Titel: | Die heutige Ziegelindustrie. |
Autor: | Gustav Benfey |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 483 |
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Die heutige Ziegelindustrie.
Von Gustav Benfey,
Lauban.
(Fortsetzung von S. 471 d. Bd.)
Die heutige Ziegelindustrie.
Zu den Strangpressen mit ununterbrochenem Betriebe gehört auch die Walzenpresse
(Fig. 28). Hier wird der Ton nicht durch die
Messer einer Welle nochmals auseinandergerissen und gleichzeitig vorgedrückt,
sondern gelangt nur zwischen zwei sich in entgegengesetzter Richtung drehende Walzen
in einen Preßkopf, aus welchen der Ton durch die stets nachdrängenden Massen in das
Mundstück gepreßt wird, um weiter als Strang auszutreten. Die beiden Walzen sind
schräg übereinander gelagert, um das Einbringen des Tones zu erleichtern, ihre
Stellung zueinander kann durch Stellschrauben geregelt werden. Derartige Pressen
eignen sich für fette, steinfreie Tone, sie erzeugen fast strukturfreie Ware.
Textabbildung Bd. 322, S. 483
Fig. 28.Walzenpresse (System Sachsenberg).
Die zweite Art Pressen, mit der wir uns zu beschäftigen haben, sind die Halbtrocken-
und Trockenpressen, d.h. Pressen, die dazu bestimmt sind, entweder einem etwas
angefeuchteten oder einem trockenen Materiale die entsprechende Formung zu geben. Da
jedoch das trockene Material immer eine, wenn auch nur geringe Feuchtigkeit haben
muß, um sich zu binden, und die Feuchtigkeitsgrenze zwischen halbtrocknem und
trocknem Materiale nicht streng gezogen werden kann, auch die jetzt zu besprechenden
Pressen hier kaum einen Unterschied machen, so können wir sie gemeinsam behandeln.
Zur Pressung von gewöhnlichen Mauerziegeln werden sie nur dort verwendet, wo ein
sehr hartes, teilweise steiniges Material verpreßt werden soll, das sich gar nicht
oder nur sehr schwer in Wasser zu einem plastischen Körper gestaltet, wie wir es im
Westen Deutschlands vorfinden. Die Pressen arbeiten derart, daß der vorzerkleinerte
Ton zunächst durch einen Tonscheider gemischt, dann in Formen hineingedrückt wird,
in denen ihn dann Stempel weiter zusammenpressen. Die ersten derartigen Pressen
stammen aus England, bei ihnen wurden die Formen, welche sich in einem drehbaren
Tische befinden, allmählich unter die Austrittsöffnung eines Tonschneiders
gebracht, und nachdem sie dort gefüllt waren, weiter nach der Stelle geschoben, wo
der Preßstempel den Druck zur Herstellung der Formlinge gab, worauf an anderer
Stelle, nach weiterer Drehung des Tisches, das Ausstoßen der fertigen Ziegel durch
Druck von unten erfolgt.
Etwas anders arbeiten die Trockenpressen aus der Dorstener
Eisengießerei und Maschinenfabrik zu Herwest-Dorsten, die in den Provinzen
Rheinland-Westfalen heute stark verbreitet sind (Fig.
29). Bei ihnen wird der Druck durch den freien Fall schwerer Stempel
hervorgebracht, die zwei bis vier nebeneinander durch drei gegeneinander versetzte
Hebedaumen gehoben werden. Hierdurch wird ermöglicht, daß zu jeder Pressung ein
dreimaliger Fall von verschiedener Höhe bei jeder Umdrehung der Welle erfolgt. Die
Stempel bilden in ihrem unteren Teile Körper von rechteckigem Querschnitt, welche
sich nach oben gabeln, um für die Daumen vollen Raum zu schaffen, die hier
hindurchgeführt sind. Oben sind die Gabeln durch Querstücke fest verbunden, die nach
Erfordernis mehr oder weniger belastet werden können, an ihnen sind die Gußstücke
mit den Hebedaumen befestigt.
Textabbildung Bd. 322, S. 483
Fig. 29.Trockenpresse (System Dorsten).
Die Dicke der Ziegel kann durch entsprechende Verlängerung des Amboß, welcher zum
Auffallen des Aushebers dient, geändert werden. Wenn der Stempel zum dritten Male
auf das Material gefallen ist und die Ziegel damit vollständig und fest gebildet
hat, werden letztere durch den Ausheber emporgestoßen und sofort durch die
Vorderfläche des mit frischen Materiales gefüllten Schiebers nach vorn auf die
Tischplatte geschoben, um von dort abgenommen, meist unmittelbar dem Ofen zugeführt
zu werden. Eine andere gut eingeführte Trockenpresse der Maschinenfabrik Aktiengesellschaft Tigler in Meiderich, Rheinland,
unterscheidet sich von der vorerwähnten wesentlich dadurch, daß hier die Pressung
mittels Doppelkniehebel (Fig. 30) erfolgt. Das zu
pressende Material wird einem viermaligen Drucke, der letzte von unten und oben,
gleichmäßig ausgesetzt.
Neuerdings hat die Trockenpreßanlage von C. Czerny in
Brunn viel von sich reden gemacht, die im Nachfolgenden kurz skizziert werden soll.
Das zu verarbeitende Material gelangt zunächst in einen Trockenapparat, in dem es
durch hocherhitzte Dämpfe vollständig getrocknet wird, dann durch einen kalten
Luftstrom bis auf 30° abgekühlt, gelangt es auf einen Desintegrator, der es zu
feinem Pulver gestaltet. Nach erfolgter Absiebung der groben Teile, die nochmals
vermählen werden, wird das Pulver in ein Silo gehoben, von dem es durch einen
Trichter in die Trockenpresse fällt, die mit hydraulischem Druck die Pressung der
Ziegel besorgt. In wie weit und für welche Materialien sich diese Anlage bewährt,
muß erst den weiteren Versuchen überlassen werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 484
Fig. 30.Trockenpresse (System Tigler).
In bedeutend größerem Maßstabe, als bei uns, ist die Trockenpresse in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika verbreitet, wo sie fast ausschließlich zur Herstellung von
Verblendziegel benutzt wird, während bei uns die Verblendziegel fast nur auf der
Strangpresse hergestellt werden. Wir verstehen unter „Verblendziegel“
sorgfältig hergestellte Ziegel von gleichmäßiger Form und ansprechender
Farbenreinheit, die zum äußeren Schmucke der Ansichtsflächen von Gebäuden usw.
verwendet werden. Während sie bis vor einem Jahrzehnte ein sehr beliebtes
Baumaterial bildeten, sind sie seitdem seitens der Architekten recht vernachlässigt
worden. Teilweise zog man auch hier den Handstrichziegel seiner rauheren Fläche
wegen vor, teils griff man zur Anwendung des Putzes. Die innern Gründe dafür hier zu
untersuchen, würde den Rahmen dieser Abhandlung überschreiten, uns kann nur
interessieren, daß in den Vereinigten Staaten die auf der Trockenpresse
hergestellten Verblender, die durch diese Herstellung ein rauhes, körniges, äußeres
Gefüge erhielten, nach wie vor die erste Stelle bei Ausschmückung der Fassaden
innehalten, während hier die glatten Ziegel der Strangpresse verschmäht werden, weil
sie eben zu glatt sind.
Bei der amerikanischen Trockenpresse findet die Pressung meist durch doppelten
Kniehebeldruck statt, in einzelnen Fällen auch durch hydraulischen Druck. Die
weitere Ausführung unterscheidet sich wenig von den vorher besprochenen
Trockenpressen, so daß eine nähere Besprechung kaum erforderlich ist.
Wie bereits erwähnt, sind zu den Halbtrockenpressen auch Nachpressen zu rechnen, die
dazu dienen, die äußere Gestalt der Ziegel zu verbessern, auch Flächenmuster auf sie
einzudrücken, was mit der Strangpresse nicht möglich ist. Sie sind je nach ihrem
Zwecke sehr verschiedenartig gebaut, meist werden sie mit der Hand angetrieben und
sind fahrbar, um nach denjenigen Stellen in den Trockenräumen gefahren zu werden, wo
die Formlinge genügend angetrocknet sind, um ihnen die weitere Gestaltung durch die
Nachpresse geben zu können. Größere Verwendung finden sie unter den hier zu
besprechenden Warengattungen nur bei der Herstellung von Dachziegeln.
Textabbildung Bd. 322, S. 484
Fig. 31.Dachstein-Abschneideapparat von Raupach.
Der Dachziegel verlangt zunächst einen fetten, möglichst reinen Ton, da schon
kleinere Unreinigkeiten, die in anderer Ware kaum bemerkt werden, hier bei den
dünnen Wandungen des Dachziegels durch Absprengen und Ausbrennen Hohlräume entstehen
lassen, die eine rasche Verwitterung und damit Zerstörung des Ziegels bewirken. Wir
stellen die Dachziegel mit der Hand, mit der Strangpresse und, wie schon bemerkt,
mit besonders dazu gebauten Nachpressen her. Mit der Hand, in der Art des schon
geschilderten Handstrichs, werden die sog. Biberschwänze angefertigt, das sind
flache dünne Platten, die an einem Ende eine flache Rundung oder Spitze und am
andern Ende eine Nase zum Aufhängen des Ziegels an die Dachlatte erhalten. Ebenso
stellt man die verschiedenen Sorten anderer Dachziegel, wie die holländischen
Dachpfannen, die Krempziegel, die Mönch- und Nonnenziegel usw., die nach alten
Vorbildern heute wieder in Aufnahme gekommen sind, in Handstrich her und versucht
auch allmählich durch geeignete Abschneidetische die Strangpresse dazu
heranzuziehen. So wurde ein Abschneider in den Betrieb gebracht, der es ermöglicht,
die auf einer kleinen, schnellaufenden Strangpresse hergestellten Biberschwänze in
richtiger Weise vom Strange, der im Querschnitt eine Platte mit einem Wulst in der
Mitte der Oberfläche zeigt, abzutrennen (Fig. 31).
Der gerade Schnitt für die eine und der runde Schnitt für die andere Seite der
Dachziegel werden durch eine Bewegung des Schneidebügels ausgeführt, während der
erwähnte Wulst durch einen quergespannten Draht, den ein Hebel rechtzeitig senkt und
hebt, so weit abgetrennt wird, daß nur die erwähnte Nase von jenem Wulste übrig
bleibt. Das Abnehmen des fertigen Dachziegels vom Abschneidetisch geschieht derart,
daß man auf den Ziegel ein Trockenbrettchen legt, den Ziegel damit bis an den am
Ende des Tisches befindlichen, umkippbaren Teil schiebt. Während man nun die eine
Hand auf dem
Ziegelbrettchen ruhen läßt, kippt man mit der anderen Hand den beweglichen Teil der
Tischplatte um und nimmt den Ziegel mitsamt dem Brettchen ab. In ähnlicher Weise
stellt man auch die holländischen Dachpfannen und die Strangfalzziegel auf der
Strangpresse her. Dagegen können die eigentlichen Dachfalzziegel nur auf der
Nachpresse erzeugt werden. Die Dachfalzziegel haben im Gegensatz zu den
Biberschwänzen, den Dachfannen usw., die glatte Ränder zeigen, welche bei der
Eindeckung übereinander gelegt werden, um eine Dichtung der Fugen zu erzielen, an
allen vier Seiten ein oder mehrere Falze bezw. entsprechende Ueberlappungen, wodurch
sie nach allen Seiten in die Nachbarziegel eingreifen und dadurch eine absolut
dichte Deckung abgeben. Die Herstellung dieser Dachziegel kann deshalb nur auf einer
Nachpresse geschehen und zwar wird zunächst ein Tonblatt, das dem Volumen des
künftigen Ziegels entspricht, auf der Strangpresse hergestellt und dann auf die
Unterform der Nachpresse gelegt, worauf die Unterform unter die Oberform gebracht
wird.
Textabbildung Bd. 322, S. 485
Fig. 32.Schrauben- oder Spindelpresse für Dachfalzziegel von
Groke.
Die Oberform bewegt sich dann langsam, nicht schlagend, nach unten und gibt durch
Pressung dem Tonkuchen die gewünschte Form. Meist geschieht diese Pressung im
zweimaligen Druck, wobei der erste gelindere der im Ton enthaltenen Luft Gelegenheit
zum Entweichen geben soll. Die obere Form bewegt sich dann wieder nach oben, die:
untere Form wird kippend bewegt, wobei der fertiggepreßte Dachziegel auf ein
untergelegtes Trockenbrettchen zu liegen kommt. Die beiden Formen werden entweder
aus Metall oder aus Gyps hergestellt. Erstere haben den Vorzug, daß sie längere Zeit
scharfkantig bleiben, deshalb keiner Erneuerung bedürfen, dagegen lassen sie die
Ziegel schwer los und meist nur unter Einwirkung starker Einölung, während die
Gypsformen die Ziegel zwar leicht loslassen, aber ihrer starken Abnutzung wegen
häufig erneuert werden müssen.
Wir unterscheiden bei diesen Nachpressen die Schlitten- und die Revolverpressen.
Erstere sind für kleinere Betriebe und für weniger verwendete Falzziegelarten, wie
für Firstziegel. Wir unterscheiden bei den Schlittenpressen je nach der Art wie der
Druck der Oberform erzeugt wird, die Schrauben- oder Spindelpressen (Fig. 32), die Kurbelpresse und die Hebeldruckpresse.
Bei ersterer Sorte geschieht der Druck mittels einer Schraube oder Spindel, die
durch ein mit Handgriffen versehenes Schwungrad in Bewegung gesetzt wird. Am unteren
Ende der Spindel hängt die Oberform, welche in seitlichen Führungen auf und nieder
geht. Die Unterform ruht auf einem mit ihr fest verbundenen eisernen Schlitten, der
auf zwei kurze parallele Schienen läuft. Ist der Ziegel gepreßt, so wird der
Schlitten so weit zurückgezogen, daß er über den Schienen auf eine runde Eisenstange
gelangt, wo die oben geschilderte Umkippung und damit Ablösung des Ziegels erfolgt.
Gleichzeitig wird von der anderen Seite ein zweiter Schlitten mit Unterform und
Tonkuchen unter die Oberform zum Pressen geschoben, mit dem nach Pressung in
gleicher Weise verfahren wird.
Textabbildung Bd. 322, S. 485
Fig. 33.Revolverpresse von Groke.
Die Kurbelpresse wie auch die Hebeldruckpresse sind in gleicher Weise gebaut, nur
erfolgt bei ersterer der Antrieb der Oberform nicht von oben, sondern von der Seite
vermittels einer an einem Schwungrad befindlichen Kurbel, wobei durch
Zahnradübersetzungen wiederum eine neue Kurbelwelle angetrieben wird, die das Heben
und Senken der
Oberform bewirkt. Bei der Hebeldruckpresse wird ein Hebel durch mehrfache
Uebersetzung in Bewegung gebracht und damit die Auf- und Niederbewegung des
Preßstempels.
Für große Betriebe verwendet man allgemein die Revolverpresse, da sie bei geringerer
Bedienung eine wesentlich erhöhte Leistungsfähigkeit besitzt (Fig. 33). Anstelle des geschilderten Untergestells
mit dem Schlitten sind hier die Unterformen auf die fünf Seiten einer Trommel
befestigt, die sich wie das Patronengehäuse eines Revolvers, daher der Name der
Presse, dreht. Hier wird der Kuchen auf die dem Oberstempel in schräger Richtung
zunächst liegende Unterform gelegt, eine fünftel Drehung der Trommel bringt Kuchen
und Unterform unter die Oberform, die Pressung erfolgt, die Oberform bewegt sich
wieder nach oben, eine weitere Fünfteldrehung, ein neuer Kuchen mit Unterform liegt
unter der Oberform, während auf den fertigen Formung ein Trockenbrettchen
gelegt wird. Bei der nächsten Fünfteldrehung liegt die Unterform mit dem
fertigen Formung so schräg nach unten, daß die Ablösung des Ziegels erfolgen kann,
der dann auf dem Trockenbrettchen ruht und so fortgeschafft wird. Die Drehung und
Feststellung der Trommel geschieht heute meist durch eine Kreuzscheibe, das sogen.
Maltheserkreuz. Zu dem Zwecke ist an dem großen Stirnrade der Presse ein Ring
angegossen, der nicht ganz geschlossen ist. In der Mitte der Aussparung befindet
sich ein Stift, der bei jeder Umdrehung in eine der Naben des Kreuzes eingreift,
dieses um je ⅕ seines Umfanges in Bewegung setzt und auf der entgegengesetzten Seite
der Nabe wieder austritt. Die Bewegungen der Oberform geschehen durch eine
Kurbelwelle, wobei sich das Lager in der Mitte der Kurbel, um den verschiedenen
Stellungen derselben folgen zu können, in dem Lagerkopfe hin- und herbewegt.
(Fortsetzung folgt.)