Titel: | Ueber freigehende Pumpenventile. |
Autor: | L. Klein |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 354 |
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Ueber freigehende Pumpenventile.Vergleiche die Versuche in der Zeitschrift des
Vereins deutscher Ingenieure 1905, S. 485, 618 u. f.
Von Professor L. Klein,
Hannover.
Ueber freigehende Pumpenventile.
Die nachfolgend beschriebenen Versuche sollen zur Erkenntnis der bei
verschiedenen Umdrehungen und Ventilbelastungen zulässigen Ventilhübe und
-Schlußgeschwindigkeiten, zur Bestimmung der Ausflußziffer, sowie zur Berechnung der
Ringventilabmessungen beitragen. Sie wurden im Ingenieurlaboratorium der Königl.
Technischen Hochschule Hannover durchgeführt, welches mir hierzu dessen Leiter,
Professor Frese, in liebenswürdigster Weise zur
Verfügung gestellt hatte. Hierfür danke ich ihm auch an dieser Stelle.
1. Zulässige Hübe und
Schlußgeschwindigkeiten des Versuchsventils.
Untersucht wurde das in einer DifferentialpumpeSiehe
Zeitsch. des Vereins deutsch. Ing. 1900, S. 241. (Fig. 1) als Druckventil arbeitende, gewichtsbelastete
Ringventil (Fig.
2 u. 3) von 166 mm Durchm. und 16 auf 22 mm Breite, bei Ventilhüben von 2 bis
11 mm und 57 bis 199 minutlichen Umdrehungen.
Textabbildung Bd. 322, S. 353
Fig. 1. Differential-Kolbenpumpe.
a = Quecksilber-Vakuummeter; b =
Quecksilber-Manometer; L1 = Schreibhebel für Ventilerhebung; S1 = Scheibe zum
Antriebe der Indikatortrommeln; H1 = Antrieb für normale Diagramme.
Zur Erreichung der verschiedenen Ventilhübe wurden viererlei Ventilbelastungen und
viererlei Kolbenhübe eingestellt. Beobachtet wurden die Bewegungen und das
Schließgeräusch des Ventils. Zu diesem Zwecke wurden zunächst normale
Ventilerhebungsdiagramme genommen, wobei sich die Papiertrommel im gleichen
Verhältnis wie der Pumpenkolben bewegte, während die lotrechte Erhebung des
Schreibstiftes die Größe des augenblicklichen Ventilhubes angab. Die Uebertragung
der Ventilbewegung auf den Schreibstift ist aus Fig. 2 u. 3 ohne
nähere Beschreibungen erkenntlich, die Hebel L1 und L2 verhalten sich wie 5 : 1, so daß die
Ventilerhebung auf das Fünffache vergrößert im Diagramm erscheint. Aus solchen
normalen Diagrammen ist aber die Ventilbewegung in der Nähe der Kolbentotlagen, also
zur Zeit des Oeffnens und Schließens des Ventils, nicht deutlich zu ersehen, weil
dabei die Papiertrommel nahezu stillsteht. Um über diese wichtigen Vorgänge
Aufschluß zu erhalten, wurden auch sog. versetzte Diagramme genommen, bei denen die
Papiertrommel von einem, gegen die Kurbel um etwa 90° versetzten Exzenter
angetrieben wurde, so daß sie sich zur Zeit des Ventilöffnens und -schließens mit
ihrer größten Geschwindigkeit bewegte. Zur Erkennung des Pumpenganges nahm ich bei
jedem Versuch auch Indikatordiagramme am Kolbenraum. Außerdem ist an der Pumpe die
Möglichkeit vorgesehen, am Saug- und Druckwindkessel, sowie Saug- und
Druckventilkasten zu indizieren. Um während des Betriebes der Pumpe rasch
hintereinander normale und versetzte Diagramme nehmen zu können, werden alle
Indikatortrommeln von einer im Gestell der Pumpe gelagerten Welle w bewegt, auf welcher die Scheiben S1 und S2 festgekeilt, die
Hebel H1 und H2 dagegen lose drehbar
sind (Fig. 4).
H1 ist mit dem Kreuzkopf
der Pumpe, H2 dagegen
mit dem um 90° gegen die Kurbel versetzten Exzenter verbunden. Je nachdem man nun
H1 oder H2 mit w durch den Stift D
kuppelt – was leicht während des Betriebes geschehen kann – können normale oder
versetzte Diagramme geschrieben werden.
Unvollkommener wie die Aufzeichnung der Bewegung ist die Beurteilung des
Schließgeräusches, weil hierfür ein vom Beobachter unabhängiger Maßstab fehlt.
Geräuschlos setzt sich ein Pumpenventil, bei welchem, so wie bei dem untersuchten, Metall auf
Metall trifft, niemals auf. Auch für die in der Praxis wichtigen Fälle, für welche
man geneigt ist, den Ventilschluß als geräuschlos zu bezeichnen, hört man, wie auch
von BachBach Z. d V. d. I. 1886, S.
427. beobachtete, den Schlag des Ventils, sobald man das Ohr auf
die Wandung des Ventilkastens legt, woraus zu entnehmen ist, daß das Ventil weder
stoßfrei noch mit der Geschwindigkeit 0 schließt.
Textabbildung Bd. 322, S. 354
Ringventil mit Gewichtsbelastung.
Textabbildung Bd. 322, S. 354
Fig. 4.Trommelantrieb der Indikatoren.
Ich bin in Uebereinstimmung mit den Anforderungen der
Praxis, wenn ich den Gang des Ventils so lange als „sehr gut“ bezeichne, als
man dessen Schließen nicht hört, ohne das Ohr auf die Wandungen des Ventilkastens zu
legen.
Schließt das Ventil mit leichtem, gedämpften Schlage, den man hört, ohne das Ohr an
die Pumpe zu legen, so bezeichne ich den Gang mit „gut“, ist der Schlag
deutlich hörbar und kräftiger, doch immer noch so mäßig, daß man m. E. die Abnahme
einer derartigen Pumpe nicht beanstanden kann, so nenne ich den Gang „mäßig“,
tritt aber metallisch klingender Ventilschlag auf, so ist der Pumpengang
„schlecht“. Diese Unterscheidung ist rein persönlich, doch ist die Grenze
des sehr guten Ganges, und auf die kommt es hauptsächlich an, ziemlich sicher
festzustellen, obwohl natürlich der augenblickliche Zustand des Gehörs des
Beobachters, und etwa in der Nähe auftretende andere Geräusche von Einfluß sein
werden.
In den zeichnerischen Darstellungen der Versuchsergebnisse, den Fig. 28–32, ist der
Ventilgang durch die Umrahmung der Versuchspunkte kenntlich gemacht, und
bezeichnet:
∙ Gang sehr gut,
× Gang mäßig,
∘ Gang sehr gut bis gut,
× Gang mäßig bis schlecht,
▲ Gang gut,
● Gang schlecht.
△ Gang gut bis mäßig,
Durchführung der Versuche.
Zu jeder Ventilbelastung wurden der Reihe nach die vier Kolbenhübe eingestellt, und
die Pumpe bei verschiedenen minutlichen Umdrehungszahlen vom sehr guten bis zum
mäßigen Gange untersucht. Bei jeder Umdrehungszahl wurden normale und versetzte
Diagramme der Ventilerhebung, sowie der Druckänderung im Kolbenraume genommen, und
endlich der Gang des untersuchten Druckventiles bewertet. Das Oeffnen erfolgte, wie
auch bei den von v. BachZ. d. V. d. I. 1886, S. 427. untersuchten Ventilen,
mit dumpfem Stoße. Die Pumpe förderte in einen Hochbehälter, wobei der Druck im
Windkessel 2,6–2,7 at betrug, die Saughöhe im Saugwindkessel wurde durch Drosseln
auf etwa 3 m, der Wasserstand im Druckwindkessel auf etwa 290 bis 330 mm über, der im Saugwindkessel auf etwa 780 Millimeter unter Druckventil gehalten.
Für einen solchen Versuch sind Diagramme in den Fig. 5–8
wiedergegeben. Dabei war der Hub des Kolbens 250, sein Durchmesser 124,6 mm und die
minutliche Umdrehungszahl 91,2. Auf dem Ventil lag die Belastung BIV
– vergl. Tab. 2 (s. Heft 24) sowie Fig. 2 u. 3 –
bestehend aus den Bleiringen R1 und R2 sowie dem außen angehängten Bleigewicht K. Der Ventilhub zur Zeit der Kolbenhubmitte ergibt
sich aus dem normalen Diagramm (Fig. 5) bei HM zu 4,2 mm; der Ventilgang war meist sehr gut,
zeitweise nur gut.
Die Lagen der Totpunkte wurden bei stillgesetzter Pumpe mit Hilfe einer auf den
Lenkstangenkopf gesetzten Wasserwage bestimmt.
Man sieht aus dem Diagramm: Erst nachdem die vordere Totlage Tv durchlaufen, wird das Druckventil
aufgestoßen, es fliegt zu hoch, fällt wieder zurück, pendelt um den
Gleichgewichtszustand, beruhigt sich aber, ehe der Ventilschluß erfolgt. In den
Schaulinien sind diese großen Schwingungen durch kleinere, von der Elastizität des
Schreibhebels herrührende, überlagert. Das Ventil schließt erst, nachdem die Kurbel
über die hintere Totlage hinaus und der Kolben aus derselben etwas zurückgegangen
ist. Die Schlußgeschwindigkeit vs errechnet sich (s. Fig. 6) aus den Angaben
des versetzten Diagrammes: Ist vp die Geschwindigkeit der Papiertrommel im Augenblick des
Ventilschlusses, vss
die senkrechte Geschwindigkeit des Schreibstiftes und vs die Ventilgeschwindigkeit zur selben
Zeit, so ist infolge des Hebelverhältnisses
L_1\,:\L_2=5\,:\,1 auch v_s=\frac{1}{5}v_{s8}.
Ist weiter γ der Winkel, welchen
der Schreibhebel im Augenblick des Ventilschlusses und β der Winkel, welchen die Ventilschlußlinie mit der Richtung der
Papierbewegung einschließt, so ergibt sich durch geometrische Beziehungen aus dem
versetzten Diagramm (Fig. 6)
v_s=\frac{1}{5}\,\frac{v_p\,\mbox{tg}\,\beta}{1-\mbox{tg}\,\beta\cdot \mbox{tg}\,\gamma},
bei den Versuchen war γ = 8°.
Das versetzte Diagramm (Fig. 6) zeigt: je mehr
das Ventil seinem Sitze sich nähert, desto rascher fällt die Schließkurve, um so
größer wird die Ventilgeschwindigkeit. In roher Annäherung kann für die auf die Zeit
bezogene Ventilerhebungskurve eine SinuslinieSiehe
O. H. Müller, Das Pumpenventil, S.
28. gesetzt werden, was eine Ventilgeschwindigkeit
v_v=\frakfamily{h}\,\omega\,cos\,\alphaKlein, Z. d. V.
d. I. 1905, S. 618, Anmerkung 2., und im versetzten Diagramm
(Fig.
6) annäherungsweise eine von A aus geradlinig
abfallende strichpunktierte VentilerhebungslinieFür
das versetzte Diagramm (Fig. 6)
ist:Die veränderliche Papiergeschwindigkeit v'pv'_p=\frac{1}{2}\,l\,\omega\,\mbox{sin}\,(\alpha+90^{\circ}) worinl = Diagrammlänge,ω = Winkelgeschwindigkeit,α = Kurbeldrehwinkel,(α + 90°) =
Exzenterdrehwinkel.Infolge des Hebelverhältnisses L1 : L2
= 5 : 1 ist die lotrechte
Schreibstiftgeschwindigkeit 5 mal so groß als die Ventilgeschwindigkeit,
also gleich 5 vv, so daß die Tangente des Neigungswinkels an die versetzte
Ventilerhebungslinie wird:\mbox{tg}\,\beta'=\frac{5\,v_v}{v'_p}=\frac{5\,\frakfamily{h}\,\omega\,\mbox{cos}\,\alpha}{\frac{1}{2}\,l\,\omega\,\mbox{sin}\,(\alpha+90^{\circ})}=\frac{10\,\frakfamily{h}}{l}= konstant für alle Werte von α, d.h. die Ventilerhebungslinie im versetzten Diagramm hat
gleichbleibende Neigung, ist also eine Gerade. sowie für den
Augenblick des Schlusses, also für α = 90°, die größte
Ventilgeschwindigkeit zu v'_s=\frakfamily{h}\,,\omega ergeben
würde.
Textabbildung Bd. 322, S. 355
Diagramme bei n = 91,2 minutlichen Umdrehungen; Kolbendurchm. = 124,6 mm;
Kolbenhub = 250 mm; Ventilhub = 4,2 mm; Ventilbelastung = BIV = 8,53 kg.
Fig. 5. Normales
Ventilerhebungsdiagramm; Fig. 6. Versetztes Ventilerhebungsdiagramm; Fig. 7.
Normales Pumpendiagramm; Fig. 8. Versetztes Pumpendiagramm; HM
Kolbenhubmitte
Wie aus den Fig. 6, 10, 12... bis 26
hervorgeht, bleibt das Ventil länger in den höheren Lagen, fällt dann rascher und
kommt mit größerer Geschwindigkeit auf seinen Sitz, als der strichpunktierten
Geraden, und damit der einfachen Sinusbewegung entspricht. Zur Ableitung der
letzteren war gleichbleibende Austrittsziffer und gleichbleibende
WassergeschwindigkeitO. H. Müller,„Das Pumpenventil“, S. 5 u. 6. vorausgesetzt worden, was
beides für die bis jetzt untersuchten Ventile nicht zutrifft.C. Bach: Versuche
über Ventilbelastung und Ventilwiderstand; 1884.Berg: Z. d. V. d. I. 1904, S. 1136.Klein: Z. d. V. d. I. 1905, S. 486 u.
622. Die Ventilschlußgeschwindigkeit vs ist infolgedessen auch nicht so groß
wie die Vergleichsgeschwindigkeit
v'_s=\frakfamily{h}\cdot \omega=\frac{\pi}{30}\,n\,\frakfamily{h},
sondern λ mal so groß:
v_s=\lambda\,v'_s=\lambda\,\frac{\pi}{30}\,n\,\frakfamily{h}
Eine theoretische Ermittlung von λ unter Berücksichtigung der Veränderlichkeit der
Ausflußziffer und -Geschwindigkeit sowie der Masse und unter Vernachlässigung
etwaiger Reibung wäre wohl durchführbar. Da aber sowohl durch schrägen Wasserstoß,
als auch durch Ungleichmäßigkeit der roh gegossenen, nicht abgedrehten
Belastungsringe R± und R2 unkontrollierbare Reibung des Ventils an seiner Führung hervorgerufen
werden kann,
Textabbildung Bd. 322, S. 356
Normale Diagramme; Versetzte
Diagramme; Ventilerhebungsdiagramme für n = 60 bis n = 114,5; Ventilbelastung
BII = 6,44 kg; Kolbenhub = 300 mm; Kolbendurchmesser = 124,6.
habe ich vorgezogen, λ nur durch den Versuch zu
bestimmen. Für obiges Beispiel ist \frakfamily{h}=4,2 mm; n = 91,2 und vs = 66,3 Sek./mm gemessen, woraus sich ergibt:
\lambda=\frac{v_s}{\frac{\pi}{30}\,n\cdot \frakfamily{h}}=\frac{66,3}{0,105\cdot 91,2\cdot 4,2}=1,64.
(Fortsetzung folgt.)