Titel: | Professor von Bachs Untersuchungen mit armiertem Beton. |
Autor: | E. Probst, Probst |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 339 |
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Professor von Bachs Untersuchungen mit armiertem
Beton.
Von E. Probst,
Berlin.
Professor von Bachs Untersuchungen mit armiertem Beton.
Vor kurzem ist neuerdings eine Veröffentlichung über Versuche mit Eisenbeton von
Baudirektor Prof. von Bach in
Stuttgart erschienen;Versuche mit
Eisenbetonbalken, Mitteilungen über Forschungsarbeiten, Heft
39. sie bietet mit seinen bereits bekannten
Veröffentlichungen über Druckversuche mit Beton und Gleitwiderstand einbetonierter
Eisen interessantes Material zur Besprechung der wesentlichsten Streitfragen bei
armiertem Beton.Wir geben den
Ausführungen des Herrn Probst, ohne ihnen in allen
Punkten beizutreten, Raum in der Annahme, daß sie zu einer sachlichen
Aussprache über die berührten Fragen führen und zur Klärung beitragen
werden.Die Redaktion.
Wie bei den älteren Untersuchungen, ist auch bei der neueren Veröffentlichung
großer Wert darauf gelegt worden, alle Vorversuche, wie die Bestimmungen über die
Zusammensetzung der Materialien, die Herstellung der Versuchskörper und die äußerst
gründlich und sorgfältig durchgeführten Vorbereitungen für die Versuchsanordnungen
eingehend zu beschreiben; und das große Zahlenmaterial in den Versuchsergebnissen
bietet eine besondere Handhabe zur eingehenden Besprechung.
Professor von Bach macht vorerst auf eine Erscheinung
aufmerksam, auf die – wie Bach selbst bemerkt – bereits
im Jahre 1904 der Amerikaner Turneaure hingewiesen hat,
auf die unmittelbar vor dem Erscheinen der ersten Risse auftretenden Wasserflecken. Es sind dies feuchte Stellen, die sich
bei steigender Belastung an der Unterfläche der Balken vor dem Auftreten der Risse
bilden, und an diesen Stellen entstehen nachher die Risse. Bach erklärt diese Erscheinung wie folgt:
„Mit steigender Belastung findet an einzelnen Stellen der Unterfläche, die auf
Zug beansprucht wird, eine Lockerung des Gefüges statt, Feuchtigkeit tritt von
innen nach außen und liefert den Wasserfleck. Bei Erhöhung der Belastung geht
die Lockerung an dem einen oder andern Fleck in einen Riß über, wobei an der
einen oder andern benachbarten Stelle, die gleichfalls Wasserflecke zeigt, eine
Verminderung der Spannung herbeigeführt wird, wodurch es sich erklärt, daß nicht
an allen Stellen mit Wasserflecken Risse auftreten. Auch der Umstand kann
hierbei wirksam werden, daß der Grad der Lockerung an verschiedenen Stellen
verschieden ist.
Bei der Natur des Betons erklärt es sich ganz von selbst, daß von einer gleich
großen Zugfestigkeit des Materials an allen Stellen der Balkenunterfläche nicht
wohl die Rede sein kann, weshalb das Auftreten von Lockerungen in dem Gefüge an
einzelnen Stellen ganz begreiflich erscheint“.
Bach hat in einer früheren ArbeitVersuche über den Gleitwiderstand
einbetonierten Eisens, Mitteilungen über Forscherarbeiten, Heft
22. über den Gleitwiderstand einbetonierter Eisen einen Wasserzusatz
von 15 v. H. als die obere Grenze des Wasserzusatzes bezeichnet, welcher bei
armiertem Beton gestattet sein soll, und hat auch bei diesen Untersuchungen für die
Betonmischung einen Wasserzusatz von 15 v. H. verwendet. Andererseits waren die
Balken bis zu ihrer Prüfung auf nassen Sand gelagert und mit feuchten Säcken
zugedeckt, so daß sie die ganze Zeit naß gelagert waren.
Vergleichen wir nun damit die Ergebnisse der Untersuchungen des Amerikaners Turneaure,Engineering News 1904, Vol. LII, S. 213. so finden wir
einige interessante Aufschlüsse über diese Wasserflecken, und die Ansicht Turneaures über deren Herkunft.
Diese Versuche wurden schon im Jahre 1902 angefangen und im Jahre 1903 wiederholt und
dienten dazu, die Dehnungsfähigkeit von Beton und armiertem Beton zu bestimmen. Turneaure dürfte wohl der Erste gewesen sein, der sich
bemüht hat, die fremd klingende Hypothese Considères
von der größeren Dehnungsfähigkeit des Betons bei armiertem Beton zu wiederlegen,
wie es auch später von Kleinlogel mit seinen Versuchen
an der Stuttgarter MaterialprüfungsanstaltForscherarbeiten. Heft 1, „Beton und Eisen“ 1904.
geschehen ist. Die Versuche Turneaures wurden an
Betonbalken mit einem Querschnitt von 15 × 15 cm und einer Spannweite von 1,50 m
durchgeführt. Die Eiseneinlagen befanden sich etwa 2½ cm von der Unterkante des
Balkens entfernt und waren bei den meisten Probekörpern mit der Druckzone verankert;
außerdem befanden sich in Entfernungen von je 8 cm und 5 mm starke Rundeisenbügel.
(Ueber die Abmessungen der Armierung sind leider keine näheren Angaben gemacht.)
Sowohl die Anordnung der Bügel als auch die Verankerung der Armierung mit dem
Druckgurt fehlen bei den Versuchen von Kleinlogel und
Bach, sie haben aber auch auf die in Rede stehenden
Versuchsergebnisse keinen Einfluß und sind bei der Bestimmung der Dehnungsfähigkeit
des armierten Betons ohne Belang. Die Balken wurden 48 Stunden in der Form
gelassen und während dieser Zeit mit nassen Tüchern bedeckt. Nachher wurden sie in
fließendes Wasser von 15° C gelagert, in welchem sie bis etwa 4 Stunden vor
Durchführung der Versuche verblieben. Das Alter der
Prüfungsbalken war, wie bei den Versuchen von Bach, ein
Monat bezw. drei Monate.
Auf Grund vorher gemachter Erfahrungen, erklärte Turneaure, sei er zu dem Entschlusse gekommen, die Balken so lange wie
möglich naß zu lagern, da man dann selbst die kleinsten
Risse im Beton sofort an den vorher auftretenden etwa 3 mm schmalen Streifen –
den Wassermarken, wie er sie nennt – erkennen müsse. Zuerst erscheine bei
der Durchbiegung die Wassermarke, die später in einen dunklen Haarriß übergehe.
Turneaure hat noch einen anderen Beweis dafür erbracht,
daß die Wassermarken die Vorläufer der Risse sind, indem er einen kleinen
Betonstreifen von der Unterseite des Betonbalkens herausgesägt hat, welcher eine
derartige Wassermarke enthielt; an dieser Stelle ist
der kleine Betonstreifen auseinandergefallen.
Ferner stellt Turneaure fest, daß bei den nichtarmierten
Balken vor dem Bruch weder ein Wasserfleck noch ein Riß zu finden war.
Wie man sieht, führt Turneaure diese Wassermarken
unmittelbar auf die Naßlagerung zurück, und es ist wohl anzunehmen, daß die von Bach bei seinen Versuchen beobachteten Wasserflecken
auch auf dieselbe Ursache zurückzuführen sind. Leider fehlt bei der Veröffentlichung
der Turneaureschen Versuche die Angabe des
Wasserzusatzes beim Beton, diese könnte aber auch seine vorher angegebenen
Erklärungen nicht ändern.
Zweifellos sind die Wasserflecke auf die Naßlagerung zurückzuführen, wie neuere,
demnächst erscheinende Versuche gelehrt haben. Die Naßlagerung verhindert ein zu
rasches Austrocknen des Betons im Innern des Probekörpers. Diese aufgespeicherte
Feuchtigkeit scheint es zu sein, die beim Belasten des Probebalkens an den schwachen
Stellen austritt. Aus den Versuchsergebnissen Turneaures und Bachs ergibt sich, daß bei
wissenschaftlichen Untersuchungen zu einer genauen Beobachtung der Risse die
Naßlagerung der Balken sehr zu empfehlen ist.
Einer eingehenden Diskussion notwendig erscheint das, was Bach über die Dehnungsfähigkeit des Betons sagt.
Zunächst sei kurz darauf hingewiesen, welchen Standpunkt die Eisenbetontechnik in
dieser Frage bisher eingenommen hat.
Die Versuche von Considère,„Le Génie Civil“ 1899, No.
14–17. die ersten auf diesem Gebiete, und die darauf
folgenden Untersuchungen der französischen Regierungskommission„Beton u. Eisen“, Heft 5/1902, Heft
5/1903. haben das etwas verblüffende Ergebnis geliefert, daß der
armierte Beton imstande sei, 10–20 Mal so große Dehnungen mitzumachen als der
nichtarmierte Beton derselben Mischung. Dieses Ergebnis blieb lange Zeit
unangefochten, bis es von Turneaure durch die eben
besprochenen Versuche angezweifelt wurde; kurz darauf befaßte sich auch Kleinlogel mit derselben Frage und kam zu demselben
Ergebnis wie Turneaure. Turneaure bedient sich bei
seinen Versuchen mit Vorteil der Wassermarken, um das Auftreten der ersten Risse
genau bestimmen zu können und faßt seine Versuchsergebnisse folgendermaßen
zusammenComparing the
observed and calculated elongations of the reinforced concrete those of the
piain concrete ad rupture, it will be seen that the initial cracking in the
former occurs at an elongation practically the same as in the latter. It
will also be noted on the diagrams that the initial cracking as shown by the
water-marks usually begins about where the curves begin to change direction
rapidley.The significance of these cracks is an open question. It has been supposed
that concrete reinforced by steel will elongate about 10 times as much
before rupture as will plain concrete. These experiments show very clearly
that rupture begins at about the same elongation in both cases. In the plain
concrete total failure ensues at once; in the reinforced concrete rupture
occurs gradually, and many small cracks may develop so that the total
elongation at final rupture will be greater than in the plain concrete. In
other words, the steel develops the full extensibility of a non-homogeneous
material that otherwise would have an extension corresponding to the weakest
section.:
Wenn die beobachtete und berechnete Längenänderung des armierten Betons mit
derjenigen des nichtarmierten Betons beim Bruch verglichen wird, zeigt sich, daß der
Anfangsriß im ersteren bei fast derselben Längenänderung erscheint, wie beim
letzteren der Bruch. Die Längenänderungskurven zeigen auch, daß der Anfangsriß – was
auch durch die Wassermarken bestätigt wird – ungefähr dort auftritt, wo die
Krümmungen der Schaulinie anfangen, sich schnell zu ändern. Die Bedeutung der Risse
ist eine offene Frage. Es wurde angenommen, daß mit Eisen armierter Beton sich vor
dem Bruch 10 Mal so viel ausdehnen könne wie nichtarmierter Beton. Die Versuche
ergeben aber, daß der Bruch in beiden Fällen bei ungefähr derselben Längenänderung
beginnt, bei dem nichtarmierten plötzlich, bei dem armierten allmählich, nachdem
vorher sich viele kleine Risse gebildet haben, so daß die totale Längenänderung beim
endlichen Bruch größer sein wird, wie beim nicht armierten Beton. Mit anderen
Worten, das Eisen entwickelt die volle Dehnungsfähigkeit des nichtarmierten
Betonmaterials, welches sonst eine Ausdehnung entsprechend der schwächsten Stelle
haben würde.
Diese Versuche Turneaures haben also ergeben, daß der
Beton im armierten Zustande keine andere Dehnungsfähigkeit hat als im nichtarmierten
Zustande. Der erste Riß bei armiertem Beton kennzeichnet eine schwache Stelle im
Beton, eine Stelle, an welcher der Zugwiderstand des Betons überwunden ist, und an
dieser Stelle wäre der Balken gebrochen, wenn er nicht armiert gewesen wäre.
Selbstverständlich gibt es Strecken ohne Risse, innerhalb welcher der Beton auf Zug
wirkt. Das Gleiche ist aber auch bei nichtarmiertem Beton der Fall, nur wirkt bei
armiertem Beton die Armierung an der Rißstelle als Anker und verhindert den
Zerfall.
Die viel besprochenen Untersuchungen Kleinlogels führten
zu dem Ergebnis, welches er in folgenden Worten zusammenfaßt:
Es geht aus den Versuchen hervor, daß die
bei den Versuchen gewählte Form der Armierung nicht hinreicht, um die von
Considère beobachteten Erscheinungen zu erklären.
Es ist vielmehr aus diesen Resultaten der Schluß zu ziehen, zunächst lediglich mit
Hinweis auf die gewählte Zusammensetzung und die Art der
Armierung der Probekörper, daß dem Eisen nicht die ihm von Considère zugeschriebene, uns rätselhafte Eigenschaft
innewohnt, die Wirkung des Betons bis zu riesigen Werten zu ermöglichen, die wir
sonst bei diesem Material nicht kennen, sondern es hat auf den Beton lediglich den
Einfluß, daß es vermöge der Adhäsion und Scherfestigkeit des Betons an der
Erreichung seiner Bruchdehnung um so erfolgreicher hindert, je größer sein
Querschnitt zum wirksamen Betonquerschnitt ist. Diese Bruchdehnung wird aber durch
die Armierung kaum nennenswerter als die des
nichtarmierten Betons.
Ich habe in diesen Ergebnissen aus den Versuchen Kleinlogels dasjenige hervorgehoben, was mir bei der Beurteilung der
ganzen Frage sehr wesentlich erscheint und auch von Considère als sehr wesentlich hervorgehoben wurde, insbesondere in seinen
Erklärungen über die späteren Versuche, die im Jahre 1905 von der französischen
Akademie der Wissenschaften veröffentlicht wurden. In letzteren sagt er, daß
armierter Beton, richtig hergestellt, und zweckmäßig
armiert, Dehnungen ertragen kann, ohne zu reißen, die weit größer sind als
jene, welche der gewöhnliche Beton zu ertragen imstande ist.
Diese letzten Erklärungen von Considère folgen aus
Untersuchungen von zwei Stück 3 m langen Balken. Ihr Querschnitt war 15 × 20 cm, die
Armatur bestand aus fünf Rundeisen, zwei von 16 mm und drei von 12 mm Durchm. Wie
man sieht, ist der Armierungsprozentsatz ziemlich hoch; bei Anordnung der Eisen
wurde darauf gesehen, daß eine sehr gute Verteilung der Armierung über die ganze
Breite der Zugzone stattfand. Das Ergebnis war bei dem trocken gelagerten Balken
eine Dehnung von 0,625 mm f. d. laufende Meter und bei den naß gelagerten Balken
eine Dehnung von 1,3 mm f. d. laufende Meter, also bedeutend höher, wie bei
nichtarmiertem Beton.
Betrachtet man nun die Ergebnisse von Bach in seiner
letzten Veröffentlichung, so findet man darin folgende Erklärungen über die
Dehnungsfähigkeit des armierten Betons:
Die über die ganze Breite des Balkens gemessene Dehnung des Betons
an der Unterfläche der Balken wurde ermittelt unmittelbar vor Beobachtung der ersten
Risse, bei den Balken mit Bauart nach
Fig.
1
zu
0,127
mm
auf
1
m
Länge
„
2
„
0,132
„
„
„
„
„
„
3
„
0,123
„
„
„
„
„
„
4
„
0,176
„
„
„
„
„
„
5
„
0,136
„
„
„
„
„
Hiernach zeigen die Balkan nach Bauart Fig. 4 die größte
Dehnung des Betons. Diese Erscheinung findet in dem
Umstände, daß diese Balken die geringste Breite besitzen, ihre
Erklärung.
Textabbildung Bd. 322, S. 341
Es zeigt sich aus diesen Zahlen, daß die Längenänderung des Betons mit zunehmendem
Verhältnis V, der Querschnittfläche des Eisens zum
nutzbaren Betonquerschnitt wächst, wenn auch nur um Bruchteile von Millimeter; während bei Balken
nach Bauart Fig.
1 dieses Verhältnis V = 0,59 v. H. ist, ist
das Verhältnis V bei Balken nach Bauart 4 = 1,69 v.
H.
Bach hat bei seinen Versuchsbalken nur ein einziges Eisen als Armierung verwendet und
festgestellt, daß die ersten Risse vorwiegend an den Kanten der Balken auftreten,
also an denjenigen Stellen der Unterfläche, welche von der Armierung am weitesten
abliegen. Aus den Berechnungen der Längenänderung für Balken 16 ergibt sich die gesamte Dehnung des Betons unter der Last P = 5100 kg, d.h. unter derjenigen Höchstlast, bei der
noch keine Risse bemerkt wurden, zu 0,135 mm auf 1 m Länge, und bei P = 7500 kg, d.h.; bei derjenigen Last, bei welcher die
Risse an der Unterfläche des Balkens bis an das Eisen herantreten, zu 0,4 mm auf 1 m
Länge.
Vergleicht man diese beiden Dehnungen, welche den Lasten von 5100 kg und 7500 kg
entsprechen, so muß man sich unwillkürlich fragen:
Wären die ersten Risse im Beton bei derselben Belastung
aufgetreten, wenn Bach als Armierung statt eines Eisens
mehrere kleinere Eisen gewählt hätte derart, daß auch in der Nähe der Balkenkanten
Armierungseisen vorhanden gewesen wären?
Daß gerade der Balken nach Bauart Fig. 4 mit der
geringsten Breite (b = 15 cm) und mit dem größten
Verhältnis (V = 1,69 v. H.) die größte Längenänderung
hat, weist darauf hin, daß die Verteilung der Armierungseisen auf die Breite des
Balkens nicht ohne Einfluß ist. Die Armierung ist immer derart anzuordnen, daß das
Eisen alle Teile des Betons auf die ganze Breite des Balkens gleichmäßig zur
Mitwirkung heranziehen kann, wie ich schon in meiner Arbeit über „das
Zusammenwirken von Beton und Eisen“Forscherarbeiten. Heft 6, „Beton und Eisen“ 1906.
hinzuweisen Gelegenheit hatte.
Weiter wäre noch ein anderer Umstand zu berücksichtigen, der bei den Bachschen Versuchen auf die Messung der Dehnungen
möglicherweise nicht ohne Einfluß geblieben ist, nämlich, daß Bach seine Armierungseisen sehr tief gelegt hat. In dem
Falle der Balken nach Bauart Fig. 4 liegt das Eisen
1,7 cm von der Unterkante des Balkens entfernt, bei allen anderen nur 1 cm, was wohl
zu gering sein dürfte im Verhältnis zu der Stärke der Armierung. Möglicherweise hat
auch dieser Umstand auf die, wenn auch nur geringe Erhöhung der Dehnung im Falle 4
Einfluß genommen.
In neuester Zeit hat sich auch Prof. Schüle-Zürich mit
Dehnungsmessungen an armierten Beton-Zugkörpern befaßt.Mitteilungen der schweizerischen
Materialprüfungsanstalt, Heft X: Resultate der Untersuchungen von armiertem
Beton auf reine Zugfestigkeit und auf Biegung unter Berücksichtigung der
Vorgänge beim Entlasten. Aus diesen Versuchen ergab sich bei
einer Eiseneinlage gleich 0,1 v. H. des Querschnittes eine Dehnung von 0,47 mm f. d.
laufende Meter, bei einer Eiseneinlage gleich 1,6 v. H. des Querschnittes eine
Dehnung bis 1,38 mm, was als eine Bestätigung der Considèreschen Ergebnisse anzusehen ist.
Bach tritt diesen und anderen gleichartigen Ergebnissen
entgegen und ist der Meinung, die ersten Risse seien nicht rechtzeitig entdeckt
worden. Zur Bekräftigung seiner Ansicht, zieht er die Dehnungskurven aus seinen
Versuchen und aus denjenigen Schüles heran und
sagt hierbei, daß nicht nur die Wasserflecke, sondern auch die ersten Risse immer in
das Gebiet der stärksten Krümmung der Dehnungskurven fallen (s. Fig. 6 u. 7). Seine
Dehnungskurve für Balken 16 (Fig. 6), zeigt einen ziemlich regelmäßigen Verlauf; zuerst weicht sie
nicht viel von einer Geraden ab, dann macht sie eine scharfe Krümmung und geht
wieder in eine Gerade über. Nun fällt der erste von Bach hervorgehobene Kantenriß bei P = 5250
kg, das ist schon beinahe in die zweite Gerade hinein. Wäre aber die Armierung über
die ganze Breite verteilt gewesen, so wäre der erste Riß wohl erst später
aufgetreten und der Charakter der Kurve wäre in diesem Falle wohl kaum ein anderer
geworden. Das Auftreten der Risse käme dann tief in den zweiten geraden Teil der
Kurve zu liegen, was so viel besagen würde, daß in der
Considèreschen Hypothese doch etwas Wahrheit steckt, welche besagt:
Textabbildung Bd. 322, S. 342
Fig. 6.Dehnungsdiagramm für Balken 16. (Bachsche Versuche).
Verlängerung auf 1 m; erster
Wasserfleck; erste Risse an den Balkenkanten; erste Risse unterhalb des
Eisens.
Bis zu einem gewissen Punkte, dem Anfang der Krümmung, die Stelle,
welche den Bruch des nichtarmierten Betons anzeigt, ist die Beanspruchung des
armierten Betons nicht viel größer als diejenige des nichtarmierten Betons beim
Bruch. Die beiden Materialien, Beton und Eisen, verhalten sich so, als ob sie
unabhängig voneinander wären, und teilen sich in die aufgebrachte Last proportional
ihren Dehnungskoeffizienten. Von da an nehmen die Verlängerungen des Betons rasch zu, während seine Beanspruchung nur langsam
wächst im Gegensatze zu dem rasch zunehmenden Dehnungskoeffizienten.
Das Gleiche folgert Schüle aus seinen Versuchen, welche
mit außerordentlicher Genauigkeit durchgeführt wurden. (Da Verfasser dieser Zeilen
selbst an den Versuchen teilweise mitgearbeitet hat, kann er nur auf das
Bestimmteste erklären, daß ein Uebersehen von Rissen bei der Art der Durchführung
der Versuche in Zürich in dem Maße, wie Bach annimmt,
ausgeschlossen ist.) Die Dehnungskurven aus den Schüleschen Versuchen verlaufen allerdings weniger regelmäßig, aber der
Verlauf ist ähnlich (s. Fig. 7). Nach dem vorher Gesagten bei der
Bachschen Dehnungskurve muß die plötzliche Krümmung
der Kurve noch nicht notwendigerweise eine Folge des Auftretens der ersten Risse
sein und es liegt kein Grund vor anzunehmen, daß die Risse früher entstanden sind,
als von Schüle beobachtet wurde.
Textabbildung Bd. 322, S. 343
Fig. 7.Dehnungsdiagramme (Versuche von Schüle).
Verlängerungen auf 1 m; Körper 5:
Armierung 1 v. H. bleibende Dehnung; gesamte Dehnung; Körper 6: Armierung 1 v.
H. bleibende Dehnung; gesamte Dehnung; Körper 9: Armierung 1,6 v. H. bleibende
Dehnung; gesamte Dehnung.
Aus den Messungsergebnissen von Bach folgt, daß die
Dehnungskurven wahrscheinlich nach Erreichung der Dehnung, bei der die
nichtarmierten Balken brechen würden, eine starke Krümmung machen. In der Nähe
dieser Stelle, d.h. bei der gleichen Dehnung, sollten auch beim armierten
Betonbalken die ersten Risse entstehen, wenn nicht in dem Verhalten des Betons
durch die Armierung eine Aenderung eintreten würde. Tatsächlich treten die ersten
Risse bei armierten Betonbalken nicht immer in der Nähe der ersten Krümmung der
Kurve auf, und aus dieser Tatsache wurde der Schluß abgeleitet, daß der armierte
Beton eine größere Dehnungsfähigkeit besitzt wie der nichtarmierte Beton. Doch diese
größere Dehnungsfähigkeit besteht nur scheinbar. Durch
die Armierung wird jeweilig die sonst zum Bruche führende schwächste Stelle
entlastet, andere Stellen werden herangezogen, und je nach der Güte des Betons, der
Verteilung der Armierung und der Art der Lagerung (trocken oder naß) ändert sich
diese Stelle in der Dehnungskurve. Sie wird in der Nähe der ersten Krümmung liegen,
wenn die Probekörper naß gelagert haben und das Verhältnis der Querschnittsfläche
des Eisens zum nutzbaren Betonquerschnitt klein ist. Sie wird sich von der ersten
Krümmung der Kurve entfernen, wenn dieses Verhältnis größer wird, und wenn die
Probekörper trocken gelagert haben. Die Dehnungsfähigkeit
des Betons an sich wird durch die Armatur nicht geändert, geändert wird nur die
Dehnungsverteilung über die Länge des Balkens.
Daß die Hypothese Considères nicht allgemein gültig sein
kann, zeigen die Versuche Turneaures, Kleinlogels und
Bachs. Damit ist aber noch nicht bewiesen, daß die
Versuche Considères und Schüles unrichtige Resultate geliefert haben. Aus dem Gesagten folgt:
Sowohl die Versuchsergebnisse Considères und Schüles einerseits, Turneaures, Kleinlogels und Bachs andererseits können richtig sein, ohne daß es
gestattet wäre, daraus einen allgemein gültigen Schluß zu ziehen, wie es bisher
geschehen ist.
Sollen allgemein gültige Schlüsse gezogen werden, so ist es unbedingt notwendig, daß
noch weitere Versuche durchgeführt werden, welche alle Erfahrungen berücksichtigen,
die man bisher mit Bezug auf die Art der Armierung und deren Verteilung im Beton
gesammelt hat.
(Schluß folgt.)