Titel: | Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie. |
Autor: | Otto Nairz |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 471 |
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Fortschritte auf dem Gebiete der
Funkentelegraphie.
Von Ingenieur Otto Nairz,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 76 d. Bd.)
Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie.
Die große Bedeutung, welche sich die drahtlose Telegraphie in der kurzen Zeit
ihres Bestehens erworben, hat ihren Grund darin, daß in ihr ein Mittel gegeben ist,
die Drahttelegraphie dort zu ergänzen, wo man auf Nachrichtenübermittlung sonst
verzichten müßte, weil eine Drahtverbindung nicht hergestellt werden kann. Die Zahl
der Stationen
ist in beständigem Wachstum begriffen und soll die Zahl 1550 erreicht haben, von
denen 641 von der Gesellschaft für drahtlose
Telegraphie errichtet wurden.
Wenn nun auch den einzelnen Stationsarten zur Vermeidung gegenseitiger Störungen
bestimmte Wellenlängen schon gesetzlich vorgeschrieben wurden, so müssen sich doch
viele Schiffsstationen mit sehr nahe aneinander liegenden Wellenlängen begnügen. Je
größer aber die Dämpfung der Gebe- und Empfangsstationen ist, in desto weiteren
Grenzen kann man auch die Wellenlängen in beiden verändern, ohne daß die
telegraphischen Zeichen ausbleiben. Das hat, wie jedes Ding, seine Licht- und
Schattenseiten. Ist einerseits die richtige Resonanzlage leicht gefunden und sind
genaue und scharfe Nachregulierungen, die ein viel besser geschultes Personal
erfordern, überflüssig, so müssen andererseits Stationen, die weder mithören, bezw.
stören, noch selbst gestört sein wollen, Wellenlängen anwenden, die um fast 10 v. H.
auseinander liegen. Hieraus geht hervor, daß, wenn viele Stationen dicht
zusammengedrängt sind, ganz erhebliche Wellenunterschiede vorkommen müssen. Bei
zehnprozentiger Abstimmschärfe und 10 Stationen muß die längste Welle schon das
Doppelte der kürzesten betragen.
Man kann heute wohl sagen, daß sich die Dämpfung des Empfängers kaum mehr besonders
verringern läßt. Die Form des Luftleiters ist bereits so getroffen, daß eine weitere
Herabsetzung der Strahlungsdämpfung zu geometrischen Gestalten führen würde, die zur
Aufnahme der Wellenimpulse des Senders nicht mehr geeignet sind. Die Transformation
des Empfängerluftdrahtes auf den geschlossenen Kreis, und dieser selbst, der der
geringen Beanspruchung wegen an sich schon sehr wenig gedämpft ist, läßt sich auch
kaum mehr verbessern. Es bleibt deshalb nur der Sender selbst, an dem sich noch
Reformen anbringen lassen, die derart sein müßten, daß die Gesamtdämpfung des
Systems verringert wird. Nur dann erreicht man ein höheres Ansteigen der
Schwingungsamplitude im Empfänger, so daß eine größere Reichweite und mit ihr die
gewünschte größere Abstimmschärfe erzielt wird. Die gegenwärtige, ziemlich
bedeutende Senderdämpfung herabzumindern ist das Bestreben aller jener, denen dieser
modernste Zweig der Elektrotechnik am Herzen liegt,
Solange man bei der Funkenerregung bleiben muß, bei der ein bestimmter Energiebetrag
bis zur nächsten Aufladung des Kondensators sich selbst überlassen bleibt und in den
Schwingungswiderständen langsam verzehrt wird, ist es von ausschlaggebender
Bedeutung, die Dämpfungsursachen so klein wie möglich zu halten. Es ist bekanntlich
die Funkenstrecke selbst, die den Löwenanteil an verfügbarer Energie verschluckt.
Durch die Ueberlagerung des kräftigen, einem geschlossenen Kondensatorkreis von
großer Kapazität entsprossenen Schwingungsstromes in der Funkenstrecke, wird der
Funkenwiderstand wesentlich herabgesetzt. Trotzdem kommt man wenig unter das
Dekrement: ϑ = 0,l. Es ist dies der natürliche Logarithmus des Verhältnisses zweier
aufeinander folgender Schwingungsamplituden, das durch die Beziehung ϑ = δ T mit dem sogen. Dämpfungsfaktor δ der gedämpften Schwingung zusammenhängt, welche der
Gleichung
A = A0
∙ e–δt sin ω t
entspricht. (A0 Anfangsamplitude, A
Amplitude zur Zeit t,
\omega-\frac{2\,\pi}{T} und \delta=\frac{W}{2\,L}
T ist hierbei die durch 2 π √CL gegebene
Schwingungszeit deren reziproker Wert \frac{1}{T}=v, die
Frequenz, heißt.) Bei dem angegebenen Dekrement ϑ = 0,1 beträgt aber die Amplitudenabnahme immer noch 10 v. H.
Als vor Jahresfrist die Nachricht kam, daß es dem Dänen Poulsen gelungen wäre, ungedämpfte, d.h. kontinuierliche Schwingungen von
der in der drahtlosen Telegraphie nötigen Frequenz zu erzeugen, war das Interesse in
der wissenschaftlichen Welt außerordentlich groß. Man erwartete nichts Geringeres,
als das Ende der Funkentelegraphie, die als mit allen möglichen Mängeln behaftet
hingestellt wurde. Die ungedämpften Schwingungen Poulsens, bei denen die f. d. Wechsel verloren gegangene Energie durch den
als Umformer tätigen Lichtbogen der Gleichstromquelle entnommen wird, müßten
theoretisch eine sehr große Abstimmschärfe bedingen, die nur noch von der Dämpfung
des Empfängers abhängtD, p. J. 1906, 321,
S. 778.. Letztere kann aber, nicht zuletzt mangels einer
Funkenstrecke, wesentlich unter 0,1 liegen. Praktisch wird indessen diese hohe
Abstimmschärfe nicht entfernt erreicht, da die Frequenz eines so erregten Systems
nicht mehr ausschließlich von der benutzten Kapazität und Selbstinduktion, nach der
Formel
\frac{1}{T}=\frac{1}{2\,\pi\,\sqrt{C\,L}}
abhängt, sondern durch den Lichtbogen, bezw. dessen Länge und Widerstand noch eine
Variable hinzukommt. Nach der Veröffentlichung eines Ingenieurs der Radio-Telegraph Amalgamated Co.W. Hahnemann, Zur
„Erklärung der sogenannten ungedämpften Schwingungen“ und zu den
„Beiträgen zur Erzeugung schwach gedämpfter Schwingungen“. E. T.
Z. 28, 1907, S. 353., welche sich mit der technischen
Ausgestaltung von Poulsens Erfindung beschäftigt,
erzielt man eine Abstimmschärfe von ½ v. H. bei geringer Energieentziehung, die
natürlich auch nur geringe Reichweiten gestattet. Etwas besser ist die Anordnung der
Gesellschaft für drahtlose Telegraphie, bei der
mehrere Bogen hintereinander geschaltet sind, so daß die Aenderungen eines derselben
auf die Gesamtheit nur wenig ausmacht. Im Gegensatz hierzu ist Poulsens Bogen, um auf genügend hohe Spannung zu
kommen, sehr lang.
Abgesehen von der also nur theoretisch erreichbaren großen Abstimmschärfe, welche bei
einem schwach gedämpften Empfänger ihrer Inkonstanz wegen ein beständiges aus der
Resonanz fallen zur Folge hat, haftet den kontinuierlichen Lichtbogenschwingungen
noch ein Mangel an, der sie zunächst noch überall dort unverwendbar erscheinen läßt,
wo man auf ein selbsttätig niedergeschriebenes Dokument nicht verzichten kann. Es
gibt heute noch keinen Wellenanzeiger (Detektor) außer dem Fritter, der das
Schreiben gestattet und gerade dieser versagt bei den ungedämpften Schwingungen.
Armee und Marine halten aber am Fritter fest, überdies ist es gerade für deren
Zwecke nötig, daß mit wenigen, von Laien auszuführenden Griffen ein sicheres
Arbeiten eingeleitet werden kann, eine Bedingung, der die Lichtbogenschwingungen
heute noch nicht entsprechen.
Der Fritter spricht auf Spannungsamplituden an, d.h. er geht von seinem gewöhnlichen,
nichtleitenden Zustand in den leitenden über, der das Passieren eines Relaisstromes
gestattet, wenn an seine Klemmen ein bestimmter Spannungsbetrag von etwa 1 – 2 Volt
gelegt wird. Er hat hierbei noch den Vorzug vor anderen Detektoren, daß er bis zu
seinem Ansprechen die Schwingung nicht dämpft, was man z.B. von der elektrolytischen
Zelle nicht sagen kann. Daß letztere trotzdem auf größere Entfernungen anspricht,
rührt von ihrer außergewöhnlichen Empfindlichkeit her. Nun ist die Erregungsspannung
der Lichtbogenschwingungen von 200–400 Volt rund 100 mal kleiner als beim Funken;
kein Wunder, daß die Spannungen im Empfänger trotz der Stetigkeit der Schwingung
nicht bis zu der Höhe geschaukelt werden, wie die bei Funkenentladung. Die Energie
ist doch dieselbe, ob ein Strom von 100 Amp. bei einer Spannung von 1, oder von 1
Amp. bei 100 Volt verwendet wird. Die Schwingungsamplituden sind aber bei
Lichtbogenerregung an und für sich klein und außerordentlich viel kleiner wie die
Anfangsamplitude der Funkenschwingung. In integrierenden Detektoren wie z.B. auch im
Hitzdrahtamperemeter, ist es nur die Stetigkeit, welche bedeutende Stromstärken
anzuzeigen gestattet. Dieses reagiert ja auf den Wärmeeffekt, der bei einem
kontinuierlichen Wechselstrom gleich ist A =J2
W, wenn J den Effektivwert
und J0 = J ∙ √2 den Maximalwert bei Sinusform bedeuten. Bei
gedämpften Schwingungen wird für eine Entladung
A=w\,\int_0^{\infty}\,J_t^2\cdot d\,t
Textabbildung Bd. 322, S. 473
Fig. 9.Resonanzspule durch Funkenentladungen erregt.
und, wenn man für den Momentanwert des Stromes Jt, einsetzt:
Jt =
J0 ∙ e–δt ∙ sin ω
t,
so erhält man
A=w\,J_0^2\,\int_0^{\infty}\,e^{-2\,\delta\,t}\cdot \mbox{sin}^2\,\omega\,t\cdot d\,t=\frac{w\,J_0^2}{4\,\delta\,\left[1+\left(\frac{\delta}{\omega}\right)^2\right]}.
(Hierin bedeuten w den
Gesamtwiderstand, L den Selbstinduktionskoeffizienten
und \omega=\frac{2\,\pi}{T}, die Winkelgeschwindigkeit des Wechselstromes.) Da ω2 groß ist gegen δ2, kann man
annähern:
A=\frac{J_0^2\,w}{4\,\delta}.
Textabbildung Bd. 322, S. 473
Fig. 10.Resonanzspule durch den Lichtbogen erregt.
Bei Z-Entladungen i. d. Sekunde, wird A natürlich Z × so groß. Wenn man also von
einer kontinuierlichen und einer gedämpften Schwingung im selben System den gleichen
Ausschlag eines Hitzdrahtamperemeters erreichen will, so muß man
\frac{w\,J_u^2}{2}=\frac{w\,J_g^2}{4\,\delta}
machen, wenn Ju und Jg den Höchstwert bei ungedämpften, bezw. gedämpften
Schwingungen bedeuten. Es verhält sich dann
\frac{J_g}{J_u}=\sqrt{\frac{2\,\delta}{Z}}.
Bei
\delta=\frac{\vartheta}{T}=10^{-1}\cdot 10^6=10^5
wird, da Z wegen der schlechten Abkühlung der Luft in der
Funkenstrecke 100 nicht leicht überschreiten kann,
\frac{J_g}{J_u}=\,\sim\,45.
Um dieselbe Stromwirkung auszuüben, müssen also die Anfangsamplituden der gedämpften
Schwingungen 45 × so groß sein wie die der ungedämpften. Dies ist für den Strom
leicht zu erreichen, kann aber dem Fritter wenig helfen, weil die Spannung, auf die
es für denselben ankommt, bei den ungedämpften Schwingungen ebenfalls viel kleiner
ist als bei gedämpften, so daß man, solange es nicht gelingt einen anderen
Schreibdetektor zu finden, auf den Vorzug, eine geschriebene Depesche zu erhalten,
verzichten muß.
Textabbildung Bd. 322, S. 473
Fig. 11.Intensitätswirkung des elektrischen Feldes der kontinuierlich
schwingenden Spule.
Den mittels der hochfrequenten Lichtbogenschwingungen erregten Kreis benutzt Poulsen gleichzeitig zur elektrischen Erschütterung der
Antenne, die mit demselben entweder direkt oder durch Transformation verbunden ist.
Die telegraphischen Zeichen werden durch An- und Abschalten der Antenne mittels
eines Tasters gegeben, der so eingerichtet ist, daß als Aequivalent für die Antenne,
wenn diese keine Schwingungen aufnehmen soll, ein beliebiges anderes
Schwingungssystem (Kreis) angelegt wird, das den Zweck hat, dem Bogen anstelle der
Antenne Energie zu entziehen, damit an dessen Schwingungsverhältnissen möglichst
wenig geändert wird. Der Bogen fällt sonst leicht aus dem Tritt und müßte erst
neuerdings zu Schwingungen angeregt werden, wozu eine Verringerung der
Gleichstromstärke genügt. Die Eigenwelle des Luftdrahtes muß natürlich mit jener des
erregenden Kreises in Resonanz sein, wenn der Luftdraht das Maximum an Energie
aufnehmen soll. Im Empfänger benutzt Poulsen den sogen.
Tikker, eine Art elektromagnetisch angetriebenen kleinen Unterbrecher, der den
Wellenanzeiger intermittierend an den Resonanzkreis legt. Hierdurch hat letzterer
den geringsten Betrag an Dämpfung und seine Schwingung kann sich möglichst hoch schaukeln.
Erst dann, wenn dieselbe ihren Höchstwert erreicht hat, legt der relativ langsam
arbeitende Tikker das Telephon, eventl. unter Benutzung eines Kondensators, an die
Belegungen des im Resonanzkreis befindlichen Kondensators, so daß dem in diesem
enthaltenen Energiebetrag ein bequemer Weg zum Ausgleich geboten ist. Das Telephon
gibt dadurch einen der Unterbrecherzahl entsprechenden Ton, dessen Dauer mit den
Morsezeichen übereinstimmt.
Den Unterschied in der Spannungssteigerung bei gedämpften und ungedämpften
Schwingungen zeigen die Fig. 9, 10 u. 11. In allen
Fällen wurde eine abgestimmte Spule an den Schwingungskreis geschaltet, welche also
durch die Wechselspannung am Kondensator desselben zum Mitschwingen angeregt wird.
In ihr erfolgt die bekannte Spannnungssteigerung, die am freien Spulenende das
Austreten der hochgespannten Elektrizität in einer Büschelentladung gestattet.
Während in Fig. 9 bei 100 Funkenentladungen i. d.
Sekunde und allerdings einem Aufwand von 3 KW 1 m lange Strahlen zutage treten,
sind dieselben bei 1,5 KW Erregung mittels kontinuierlicher Schwingungen nur
unscheinbar. Dafür sind diese aber flammenartig und nicht schwächlich und von
blaßblauer Farbe. Eine über der Spule isoliert angebrachte Metallkugel (Fig. 10) gerät unter dem Einfluß des starken
elektrischen Feldes derselben in erzwungene Schwingungen, von deren Mächtigkeit der
aus der Kugel gezogene Lichtbogen spricht. Freilich nimmt das Feld rasch mit der
Entfernung ab, sonst könnte nicht in zwei Menschen, welche in verschieden großem
Abstand von der Spule stehen, die induzierte Spannung den Lichtbogen von Fig. 11 hervorbringen.
Wenn man sich mit Hören begnügt, so ist das Empfangen ungedämpfter Schwingungen
allerdings einfach. Es genügt dann die Einfügung des sogen. Tikkers in den
Empfangskreis, der durch ein Uhrwerk oder durch einen elektromagnetischen
Unterbrecher nach Art eines Neef-Wagnerschen Hammers
den Kreis viele Male i. d. Sekunde unterbricht, so daß die in demselben vorhandene
Schwingungsenergie einem Telephon zugeführt wird.
(Fortsetzung folgt.)