Titel: | Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerfabrikation im Jahre 1906. |
Autor: | A. Stift |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 279 |
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Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem
Gebiete der Zuckerfabrikation im Jahre 1906.
Von A. Stift,
Wien.
Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der
Zuckerfabrikation im Jahre 1906.
Die Entwicklung der Zuckerfabrikation, insoweit sie auf Neuerungen des Betriebes
beruht, bewegte sich in den letzten Jahrzehnten nach drei Richtungen hin: 1. nach
einer solchen rein mechanischer, bezw. konstruktiver Natur, 2. nach einer solchen
rein chemischer Natur und 3. schließlich nach einer solchen, welche die beiden
genannten Zweige der Technik in sich vereinigt, d.h. also Verfahren
chemisch-technischer Natur betrifft. Die maschinelle Technik der Zuckerfabrikation
hat sich im Laufe der Zeit in einer Weise entwickelt, daß sie als hochstehend in
jeder Beziehung angesprochen werden kann. Die allgemeinen Fortschritte der Technik
kamen der Zuckerfabrikation vielfach ebenfalls zu Nutzen, so daß immer
Verbesserungen und auch Neuerungen auftraten, die auf eine Vervollkommnung des
Betriebes hinarbeiteten. In den letzten Jahren ist auch die Chemie wieder mehr in
den Vordergrund getreten und es sind durch ihre Hilfe besonders auf dem Gebiete der
Saftreinigung noch große Erfolge zu erwarten. Die Erfindertätigkeit auf dem Gebiete
der Zuckerfabrikation war von jeher eine große und auch die letzten Jahre haben eine
stattliche Anzahl von Verfahren, Neuerungen und Verbesserungen gebracht. So
betreffen im Jahre 1905 von den erteilten 50 Patenten der Klasse 89 36 Patente und
im Jahre 1906 von 59 Patenten dieser Klasse sogar 51 Patente die Zuckerfabrikation
allein. Eine reiche Auswahl liefern die noch in Wirksamkeit stehenden deutschen
Patente der Zuckerfabrikation, welcher es am 1. Januar 1905 237 und am 1. Januar
1906 232 gab. Allerdings dürfte der größte Teil dieser Patente. wie es überall so
geht, nur am Papier stehen bleiben und niemals den Weg in die Praxis finden.
In der folgenden Zusammenstellung soll über Neuerungen hauptsächlich auf dem
maschinellen Gebiete der Zuckerfabrikation berichtet werden, da die Verfahren rein
chemischer Natur nicht in den Rahmen vorliegender Zeitschrift fallen. Wird hie und
da auch die Chemie herangezogen, so ist dies unvermeidlich, um einerseits nicht
unverständlich zu werden und weil es dann andererseits Verfahren betrifft, die
chemisch-technischer Natur sind, d.h. sich sowohl auf Mechanik als auch auf Chemie
stützen. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei noch bemerkt, daß es sich bei der
folgenden Besprechung nur um Verfahren und Neuerungen handelt, welche bereits im
Betrieb eingeführt sind oder aber für denselben unmittelbares Interesse besitzen.
Von der Beschreibung der in dem Berichtsjahre erteilten Patente wurde abgesehen, da
diese doch erst in zweiter Linie in Betracht kommen und man über den praktischen
Wert der meisten dieser Patente noch nichts sagen kann.
Als geeignetes Transportmittel für Rüben aus der Wäsche, auch bei Verwendung
vom heißem Wasser, hat sich nach der Erfahrung von ZscheyeDie Deutsche
Zuckerindustrie, 31. Jahrgang, 1906, S. 1913. die
Rübenschnecke erwiesen, die die Rüben von der Wäsche zu der Rübenwage führt. Die
Schnecke besteht aus einem einzigen geschmiedeten Rohre von 10–17 m Länge und 25 mm
starker Wandung, die nach der Mitte zu noch stärker wird. Die Schnecke arbeitet
tadellos, sicher und auch sauber, da kein Tropfen Wasser umherspritzt und Rüben
nicht verloren gehen, was bei Guttaperchagurten und Becherwerken der Fall ist. Die
Schnecke macht sich wohl schon in einer Kampagne bezahlt. Derselben Ansicht sind
auch Rohde und SchwenzerEbenda. und besonders
letzterer hält die Rübenschnecke für ein geradezu ideales Beförderungsmittel.
Ein getreues Bild über die neuesten Fortschritte in der Saftgewinnung aus Rüben hat
ClaassenZeitschrift des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie, 43.
Jahrgang, 1906, S. 805. gegeben. Es lassen sich hier
zwei Richtungen unterscheiden; bei der einen will man den zerkleinerten Rüben vor
oder sofort bei Beginn der Saftreinigung eine solche Beschaffenheit geben, daß der
Saft aus ihnen leichter durch Diffusion oder Auspressen gewonnen werden kann und die
andere Richtung sucht die Verbesserung am Schluß der Saftgewinnung zu erreichen,
indem die mehr oder weniger zuckerhaltigen Abwässer nicht ausgeschieden, sondern
wieder verwendet werden, wodurch neben reineren Säften ein wertvolleres Futter
gewonnen wird. Gemeinsam ist beiden Bestrebungen, möglichst viel Nichtzuckerstoffe,
besonders Eiweiß, in den Schnitzeln zu lassen, um so nicht nur ein zuckerhaltiges,
sondern auch sonst gehaltreiches Futter und reinere Säfte zu erhalten. Die meisten
Vorschläge zur Verbesserung der Saftgewinnung bewegen sich in ersterer Richtung und
beruhen auf der Einwirkung der Wärme auf die zerkleinerten Rüben; nur die Art und
Weise, wie diese Erwärmung vorgenommen wird, ist bei den einzelnen Verfahren
verschieden. Infolge der Zusammensetzung der Rüben kann aus den unverletzten
Rübenzellen weder Zucker noch Nichtzucker austreten und gewonnen werden, so lange
sie nicht auf Temperaturen über 55° C erhitzt sind. Erst wenn die Zellen durch
Temperaturen über 55° C abgetötet sind, treten Diffusionserscheinungen, jedenfalls
verbunden mit bloßer Auslaugung auf. Soll nun der zu gewinnende Saft eine höhere
Reinheit erhalten, so müßte das dadurch erreicht werden, daß entweder im Zellsaft
gelöste Nichtzuckerstoffe unlöslich gemacht und in den Zellen zurückgehalten werden
oder daß vermieden wird, feste Nichtzuckerstoffe aufzulösen. Die erstere Aufgabe
wollen viele Erfinder für das Diffusionsverfahren in der Weise lösen, daß die
Schnitzel vor der Berührung mit Saft durch Dampf oder heiße Luft oder sofort bei der
ersten Berührung mit Saft auf Temperaturen von ungefähr 75° gebracht werden, bei der
das Eiweiß gerinnt (sogen, heiße Arbeit). Die bekanntesten Verfahren dieser Art sind
diejenigen von Garez und Naudet (D. R. P. No. 114543 und No. 162526). Dasselbe Ziel strebt für das
Preßverfahren Steffen durch die plötzliche Erhitzung
der Schnitzel in großen Mengen Saft an. Die andere Aufgabe sucht man bei der
Diffusion durch Abzug möglichst dichter Säfte und kürzere Dauer der Diffusion zu
lösen. Von diesen Mitteln scheint Claassen die sehr
schnelle oder plötzliche Erhitzung von sehr zweifelhaftem Nutzen zu sein. Die
Ansicht Steffens, daß durch das plötzliche Erhitzen die
Zellen gesprengt werden,. ist falsch; ein solches Zersprengen würde auch nur
nachteilige Folgen haben, da der ganze Zellsaft mit allen festen Bestandteilen in
den Saft gelangen würde. Es bleibt demnach als unbestrittene Folge der schnelleren
Erhitzung der Schnitzel nur eine schnellere Gerinnung des Eiweißes übrig, und
diese wird von allen Erfindern mit großem Nachdruck in den Vordergrund gestellt. Es
ist aber bis jetzt noch nicht der Beweis erbracht, daß die Preßlinge und
Trockenschnitzel bei den Verfahren mit schneller Erhitzung der Schnitzel mehr Eiweiß
in Prozenten des Gesamteiweißgehaltes der Rüben enthalten als bei der üblichen
Diffusionsarbeit. Wenn es demnach sehr unwahrscheinlich und ganz unbewiesen ist, daß
gelöste Nichtzuckerstoffe bei den neueren Verfahren in größerer Menge unlöslich in
den Schnitzeln zurückbleiben, als bei der üblichen Diffusionsarbeit, so scheint die
Lösung der anderen Aufgabe, nämlich möglichst wenig feste Stoffe aus den Rüben
aufzulösen, mit praktischen Erfolgen möglich zu sein und zwar durch Rückführung der
Diffusionsabwässer. Führt man diese, nämlich das Ablaufwasser und
Schnitzelpreßwasser, stets wieder in die Batterie zurück, so können sie, da sie
selbst Zucker und Nichtzucker in mehr oder weniger großen Mengen enthalten, zunächst
im letzten Diffuseur weniger Stoffe lösen als das Wasser bei der üblichen
Arbeitsweise. Selbstverständlich bleiben dann auch die Schnitzel reicher an Zucker
und Nichtzucker, aber der größere Teil des Zuckers wird aus ihnen durch Auspressen
in den Schnitzelpressen wiedergewonnen, von dem Nichtzucker jedoch nur der bereits
in Lösung befindliche, da beim Auspressen keine weitere Auflösung von Nichtzucker
stattfindet, wie sie bei der üblichen Diffusion mit Wasser im letzten Gefäß
auftritt. In den Preßlingen, dem einzigen Abfallprodukt der neuen Arbeitsweise, ist
dann je nach dem Grade der Auslaugung in der Diffusion entweder ebensoviel oder auch
mehr Zucker enthalten, als bisher bei der üblichen Diffusion in den Preßlingen und
Abwässern zusammen verloren ging, unter allen Umständen aber stets etwas mehr
Nichtzucker als bisher.
Daß die Rückführung der sämtlichen Diffusionsabwässer möglich ist und mit Vorteil
ausgeführt werden kann, beweisen die in der letzten Zeit in die Praxis eingeführten
Verfahren von Pfeiffer (D. R. P. No. 117954 und No.
147443) und Claassen. Der Unterschied beider Verfahren
ist der, daß Pfeiffer die Ablaufwässer systematisch
nach ihrem Zuckergehalt geordnet in die Diffusion zurückführt, während Claassen die Abwässer nicht trennt, sondern gemischt
zurückführt. Durch Rückführung der Abwässer wird das Diffusionsverfahren wesentlich
vervollkommnet, denn man erhält nicht nur etwas reinere Säfte, sondern auch ein
gehaltreicheres Futter, und was die Hauptsache ist, man kann innerhalb der praktisch
gegebenen Grenzen die Mengen Zucker, welche man im Saft oder im Futter gewinnen
will, beliebig verändern, um je nach den Marktverhältnissen für Zucker und
Futtermittel den größten Nutzen zu ziehen. Ferner beseitigt man gänzlich die bisher
unangenehmsten Abwässer und jeder Verlust an Zucker durch Nachlässigkeit und
Undichtheit ist ausgeschlossen. Ein solches Diffusions verfahren bietet alle
Vorzüge, welche ein Preßverfahren, also auch das Steffensche Brüh-Preßverfahren (D. R. P. No. 149593), haben kann,
vermeidet aber dessen Nachteile, nämlich die engen Grenzen, welche für den
Zuckergewinn im Safte gesteckt sind. Nach Claassens
Ansicht wird das Verfahren der Zukunft das Diffusionsverfahren – also nicht das
vielfach dafür angesprochene Steffensche
Brüh-Preßverfahren, welches mit der Diffusion nichts zu tun hat –, bleiben, in
seiner einfachsten Art der Ausführung, aber verbessert durch die Wiedergewinnung der
in den Abwässern enthaltenen Zucker- und Nichtzuckerstoffe.
Die früher genannte heiße Arbeit, welche das Bestreben hat, so schnell wie möglich
schon im ersten Diffuseur die gewünschte Höchsttemperatur der Batterie zu erzielen,
hat noch den Vorteil, daß einerseits durch die Rüben eingeführte zuckerzerstörende
Bakterien und andere Gärungserreger abgetötet werden und andererseits durch die
erhaltenen stärkeren resp. dichteren Säfte bei der Verdampfung an Kohlen nicht
unwesentlich gespart wird. Außer den schon hervorgehobenen Verfahren sind auch noch
andere Verfahren aufgetaucht, bei welchen, wie z.B. bei Naudet, der zum Einmaischen zu benutzende Saft außerhalb der Batterie
angewärmt, oder aber der Saft, ehe er auf die frischen Schnitzel kommt, durch
mehrere Batterie-Kalorisatoren geleitet wird. Diesbezüglich erklärt von der OheDie
Deutsche Zuckerindustrie, 31. Jahrgang, 1906, S. 2048.
das Verfahren Köhler (D. R. P. No. 171197) für
beachtenswert, nach welchem der Saft, mit dem der erste Diffuseur eingemaischt wird,
und auch der Saft, mit dem später nach den Meßgefäßen hin abgedrückt wird, nicht
allein erst durch 2–3 Batterie-Kalorisatoren, sondern auch nach den Meßgefäßen nach
derselben Richtung, von unten nach oben, abgedrückt wird; nachdem dies geschehen,
haben dann die Schnitzel des ersten Diffuseurs die volle Temperatur. Besondere
Vorrichtungen sollen hierbei das Mitreißen von Schnitzeln in die Rohrleitungen der
Batterie und die Meßgefäße verhindern.
Das Steffensche Preß-Brühverfahren wurde in den letzten
Jahren sehr viel genannt, wenngleich die Ansichten über den praktischen Wert
desselben noch vielfach auseinander gehen. Die von Steffen aufgestellte Behauptung, daß bei der üblichen Diffusionsarbeit
durch die Tätigkeit gewisser Bakterien Zucker zerstört werde und daß hierin die
Quelle der sog. unbestimmbaren Zuckerverluste liege, wurde von HerzfeldZeitschrift des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie, 42.
Jahrgang, 1905, S. 337. als nicht stichhaltig
bezeichnet, da derselbe durch einen praktischen Versuch in der Zuckerfabrik Anklam
nachgewiesen hat, daß bei einer gutgeleiteten Diffusionsarbeit unbestimmbare
Verluste in der Höhe, wie sie Steffen und seine
Anhänger angeben (1 v. H. und noch mehr) nicht auftreten, daher also auch nicht als
unvermeidlich mit der Diffusionsarbeit verbunden hingestellt werden können. Von der OheDie
Deutsche Zuckerindustrie, 31. Jahrgang, 1906, S. 2048.
bestätigte die Resultate Herzfelds und man hat nach
seinen Erfahrungen bei der üblichen Diffusionsarbeit keine unbestimmbaren Verluste,
wenn die Batterie so geordnet ist, daß 1. die Größe der Diffuseure im richtigen
Verhältnis zu der Verarbeitung steht, 2. der Saftabzug ein genau geregelter ist und
3. wenn ein regelmäßiger, gleichmäßiger Fabrikbetrieb, mithin ein gleichmäßig
fließender Saftstrom vorhanden ist.
Das Steffensche Brüh verfahren verfolgt zwei Zwecke:
einerseits durch Herstellung eines zuckerreichen Futters den Zuckermarkt zu
entlasten, dadurch zur Sanierung der Zuckerindustrie beizutragen und anderseits die
unangenehmen Abwässer der Zuckerfabrikation gänzlich in Wegfall zu bringen. Nach
diesem Verfahren werden die Rüben grob geschnitzelt, mit siedend heißem Rübensaft
vermischt und hierauf abgepreßt, wodurch Preßrückstände von hohem
Trockensubstanzgehalt und Eiweißgehalt erhalten werden. Diese Preßrückstände lassen
sich leicht trocknen und liefern ein ausgezeichnetes Futter –
„Zuckerschnitzel“ genannt – mit 33–38 v. H. Zucker. Anfangs 1906 wurde in
Köln die „Deutsche Gesellschaft zur Verwertung von
Zuckerschnitzeln“ mit einem Kapital von 1500000 M. gegründet, deren
Zweck die Verwertung der Steffen gehörigen deutschen
Patente, betreffend das Brühverfahren bei der Saftgewinnung und Zuckererzeugung in
Zuckerfabriken, ist. Die Gesellschaft hat sich, um Verwechslungen mit anderen
Produkten vorzubeugen, ihre Produkte durch die Bezeichnung „Steffens Original-Zuckerschnitzel“ schützen
lassen. Obgleich das Steffensche Verfahren schon in
einigen Fabriken eingeführt worden ist, so herrscht, wie bereits bemerkt, über
den Wert desselben gegenüber der üblichen Diffusionsarbeit noch eine große
Meinungsverschiedenheit. Um darüber nun Klarheit zu schaffen, so ist das Verfahren
durch eine Kommission des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie in der Zuckerfabrik
Eisdorf im Dezember 1906 einer vergleichenden Prüfung unterzogen worden. Das
Resultat der Prüfung soll dann, sobald die analytischen Untersuchungen beendet sein
werden, zur Veröffentlichung gelangen.
Dem Steffenschen Brüh verfahren ist, wie bereits
hervorgehoben, durch das Verfahren von Pfeiffer und Claassen ein Konkurrent entstanden und einen weiteren
Konkurrenten hat es durch das Verfahren der kontinuierlichen Preß-Diffusion von Hyroß-Rak (D. R. P. No. 156592) erhalten, welches nach
mehrjährigen, mühsamen Vorversuchen, in der Kampagne 1906/07 in der Zuckerfabrik Böhmisch-Brod durch Aufstellung eines den Verhältnissen
des Großbetriebes angepaßten Apparates, der täglich 3000 Meterzentner Rüben
verarbeitet hat, die praktische Prüfung glänzend bestanden hat, so daß in der
genannten Fabrik in der folgenden Kampagne eine vollständige Preß-Diffusionsanlage
für eine tägliche Leistung von etwa 6000 Meterzentner Rüben zur Aufstellung gelangen
wird. Dieses Verfahren hat in den Technikerkreisen des In- und Auslandes das größte
Aufsehen erregt und ist von verschiedenen Seiten eingehend geprüft und studiert
worden. Referent hat das Verfahren ebenfalls besichtigt und von demselben den
günstigsten Eindruck gewonnen. Da nähere Mitteilungen über dieses Verfahren einem
späteren Bericht vorbehalten bleiben müssen, so sei einstweilen nur hervorgehoben,
daß mit demselben in dem Rahmen eines kontinuirlichen, mit Pressung verbundenen
Diffusionsbetriebes nicht nur ein zuckerreicheres Futtermittel gewonnen werden kann,
sondern auch die Abwasserfrage vollständig beseitigt erscheint. Referent ist jetzt
schon der Ansicht, daß dieses Verfahren jedenfalls zu den aussichtsreichsten
Verfahren der Zukunft gerechnet werden kann, ja vielleicht dazu berufen ist, eine
Umwälzung der bisherigen Arbeitsweise herbeizuführen.
In Anbetracht des Umstandes, daß die Diffusionsstation eigentlich die Seele der
ganzen Fabrikation ist und die Präzision der Arbeitsleistung dieser Anlage einen
gewichtigen Einfluß auf die weitere Verarbeitung des gewonnenen Rübensaftes ausübt,
so erscheint es nötig, den Saftabzug genau zu überwachen, da von dessen Richtigkeit
die gleichmäßige Arbeit auf den folgenden Stationen und auch die Erzielung
größtmöglichster Wirtschaftlichkeit in der Zuckergewinnung abhängt. Diesen Saftabzug
selbsttätig zu regeln, war daher schon lange das Bestreben der Zuckertechniker, da
man immer mehr und mehr zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß bei der Arbeit mit den
üblichen, ziemlich primitiven Meßgefäßen das abgezogene Volumen mit der wirklich
verarbeiteten Rüben- bezw. Schnittemenge nicht übereinstimmt. Es haben nun schon vor
ungefähr zehn Jahren Cerny und Stolc eine Meßvorrichtung zum selbsttätig geregelten Saftabzug von der
Diffusionsbatterie konstruiert, welche in der Praxis ihrem Zweck recht gut
entsprach, immerhin aber nicht frei von verschiedenen Mängeln war. Cerny und StolcZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen.
30. Jahrgang, S. 443. konstruierten nun eine neue
„Wage zur Regulierung des Saftabzuges“, welche im Betrieb zur vollsten
Zufriedenheit und mit großer Genauigkeit arbeitete. Diese Wage wiegt den abgezogenen
Diffusionssaft mit der Genauigkeit einer Dezimalwage ab und zwar nach dem wirklichen
Gewicht und nicht, wie dies bei früheren Meßvorrichtungen der Fall war, nur nach
einem gewissen Teile des Saftes. Dabei reguliert die Wage den Saftabzug aus der
Diffusionsbatterie in der Weise, daß sie von dickerem Saft, der aus besserer Rübe
oder größerer Füllung der Diffusionsbatterie sich ergibt, selbsttätig mehr abzieht
und umgekehrt von dünnerem Saft, sei es infolge schlechterer Rübenqualität oder
kleinerer Füllung, selbsttätig weniger, so daß die Auslaugung der Schnitte bei dem
kleinsten Abzug beinahe konstant ist. Gleichzeitig gibt der Apparat das Gewicht des
abgemessenen Saftes, sowie dessen Dichte an, was für die Kontrolle der Arbeit das
wertvollste Moment ist. Die Temperaturveränderungen des abgezogenen Saftes sind hier
nicht von großem Einfluß. Die Wage besteht aus einem Blechreservoir nach Art der
Brücke der Zentimalwagen, welches in wagerechten Hängelagern eingehängt ist. Das
Gewicht des Reservoirs wird am Ende des Hauptwagebalkens durch einen Schwimmer im
Gleichgewicht erhalten, welcher bei leerem Reservoir in dem Nebengefäß in einer
Flüssigkeit von konstanter Dichte (Wasser, Oel, Glyzerin usw.) eingesenkt ist und
beim Füllen des Reservoirs durch die Funktion des Wagebalkens, je nach dem Gewichte
der eingefüllten Flüssigkeit, sich hebt und dadurch aus der Flüssigkeit
heraustaucht. Dadurch nimmt sein Gewicht zu, er wird also schwerer und hält das
gefüllte Reservoir, dessen volles Gewicht der Zeiger des Wagebalkens auf einer
weithin sichtbaren Skala zeigt und angibt, im Gleichgewicht. Die Flüssigkeit in dem
Schwimmergefäß kann sehr leicht und ohne besondere Aufmerksamkeit stets auf das
Normale aufgefüllt werden, so daß die Angabe der Wage immer verläßlich, von der
Verdampfung der Flüssigkeit unabhängig ist. Gleichzeitig mit dem Hauptwagebalken
dreht sich ein Hebel von bestimmter Länge, welcher an dem einen Ende einen Schwimmer
frei aufgehängt trägt, der auf der Oberfläche des in das Reservoir gefüllten Saftes
aufruht und durch ein Gegengewicht am entgegengesetzten Ende des Hebels erleichtert
ist. Ein in der Mitte dieses Hebels befindlicher Zeiger gibt an einer Segmentskala
die Lage des Schwimmers und somit auch die Höhe des Saftes im Reservoir oder das
Volumen des abgewogenen Saftes an. Die Bewegung dieses Oberflächenschwimmers ist
berechnet und empirisch festgestellt, und zwar so, daß, wenn beide Zeiger sich
decken, der abgewogene Saft die von den beiden Zeigern an der Segmentskala
angegebene Dichte besitzt. In diesem Augenblick wird das Aufziehventil entweder
durch den Arbeiter oder selbsttätig geschlossen, wodurch ein richtiger Abzug erzielt
ist. Die Skala kann in den Grenzen von 12–19° Balling für Wagen je nach der Größe
des Diffuseurs verschieden eingerichtet sein, doch laut sich ein beliebiges
Verhältnis der Dichte zum Gewichte in den Abzug zulässigen Grenzen herstellen. Das
Einlaßventil sowie die Rohrleitung sind am äußeren festen Rahmen der Wage
angebracht, wirken demnach in keiner Weise auf die Funktion derselben. Das
Ablaßventil ist am Boden des Reservoirs angebracht und das Ablassen des Saftes
geschieht mittels eines von oben zu betätigenden Handhebels in ein Reservoir unter
der Wage, von wo eine Saftpumpe den Saft absaugt. Die Dauer des Ablassens ist so
kurz, daß die Wage immer früher leer ist, als man zum folgenden Abzug gelangt,
weswegen für jede Fabrik eine einzige Wage genügt. Die Hebel des Einlaß- und
Ablaßventiles sind so angeordnet, daß das Ablaßventil, so lange das Einlaßventil
geöffnet ist, nicht geöffnet werden kann und umgekehrt bei offenem Ablaßventil das
Einlaßventil nicht geöffnet werden kann, daher jeder Irrtum des bedienenden
Arbeiters ausgeschlossen erscheint. Da auf dem Bande eines Registrierapparates die
Gewichte der einzelnen Abmessungen verzeichnet werden, so braucht man nur die
mittleren Dichten und den Zuckergehalt zu bestimmen, um durch eine einfache Rechnung
die Menge des in den Betrieb eingeführten Zuckers finden zu können.
Einen anderen Saftmeßapparat, „Flüssigkeitswage“ genannt, hat HamplZeitschrift für
Zuckerindustrie in Böhmen. 30. Jahrgang, 1906, S. 488.
konstruiert, zu deren Grundlage er die folgenden zwei physikalischen Prinzipien
gewählt hat: 1. Ein in eine bekannte Flüssigkeit eingeführter Schwimmer von
gegebenen Abmessungen sinkt in diese Flüssigkeit stets ein bezw. verdrängt die ihn
umgebende Flüssigkeit stets zur gleichen Höhe, insofern derselbe gleich belastet
wurde und zwar ohne Rücksicht auf die den Schwimmer belastende Materie. 2. Der Zu-
und Abfluß der Flüssigkeit in den Schwimmer und aus demselben soll mittels eines
Heberrohres geschehen, welches mit dem Schwimmer in keiner materiellen Verbindung
steht, damit die Bewegung dieses letzteren, aus welcher auf seine Belastung
geschlossen werden soll, in keiner Weise beeinflußt wird. Auf diesen zwei einfachen
Prinzipien ist die „Flüssigkeitswage“ aufgebaut, alles andere ist nur mehr
Konstruktionssache, welche sich auf die Ein- und Auslaßarmatur bezieht, sowie auf
die Einrichtung, welche eine beliebige, aber von der Wage sodann genau einzuhaltende
Schwimmerfüllung ermöglicht und dessen Entleerung bewirkt.
Textabbildung Bd. 322, S. 281
Fig. 1.
Der Apparat besteht aus einem zylindrischen gußeisernen Gefäß a (Fig. 1), welches aus einzelnen
ausgedrehten Ringen zusammengesetzt ist und bis zu einer gewissen Höhe mit reinem
Wasser gefüllt wird, in welches konzentrisch der zylindrische Schwimmer b eingesetzt ist. An das Außengefäß ist der Ständer c mit dem Standgefäß d
angeschlossen, während der Schwimmer in seinem unteren verengten Teile e durch einen Gummischlauch mit einem anderen auf dem
Außengefäß angebrachten Standglas f in Verbindung
steht. Das Außengefäß a ist oben durch einen
dreiarmigen Aufsatz abgeschlossen, dessen einer Arm hohl und zum Heberknie g ausgebildet ist, an welches einerseits und zwar in
der Gefäßmitte das senkrechte Rohr h, andererseits
außerhalb des Gefäßes jene den Saftein- und Austritt ermöglichende Armatur
angebracht ist. Der Schwimmer b wird in seiner
konzentrischen Lage mit dem Außengefäß a durch den
hohlen Zapfen i erhalten, welcher in dem Ansatz e angebracht ist und in den am Ende des Rohres h befindlichen Ring k
eingreift. Am oberen Rande des Außengefäßes ist ein System kleiner Rollen i1 angeordnet, welche
den Zweck haben, daß der Schwimmer, solange er wenigstens nicht teilweise mit Saft
gefüllt ist, vom Kippen gegen den Gefäßrand abgehalten wird. Sobald aber der Saft im
Schwimmer so hoch steigt, daß der Schwerpunkt desselben unterhalb des Schwerpunktes
des verdrängten Wassers zu liegen kommt, also noch lange vor dem eigentlichen
genauen Wiegen, so gelangt der Schwimmer in eine stabile genaue lotrechte Lage und
berührt sodann keine von den Gleitrollen mehr. Dadurch kann keine Reibung von
Flächen mehr auftreten und der Schwimmer schwimmt lose in seinem Medium (Wasser).
Das Wasser, welches als Mittel zum Wägen dient, soll rein sein und wird durch einen
geringen Zusatz von Soda alkalisch gemacht. Wie bereits bemerkt, ist die Saftmeßwage
mit zwei Standgläsern versehen, wovon das bei d mit dem
Inhalt des Geläßes a kommuniziert, während das
Standgefäß f vermittels eines Schlauches in
hydrostatischer Verbindung mit dem Inhalt des Schwimmers b sich befindet und daher die Flüssigkeitshöhe im Schwimmer anzeigt. Wird
in das Gefäß a das entsprechende Wasserquantum
eingefüllt, in dem Schwimmer b jedoch nur so viel
Wasser eingebracht, bis etwa der bombierte Boden gefüllt ist und bezeichnet man auf
beiden Standgläsern oder auf neben denselben angebrachten Linealen die Höhe der
beiden Flüssigkeitsspiegel mit 0, dann kann man mit der gleichzeitigen Herstellung
von Prozentskalen beginnen, wovon jene beim Standglas d
direkt das Flüssigkeitsgewicht in kg, jene beim Standglas f das Volumen in l anzeigen wird. Dieses Graduieren kann so durchgeführt
werden, daß man in den Schwimmer von 10 zu 10 kg oder 1 reines Wasser zusetzt bis zu
jener höchsten Belastung des Schwimmers, für welche die Wage noch dienen soll. Die
Wage ist noch mit zwei Ventilen (in der Zeichnung nicht sichtbar) zum Safteintritt
und Saftaustritt versehen, welche ganz selbsttätig und fehlerfrei arbeiten. Der Saft
strömt unter Batteriedruck durch das Heberrohr g
zentral in den unteren Teil des Schwimmers und steigt in diesem ohne Schäumen so
lange, bis eine mechanisch betätigte Vorrichtung den Verschluß des
Dampfeintrittventils bewirkt. In gleicher Weise funktioniert das Austrittsventil.
Wird auf der Wage noch ein Zählwerk angebracht, welches die einzelnen Füllungen des
Schwimmers registriert, dann ist alles zur Bestimmung der Saftverhältnisse
vorhanden. Vor dem Arbeitsbeginne überzeugt sich ein Beamter, ob die Wage genau auf
0 in den beiden Standgläsern tariert ist; eventuelle Differenzen auf der oder jener
Skala werden durch Zugießen oder Ablassen des Wassers oder Saftes aus Gefäß und
Schwimmer ausgeglichen. Sodann hebt der Arbeiter den Hebel des Dampfventils auf der
Eintrittsseite an, worauf die Wage sich zu füllen beginnt, während der Beamte
abwartet, bis das Wägewasser im Standgefäß d jene Höhe
erreicht, welche dem abzuziehenden Saftgewichte entspricht. Sobald dieser Augenblick
erreicht ist, zieht er den Anschlag, welcher das Dampfventil auslösen soll, fest,
dieses fällt und die Wage hört sofort auf, den Saft weiter abzuziehen. Damit ist der
Saftabzug festgelegt und die weiteren Abzüge werden mit diesem, was das Gewicht
derselben anbelangt, ganz gleiche sein. Der Arbeiter trägt in ein aufliegendes
Verzeichnis die Nummer des abgezogenen Diffuseurs und die abgezogene Saftmenge in
Litern nach dem Standgefäß f ein, wonach er das
Dampfventil des Saftauslaßventils anhebt; das Heberrohr entleert durch Umkehrung des
Saftflusses die Wage so weit, bis der zweite Anschlag der Vorrichtung das
Dampfventil auslöst und die Wage auf 0 der Skala abschließt. Die Arbeit schreitet
sodann gleichmäßig fort, bis sich eventuell eine Aenderung im Saftabzug als
notwendig erweisen würde, welche Aenderung der Beamte jederzeit nach Belieben durch
Versetzen des unteren Anschlages mittels eines einzigen Handgriffes durchführen
kann. Wird die Saftwage auf dem Diffusionsboden aufgestellt und das Reservoir für
den Rohsaft, aus welchem derselbe weiter gepumpt werden soll, um eine Etage tiefer,
dann genügt eine einzige Wage, weil in der Zwischenzeit zwischen zwei Abzügen der
Saft bequem aus der Wage in das Reservoir abfließen kann. Mit diesem Apparat
bestimmt man daher das genaue Gewicht des abgezogenen Rohsaftes, ferner auch das
Volumen desselben, welches der Arbeiter bei jedem abgezogenen Diffuseur zu notieren
hat. Hat dann der Beamte eine Tabelle, welche in ihrem Kopfe Gewichte, in der
Seitenkolonne Volumina verzeichnet hat, und wo auf den Kreuzungspunkten der Kolonnen
mit den Zeilen die mit Rücksicht auf die nötige Korrektur berechneten
Saccharisationen eingetragen sind, dann kann gleichzeitig oder wann immer auch
später bei jedem Diffuseur der Arbeitsfortschritt der Diffusionsarbeit verfolgt
werden, weil bei bekanntem Gewichte und konstatiertem Volumen auch sofort die
Durchschnitts-Saccharisation aus dem ganzen Abzüge abgelesen werden kann, welche
Ablesung jedenfalls zumindestens so genau sein dürfte, als jene, welche sonst mühsam
mit Hilfe des Saccharometers bestimmt wird. Schließlich sei noch bemerkt, daß dieses
System des Wagens außer für den Rohsaft auch für jede andere Flüssigkeit, deren
Bestimmung nach Gewicht in der Zuckerfabrik oder in einem anderen Betriebe
wünschenswert wäre, angewendet werden kann.
(Fortsetzung folgt.)