Titel: | Aus der Praxis. |
Autor: | M. |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 524 |
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Aus der Praxis.
Aus der Praxis.
Die Anwendung von Heißdampf im Lokomotivbetrieb nach dem
System von Wilh. Schmidt.
Textabbildung Bd. 322, S. 524
Fig. 1.Dampfzylinder mit Kolbenschieber und Zubehör für
Heißdampflokomotiven (System Schmidt).
Textabbildung Bd. 322, S. 524
Fig. 2.Dampfkolben mit Stopfbüchsen und vorderer
Kolbenstangenführung.
Die neuesten Einrichtungen zur Erzeugung hochüberhitzten Dampfes in Lokomotivkesseln
sind in D. p. J., Bd. 321, S. 737 mitgeteilt;
insbesondere ist dort auch der Rauchröhrenüberhitzer von Schmidt beschrieben. Die Verwendung hochüberhitzten Dampfes in der
Lokomotivmaschine machte deren besondere Durchbildung für die hohen Temperaturen bis
zu 350° notwendig. Was die allgemeine Bauart der Lokomotivmaschine anlangt, so
scheint die Zwillings- oder für hohe Geschwindigkeiten Doppelzwillingsmaschine mit
einfacher Expansion als wirtschaftlichstes System für die Zukunft die
Verbundanordnung verdrängen zu wollen. Alle mit dem hochüberhitzten Dampf in
Berührung kommenden Teile: Zylinder, Kolben, Schieber, Stopfbüchsen, Hähne usw.
erfuhren gegenüber der bei Naßdampf üblichen Bauart wesentliche Aenderungen.
Fig. 1 zeigt die Ausführung des
Heißdampfzylinders mit zylindrischem Schieberkasten. Der Dampfkolben ist noch
besonders in Fig. 2 abgebildet. Er besitzt drei
Dichtungsringe; diese werden leicht an die Zylinderwand angedrückt durch den Dampf,
welcher durch Bohrungen und Nuten dahinter treten kann. Der Kolben läuft frei im
Zylinder; sein Gewicht wird durch den Kreuzkopf und durch eine besondere Führung an
der Vorderseite aufgenommen. Bei Heißdampf dürfen weder die Stopfbüchsen noch die
Zylinderwand zum Tragen des Kolbens herangezogen werden, weil die Reibung bei den
hohen Temperaturen leicht Heißlaufen verursacht. Querbewegungen der Kolbenstange
ermöglichen die kugelförmigen Ringe, welche am Grund und vorne an der Stopfbüchse
angeordnet sind. Die Hülse, welche zur Aufnahme der weißmetallenen Dichtungsringe
und des gußeisernen Grundringes dient, ist mit einem Hohlraum versehen, in
welchem die Außenluft auf der ganzen Länge der Hülse kühlend wirkt. Die
Packungsringe werden in der Hauptsache durch den Dampf selbst, außerdem aber noch
durch eine Feder selbsttätig angedrückt und nachgespannt.
Von den Steuerschiebern kommen zwei Bauarten vor. Bei der einen besitzen die für jede
Zylinderseite besonders angeordneten Kolbenschieber nicht aufgeschnittene breite
Dichtungsringe und zur möglichsten Einschränkung des Durchmessers (150 mm) doppelte
Einströmung. Fig. 3 zeigt einen solchen Schieber.
Der Dampf tritt zwischen den beiden Schieberteilen eines Zylinders ein; die
Schieberstangen sind daher nur gegen den Auspuffdampf abzudichten; es genügt dazu
eine einfache mit Rillen versehene Büchse. Die Schieber werden dampfdicht in ihre
Büchsen eingeschliffen und damit sie sich unter der Einwirkung der hohen
Dampftemperatur nicht klemmen, werden diese doppelwandig ausgeführten Büchsen mit
Frischdampf geheizt.
Textabbildung Bd. 322, S. 525
Fig. 3.Kolbenschieber mit geheizten Buchsen, doppelter Einströmung und
geschlossenen Dichtungsringen.
Die andere Bauart von Kolbenschiebern ist in Fig. 4
abgebildet. Ein zu starker Druck des breiten federnden Dichtungsringes durch den
dahintertretenden Dampf wird durch radial eingebohrte Löcher von 5 mm Durchm.
vermieden. Um einen dampfdichten Abschluß zwischen Deckel und Ring, sowie zwischen
Ring und Schieberkörper zu erzielen und um zu verhindern, daß der Ring zwischen
Schieberkörper und Deckel festgeklemmt wird, ist die Verbindung etwas elastisch
ausgeführt. Der Dampfdruck preßt den Deckel gegen den Ring, der zugleich etwas
nachgeben kann. Beim Dampfeintritt herrscht vor und hinter dem membranartigen Deckel
gleicher Druck; dabei kann sich der Kolbenring auf den richtigen Durchmesser
einstellen; während des Dampfaustritts aber wird der Ring vom Deckel angepreßt und
dadurch in seiner augenblicklichen Lage gehalten, auch in den Stellungen, wo infolge
Ueberschleifens der Entlastungslöcher ein Ueberdruck hinter dem Ring entstehen
kann.
Textabbildung Bd. 322, S. 525
Fig. 4.
Versuche an Heißdampf - Zwillingslokomotiven der preußischen Eisenbahnverwaltung
ergaben eine durchschnittliche Kohlenersparnis gegenüber
Naßdampf-Zwillingslokomotiven von 25 – 30 v. H. und eine Ersparnis von 15 – 20 v. H.
gegenüber Naßdampf-Verbundlokomotiven. Die Ersparnis im Wasserverbrauch war noch
einige Prozente höher; daraus folgt bei der gleichen Kesselbeanspruchung eine
erhöhte Leistungsfähigkeit der Heißdampflokomotive.
M.