Titel: | Ein Seewehr aus Eisenbeton. |
Autor: | F. Kerdyk |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 283 |
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Ein Seewehr aus Eisenbeton.
Ein Seewehr aus Eisenbeton.
Auf der holländischen Insel Schouwen wurden im
vergangenen Jahre nach Angabe des Ingenieurs R. R. L. de Muralt
Seedeiche aus Eisenbeton gebaut, welche in der Fachpresse die ihnen gebührende große
Beachtung fanden.U.a. „De Ingenieur“ 1906, Nr. 12
und 34,„Eisen und Beton“ 1906,
Heft XI,„D. P. J., Zeitschriftenschau“ S. 64. Die Bauweise fand nun
eine Erweiterung in der nach demselben Prinzip ausgeführten Anlage eines Seewehrs
auf der gleichen Insel, worüber wir „De Ingenieur“ vom 16. Febr. d. J.
folgendes entnehmen. Es handelt sich hier um ein an einer Spitze der Insel erbautes
Seewehr, welches die durch Ebbe und Flut verursachten Ströme von der Küste ablenken
und sie daher verhindern soll, längs derselben hinzustreichen und dadurch die
übrigen Küstenverteidigungswerke zu schädigen.
Die gleiche Bauart wäre unter Beachtung der besonderen Erfordernisse auch für
Strandwehre geeignet und wird voraussichtlich auch bald dafür Verwendung finden. Ein
Seewehr soll den Zweck erfüllen, die Stromrichtung zu ändern. Seine Wirksamkeit ist
bis zur Hochwassergrenze eine Funktion der Höhe. Die Strandwehre dagegen bezwecken
nur den Stromfaden des schnellen und mächtigen Seestromes örtlich vom Ufer
abzuhalten, sie brauchen nicht die Richtung des Stromes zu ändern, sondern
sollen ihn nur parallel zu sich selbst seewärts verschieben. Strandwehre, welche
demnach gewöhnlich mehrere nebeneinander ausgeführt werden, sollen mit ihrem
Scheitel in gleicher Höhe mit dem normalen Strande liegen; ihre Wirksamkeit ist mehr
eine Funktion ihrer Länge.
Das Seewehr auf Schouwen liegt mit seiner Oberkante in Hochwasserhöhe. Es besteht
abwechselnd aus einer Platte und einer Leiste, wie aus den nachfolgenden Abbildungen
ersichtlich, Fig. 1 und 2 zeigen im Querschnitt die Form und die Armierung der betreffenden
Teile. Was die Form betrifft, so sei darauf aufmerksam gemacht, daß das Gewicht des
Wassers i eine Sicherung gegen Umkippen bewirkt, wenn
die Kraft des Stromes h in wagerechter Richtung gegen
den erhöhten Dammrücken wirkt. In Hinsicht hierauf ist demnach die Knie-Armierung
bei k aus zolldicken Rundeisen-Stäben angebracht. Im
Uebrigen besteht die Armierung aus Streckmetall, wie aus Fig. 3 ersichtlich, wo das Einformen einer Platte wiedergegeben ist.
Die Betonmischung besteht aus 3 Volumenteilen Portland-Zement, 5 Teilen Sand, 8
Teilen Kiesel von 1½ bis 3 cm, und ½, Teil Traß.
Die Ausführung des Werkes veranschaulicht die perspektivische Skizze Fig.
4. Alle Platten und Leisten wurden mit Hilfe eines einzigen Satzes von
Holzrahmen hergestellt. Die flachen Teile des Wehres sind über die ganze Länge
gleich, nur die Höhe des Rückens nimmt mit der Entfernung vom Strande zu, damit der
Dammscheitel überall in gleicher Höhe zu liegen kommt. Dieses wurde dadurch erzielt,
daß man die Wände des Holzrahmens, welche zur Begrenzung des erhöhten Rückens
dienten, aus übereinander liegenden Holzplatten herstellte und dem Vorarbeiter
vorschrieb, bei jeder folgenden Platte eine Latte hinzuzufügen (Fig. 4). Die Leisten überlappen die Platten auf
beiden Seiten mit 20 cm Breite. Die Gewichte der fertigen Platten und Leisten
betragen rund je 40000 und 12000 kg.
Textabbildung Bd. 322, S. 283
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 322, S. 283
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 322, S. 283
Fig. 3.
Bei der Ausführung war man imstande, zwischen zwei Gezeiten eine Platte oder eine
Leiste herzustellen. Die Fugen der Deckbretter, sowie die Unter- und Seitenkanten
wurden darauf gründlich mit fettem Lehm vollständig gegen Durchspülung gedichtet,
die Holzrahmen durch Basalt beschwert und mittels Ketten und schwerer Anker gegen
eventuelles Wegschlagen gesichert. Das Werk ging im ganzen bei recht günstigem
Wetter von statten, so daß es nur zweimal vorkam, daß eine Leiste mit ihrem
Holzrahmen während der Erhärtung fortgespült wurde, was einen Schaden von nur
einigen hundert Mark bedeutete. Obwohl die Platten und Leisten unabhängig von
einander ausgeführt wurden, so bilden sie dennoch durch die übergreifenden Ränder
der Leisten ein einheitliches Ganzes, während die Konstruktion starken Stößen besser
widerstehen kann, wie es bei einem durchlaufenden Damm der Fall wäre. Auch infolge
der kurzen Zeiträume, welche immer zwischen zwei Gezeiten zur Verfügung standen, war
man darauf angewiesen, die Arbeit in kleinen Teilen auszuführen.
An der gleichen Inselspitze, dem sogenannten Ossehoofd, hatte früher schon ein
Seewehr aus Basalt bestanden. Durch häufigen Sturmschaden war man veranlaßt gewesen
die Höhe des Dammes, welcher früher bis Hochwasser reichte, bedeutend zu
erniedrigen. Dies hatte zwar den gewünschten Erfolg; der Sturmschaden am Damm selbst
hörte auf, die seitwärts liegende Küste jedoch wurde nun in solchem Maaße
angegriffen, daß man sich besonders nach den heftigen Märzstürmen des vergangenen
Jahres notgedrungen zum Bau eines neuen Dammes bis auf Hochwasserhöhe entschließen
mußte. Die neue Konstruktion hat also eine schwere Aufgabe zu erfüllen, welcher sie
durchaus gewachsen erscheint. Zur Erneuerung der Seewehr hatte man zuerst den
Entwurf eines Basaltdammes gemacht, dessen Kostenvoranschlag sich auf 35000 M.
stellte, während die Ausführung gewiß eine höchst beschwerliche gewesen wäre. Die
Kosten des Wehres aus Eisenbeton beliefen sich dagegen nur auf rund 13400 M.
Außerdem werden sich die Unterhaltungskosten an ihm bedeutend niedriger stellen.
Textabbildung Bd. 322, S. 283
Fig. 4.
In Fig. 5 geben wir schließlich eine vom Strande
aufgenommene Gesamtansicht des Seewehres, woraus zu ersehen ist, wie es seine
Aufgabe erfüllt: der Ebbestrom V wird in der Richtung
W von der Küste abgelenkt. Die Aufnahme zeigt die
Wirkung bei besonders ruhigem Wetter.
An dieser Stelle der Küste sind Wellen, welche sich 2,50 m über dem mittleren
Wasserspiegel erheben, nichts seltenes. Die ganze Höhe der Wellen zwischen Sohle und
Scheitel beträgt in diesem Falle also 5 m. Solche Wellen wurden u.a. während der
Stürme Ende Februar dieses Jahres mehrfach beobachtet. Eine Vorstellung von der
Kraft dieser Wellen mag die folgende Betrachtung geben, welche jedoch natürlich nur
eine grobe Annäherungsrechnung darstellen soll.
Nimmt man die Länge einer solchen Welle zu 12 m an, so würde das Gewicht des in
Bewegung befindlichen Wassers für jedes Meter Breite etwa 12 × 2,50 × 1020 = 30600 kg betragen.
(Das Gewicht eines cbm Seewasser = 1020 kg). Hätte man mit einer festen Masse zu
tun, so wäre das Arbeitsvermögen gleich dem Produkte aus Gewicht und Fallhöhe. Nimmt
man für diese Fallhöhe den halben Abstand zwischen Scheitel und Sohle der Welle, so
wäre das Arbeitsvermögen 30600 × 2,5 = 76500 m/kg.
Textabbildung Bd. 322, S. 284
Fig. 5.
Die Welle wäre also imstande, 76,5 t einen Meter hoch zu heben.
Es wurden seinerzeit gegen die Errichtung von Seedeichen in Eisenbeton von
verschiedenen Seiten Bedenken laut wegen der Gefahr der Schädigung durch Frost.
Allein in der holländischen Provinz Zeeland waren bis zum Herbst letzten Jahres
20000 qm zur Ausführung gelangt, bei denen sich bis Anfang Februar nirgends Risse
gezeigt haben. Die Frostbeständigkeit der neuen Bauart darf man nach diesem strengem
Winter also wohl als vollständig erwiesen betrachten.
Das für die Armierung dieser Küstenverteidigungswerke gebrauchte Streckmetall hat
rautenförmige Maschen mit einer kurzen Diagonale von 75 mm und wiegt je nach dem
Verwendungszweck 1,9 bis 2,7 f. d. qm.
F.
Kerdyk.