Titel: | Beitrag zur Theorie der Dampfmaschinen-Regulierung. |
Autor: | W. Hort |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 338 |
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Beitrag zur Theorie der
Dampfmaschinen-Regulierung.
Von Dr. W. Hort.
Beitrag zur Theorie der Dampfmaschinen-Regulierung.
Der Betrachtung des Reguliervorganges der Dampfmaschine und der Bedingungen für
das Zustandekommen einer stabilen Regulierung sind eine große Anzahl beachtenswerter
Arbeiten gewidmet worden.
Wir sind durch sie im Besitz zeichnerischer und rechnerischer Methoden zur
Vorausberechnung der bei einem Belastungswechsel sich abspielenden Bewegungsvorgänge
der Dampfmaschine, wir kennen auch die Bedingungen für die Stabilität der
Regulierung.
In letzterer Hinsicht sind Arbeiten von WischnegradskiZivilingenieur 1877, S.
95. und von StodolaZ. d. V. d. I. 1899, S. 506,
673. von besonderer Wichtigkeit. Kurz zusammengefaßt kann
man die Resultate dieser Forscher in folgenden Sätzen aussprechen:
1. Ohne Oelbremse ist jeder Zentrifugalregulator für eine stabile Regulierung
unbrauchbar.
2. Unter Umständen kann die Wirkung der Oelbremse durch die Eigenreibung des
Regulators und des Stellzugs ersetzt werden.
3. In jedem Falle läßt sich die Größe der Bremswirkung so bestimmen, daß der
Reguliervorgang aperiodisch verläuft.
4. Ein astatischer Regulator ist auch in Verbindung mit einer Oelbremse
unbrauchbarBezüglich der von
Stodola a. a. O. behandelten
Beharrungsregler lassen sich ähnliche etwas allgemeinere Sätze aufstellen,
worauf hier nicht weiter eingegangen wird..
Die Aufstellung dieser einfachen Sätze hatte eine Voraussetzung, die auf die
Dampfmaschine nicht genau zutrifft: nämlich die, daß in jedem Augenblick das
Drehmoment von der Stellung des Regulators beherrscht sei. Streng genommen gilt dies
nur für Turbinen, während bei Kolbendampfmaschinen immer nur die Regulatorstellung
im Augenblick des Steuerungsabschlusses für das mittlere Drehmoment während des
betreffenden Hubes maßgebend ist. Man kann daher die Kolbenmaschinenregulierung
gegenüber der Turbinenregulierung als unstetig bezeichnen.
Von diesem zutreffenderen Standpunkt aus ist die Regulierungstheorie der
Dampfmaschine ebenfalls schon behandelt worden, so von KarglZivilingenieur
1871, S. 266. und neuerdings von RülfDer
Reguliervorgang bei Dampfmaschinen. Berlin 1902. Springer.. In erster Linie haben diese beiden
Verfasser zeichnerische und rechnerische Verfahren zur Verfolgung des
Regelungsvorganges selbst angegeben.
Textabbildung Bd. 322, S. 337
Fig. 1.
Mit der Aufsuchung der diesem Standpunkt entsprechenden Stabilitätsbedingungen
beschäftigt sich eine Arbeit des Verfassers dieser Zeilen in der Zeitschrift für
Math. und Physik 1904, 3. Heft. Auf diese Arbeit soll hier in Kürze zurückgekommen
werden, mit einer Erweiterung, die sich auf den Nachweis der Ungültigkeit des oben
genannten Satzes 1 bezieht, wenn man von der tatsächlich vorhandenen Unstetigkeit
der Kolbenmaschinenregulierung ausgeht.
Textabbildung Bd. 322, S. 337
Fig. 2.
Wir führen folgende Bezeichnungen ein (s. Fig. 1 und
2):
Θ =
Trägheitsmoment des Schwungrades.
r =
Kurbelradius.
ϑ =
Kurbelwinkel positiv gezählt von der vor-deren Totlage nach oben;
auch die Dre-hung der Maschinen erfolge in dieser Rich-tung, also
rechtsläufig.
z =
Regulatorhub.
z = + z° =
in der höchsten Stellung.
z = – z° =
in der tiefsten Stellung.
z = 0 =
in der mittleren Stellung.
ωm
=
mittlere Winkelgeschwindigkeit der Ma-schine, entspr. dem
Beharrungszustand mitz = 0.
ωm + η0 =
höchste Winkelgeschwindigkeit im Be-harrungszustande mit z = + z0 (Leerlauf).
ωm– η0 =
kleinste Winkelgeschwindigkeit im Behar-rungszustande mit z = – z0 (Vollast).
M0
=
mittl. Tangentialdruckmoment beim Leerlauf.
M0+ Mm =
mittl. Tangentialdruckmoment bei mittl. Be-lastung.
M0 + 2 Mm =
mittl. Tangentialdruckmoment bei Vollast.
Wr =
Widerstandsmoment der Maschinenreibung,unabhängig von der
Geschwindigkeit undder Belastung.
W =
Widerstandsmoment der Belastung.
Ueber den Regulator setzen wir weiter folgendes fest. Es sei ein Zentrifugalregulator
mit Feder oder Gewichtsbelastung; seine Schwingungsgleichung sei:
m\,\frac{d^2\,z}{dt^2}+b\,\frac{dz}{dt}+c\,\left(z-\frac{z^0}{\delta\,\omega_m}\,\eta\right)
z ist hier der Muffenhub, t ist die Zeit, m ist eine
Konstante, abhängig von den Abmessungen und Massen der Regulatorteile; die Konstante
b trage dem Einfluß der Oelbremse und der Eigen-
und Stellzeugreibung Rechnung, die Konstante c ist aus
den Gewichten, Federkräften und Abmessungen des Regulators zusammengesetzt, m, b, c lassen sich für jeden gegebenen Regulator
berechnen. Im übrigen hat die Gleichung 1 folgenden Sinn: Dreht sich der Regulator
mit konstanter mittlerer Winkelgeschwindigkeit ωm (η = 0) um seine
Achse, so wird seine Muffe in ihrer mittleren Ruhelage z = 0 verharren. Bringt man nun die Muffe (bei übrigens ungeänderter
Winkelgeschwindigkeit) aus ihrer Ruhelage heraus, so wird sie, freigelassen, um die
Lage z = 0 eine Schwingung nach obiger
Differentialgleichung ausführen.
Ist die Winkelgeschwindigkeit des Beharrungszustandes von ωm verschieden und etwa ωm + η, so wird die Ruhelage der Muffe bei
z=\frac{z^0}{\delta\,\omega_m}\,\eta
sich einstellen und dieser Punkt wird wieder der
Schwingungsmittelpunkt der Muffenbewegung sein. Ist schließlich η mit der Zeit veränderlich, so gilt Gleichung 1
ebenfalls für die Regulatorbewegung; wir haben in diesem Falle eine lineare
Differentialgleichung 2. Ordnung mit Störungsfunktion.
Zur Erläuterung des Einflusses des Regulators auf die Drehmomente M diene Fig. 3. In dem
oberen Diagramm bedeuten die Ordinaten q die
Kanaleröffnungen bezw. die Ventilerhebungen in Funktion des Kurbel winkeis. In der
anderen Figur ist in bekannter Weise das Drehmomentdiagramm gezeichnet. Der
Flächeninhalt desselben und damit die Maschinenleistung ist wesentlich von dem
früheren oder späteren Abschluß der Steuerorgane, der Füllung abhängig. Wir setzen
nun voraus, daß die Füllungen sowie die mittleren Drehmomente der Beharrungszustände
den Regulatorstellungen proportional sind:
M = M0+ a (z0– z). . . . 2)
Für die mittlere Belastung der Maschine gilt z = 0
und Mm
= M0 + az0. . . . . 3)
Für die höchste Belastung gilt z = –
z0
und Mmax = M0
+ 2 az0. . . . 4)
während M0 das Drehmoment des Leerlaufs = Wr ist.
Was die Winkelgeschwindigkeit der Maschine anlangt, so seien ihre den
verschiedenen Beharrungszuständen entsprechenden Aenderungen ebenfalls proportional
den Aenderungen der Regulatorstellung:
Textabbildung Bd. 322, S. 338
Fig. 3.
z : η =
z0 : η0. . . . . . . 5)
Führen wir jetzt, den Ungleichförmigkeitsgrad
\delta=\frac{\omega_{\mbox{max}}\omega_{\mbox{min}}}{2\,\omega_m} . . . . 6)
oder
\delta=\frac{\eta^0}{\omega_m} . . . . . . . . 7)
ein, so geht Gleichung 5, über in
z=\frac{z^0}{\delta\,\omega_m}\,\delta . . . . . . . 8)
Es erübrigt nun noch, eine den Abschluß des Einlaßorganes beherrschende Gleichung
aufzustellen. Wir betrachten eine Hubperiode, der wir die von einer bestimmten
Anfangsperiode angezählte Nummer k zuteilen, und
schreiben folgende Gleichung an:
\vartheta_k=\alpha_0+k\,\pi+\alpha\,\frac{z^0-z_k}{2\,z^0} . . . 9)
Die Größen ϑk seien
diejenigen Kurbelwinkel, bei denen die Steuerung vermöge ihrer besonderen
Einrichtung unter Einfluß der Regulatorstellung zk die Dampfzufuhr für den Hub k absperrt. Diese Gleichung besagt folgendes:
Läuft die Maschine bei höchster Regulatorstellung
zk = +
z0,
also leer, so ist
ϑk =
α0 + kπ, . . . . . 10)
α0 ist demnach die kleinste Füllung. Bei maximaler Belastung zk = z0 dagegen ist
ϑk= α0+ kπ + α. . . . . 11)
α0 + α ist demnach die größte Füllung der
Maschine.
Wir betrachten nach diesen Festsetzungen die Differentialgleichungen der Bewegung
während einer Störung des stationären Zustandes. Dieser Beharrungszustand sei
gekennzeichnet durch den anfänglich gegebenen Tangentialwiderstand W0.
M = W0+Wr=M0+W0=M0+a (z0– z0) 12)
W0= a (z0 – z0). . . . . 13)
hieraus findet man die zugehörige Regulatorstellung
z_0=z^0-\frac{W_0}{a}=\frac{a\,z^0-W_0}{a}
Die zugehörige Winkelgeschwindigkeit
\omega_0=\omega_m\,\left(1+\delta\,\frac{a\,z^0-W_0}{a\,z^0}\right). . . 14)
und die zugehörige Füllung zu
\alpha_0+\frac{\alpha\,W_0}{2\,a\,z^0}.
Wir fassen jetzt einen Steuerungsschlußpunkt ins Auge, der unmittelbar auf einen
Durchgang der Kurbel durch die vordere Totlage folgt, wobei wir die Kurbelwinkel von
diesem Durchgang zu zählen anfangen. Im Schlußpunkt ist dann (k = 0)
\vartheta_0=\alpha_0+\frac{\alpha}{2}\cdot \frac{W_0}{a\,z^0}\,\vartheta. . . . 15)
In diesem Augenblick nehmen wir eine Störung des Beharrungszustandes vor, indem wir
das Tangentialwiderstandsmoment W0 in W plötzlich
abändern.
Dies sind die für die Lösung der Aufgabe nötigen Voraussetzungen. Die Methode der
Lösung besteht nun dahin, daß aus den Bewegungsgleichungen von Maschine und
Regulator für jeden Steuerungsschlußpunkt die Größen ηk, zk, z'k berechnet werden. Mit der weiteren Annahme, daß
die zwischen zwei Steuerungsschlußpunkten verfließende Zeit nicht wesentlich
schwanke und annähernd gleich der mittleren Hubzeit T
der Maschine gesetzt werden könne, werden diese Gleichungen, die im genauen Falle
transcendent sind, linear und ermöglichen so die explicite Lösung.
Auf die Angabe der mathematischen Methode, die a. a. o. nachgelesen werden kann, soll
hier verzichtet werden. Es resultiert aus ihr ein Gleichungssystem folgender
Art:
zk + 1 = α1
zk + β1
ηk + γ1
z'k + δ1ηk + 1 = α2
zk + β2
ηk + γ2
z'k + δ2z'k + 1 = α3
zk + β3
ηk + γ3
z'k + δ3
16)
wo die α β γ δ Konstante sind.
Dieses Gleichungssystem läßt sich so umformen, daß drei Gleichungen folgender Art
entstehen:
zk + 4
= α1
zk + 3 + α2
zk + 2 + α3
zk + 1 + α4
zk. 17)
Für ηk + 4 und z'k + 4 kommen ganz
analoge Gleichungen heraus, so daß man sich auf die Untersuchung der Gleichung für
zk + 4 beschränken
kann.
Ein Theorem von Bernoulli erlaubt nun, aus dieser
Gleichung die folgende abzuleiten:
zk =
C1 + C2
λ1k – 1 + C3
λ2k – 1 + C4
λ3k – 118)
Hier sind die C1 aus den
Anfangsbedingungen zu bestimmende Konstante, die λ
dagegen die Wurzeln der Gleichung dritten Grades
λ3 –
Pλ2
– Qλ – R = 0. . . 19)
Die PQR sind Größen, die nur von den eingangs
aufgeführten Maschinen und Regulatorkonstanten abhängen und sich folgendermaßen
schreiben:
P=\gamma\,\left\{\frac{e_1-e_2}{\alpha_1-\alpha_2}+\frac{b}{c}\,\left(\frac{\alpha_2\,e_1-\alpha_1\,e_2}{\alpha_1-\alpha_2}+\right)\right
\left-T\right\}+e_1+e_2+1
Q=\gamma\,\left{-2\,\frac{e_1-e_2}{\alpha_1-\alpha_2}+\frac{b}{c}\,\left(e_1\,e_2-\frac{\alpha_1\,e_1-\alpha_2\,e_2}{\alpha_1-\alpha_2}\right\right
\left\left-\frac{\alpha_2\,e_1-\alpha_1\,e_2}{\alpha_1-\alpha_2}-1\right)+T\,(e_1+e_2)\right\}-(e_1\,e_2+e_1+e_2)
R=\gamma\,\left\{\frac{e_1-e_2}{\alpha_1-\alpha_2}+\frac{b}{c}\,\left(-e_1\,e_2+\frac{\alpha_1\,e_1-\alpha_2\,e_2}{\alpha_1-\alpha_2}\right)\right
\left-e_1\,e_2\,T\right\}+e_1\,e_2.
20)
γ bedeutet hier eine Abkürzung für \frac{a\,z^0}{{\gamma_1}^0\,\Theta} und ist
der reziproke Wert der „Durchgangszeit“
Td der Maschine, d.h.
derjenigen Zeit, die die Maschine braucht, um bei plötzlicher Entlassung von Vollast
auf Leergang und nicht abgestellter Dampfzufuhr von der Geschwindigkeit ωm
– η° auf ωm + η° zu kommen. Wie
bekannt, muß Td stets
größer sein als die Hubzeit, damit für den Fall, daß eine solche Entlastung durch
einen unglücklichen Zufall (Riemenbruch, Stromloswerden der angetriebenen Dynamo
usw.) gerade unmittelbar nach einem Steuerungsschluß stattfindet, die
Maschinengeschwindigkeit nicht vor dem nächsten Steuerungsschluß, bei dem ja der
Regulator erst in die Störung einzugreifen beginnt, unzulässig hoch wird.
Ferner sind a1 und a2 die Wurzeln der für
den Regulator charakteristischen Gleichung:
ma2+ ba + c = 0, . . . . 21)
während e1 und e2 abgekürzt sind für e^{a_1\,T} und e^{a_2\,T}. Nach
diesen Feststellungen setzt uns Gleichung 18 in den Stand, den Verlauf jeder
Beharrungsstörung voraus zu berechnen. Wir sind aber auch in der Lage, sofort
angeben zu können, ob die Störung zu einem neuen Beharrungszustand führt. In diesem
Falle muß der Regulator allmählich zur Ruhe kommen und hierfür ist notwendig, daß
die Größen λ in Gleichung 18 kleiner als + 1, aber
größer als – 1 sind. Denn in diesem Falle nehmen die Terme mit C2, C3, C4 fortgesetzt ab und
es kommt heraus:
lim zk
= Konstant.
(Schluß folgt.)