Titel: | Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerfabrikation im Jahre 1906. |
Autor: | A. Stift |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 314 |
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Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem
Gebiete der Zuckerfabrikation im Jahre 1906.
Von A. Stift,
Wien.
(Fortsetzung von S. 298 d. Bd.)
Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der
Zuckerfabrikation im Jahre 1906.
Auf dem Gebiete der Verdampfung und Verkochung liegen verschiedene
beachtenswerte Aeußerungen und Mitteilungen vor, die eine Hervorhebung verdienen.
Die Tatsache, daß man mittels Dampfstrahlapparaten große Druckwirkung erzeugen kann,
hat Veranlassung gegeben, diese Apparate bei der Verdampfung zu verwenden. ZscheyeDie
Deutsche Zuckerindustrie, 31. Jahrgang, 1906, S. 435.
beschreibt die hier obwaltenden Verhältnisse und ist der Ansicht, daß die
Dampfstrahlapparate ein Mittel zur Dampfersparnis sind und ihre Anwendung nur
geringe Kosten erfordert. Einen Dampfstrahlapparat stellt das direkte Dampfventil
dar, das an dem Ventil, welches den Rückdampf in den ersten Körper einführt,
angebracht ist; der direkte Dampf wirkt saugend auf den Rückdampf und mindert
dadurch dessen Spannung herab. Die Injektoren, die in die Uebersteiger der
Diffuseure eingebaut sind, sind ebenfalls Dampfstrahlapparate und ihre Anwendung
beschleunigt die Saftzirkulation in den Diffuseuren. Das Prinzip der
Dampfstrahlapparate ist, daß der Dampf aus einer engen Oeffnung unter möglichst
großem Druck, also mit großer Geschwindigkeit ausströmt, und daß diese
Geschwindigkeit dem Medium, welches den ausströmenden Dampf umgibt, mitgeteilt wird.
Wesentlich ist, daß durch die Anwendung von Dampfstrahlapparaten keine Wärme
verloren geht. Große Vorteile sollen diese Apparate da bieten, wo der Rückdampf
nicht ausreicht, sondern große Mengen direkten Dampfes noch angewendet werden
müssen. Besonders empfehlenswert ist die Anwendung der Dampfstrahlapparate bei einem
Vierkörperapparat ohne Saftkocher. Der Brüden aus dem zweiten oder dritten Körper
wird auf die Spannung des Rückdampfes komprimiert und bietet hier der
Dampfstrahlapparat genau die Vorteile eines Saftkochers. Die Dampfersparnis beträgt
5,5 kg auf 100 kg Rüben. Bei einem Vierkörper- oder Dreikörperapparat mit Saftkocher
kann der Brüden aus dem Saftkocher durch den Dampfstrahlapparat auf etwa ¾ at
gebracht werden, so daß der komprimierte Brüden wieder als Heizdampf für den
Saftkocher verwendet werden kann. Die Dampfersparnis beträgt bei dieser Anwendung
etwa 2,5 kg Dampf auf 100 kg Rüben. Die Menge Brüdendampf, welche man durch den
Dampfstrahlapparat komprimieren kann, ist abhängig von der gewünschten Druckerhöhung
und der Spannung des Kesseldampfes; unter 6 at Spannung sollte Kesseldampf nicht
gebracht werden. In bezug auf die Anwendung von Injektoren bei der Verdampfstation
teilen Fölsche und RößlerDie Deutsche Zuckerindustrie, 31.
Jahrgang, 1906, S. 435 und 436. nicht die Ansicht Zscheyes, da nach ihrer Erfahrung dabei nicht viel zu
erzielen ist.
Obwohl bei der Verkochung der Säfte der Kondensator unstreitbar eine wichtige Rolle
spielt, so wird doch oft seinen Temperaturanzeigen wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Wenn dann die Verkochung nicht nach Wunsch geht, so wird die Ursache in
Rohransätzen gesucht, und erst bei eingehender Untersuchung kommt man darauf, daß
die eigentliche Ursache in der Vernachlässigung des Kondensators liegt. Dort, wo das
Kondenswasser zum Anwärmen bei der Diffusion verwendet wird, schädigt das Schwanken
seiner Temperatur den ganzen Betrieb. LewandowiczZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen,
30. Jahrgang, 1906, S. 159. ist nun auf den Gedanken
gekommen, den barometrischen Kondensator mit einer elektrischen Signalvorrichtung zu
versehen, um die Temperaturschwankungen, zu deren Beobachtung sonst ein einfaches
Thermometer dient, welches aber ununterbrochen beobachtet werden muß, bequemer dem
Arbeiter kenntlich zu machen. An dem Barometerrohr wird zu diesem Behufe ein
Zeigerthermometer angebracht, welcher an seiner Skala bei 32° und 40° mit
elektrischem Kontakt versehen ist. Sobald der mit dem wagerechten Pol verbundene
Zeiger bei einem dieser beiden Punkte angelangt ist, ertönt infolge des
Stromschlusses das Alarmsignal und der beim Verdampfapparat angestellte Arbeiter hat
dann je nach Bedarf den Wasserzutritt zu vermindern oder zu vergrößern.
Textabbildung Bd. 322, S. 314
Fig. 3.
In Fig. 3 bedeuten A und
B die Kontaktpunkte, welche mit dem positiven Pol
verbunden sind, und C die Verbindung des Zeigers mit
dem negativen Pol.
Es ist bekannt, daß bei der Verdampfung nicht nur eine Wärmeübertragung, sondern auch
gleichzeitig eine Bewegung vor sich gehen soll. Je lebhafter die letztere ist, desto
lebhafter ist auch die andere. Versuche, diese Bewegung zu erhöhen, haben zu der
Konstruktion des Witkowilz-Körpers geführt, der berufen
ist, eine Lücke im Betriebe auszufüllen. Wenn es sich darum handelt, die
Vakuumstation mit verhältnismäßig geringen Kosten zu verbessern, so ist hierfür nach
der Ansicht von BrandZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 30. Jahrgang, 1906, S.
187. der Witkowitz-Körper
das beste Mittel. Dieser einfache Apparat – ein Zylinder, ein viereckiger Körper,
eine Kiste aus Eisenblech geschweißt, in deren Innern die Röhren von einer Wand zur
anderen querüber eingewalzt sind, so daß sie sich gegenseitig kreuzen – leistet 30
v. H. mehr als jede andere Heizfläche, wobei nur die Bedingung ist, daß die
Heizrohre rein bleiben, da dann die Anwärmung die ganze Kampagne hindurch
gleichbleibend ist. Besonders geeignet ist der Apparat für die Kochung der
Nachprodukte. Die Zuckerfabrik Auschitz in Böhmen war die erste Fabrik, welche
mit Hilfe dieses Apparates einen Sud von 450 Meterzentner in 18–20 Stunden auf Korn
gekocht hat, wobei Abläufe von 58, 59 und höchstens 62 Quotienten resultierten. Der
Vorwurf, daß die Witkowitz-Körper nicht jeden
beliebigen Ablauf auf Korn verkocht haben, ist richtig, denn dieselben können auch
nicht Wunderdinge verrichten. In dem Augenblicke, wo die Fabriken die Nachprodukte
auf Korn zu verkochen die Absicht haben, wird der Ablaufsirup der Ausgangspunkt für
einen neuen Produktionszweig. Ferner kann man mit dem Apparat auch nicht Dampf
sparen, da dies eine technische Unmöglichkeit ist, aber er gibt die Möglichkeit: 1.
genau die Verluststelle festzustellen, da er überall zugänglich ist, 2. zu sparen,
und zwar insofern als er mit verhältnismäßig kleinerer Heizfläche dasselbe leistet,
wie andere Heizkörper mit viel größeren Heizflächen.
Die Arbeit mit Vielkörperapparaten hat vor Jahren schon der verstorbene Jelinek, ein verdienter Fachmann auf dem Gebiete der
Verdampfungstechnik und -Lehre, nach verschiedenen Seiten hin erörtert, die
Durchführbarkeit festgestellt, sowie auch die Amortisation durchgerechnet. Diese
Frage hat sich aber sehr langsam Bahn gebrochen und Wagner war es beschieden, erst in der Kampagne 1902/03 einen Fünfkörper
und in der Kampagne 1905/06 einen Sechskörper im Betrieb einzuführen. Die Zahlen,
die nun WagnerZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 31. Jahrgang, 1906, S.
137. angibt, und die die Entwicklung einer
dreigliedrigen Verdampfstation in eine sechsgliedrige Verdampfstation darstellen,
sind so interessant, daß sie eine Wiedergabe verdienen.
Kampagne 1895/96.
Dreikörper. Zwei stehende und ein
liegender Verdampfkörper. Abdampffläche = 600 qm.
Verarbeitete Rüben
317045
Meterzentner
Verbrauchte Kohle
26205
„ = 8,2 v. H.
1 kg Kohle verdampfte
8,19 kg
Wasser
Dampfverbrauch für 100 kg Rüben
67,7 kg
Vierkörper. Zwei stehende und zwei
liegende Verdampfkörper. Abdampffläche = 860 qm.
1896/97
1897/98
1898/99
Verarbeitete Rüben
319960 q
261488 q
376596 q
Verbrauchte Kohle
22670 „(7,08 v. H.)
19063 „(7,28 v. H.)
25835 „(6,86 v. H.)
1 kg Kohle verdampfte Wasser
7,83 kg
7,42 kg
7,76 kg
Dampfverbr. für 100 kg Rüben
55,5 kg
54,1 kg
53,7 kg
Vierkörper. Zwei stehende und zwei
liegende Verdampfkörper.
1899/1900
1900/01
1901/02
Verarbeitete Rüben
355576 q
364940 q
465898 q
Verbrauchte Kohle
25430 „(7,15 v. H.)
30765 „(8,43 v. H.)
33590 „(7,2 v. H.)
1 kg Kohle verdampfte Wasser
7,43 kg
7,23 kg
7,81 kg
Dampfverbr. für 100 kg Rüben
53,1 kg
57,3 kg
55,7 kg
Fünfkörper. Zwei stehende und drei
liegende Verdampfkörper. Abdampffläche = 1100 qm.
1902/03
1903/04
1904/05
Verarbeitete Rüben
378850 q
456774 q
301118 q
Verbrauchte Kohle
24090 „(6,35 v. H.)
27655 „(6,05 v. H.)
18515 „(6,44 v. H.)
1 kg Kohle verdampfte Wasser
7,8 kg
8,30 kg
8,21 kg
Dampfverbr. für 100 kg Rüben
49,2 kg
49,3 kg
49,3 kg
Kampagne 1905/06.
Sechskörper. Drei stehende und drei
liegende Verdampfkörper. Abdampffläche = 1310 qm.
Verarbeitete Rüben
549868
q
Verbrauchte Kohle
32710
q = 5,92 v. H.
1 kg Kohle verdampfte
7,57 kg
Wasser
Dampfverbrauch für 100 kg Rüben
44,9 kg
Auffallend ist der geringe Dampfverbrauch in der letzten Kampagne. Wagner zieht aus seiner Arbeit noch keine weiteren
Schlüsse und ist eher zurückhaltend, da er noch niemandem empfiehlt, sich nach den
mitgeteilten Zahlen einzurichten. Fünfkörperapparate nach Wagner arbeiten schon mit bestem Erfolge in einigen Zuckerfabriken und
rühmt man diesen Apparaten eine Dampfersparnis, ferner die niedrigen Temperaturen
(im ersten Körper etwa 90° C) deren Einfluß auf den Saft und schließlich die
einfache Montage nach. CuřinZeitschrift für
Zuckerindustrie in Böhmen, 30. Jahrgang, 1906, S. 286.
hat eine eingehende Beschreibung und Berechnung der Arbeit einer
Fünfkörper-Verdampfstation, mit Vakuum vereinigt, gegeben, bezüglich welcher, da ein
kurzer Auszug nicht möglich erscheint, auf die Originalabhandlung verwiesen werden
muß. Daran anschließend sei eine nicht unwichtige Sache, nämlich die mechanische
Reinigung der Rohre aus liegenden Verdampfkörpern, noch berührt. Cuřin empfiehlt zu diesem
Zwecke einen hölzernen Zylinder von 80–90 cm im Durchm., in welchem man nach
erfolgter Füllung mit Wasser und grober Asche, eventuell durchgesiebter Schlacke,
50–100 Röhren auf einmal einlegt. Bei langsamer Drehung des Zylinders in einer
Trommel (etwa 17 Umdrehungen i. d. Minute) sind die Röhren in ¾ Stunden so
gereinigt, wie dies bei Handarbeit mittels Sand nicht zu erzielen ist.
Textabbildung Bd. 322, S. 315
Fig. 4.
In den letzten Jahren obwaltet auch das Bestreben, wie die zahlreichen Patente
beweisen, die Arbeit auf der Zentrifugenstation zu verbessern, d.h. die
Leistungsfähigkeit der Zentrifugen zu erhöhen, ferner durch egale und sichere Arbeit und
möglichste Herabsetzung der notwendigen Bedienungsmannschaft die Regiekosten
bedeutend herabzusetzen, um so also auch diese Station in modernem Sinne
umzugestalten. Von den neueren Konstruktionen seien die folgenden drei Systeme,
welche sich bereits bestens in die Praxis eingeführt haben und auch Gegenstand
vielseitiger Erörterungen waren, hervorgehoben.
Die älteste Konstruktion ist diejenige von Weston und
werden diese Zentrifugen für Zuckerfabriken entweder mit oberem Transmissionsantrieb
oder mit Druckwasserantrieb, oder mit elektrischem Stromantrieb erzeugt. Wie MarešZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 30. Jahrgang 1906, S.
484. nach der Anlage der in der Zuckerfabrik Mocowitz aufgestellten Zentrifugen mitteilt, so ist,
wie auch aus Fig. 4 ersichtlich, die Zentrifuge in
einem kräftigen, auf Traversenkonstruktion angeschraubten Lager aufgehängt. In dem
Lager befinden sich Gummieinlagen mit konischen Unterlagen, in welchen die innere
Spindel C aufgehängt ist. Diese Spindel ist auf dem
unteren Ende mit einem, dem besonderen Zwecke entsprechend konstruierten Spurlager
aus sechs Paar Linsen versehen und in ihrer ganzen Länge nach von der hohlen äußeren
Spindel D umschlossen, die in einfacher Weise mit dem
Spurlager fest verbunden ist. Die äußere Spindel D
trägt am unteren Ende die Trommel E, während am oberen
Ende die Antriebscheibe F aufgekeilt ist, deren unterer
Teil als Bremsscheibe ausgebildet ist. Die elastischen Ringe gestatten und regeln
gleichzeitig ein Pendeln der Trommel. Beachtenswert ist ferner, daß der hohle Teil
der äußeren Spindel ein Oelgefäß bildet, aus dem das Oel nicht entweichen kann, so
daß das wichtigste Lager der Maschine, bei sehr geringem Verbrauch an Oel,
vollkommen im Oelbad läuft. Die Trommel ist aus starkem, gelochtem Stahlblech
angefertigt und am Umfange solide versteift, innen ist sie mit grobem
Eisendrahtgeflecht, feinem Messingdrahtgewebe und feinem Kupfersiebe versehen. Die
Verbindung der Trommel mit der Spindel besorgt eine Stahlgußrosette, welche mit
einem leichten Blechkonus bedeckt ist. Nach dem Abstellen der Zentrifuge wird der
Konus K gehoben und der Zucker fällt durch die Rosette
entweder in den Zuckerwagen, die Transportrinne oder Transportschnecke zur
Weiterbeförderung. Der Antrieb der Zentrifuge ist sehr schön ausgeführt durch eine
Zentrifugal-Friktionsantriebscheibe, welche aus einer Riemenleerscheibe und einem
auf der Welle gekeilten Doppelarm besteht. Jeder Arm trägt einen zweiarmigen, um
einen Bolzen drehbaren Hebel, mit welchem einerseits mittels Zugstangen Gleitschuhe
befestigt sind, während sie andererseits mit den äußeren Enden der Arme vermittels
federnder Bügel verbunden sind, Die Friktionsflächen der Gleitschuhe sind dem
Innenradius der Riemenscheibe entsprechend abgedreht und beledert. Demgemäß werden
sie von dem Doppelarm bei seiner Rotation mitgenommen und unter der Einwirkung der
Zentrifugalkraft bestrebt sein, nach auswärts zu fliegen und ihre Bewegung dem
Riemenscheibenkranz mitzuteilen. An diesem Bestreben werden sie durch die Nasen der
Gleithülse gehindert; um daher die Bewegungsübertragung an die Riemenscheibe
einzuleiten, hat man nur die Hülse mit den Nasen ein kleines Stück längs der Welle
vermittels eines Handhebels zurückzuschieben, wodurch die Auswärtsbewegung der
Gleitschuhe frei gegeben wird. Die federnden Bügel verhindern eine allzuplötzliche
Anpressung der Gleitschuhe, wodurch bei der Bewegungsübertragung jeder Stoß oder
plötzliche Beanspruchung des Riemens gänzlich vermieden und erreicht wird, daß
letzterer sanft und allmählich, aber so schnell als wünschenswert seine volle
Geschwindigkeit erhält.
(Schluß folgt.)