-Rohr hindurch
eintritt. Wird aber hierdurch der Unterdruck im Saugraum vernichtet, so öffnet sich
natürlich auch das Ventil 15 nicht mehr, d.h. in diesem
Falle entsteht einfach ein Umlauf unkarburierter Luft vom Saugraum durch die
Schraubenrohrpumpe in den Druckraum und durch das ∪-Rohr in den Saugraum zurück.
Wenn man bedenkt, daß sich dieser Prozeß, den man gewissermaßen einen Leerlauf des
Gaserzeugungsapparates nennen kann, vollständig selbsttätig statt des nach und nach
schwächer gewordenen normalen Karburierungsprozesses einstellt, sobald die Pressung
im Druckraum die entsprechende Höhe erlangt hat, so wird man verstehen, daß der
Apparat eine außerordentliche Anpassungsfähigkeit an den naturgemäß stets
schwankenden Betrieb besitzt. Ferner dürfte es klar sein, daß die oben aufgestellte
Grundforderung der Gleichartigkeit des erzeugten Gases mit Hilfe des beschriebenen
Apparates erfüllt ist; hier wird wirklich einer bestimmten Menge Luft stets eine
genau abgemessene Menge Benzin beigemischt.
Dadurch wird nun vor allem erzielt, daß die von vornherein befürchtete Abscheidung
der Benzindämpfe bei Abkühlung des Gases unter die Erzeugungstemperatur, wie sie im
normalen Betriebe zur Winterszeit stets eintreten kann, nicht oder doch nur in einem
Maße stattfindet, daß sie für die Praxis bedeutungslos ist. Beiden älteren Arten
Luftgas war ganz naturgemäß häufig das entgegengesetzte der Fall: durch die bei
deren Erzeugung stattfindende Berührung der Luft mit vergleichsweise erheblichen
Mengen Benzin war die Möglichkeit der Sättigung dieser Luft mit Benzindämpfen
gegeben. Nun sinkt ja aber die Aufnahmefähigkeit der Luft bei Erniedrigung ihrer
Temperatur; fand also die Erzeugung des Lüftgases bei 10° statt und trat dann im
Rohrnetz eine Abkühlung auf vielleicht 0° ein, so mußte eine Abscheidung unbedingt
stattfinden, wenn vorher bei 10° eine Sättigung vorhanden war. Anders liegt die
Sache jetzt hier. Das in Frage kommende Leichtbenzin besteht in der Hauptsache aus
Pentan C5H12 und Hexan C6H14. Nehmen wir zur
Vereinfachung der Rechnung, die nur zur Veranschaulichung der Vorgänge, nicht zu
deren zahlenmäßiger Verfolgung dienen soll, einmal an, daß das erstere ⅓, das
letztere ⅔ der ganzen Flüssigkeit ausmache. Die Dampfspannung bei 0° C beträgt für
Pentan 183,25 mm, für Hexan 45,45 mm, ist also für das in Frage kommende Benzin rund
91 mm. Es können demnach bei 0^{\circ}\,\mbox{C}\,\frac{91\cdot 100}{760}=\,\sim\,12 v. H. Raumteile Benzin der Luft beigemischt
werden, ohne daß eine Wiederausscheidung zu befürchten ist, solange die Temperatur
über 0° bleibt. Nun beträgt das Gewicht eines Liters Pentandampf ∾ 3,22 g, dasjenige
eines Liters Hexandampf ∾ 3,84 g. Nehmen wir danach dasjenige eines Liters
Benzindampf zu 3,65 g an, natürlich stets für 0° C, so ergibt sich, daß bei dieser
Temperatur dann eine Sättigung der Luft mit Benzindämpfen stattgefunden hat,
wenn auf 1 cbm Luft 120 . 3,65 = ∾ 440 g verbraucht sind. Tatsächlich wird aber das
Aërogengas durch Einträufeln von höchstens 250–260 g Benzin für 1 cbm Luft erzeugt.
Danach kann also erst eine Abscheidung von Benzin durch Abkühlung des Gases bei
Temperaturen, die weit unter 0° C liegen, stattfinden. Berücksichtigt man nun, daß
bei richtiger Verlegung der Rohrleitung das diese durchströmende Gas bei seinem Wege
von der Gasanstalt bis zur Verbrauchsstelle selbst bei scharfem Froste schwerlich
unter –5° C abgekühlt werden wird, und wählt man ferner, wie bereits erwähnt,
während dieser Zeit zur Vorsicht statt des Solins ein Gasolin, also ein Benzin, bei
dem die Verhältnisse noch günstiger liegen als oben geschildert, so ist man wohl
berechtigt, die Gefahr der nachträglichen Ausscheidung des Karburationsmittels für
belanglos zu erklären. Tatsächlich hat denn auch die Praxis, die mehrjährige
Erfahrung an ausgeführten Anlagen, diese Ansicht durchaus bestätigtDr. E. Schilling
kommt in einem eingehenden Gutachten über die Anlage in Kehlheim in Bayern,
an der er zur Zeit scharfen Frostes Beobachtungen machte, auf welche weiter
unten noch näher einzugehen ist, zu der gleichen
Schlußfolgerung..
Was die ferneren Eigenschaften des Aërogengases anbelangt, so ist es, man möchte fast
sagen glücklicherweise, wie alle anderen Leuchtgasarten
imstande, mit Luft explosible Gemische zu bilden. Denn wenn dadurch auch eine
gewisse Gefahr für alle an eine derartige Gasanstalt angeschlossenen Häuser
entsteht, so verdankt man doch nur dieser Tatsache die Möglichkeit, das Gas zur
unmittelbaren Krafterzeugung im Motor verwenden zu können. Uebrigens ist jene Gefahr
auch nicht von der Bedeutung, die man ihr zunächst beizulegen versucht ist;
jedenfalls scheint sie eher geringer als größer wie diejenige zu sein, welche bei
der Benutzung anderer Leuchtgasarten als selbstverständlich in Kauf genommen wird.
Das hängt wohl hauptsächlich damit zusammen, daß das Aërogengas unter jenen Gasarten
insofern eine Ausnahme bildet, als es schwerer als Luft ist, nämlich ein spez.
Gewicht von 1,2 hat. Und das ist wohl der Grund für die auffallende Tatsache, daß
sich Aërogengas, obgleich zum größten Teile aus Luft bestehend, nur sehr schwer mit
dieser mischt. Auch werden die verhältnismäßig nahe bei einander liegenden
Explosionsgrenzen hieran nicht unbeteiligt sein, namentlich der Umstand, daß die
untere und für die vorliegende Frage wichtigere ziemlich hoch liegt, d.h. daß
einerseits erst dann eine Explosion eintreten kann, wenn das Verhältnis Gas zu Luft
recht groß geworden ist, nämlich 0,34, also schon recht viel Gas ausgeströmt ist,
andererseits schon verhältnismäßig bald die Explosionsfähigkeit wieder aufhört,
nämlich sobald jenes Verhältnis auf 0,65 gestiegen ist. Um ein Urteil darüber zu
ermöglichen, wie diese Verhältnisse sich für andere explosible Gemische gestalten,
möge hier eine kleine von Eitner aufgestellte Tabelle
folgen. Danach ist der Explosionsbereich eines Brennstoffluftgemisches:
Tabelle 1.
Kohlen-oxyd
Wasser-stoff
Wasser-gas
Acety-len
Leucht-gas
Aethy-len
Alkohol95,14Gew. v. H.
Methan
Aether
Benzol
Pentan
Benzin
Aëro-gengas
Untere Explo-sionsgrenze
16,5
9,45
12,40
3,35
7,9
4,1
3,95
6,1
2,75
2,65
2,4
2,4
34
Obere Explo-sionsgrenze
74,95
66,40
66,75
52,30
19,1
14,6
13,65
12,8
7,70
6,50
4,9
4,9
65
Differenz
58,45
54,95
54,35
49,05
11,2
10,5
9,70
6,7
4,95
3,85
2,5
2,5
31
Die letzte Reihe dieser Tabelle mit den schon oben genannten Zahlen ist von mir
zum Vergleich hinzugesetzt worden; sie ist selbstverständlich durch Rechnung ohne
weiteres aus der vorletzten abzuleiten. Wie ersichtlich, liegt das Aërogengas in
bezug auf die Größe des Explosionsbereiches zwischen Acetylen und Leuchtgas; doch
ist diesen beiden sowie allen in der Tabelle enthaltenen Gasarten gegenüber die sehr
hohe Lage der unteren Explosionsgrenze als Vorteil zu betrachten. So stellt sich
denn auch bei näherer Betrachtung heraus, daß durchaus nicht alle Unglücksfälle,
welche in der Fach- und Tagespresse als Aërogengasexplosionen gekennzeichnet werden,
tatsächlich solche sind, sondern häufig Benzinbrände. Kaum bedarf es an dieser
Stelle des Hinweises auf die Tatsache, daß Benzin, also der zur Aërogengasbereitung
benutzte Körper sehr feuergefährlich ist; das ist ja etwas allgemein bekanntes.
Vorsicht bei der Behandlung dieses Stoffes und Beachtung aller von
sachverständiger Seite gegebenen Verhaltungsmaßregeln ist durchaus am Platze, wenn
man sich vor Schaden behüten will. Andererseits ist bei richtiger konstruktiver
Durchbildung der ganzen Anlage und genauer Befolgung jener Vorschriften die Gefahr
eines Unglücksfalles nicht so groß, daß man deshalb auf die Herstellung und
Verwertung des Aërogengases verzichten müßte. Gibt es doch wohl kaum eine
Beleuchtungsart, die nicht in irgend einer Weise Brand- oder Explosionsgefahr mit
sich brächte. Das liegt nun einmal in der Natur der Sache und muß als unabänderlich
hingenommen werden. Fordern muß man bei neuen Vorschlägen nur, daß jene Gefahren
sich in den bei bekannten Beleuchtungsarten gewohnten Grenzen halten und sich durch
sorgfältige Durchbildung und Behandlung der betr. Apparate annähernd vollständig
vermeiden lassen.
(Fortsetzung folgt.)