Titel: | Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie. |
Autor: | Otto Nairz |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 491 |
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Fortschritte auf dem Gebiete der
Funkentelegraphie.
Von Ingenieur Otto Nairz,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 474 d. Bd.)
Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie.
Die Frage, ob vollständig ungedämpfte Wellen das Ideal in der drahtlosen
Telegraphie bedeuten, mag einstweilen noch unerörtert bleiben; sicher ist, daß die
gegenwärtige Methode der Lichtbogenerregung dem Ideal noch lange nicht nahe kommt.
Der Bogen ist keine Maschine; ein gleichmäßiges Arbeiten ist bei den verwickelten
Bedingungen, unter denen er sich überhaupt bequemt Hochfrequenzschwingung zu geben,
von ihm auch gar nicht zu verlangen. Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, daß das
Arbeiten mit ungedämpften Schwingungen überhaupt als Energieverschwendung anzusehen
ist. Für den Fritter genügen 20–30 Wellenimpulse vollkommen, desgleichen für die
elektrolytische Zelle, was darüber ist, ist überflüssig. Dazu kommt, daß die
modernen Resonanzinduktoren mit einem Wirkungsgrad arbeiten, der vom Lichtbogen
wenigstens niemals erreicht wird. Seine Licht- oder Wärmeemission ist ja vom
Standpunkt der Schwingungen betrachtet, bedeutungslos. Hier könnte nur eine
Hochfrequenzmaschine zweckmäßig sein, die aber, der enormen Fliehkräfte wegen, die
bei den zu erzeugenden Frequenzen wohl nicht zu umgehen sind, noch nicht erfunden
ist. Da außerdem der Empfänger doch nicht völlig ungedämpft sein kann, dürfte es
übrigens genügen, dem Sender dieselbe Dämpfung zu geben, was vielleicht zu
erreichen ist.
Daß gegenwärtig die Funkentelegraphie noch sehr wohl mit den ungedämpften
Schwingungen konkurrieren kann, beweist ein von der dänischen Regierung angestellter
Vergleichsversuch zwischen dem System „Telefunken“ (Gesellschaft für drahtlose Telegraphie Berlin) und der Anordnung von Poulsen, der gerade deshalb sehr wertvoll ist, weil man
sich gegenwärtig vielfach nicht darüber klar ist, nach welcher Erregungsweise neue
Stationen zu bauen sind. Telefunken arbeitete mit Funkenerregung und 1,1 KW und Poulsen mit dem wasserstoffgekühlten Lichtbogen bei 1,8
KW. Die Sendestationen befanden sich in der Nähe von Kopenhagen, von wo sich das
Kriegsschiff, das die entsprechenden Empfangsapparate an Bord hatte, entfernte.
Während nun die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie
mit dem Schreiber bis auf 225 km empfangen konnte, wo
dem Schiff der Küste wegen Halt geboten war, gelang Poulsen nur Hörempfang und auch der nur bis
auf 200 km Entfernung. Es ist aber eine sehr alte Erfahrung, daß der Hörer um fast
50 v. H. größere Reichweiten zuläßt als der Schreiber.
Einen unbestrittenen Wert haben derzeit die ungedämpften Schwingungen nur zum Zwecke
der Lautübertragung. Da die akustischen Schwingungen kontinuierlichen Charakter
haben, können sie auch nur durch kontinuierliche elektrische übertragen werden oder
wenigstens von solchen, die über die Hörbarkeitsgrenzen hinausfallen, welche
bekanntlich zwischen 16 und 40000 liegen. Die Sprachschwingungen, wie sie
beispielsweise durch die gewöhnlichen Telephondrähte übertragen werden, liegen im
Schwingungsbereich der menschlichen Sprachorgane, also zwischen Baß und Sopran.
Führt ersterer i. d. Sekunde etwa wenigstens 80 Schwingungen aus, so erreicht jener
etwa 1200. Eine solche verhältnismäßig geringe Frequenz läßt sich noch nicht ohne
weiteres durch den Raum übertragen, wir wissen, daß die Reichweite theoretisch der
Frequenz direkt proportional ist. Man muß deshalb den schnellen elektrischen die
langsamen akustischen Schwingungen überlagern, also gleichsam zum Vehikel geben. Die
Gesellschaft für drahtlose Telegraphie, der als
erster Gesellschaft die Uebertragung von Gespräch und Musik schon vor einem halben
Jahre auf 40 km (Berlin-Nauen) gelang, hat eine solche Station für Geben und
Empfangen in Tischform zusammengestellt, die Fig. 12
zeigt. Dieselbe ist auch bereits zu Ostern bei Gelegenheit der alljährlichen
Vorträge von Professor Slaby dem Kaiser vorgeführt
worden, der sich davon überzeugen konnte, daß die Verständlichkeit jene des
gewöhnlichen Telephons übertrifft. Die ganze Anordnung ist nun sehr einfach. Ein
Schwingungskreis, bestehend aus der Spule L (Fig. 13) und dem veränderlichen Kondensator C wird durch Lichtbogen Lb in Reihe erregt, deren Zahl der
Entfernung angepaßt wird.
Textabbildung Bd. 322, S. 491
Fig. 12.Gebe- und Empfangsstation für drahtlose Telephonie.
Das Schaltungsschema (Fig. 13) zeigt deren drei,
Fig. 12 deren sechs Stück, rechts auf dem Tisch.
Sie brennen zwischen einer Kohleelektrode (-Pol) und einem Metallgefäß mit
Kupferboden, in dessen nach oben gerichteten Wölbung sie hineinpassen. Sechs Bogen
erfordern eine Betriebsspannung von 220 Volt Gleichstrom, der ihnen über kräftige
Drosselspulen D (Fig.
12 unterm Tisch) zugeführt wird, die zugleich den Uebertritt von
Schwingungen nach der Batterie zu verhindern haben. Die Antenne A, die sich in Resonanz mit dem Erregerkreis befinden
muß, und zu deren Abstimmung eine in dieselbe eingeschaltete variable Spule Lv, oder der variable
Kondensator C im Kreise selbst dienen, wird durch Transformation zum Mitschwingen
gebracht. Die Antenne soll nur wenig Schwingungsenergie annehmen, was durch lose
Kupplung der beiden Spulen p und S des Transformators erzielt wird, damit der Einfluß
der Sprachschwankungen auf die kontinuierlichen möglichst groß ist. Parallel zur
Kupplungsspule, die der Antenne angehört, liegt das Starkstrommikrophon, welches mit
der ersteren ein System veränderlichen Ohmschen und
induktiven Widerstandes darstellt. Durch Sprechen gegen die Membrane wird gemäß den
Sprachschwingungen der Widerstand des Mikrophons infolge des gesetzmäßig wechselnden
Drucks der Kohlekörner verändert, hierdurch schwankt der scheinbare Widerstand der
ganzen Verzweigung, der sich aus der Ohmschen (W)und
der induktiven (ωL) Komponente zusammensetzt Fig. 14. Diese Ursache hat zwei Wirkungen zur Folge,
die in ihrer Gesamtheit die drahtlose Telephonie ermöglichen. Erstens schwankt im
akustischen Rhythmus auch die Energieaufnahme der Antenne und zweitens deren
Eigenwelle. Hierdurch sendet sie Schwingungen von schwankender Amplitude und
Wellenlänge in den Raum, die im Empfänger Schwingungen hervorrufen, die in genau
gleicher Weise beeinflußt sind, und bei Verwendung entsprechender Vorrichtungen
hörbar werden. Es verteilt sich dabei eine akustische Welle auf etwa 100–1000
elektrische.
Textabbildung Bd. 322, S. 491
Fig. 13.Schaltungsschema zur drahtlosen Telephonie.
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Fig. 14.
Textabbildung Bd. 322, S. 491
Fig. 15.
Der Empfänger darf jedoch nicht zu schwach gedämpft sein, sonst werden die Laute
verzerrt. Die Schwingungen im Geber schwanken doch immer um die Resonanzlage herum
und es würden dann selbst ganz kleine Aenderungen der Frequenz schon ganz erhebliche
Aenderungen der Amplitude zur Folge haben. Die Resonanzkurve muß eine ziemlich
flache sein (Fig. 15), dies erreicht man am besten
durch Verwendung eines linearen Empfängers, dessen Form große Strahlungsdämpfung
bedingt. Von scharfer Abstimmung ist also hierbei keine Rede und ein zweites
Stationenpaar müßte auf ganz erheblich verschiedene Wellenlängen abgestimmt sein,
wenn sich die Gespräche nicht durcheinander mischen sollten.
Der Empfänger ist womöglich noch einfacher, ein geschlossener Kreis fehlt bei ihm
ganz. Im Luftdraht (Fig. 13) befindet sich nur das
sog. Variometer V, zwei Spulen, deren gegenseitige Lage
durch Drehung der einen, welche in die zweite, äußere, eingelagert ist, verändert
werden kann. Die Spulen werden nacheinander von der Schwingung durchflössen, und je
nachdem sich die beiderseitigen Felder unterstützen oder schwächen, ist die
Selbstinduktion des Variometers, und somit auch die Eigenwelle des Empfängers,
veränderlich. Dieser Apparat dient dazu, eine mittlere Resonanzlage zum Geber
einzustellen, es ist aber gleichzeitig außerdem an den Detektor gelegt, dem er eine
bestimmte Wechselspannung zuführt. Verwendet wird die elektrolytische Zelle von Schlöhmilch, Z, die dann im Telephon T das Gespräch vernehmen läßt. Die Zelle, bekanntlich
ein Gefäß mit Platinelektroden, deren winzige Oberflächen in angesäuertes Wasser
ragen, wird von dem, durch einen Vorschaltewiderstand regulierten Strom der Batterie
B in Reihe mit dem Telephon durchflössen. Derselbe
wird so bemessen, daß gerade, wenn auch in äußerst schwachem Maße, Wasserzersetzung
auftritt. Dies geschieht je nach dem Herausperlen von Wasserstoff und Sauerstoff
gewissermaßen stoßweise. Ein schwaches Geräusch beweist dies. Wenn aber gleichfalls
Schwingungen die Zelle passieren, so verringert sich in noch keinesfalls
aufgeklärter Weise ihr Polarisationswiderstand und ein verstärkter Strom kann
hindurch. Der Plötzlichkeit des Anschwellens folgt im Telephon die Membrane und gibt
einen Ton. Die Zelle registriert aber nicht nur die Schwingungen als solche, sondern
innerhalb gewisser Grenzen auch deren Amplitude. Sie ist deshalb imstande, die durch
Ueberlagerung der akustischen über die schnellen elektrischen Schwingungen
entstandene, sehr komplizierte Welle, die sich auf den Empfänger übertrug, wieder in
Sprachlaute zu verwandeln. Abgesehen von der verschiedenen Frequenz der akustischen
Schwingungen, ist auch deren Gestalt je nach der Klangfarbe bekanntlich sehr
verschieden. Bei der gewöhnlichen Rede einer Person ist die Frequenz zwar ziemlich
konstant, doch unterscheiden sich die einzelnen Laute hinsichtlich der Form der
Welle sehr, es ist dies eine Folgeerscheinung der verschiedenen Oberwellen, die sich
der sinusförmigen Grundschwingung beigesellen und deren Gestalt zum Teil unkenntlich
machen. Fig. 16 zeigt dieselben nach einer
phonographischen Aufnahme. Es hat sich nun ergeben, daß jene Laute am Empfänger
am besten wiedergegeben werden, bei denen die Aenderung der Amplituden am
schnellsten vor sich gehen, d.h. die Kurve am steilsten ist. Das „a“ kam am
besten und das „i“ am schlechtesten. Bei entsprechender Unscharfe der
Resonanz war aber die Verständigung leichter als beim Drahttelephon, gegenüber dem
das drahtlose jedoch den Nachteil hat, daß ein gleichzeitiges Hin- und Hersprechen
derzeit unmöglich ist, da die Antenne entweder nur als Geber oder als Empfänger
dienen kann. Die Geberschwingungen müssen der elektrolytischen Zelle, wenn dieselbe
nicht zerstört werden soll, unter allen Umständen ferngehalten werden. Nach Schluß
der Rede des einen Teils muß umgeschaltet werden, es kann der Antagonist so lange
sprechen wie er will und braucht nicht zu fürchten, daß ihm in die Rede gefallen
werden wird, während der andere geduldig warten muß, bis, angekündigt durch ein
Schlußsignal, als welches sich das Wort „Halloh“ bewährte, die Rollen
neuerdings getauscht werden. Ein Anruf, etwa um ein Gespräch einzuleiten, ist bis
jetzt noch nicht möglich gewesen, da die Zelle kein Relais betätigt, obwohl sonst
der Tisch leicht auch zur Telegraphie (mit ungedämpften Schwingungen) eingerichtet
werden kann, die für den Nahverkehr zu ersetzen, die Telephonie vielleicht dereinst
bestimmt sein wird.
Textabbildung Bd. 322, S. 492
Fig. 16.Vokalkurven.
Solange man nämlich kein Mikrophon kennt, das besonders starke Ströme verträgt,
dürfte die Reichweite kaum bedeutend gesteigert werden können, denn es kommt bei der
Telephonie auf relative Beeinflussung der schnellen
Schwingungen durch die akustischen an. Da letztere des Mikrophons wegen nur schwache
Amplituden erreichen, dürfen auch erstere nur sehr mäßig sein und wir wissen, daß
die Fernwirkung der Stromstärke proportional ist. Von einer drahtlosen Telephonie
Poulsens war bis jetzt noch nichts zu vernehmen,
was möglicherweise seinen Grund darin hat, daß diesem Systeme ein entsprechender
Indikator fehlt, dafür hat der Italiener Majorana mit
Marconis Magnetdetektor und Poulsens Wasserstoffbogen bereits die Entfernung von 3 km erreicht.
(Fortsetzung folgt.)