Titel: | Die neue Universal-Rundlaufmaschine (System v. Pittler) und ihre Anwendungen in der Praxis. |
Autor: | Hans Dominik |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 258 |
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Die neue Universal-Rundlaufmaschine (System v.
Pittler) und ihre Anwendungen in der Praxis.
Von Ingenieur Hans Dominik,
Berlin.
(Schluß von S. 244 d. Bd.)
Die neue Universal-Rundlaufmaschine (System v. Pittler) und ihre
Anwendungen in der Praxis.
Die zweite Anwendung der Pittlerschen
Kraftübertragung betrifft den Motorwagen. Es ist ja zur Genüge bekannt, daß der
Benzinmotor an sich kein guter Traktionsmotor ist. Vom Traktionsmotor muß verlangt
werden, daß er bei geringen Umdrehungszahlen die höchsten Drehmomente gibt. Dann
darf das Drehmoment bei steigender Tourenzahl fallen, während das Produkt aus
Drehmoment und Tourenzahl, die Leistung, schwach parabolisch steigt. Am besten
finden wir diese Verhältnisse beim Hauptschlußelektromotor wiedergegeben. Die
Kurven des Benzinmotors sehen bekanntlich erheblich anders aus. Bei geringer
Tourenzahl ist auch sein Drehmoment außerordentlich gering. Mit wachsender
Tourenzahl steigt zunächst das Drehmoment. Sehr bald aber erreichen die inneren
Widerstände mit weitersteigender Tourenzahl einen solchen Wert, daß die nach außen
verfügbare Arbeit, das äußere Drehmoment, wieder stark abfällt, und sich schließlich
beim Leerlauf des Motors der Null nähert. Tragen wir daher in einem
koordinaten System die Tourenzahlen eines Motors auf der Abscisse auf und die
zugehörigen Drehmomente als Ordinaten, so erhalten wir eine flache Parabel, welche
vom koordinaten Nullpunkt ausgeht und bei der Tourenzahl des mit vollem Gasgemisch
leerlaufenden Motors die Abscisse wieder schneidet. Die Leistungskurve ergibt eine
erheblich steilere Parabel, welche jedoch gleichfalls durch die beiden eben
genannten Punkte geht. Um mit dem Benzinmotor möglichst wirtschaftlich zu arbeiten,
muß man für den Betrieb am besten die Gegend um den Parabelscheitel wählen, man muß
den Motor mit derjenigen Tourenzahl laufen lassen, welche dem höchsten Drehmoment
entspricht, dieser Tourenzahl angepaßt die Zündung einstellen und gegebenenfalls das
Drehmoment durch die Gasdrosselung regeln. Bei einem möglichst wirtschaftlichen
Betrieb muß also der Benzinmotor ähnlich wie ein elektrischer Nebenschlußmotor
laufen, der bekanntlich für die Traktion sehr wenig geeignet ist.
In der Praxis verbessert man diese Uebelstände durch das Geschwindigkeitsgetriebe,
eine Reihe von Zahnradvorgelegen sehr verschiedener Uebersetzung, welche den
jeweiligen Verhältnissen entsprechend eingeschaltet werden und die Leistung des
Benzinmotors durch Vergrößerung, des Drehmomentes bei entsprechend verringerter
Tourenzahl umformen. Dabei muß der unvermeidliche Arbeitsverlust eines jeden
Zahntriebes mit in Kauf genommen werden. Bedenklich bleibt ferner das Einschlagen
neuer Zahnradpaare während des Betriebes, welches bei unvorsichtiger Handhabung
seitens des Chauffeurs nicht selten zum Wegbrechen einzelner Zähne führt.
Schließlich arbeitet das Geschwindigkeitsgetriebe nicht selbsttätig, sondern muß vom
Chauffeur unter fortwährender Berücksichtigung der Steigungen und Wegeverhältnisse
bedient werden. Ist der Chauffeur unaufmerksam, so kommt der Motor gelegentlich
außer Schwung, der Wagen hat Aufenthalt und gerät bei starken Steigungen bisweilen
in recht unangenehme Lagen. Alle diese Nachteile des Geschwindigkeitsgetriebes sind
genügend bekannt und haben u.a. zu den Kraftwagen mit elektrischer
Arbeitsübertragung geführt. Bei der Pittlerschen
Arbeitsübertragung ist die Aufgabe, die ungünstige Leistungskurve des Benzinmotors
in eine günstige Leistungskurve umzuformen, in folgender Weise gelöst. Mit dem
Benzinmotor ist unmittelbar eine in einem späteren Aufsatz noch näher zu
beschreibende Pumpe gekuppelt, welche mit vier getrennten, einzeln ein- und
auszuschaltenden Arbeitsräumen versehen, die parallel geschaltet in die Druckleitung
fördern. Es ergeben sich hierdurch vier Fördermengen im Verhältnis 1 : 2 : 3 : 4, je
nachdem 1, 2, 3 oder 4 Förderräume eingeschaltet sind.
Diese Verhältnisse werden nun in recht geistreicher Weise zu einer selbsttätigen
Regulierung benutzt. Die selbsttätige Zu- oder Abschaltung der einzelnen Förderräume
erfolgt durch einen Steuerkolben, welcher seinerseits durch den Oeldruck beeinflußt
wird. Nehmen wir also an, der Wagen fährt mit der Fördermenge 4 und verhältnismäßig geringem Druck in voller
Geschwindigkeit auf ebener Straße. Das von der Pumpe geförderte Oel durchströmt die
beiden parallel geschalteten Kapselwerke der Hinterräder, welche gleichzeitig das
Differenzial ersetzen. Die Straße beginnt nun zu steigen. Alsbald kommt der erhöhte
Wagenwiderstand auch an den Drehkörpern der Hinterradwerke zum Ausdruck. Das Drucköl
erfährt eine stärkere Stauung, sein atmosphärischer Druck beginnt zu steigen. Diese
Drucksteigerung betätigt der Steuerkolben, welcher zunächst einen Förderraum mit dem
Volumen 1 abschaltet, also die Fördermenge der Pumpe
auf 3 herunterdrückt. Der Benzinmotor läuft mit
gleicher Tourenzahl und nahezu gleichem Drehmoment weiter. Sein Drehmoment
braucht aber jetzt nur noch den Widerstand von drei Förderräumen zu überwinden, kann
hier also erheblich größere atmosphärische Drucke erzeugen. Die Kapselwerke der
Hinterräder erhalten in der Zeiteinheit nicht mehr vier, sondern drei Volumina Oel,
diese aber unter erheblich vermehrtem Druck. Sie laufen dementsprechend mit
verringerter Tourenzahl, aber mit gesteigertem Drehmoment, also in der Weise wie ein
guter Traktionsmotor laufen soll.
Textabbildung Bd. 322, S. 259
Fig. 6.
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, wollten wir eingehend die
Reguliervorrichtung in ihrer Ausführung beschreiben. Praktisch genommen, wirkt sie
wie ein vierstufiges Geschwindigkeitsgetriebe und zwar selbsttätig und mit besserem Wirkungsgrad
als die Zahnräder.
Während also die Geschwindigkeitsregulierung selbsttätig erfolgt, müssen die drei
Hauptmanöver eines jeden Wagens, nämlich die Einschaltung auf Vorwärtsgang, auf
Rückwärtsgang und auf Stillstand vom Chauffeur mittels eines besonderen Steuerhahnes
bewerkstelligt werden. Die Anordnung von Benzinmotor A,
Primärpumpe B, Steuerhahn C und Hinterradmotoren D geht aus Fig. 6 hervor. Von der Primärpumpe führt eine Hin-
und Rückleitung zum Steuerhahn. Vom Steuerhahn führen eine Hin- und Rückleitung zu
den beiden Motoren, die sich beide erst in der gemeinsamen Kapsel verzweigen. Der
Steuerhahn ermöglicht nun folgende Manöver.
Textabbildung Bd. 322, S. 260
Fig. 7.
1. Schaltung, auf Anlassen des Motors, eventl. Leerlauf auf abfallender Straße: die
Kreisläufe der Primärpumpe und der Motoren sind kurz geschlossen.
2. Vorwärtsfahrt: der Oelstrom durchfließt die Motoren in geeigneter Richtung.
3. Rückwärtsfahrt: der Oelstrom durchfließt die Motoren in umgekehrter Richtung.
4. Hydraulische Bremsung: der Pumpenstrom ist kurz geschlossen, der Motorenstrom wird
stark gedrosselt.
Der Steuerhahn wird, wie aus der Figur ersichtlich, mit Hilfe einer Kettenübertragung
und eines Handhebels betätigt, welcher dem üblichen Kraftwagenhandhebel
entspricht.
Ueber die Einzelheiten der Motoranordnung gibt Fig. 7
Aufschluß. Die Wagenachse ist wie bei jedem besseren Kraftwagen in zwei nach
Wirkungsweise und Konstruktion verschiedene Elemente geteilt. Die Aufgaben der
Achse, d.h. die Aufnahme von Biegungsmomenten besorgt das zur Achsform verlängerte
Gehäuse 5. Die Aufgaben der Welle, d.h. die
Uebertragung von Drehmomenten obliegt den beiden Schäften 6,
6, welche die Kapselwerkkolben 2, 2, mit den
Schiebern 4, 4, 4, 4 tragen. Die übrigen konstruktiven
Einzelheiten gehen aus der Figur selbst zur Genüge hervor.
Wie wir erfahren, soll bei weiteren Ausführungen der hydraulischen Kraftwagen der
Steuerhahn nebst Oelbehälter ganz wegfallen, ebenso wird Größe und Gewicht der
Hinterachsmotoren erheblich gegen die jetzige Ausführung verringert werden.
Das hier geschilderte hydraulische Kraftfahrzeug ist nicht von heute auf morgen
entstanden. Es ist das Erzeugnis einer siebenjährigen angestrengten Ingenieurarbeit.
Bereits auf der Berliner Automobilausstellung von 1902 erregte ein hydraulischer Pittler-Wagen in freilich noch unvollkommener
Ausführung allgemeines Aufsehen. Das Jahr 1906 brachte auf der Berliner
Internationalen Automobilausstellung einen erheblich verbesserten Wagen nach Art der
eben beschriebenen Ausführung, mit welchem in diesem Sommer größere Versuchsfahrten
unternommen werden sollen. Halten diese, was die Versuche in Laboratorium und
Werkstatt versprechen, so erscheint die neue Arbeitsübertragung wohl geeignet, den
Kraftwagenbau gründlich umzugestalten und eine Maschinengattung, welche hundert
Jahre hindurch hauptsächlich in den Lehrbüchern lebte, in großem Maßstabe in die
Praxis des täglichen Lebens einzuführen.