Titel: | Graphodynamische Untersuchung einer Heusinger-Joy-Steuerung. |
Autor: | Eduard Dafinger |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 214 |
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Graphodynamische Untersuchung einer
Heusinger-Joy-Steuerung.
Ein Beitrag zur Erkenntnis der
Bewegungsverhältnisse der Steuerungsgetriebe.
Von Dipl.-Ing. Eduard Dafinger,
München.
(Fortsetzung von S. 169 d. Bd.)
Graphodynamische Untersuchung einer
Heusinger-Joy-Steuerung.
III. Bestimmung der
Trägheitskräfte.
Vom einfachsten Fall ausgehend soll die Behandlung der Massenwirkung für das ganze
Steuerungsgetriebe gezeigt werden.
Fig. 28. Die materielle Stange AB rotiere um den festen Punkt A in der Weise, daß der Endpunkt B der Stange
momentan die Beschleunigung Bj besitzt. Die Masse der Stange sei gleichmässig auf die ganze Länge
verteilt und die Querabmessungen sollen gegenüber den Längenabmessungen
vernachlässigt werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 214
Fig. 28a.
Man betrachtet zuerst in Fig. 28a die dynamische
Wirkung eines unendlich kleinen Massenteilchens m von
der Länge dx im Abstande x
vom Drehpunkt A. Bezeichnet M die Masse der ganzen Stange und l die Länge
der Stange, so ist
m=M\cdot \frac{d\,x}{l}
Das Massenteilchen m hat die
Beschleunigung mj, die bestimmt wird, indem man D mit A verbindet und mj parallel zu Bj, bis zum Schnitt mit DA zieht. Nach dem d'Alembertschen Prinzip kann die dynamische Wirkung des bewegten
Massenteilchens m durch Einführung einer gedachten
äußeren Kraft dK der Trägheitskraft ersetzt werden.
Diese muß stets entgegengesetzt gerichtet der Beschleunigung mj sein, und ist ihrer Größe nach:
\begin{array}{rcl}d\,K&=&m\cdot m_j=M\,\frac{d\,x}{l}\cdot B_j\cdot \frac{x}{l}\\ &=&M\cdot B_j\cdot \frac{d\,x}{l^2}.\end{array}
Denkt man sich die ganze Stange AB in lauter kleine Massenteilchen von der Länge dx zerlegt und für jedes die Trägheitskraft dK bestimmt, so müssen die Endpunkte aller dK
auf einer Geraden liegen, da auch die Endpunkte aller Beschleunigungen mj auf einer geraden
Linie liegen. Ferner müssen sie selbst und ihre Resultierende die gleiche Richtung
haben und zwar entgegengesetzt den Beschleunigungen. Die Größe dieser Resultierenden
erhält man durch Integration der obigen Gleichung.
Textabbildung Bd. 322, S. 214
Fig. 28b.
K=\int_0^1\,d\,K=\int_0^1\,M\cdot B_j\cdot \frac{1}{l^2}\cdot x\cdot d\,x
=M\cdot B_j\cdot \frac{1}{l^2}\cdot \frac{l^2}{2}-\frac{1}{2}\,M\cdot B_j.
Der Angriffspunkt der Resultierenden K bestimmt sich nach Fig. 28b durch die
Bedingung, daß das statische Moment der Resultierenden gleich der Summe der
statischen Momente der Einzelkräfte sein muß. Zieht man AF senkrecht auf die Kraftrichtung, so ist für eine Einzelkraft dK das statische Moment:
\begin{array}{rcl} \frakfamily{M}&=&d\,K\cdot A\,G\\ &=& M\cdot B_j\cdot \frac{1}{l^2}\cdot x\cdot d\,x\cdot x\,\mbox{cos}\,\varphi\\
&=&M\cdot B_j\cdot \frac{1}{l^2}\cdot \mbox{cos}\,\varphi\cdot x^2\cdot d\,x.\end{array}
Das Integral dieser Gleichung gibt das resultierende statische
Moment:
\begin{array}{rcl} \frakfamily{M}&=&M\cdot B_j\cdot \frac{1}{l^2}\cdot \mbox{cos}\,\varphi\cdot \int_0^1\,x^2\cdot d\,x\\
&=& M\cdot B_j\cdot \frac{1}{l^2}\cdot \mbox{cos}\,\varphi\cdot \frac{1}{3}\,l^3\\ &=&M\cdot B_j\cdot \frac{1}{3}\,l\cdot
\mbox{cos}\,\varphi.\\ &=&K\cdot \frac{2}{3}\,l\cdot \mbox{cos}\,\varphi.\end{array}
Aus der Figur ergibt sich das statische Moment der Kraft K.
\frakfamily{M}=K\cdot A\,C\cdot \mbox{cos}\,\varphi.
Es muß also:
A\,C=\frac{2}{3}\,l=\frac{2}{3}\,A\,B
sein.
Die gedachte Trägheitskraft K, deren Größe und
Angriffspunkt vorstehend bestimmt wurden, ersetzt die dynamische Wirkung der
bewegten Stange AB von der Masse M. Die dynamische Aufgabe wurde dadurch in eine
statische verwandelt.
Textabbildung Bd. 322, S. 215
Fig. 29a.
Fig. 29. Die Stange AB
werde so bewegt, daß A die Beschleunigung Aj und B die Beschleunigung Bj hat. Es ist Richtung, Größe und Angriffspunkt der
Trägheitskraft der Stange AB zu suchen. Angenommen sei
wieder, daß die Masse gleichmässig auf die geometrische Linie AB verteilt ist.
In Fig. 29a wird die dynamische Wirkung eines
unendlich kleinen Massenteilchens m im Punkte C untersucht. Nach Fig.
14 ist die Beschleunigung des Teilchens m die
Resultierende aus zwei Komponenten, Cj' und Cj''. Die erstere ist die Beschleunigung, die C erhält durch die Bewegung des Punktes B und die letztere ist die Beschleunigung, die C erhält durch die Bewegung des Punktes A. Diese Zerlegung der Bewegung kann man auch auf die
Trägheitskräftebestimmung ausdehnen, und demgemäß zuerst die Trägkeitskraft Dk bestimmen. Diese
Kraft Dk ersetzt dann
die dynamische Wirkung der Stange, welche von der Bewegung herrührt, die der Stange
im Punkte B erteilt wird. Diese Kraft Dk und die weitere
Trägheitskraft Ek, die
die dynamische Wirkung der Stange ersetzt, welche von der Bewegung herrührt, die der
Stange im Punkte A erteilt wird, werden nach Fig. 28
bestimmt. Danach ist
D_k=\frac{1}{2}\,M\,B_j und E_k=\frac{1}{2}\,M\cdot A_j.
Dk ist parallel Bj und Ek
parallel Aj. Ihre
Angriffspunkte auf der Stange AB sind so gelegen,
daß
A\,E=\frac{1}{3}\,A\,B und B\,D=\frac{1}{3}\,A\,B
wird.
Textabbildung Bd. 322, S. 215
Fig. 29b.
In Fig. 29b sind Ek und Dk zu einer Resultierenden Fk vereinigt, die ihrer Größe und Richtung
nach die Trägheitskraft der Stange AB darstellt und als
eine gedachte Kraft im Angriffspunkte F die dynamische
Wirkung der bewegten Stange ersetzt.
Die Bestimmung der Trägheitskraft für die bewegten Steuerungsteile ist bei allen
Stangen und Hebeln nach vorstehenden Erläuterungen durchzuführen und immer die
gleiche, weshalb in den folgenden Figuren von der jedesmaligen Aufsuchung derselben
abgesehen werden kann und nur die statische Verteilung der Trägheitskräfte auf die
Gelenkpunkte der Steuerung untersucht werden soll. Bei der Berechnung der
Trägheitskraftkomponenten aus der Formel
K=\frac{1}{2}}\,M\cdot j,
ist es nötig, die Beschleunigung j der Stangenendpunkte und die Masse der Stange zu kennen.
Erstere wurden schon im zweiten Teil der Aufgabe bestimmt und letztere kann aus der
Tab. 1 entnommen werden. Im folgenden ist stets die Trägheitskraft einer Stange mit
K0 bezeichnet,
während die nach den Gelenkpunkten zerlegten Trägheitskräfte mit dem Buchstaben des
betreffenden Gelenkpunktes und dem Index k bezeichnet
werden.
Fig. 30. K0 ist die Trägheitskraft der Mitnehmerstange MN. Es soll die Verteilung derselben auf die einzelnen
Gelenkpunkte K, I, H, L, M, N und O gesucht werden. Die Stange KI ist um K frei drehbar; es kann somit das
Gelenk I nur eine Kraft aufnehmen und nach
Tabelle 1.
Längein mm
Gewichtin kg
Masse inkg \frac{\mbox{sek}^2}{m}
Schieber und Schieberstange
–
107,10
10,92
Voreilhebel MN
700
18,50
1,89
Mitnehmerstange NO
295
5,50
0,56
Schubstange JL und Stein H
1077
40,50
4,13
Hängestange KJ
285
5,50
0,56
Kulisse
–
32,00
3,26
Hebel FG
515
15,00
1,53
Hebel EF
534
21,50
2,19
Hebel BC
480
18,00
1,84
Hebel CD
760
12,50
1,27
Innere Steuerungsteile
–
107,10
10,92
Aeußere Steuerungsteile
–
169,00
17,23
Ganzes Steuergetriebe
–
276,00
28,15
K weiterleiten, welche die
Richtung KI hat. Desgleichen kann der Stein H nur eine Kraft aufnehmen, die senkrecht zur
Kulissenkrümmung im Punkte H steht, denn jede anders
gerichtete Kraft würde eine Komponente in Richtung der Kulissenkrümmung haben, und
dieser könnte der Stein keinen Widerstand entgegensetzen, da er in der Kulisse frei
gleiten kann. Die dritte an der Stange IHL an greifende
Kraft ist die in L auftretende Trägheitskraft, deren
Richtung derart sein muß, daß sie sich mit den beiden Richtungen der Kräfte in I und H in einem Punkte
schneidet; denn nur dann ist die Stange IL im
Gleichgewicht KI und die Richtung von Hk schneiden sich im
Punkte Q. Somit muß die noch unbekannte Kraft Lk die Richtung QL haben. An der Stange MN
greift die gedachte Trägheitskraft K0 an, die sich auf die drei Gelenkpunkte N, L und M verteilt. Die
Richtung der in L auftretenden Kraft ist schon oben
bestimmt und ist QL. Die Richtung der Kraft in M kann nur senkrecht zur Geradführung der
Schieberstange sein; denn jede anders gerichtete Kraft würde eine Komponente in
Richtung der Schieberstangenführung haben, und dieser Komponente würde die
Schieberstange keinen Widerstand entgegensetzen können. Schließlich ist noch die
Kraft in N vorhanden, die nur die Richtung NO haben kann, da NO frei
drehbar um O ist. Es ist nun die statische Aufgabe zu
lösen, die Trägheitskraft K0 nach diesen drei Richtungen zu zerlegen. Man bringt die beiden
Richtungen der Kräfte in M und N in Z zum Schnitt. Desgleichen bestimmt man
den Schnittpunkt U der Richtung von K0 mit QL. Z wird mit U verbunden
und K0 als K'0 nach U verlegt. K'0 zerlegt man in zwei Komponenten, deren eine L''k die Richtung ULQ hat und deren andere Uk die Richtung UZ hat. Uk
wird als U'k nach Z verlegt und da in die Komponenten M'k und N'k zerlegt, die dann
in ihren Richtungen nach den Punkten M und N verlegt die Kräfte Mk und Nk geben. Nk wird in Richtung der Stange NO weitergeleitet und in O
als die Kraft Ok vom
Kreuzkopf aufgenommen. L''k wird nach L versetzt und gibt da Lk; doch kann der Punkt L
diese Kraft nicht direkt aufnehmen, sondern leitet sie nach H und I weiter. Man verlegt deshalb die Kraft
Lk als L'k nach Q und zerlegt diese Kraft da in die beiden Komponenten
I'k und H'k, die in ihren Richtungen nach I und H versetzt die gesuchten Kräfte Ik und Hk geben. Die Kraft Hk wird von der Kulisse
aufgenommen und durch die Hebel FG und EF weitergeleitet. In welcher Weise dies geschieht,
soll in der Fig. 33 erläutert werden. Ik wird durch die
Stange IK nach K
weitergeleitet und tritt hier als die Kraft Kk auf. Die gesuchte Verteilung der Trägheitskraft
K0 auf die
verschiedenen Gelenkpunkte wäre somit eine derartige, dass auf M die Kraft Mg, auf N die Kraft Nk, auf O die Kraft Ok, auf L die Kraft Lk, auf I die Kraft Ik, auf K die Kraft Kk und auf H die Kraft Hk trifft.
Textabbildung Bd. 322, S. 216
Fig. 30.
Textabbildung Bd. 322, S. 216
Fig. 31.
Fig. 31. Gegeben ist die Trägheitskraft K0 der Stange NO. Die Verteilung derselben auf die
Steuerungsgelenkpunkte K, I, H, L, M, N und O soll gesucht werden. Die Richtungen der Kräfte in I, H, L und M bestimmen
sich wieder wie in Fig. 30. An der Stange MN greifen drei Kräfte an. Von zweien dieser Kräfte,
nämlich der in M und der in L auftretenden Kraft sind bereits die Richtungen bekannt. Erstere ist das
Lot in M auf der Schieberstangenführung und letztere
ist QL. Damit Gleichgewicht an der Stange MN ist, muß die Richtung der dritten Kraft in N durch den Schnittpunkt U
der beiden andern Richtungen gehen. Auch an der Stange NO müssen sich die drei Kräfte K0, Nk und Ok in einem Punkte schneiden, weshalb man K0 als K'0 nach dem
Schnittpunkt Z der Trägheitskraft K0 mit der Richtung von
Nk verlegt und da
in zwei Komponenten zerlegt, deren eine N'k die Richtung UZN hat
und deren andere O'k
die Richtung ZO hat. Diese beiden Kraftkomponenten sind nach O und N verlegt die Kräfte
Ok und Nk. Während Ok vom Kreuzkopf
aufgenommen wird, wird Nk nach M und L
weitergeleitet. Man verlegt Nk als N''k
nach U und zerlegt es da in die bekannten Richtungen
der Kräfte in L und M.
L'k und M'k sind die Kraftkomponenten von N''k, die nach L und M verlegt die Kräfte Lk und Mk geben. Mk wird von der Schieberstangenführung aufgenommen
und Lk wird nach I und H weitergeleitet.
Man verlegt deshalb Lk
als L''k nach Q und zerlegt es wie in Fig.
30 in die Komponenten I'k und H'k, die in ihren
Richtungen nach I und H
versetzt die Kräfte Ik
und Hk geben. Ik wird wieder nach K weitergeleitet und greift hier als die Kraft Kk an. Hk wird von der Kulisse
aufgenommen. Die gesuchten Kräfte an den Gelenkpunkten K, I,
H, L. M, N und O sind dann Kk, Ik, Hk, Lk, Mk, Nk und Ok.
Fig. 32. Gegeben ist die Trägheitskraft K der Schubstange IHL. Es
soll die Verteilung dieser Kraft auf die Punkte K, I, H, M,
N und O bestimmt werden. Die Richtungen der
Kräfte, die die Punkte K, I, H, M, N, und O aufnehmen können sind schon in Fig. 29 bestimmt
worden. Demnach müssen Kk und Ik die
Richtung KI haben, Hk muß senkrecht zur Kulissenkrümmung im Punkte H stehen, Mk muß senkrecht zur Schieberstangenführung sein und
die beiden Kräfte Ok
und Nk müssen in die
Richtung NO fallen. Nun bleibt noch übrig die
Kraftrichtung im Punkte L zu bestimmen. Lk greift mit Mk und Nk an der Stange MLN an. Damit diese im Gleichgewicht ist, müssen die
drei Kraftrichtungen in einem Punkte sich schneiden. Der Schnittpunkt der
Kraftrichtungen von Mk
und Nk ist der Punkt
Z. Danach ist die Richtung von Lk die Linie LZ. Die Trägheitskraft K0 muß auf die drei Punkte I, H und L verteilt
werden, wobei die Richtungen der in diesen Punkten auftretenden Kräfte ganz
bestimmte sind. Man verlegt K0 bis zum Schnittpunkt U mit der
Kraftrichtung ZL und zerlegt K'0 = K0 in die beiden Komponenten Uk und L'k. Die erstere Komponente Uk muß die Richtung UQ haben, denn nur dann läßt sie sich im Punkte Q nach den für Ik und Hk vorgeschriebenen Richtungen zerlegen. Die
zweite Komponente L'k wird nach L verlegt die Kraft Lk sein. Lk wird nach M und N weitergeleitet.
Man verlegt Lk als L''k nach dem Punkte
Z und zerlegt es da in M'k und N'k. M'k hat die Richtung ZM
und wird nach M versetzt die Kraft Mk sein. N'k hat die Richtung
ZNO und ist nach N
versetzt die Kraft Nk, die durch die Stange NO nach O weitergeleitet
wird und hier als die Kraft Ok angreift. In der Figur sind diese letzten beiden Werte der Deutlichkeit
wegen in zehnfacher Größe eingezeichnet worden. Von der Zerlegung der Kraft K'0 ist noch die
Komponente Uk übrig,
die nach dem Punkte Q verlegt wird und hier als U'k nach den beiden
Richtungen QH und QI
zerlegt wird. Die so erhaltenen Komponenten sind in H
und I angreifend die beiden Kräfte Hk und Ik. Hk wird von der Kulisse
aufgenommen und Ik wird
nach K weitergeleitet und tritt hier als die Kraft Kk auf. Kk, Ik, Hk, Lk, Mk, Nk und Ok sind dann die in
dieser Figur gesuchten Kräfte, die von der dynamischen Wirkung der bewegten Stange
IL herrühren.
Textabbildung Bd. 322, S. 217
Fig. 32.
(Fortsetzung folgt.)