Titel: | Der Kaimauerbau in Rotterdam. |
Autor: | F. Kerdyk, Laren N. H. |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 617 |
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Der Kaimauerbau in
Rotterdam.
Von F. Kerdyk,
Laren N. H.
(Schluß von S. 604 d. Bd.)
Der Kaimauerbau in Rotterdam.
Schon im Jahre 1894, als man zum ersten Male Pfähle durch die mit Sand
ausgefüllten Reisigwerke einrammen mußte, stellte es sich heraus, daß die
holländische Ramme diese schwierige Arbeit nicht ausführen konnte und man seine
Zuflucht zu einer leistungsfähigeren Morrison-Ramme
nehmen mußte. Auch die bis dahin gebräuchlichen Tannenpfähle waren den höheren
Anstrengungen oft nicht mehr gewachsen, sondern wurden beim Einrammen öfters
zerschlagen, so daß man zum Gebrauch des widerstandsfähigeren pitch pine
überging.
Textabbildung Bd. 322, S. 617
Fig. 11.Belastung eines pitch pine-Pfahles.
Dabei war es aber notwendig, festzustellen, welche Tragkraft
man diesen amerikanischen Pfählen zutrauen konnte, die gewöhnlich mit einem
Querschnitt von 40 × 40 cm im Handel zu haben sind. Für Tannenpfähle von 30 cm
Durchm. hatte man bis dahin ein Tragvermögen von 10000 kg angenommen. Zur Erlangung
von zuverläßlichen Grundlagen wurde eine Versuchseinrichtung geschaffen, bei der die
12 m langen Pfähle in ein Reisigwerk eingerammt und dann mittels einer hydraulischen
Presse belastet wurden. Aus einer längeren Versuchsreihe sind die Ergebnisse zweier
typischer Beispiele herausgegriffen und in Fig. 11
und 12 die Beziehungen zwischen Belastung in kg und
der zugehörigen Senkung des Pfahles in mm graphisch dargestellt. Ueber eine
beträchtliche Länge des Diagramms nimmt die Senkung ungefähr proportional mit dem
Belastungsdruck zu. Wird der Pfahl am Schlusse dieses Abschnitts entlastet, so kehrt er fast
genau in die ursprüngliche Lage zurück. Diese Lastgrenze, die als Elastizitätsgrenze
bezeichnet sein möge, wird bei den pitch pine-Pfählen bei einer Belastung zwischen
150000 und 160000 kg erreicht. Steigert man die Belastung über dieses Maß hinaus, so
nimmt die Senkung unverhältnismäßig zu, bis schließlich bei etwa 190000 oder 200000
kg ein Punkt erreicht wird, bei dem der Pfahl immer weiter sinkt ohne weitere
Belastungszunahme. Bei gesunden Tannenpfählen lag dieser Punkt bei 110000 kg, bei
zerschlagenen Tannenpfählen schon zwischen 50000 und 70000 kg. Nimmt man als
Sicherheitskoeffizienten 4,5 an, was mit Hinsicht auf die mit Tannenpfählen
gemachten Erfahrungen erlaubt ist, so können die amerikanischen Pfähle mit etwa
45000 kg belastet werden. Untersucht man die vorderen Pfähle der Kaikonstruktion auf
Knickung, so kann man das Tragvermögen eines senkrechten Pfahles vom Querschnitt 36
× 36 cm bei einer freien Knicklänge von 8 m auf 260000 kg annehmen, was bei der
Belastung von 45000 kg eine sechsfache Sicherheit ergibt. Da außerdem der Pfahlkopf
wohl als eingeklemmt betrachtet werden darf, so beträgt die Sicherheit auf Knickung
wohl das doppelte.
Textabbildung Bd. 322, S. 618
Fig. 12.Belastung eines Tannenpfahles.
Ein bedeutender Fortschritt war ferner die Ersetzung der hölzernen Flurkonstruktion
durch eine solche aus Betoneisen. Mittels ⊔ - Eisen wird längs und über den
Pfahlköpfen ein starkes Gerüst zusammengebaut, auf welches man einen Bodenbelag aus
verhältnismäßig dünnen Brettern befestigt, der eine etwa 50 cm dicke Betonschicht
trägt.
Textabbildung Bd. 322, S. 618
Fig. 13.
Nimmt man an, daß der Kai durch Handelsgüter mit 7000 kg/qm belastet wird, zählt man
dieses Gewicht zu dem Eigengewicht der Kaikonstruktion, und rechnet man auf eine
Belastung für jeden Pfahl von 45000 kg, so findet man, daß die Pfähle in
gegenseitigen Abständen von 1,95 × 1,60 m eingerammt werden müssen.
Die oben beschriebene Eisenbetonflur wird in der Taucherglocke hergestellt. Fig. 13 zeigt, wie die einzelnen Teile dieses Bodens
nachher ebenfalls im Caisson miteinander verbunden werden.
Was den Bau der eigentlichen Kaimauer selbst betrifft, so sei noch erwähnt, daß man
den anfänglich dazu benutzten Basalt der inzwischen gestiegenen Preise wegen
schließlich nur für die äußere Verblendung benutzte und den übrigen Teil aus im
Wasser schnell erhärtendem Beton herstellte. Um möglichst schnell und genau arbeiten
zu können, werden die Betonblöcke im Gewichte von 30 t so hergestellt, daß sie mit
Nut und Feder ineinander greifen. Ein besonders zu dem Zweck konstruierter
Schwimmkran, der acht Blöcke zugleich mitführen kann, bringt die fertigen Blöcke an
Ort und Stelle.
Zum Vertäuen der Schiffe werden vor der Mauer besondere Pfähle geschlagen, damit die
Schiffe keinen Zug auf die Kaikonstruktion selbst ausüben können.
Die Kosten eines Kaies nach der zuletzt beschriebenen Bauart betragen etwa 2500 M. f.
d. l. Meter bei einer Tiefe unmittelbar vor der Mauer von 8,5 m.
Bevor wir zu den modernen Betoneisenkonstruktionen übergehen, sei noch ein Kaiausbau
am Wilhelminahafen erwähnt, wie er in Fig. 14
wiedergegeben ist. Der ursprüngliche Kai war nur für Schiffe mit 6,50 m Tiefgang
bestimmt und sollte nun auch für solche mit 8,50 m dienen. Am bequemsten konnte dies
mittels eines 4,5 m breiten Vorbaues erreicht werden, der innig mit der alten Mauer
verbunden wurde. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß das vollständige Bauwerk: der
ursprüngliche Reisigdamm, die alte Kaimauer und der Vorbau zusammen kaum die Kosten
einer neuen, aus einem Guß gebauten Mauer erreichten.
Obwohl die in Fig. 10 in ihrer besten Form
dargestellte Bauart für die Mehrzahl der Fälle auch in Zukunft als die meist
ökonomische und zweckmäßige angesehen wird, so ist man doch in den letzten Jahren
durch besondere Umstände dazu veranlaßt, auch zu Betoneisenkonstruktionen
überzugehen, von denen Fig. 15 die erste Ausführung
zeigt. Unter Hinweis auf die eingehende Beschreibung in D. p. J. 1906, S. 488–489
sei hier nur kurz vollständigkeitshalber erwähnt, daß eine Kaimauer, die bedenkliche
Verschiebungen zeigte und drohte, vornüber zu fallen, ausgebessert wurde, indem man
den gefährdeten Teil durch Eisenbetontroge überbrückte, welche hinten auf der alten
Konstruktion, vorne auf neu eingerammten Pfählen ruhen. Die in der Abbildung
dargestellte Knickung der alten Pfähle ist selbstverständlich nur eine
Voraussetzung, der Zustand konnte nicht festgestellt werden. Die alte Mauer war an
der ungünstigsten Stelle 1,75 m nach vorne gekommen. Die Ausbesserung kostete etwa
1300 M. f. d. l. Meter und kam ohne Schwierigkeiten zustande.
Textabbildung Bd. 322, S. 618
Fig. 14.Verbreiterte Kaimauer längs dem Wilhelminakai.
Die beschriebene Ausbesserung führte auf den Gedanken, auch für Neubauten in
ähnlicher Weise den Eisenbeton zu Hilfe zu ziehen, um so mehr als das Bedürfnis nach
an tiefem Wasser gelegenen Kais so sehr zunahm, daß man der Nachfrage mit der
üblichen Bauweise nicht mehr genügen konnte. Besonders erwünscht war es, die Reisigdämme, die so viel
Zeit für ihre Erhärtung beanspruchten, überflüssig zu machen. Man entschloß sich,
vorläufig versuchsweise Eisenbetontroge auszuführen, die unmittelbar auf dem Sande
ruhen und die ohne Pfähle als Unterbau für die Kaimauern dienen. Der Fuß dieser
Troge wurde auf 9,50 m unter Niedrigwasser entworfen, damit bei einer Tiefe von 8,5
m der Fuß noch von Sand bedeckt wird. Da die Troge mit Hinsicht auf den weiteren
Aufbau bei Niedrigwasser noch 0,5 m trocken liegen sollen, war ihre Gesamthöhe auf
10 m festgelegt. Die beiden ersten Troge (Fig. 16,
17 u. 18) wurden
in dem der Gemeinde gehörenden Schwimmdock hergestellt und schließlich in
schwimmendem Zustand an die gewünschten Stellen gebracht. Da sie nicht stabil waren,
mußte man sie mit Beton beschweren, was jedoch einen zu großen Tiefgang
herbeiführte, der mittels angebundener Leichter verringert wurde.
Textabbildung Bd. 322, S. 619
Fig. 15.Ausbesserung der Kaimauer längs der Ostseite des
Eisenbahnhafens.
Nachdem zwei solche Eisenbetontroge in der beschriebenen Weise ausgeführt waren, kam
man auf den Gedanken, die Troge nicht gleich in voller Höhe herzustellen, sondern
nur so weit, daß sie schwimmen konnten. In schwimmendem Zustand sollte der
Zusammenbau dann vollendet werden. Es wurde damit der doppelte Vorteil erreicht, daß
man die Baustoffe nicht so hoch hinaufzuziehen brauchte und das Schwimmdock nicht
beschlagnahmt war. An einer Stelle, wo für später ein Hafen geplant war, wurde der
Boden bis 6,5 m Tiefe ausgegraben und nachher eine 3 m dicke Sandschicht
eingeschüttet, auf welche die Unterteile der Troge auf eine Pfahlfundierung
zusammengebaut wurden. Die tiefere Ausgrabung war mit Hinsicht auf die schlechte
Bodenbeschaffenheit notwendig. Die Austiefung war mittels einer schleusenartigen
Holzkonstruktion vom Flusse getrennt. Da die Troge hier 5,80 m hoch aufgebaut
werden, was einem Tiefgange in schwimmendem Zustand von 3,70 m entspricht, so können
sie bei Hochwasser weggeschleppt werden. In schwimmendem Zustand werden sie dann auf
ihre volle Höhe von 10 m gebracht, wobei sie infolge der notwendigen Belastung zur
Erzielung eines stabilen Gleichgewichts etwa 7,5 m Tiefgang bekommen (Fig. 19). Wie aus Fig.
17 ersichtlich, greifen die 40 m langen Troge seitlich mit Nut und Feder
ineinander, was eine genaue Einstellung an ihrem Standort sehr erleichtert. In der
Längsrichtung sind die Troge durch Querschotte in 10, in der Querrichtung in 2, also
im ganzen in 20 Abteilungen getrennt. Bevor sie an den gewünschten Standort durch
Hineinpumpen von Wasser gesenkt werden, ist der Unterboden sorgfältig geebnet, und
es bleibt noch die Ausfüllung der Troge mit fester Masse übrig. Am billigsten und
einfachsten wäre es selbstverständlich, dafür nur Sand zu verwenden. Daß man sich
dennoch entschloß, für die vorderen Abteile Beton zu gebrauchen, ist mit Hinsicht
auf eine Beschädigungsgefahr der Troge durch etwa anstoßende Schiffe geschehen.
Sollte jemals ein Loch in der Trogwand entstehen, so hätte der Sand herauslaufen und
dadurch eine Verschiebung der ganzen Kaikonstruktion verursacht werden können. Bei
der Betonfüllung ist diese Gefahr ausgeschlossen.
Textabbildung Bd. 322, S. 619
Fig. 16.Kaimauerfundierung auf Betoneisentroge.
Textabbildung Bd. 322, S. 619
Fig. 17.Kaimauerfundierung auf Betoneisentroge (Grundriß).
Nachdem man sich einmal für die Betonfüllung entschlossen hatte, zog man es vor, den
Beton im Trocknen einzustürzen, was zur Folge hatte, daß die Außenwände des Troges
zur Widerstandsleistung gegen einen Wasserdruck von etwa 11 m berechnet werden
mußten. Auch die Querschotte sollen diesem Druck widerstehen können; da man immer
vier Abteile zugleich auspumpte, brauchte nur die Hälfte der Querschotte, im ganzen
fünf, der hohen Beanspruchung zu genügen. Der Trog reicht mit seiner Oberkante 0,5 m
über gewöhnliches Hochwasser; jede Flut steigt etwa 1,20 m über das genannte Pegel,
so daß bei jedem Gezeite der Trog vollständig unter Wasser kommt. Es mußte also eine
zeitweilige Erhöhung hergestellt werden, was mit Hilfe eines großen, eisernen
Deckels geschah, der vier Abteilungen zugleich umfaßte. Eine Juteschicht, die am
Unterrande des Deckels befestigt war, wurde von dessen Gewicht so fest gegen den
Trogrand gepreßt, daß sie einen vollkommen wasserdichten Abschluß bildete. Der
Deckel enthält vier Mannlöcher. Das Auspumpen geschieht bei den Abteilungen
gleichmäßig, um die Zwischenwände möglichst wenig zu beanspruchen. Die untere
Wasserschicht kann nicht mittels einer gewöhnlichen Saugpumpe gehoben werden; man
ließ zuletzt einen Pulsometer in den Trog hinunter, der das Wasser
heraufbeförderte.
Nach Entleerung der vier Abteilungen fängt man an, in die beiden vorderen
Abteile zugleich den Beton einzustürzen, während zur selben Zeit mittels eines
Hebers Wasser in die hinteren Behälter gebracht wird, um das Mittelschott zu
entlasten. Sind die vorderen Teile ausgefüllt, so wird mit Hilfe eines Elevators
Sand in die hinteren Abteilungen gestürzt.
Textabbildung Bd. 322, S. 620
Fig. 18.Betoneisentrog im Schwimmdock.
Textabbildung Bd. 322, S. 620
Fig. 19.Zusammenbau der schwimmenden Kaimauertroge.
Der weitere Aufbau der Kaimauer weicht nicht von der auf Pfählen fundierten Bauweise
ab. Ueber die Kosten der Eisenbetontroge werden noch keine näheren Angaben gemacht,
da die Rechnung der nach der zuletzt beschriebenen Bauart ausgeführten Kais noch
nicht abgeschlossen ist, aber es läßt sich voraussehen, daß die Kosten niedriger wie bei den auf
Pfählen fundierten Kais sein werden. Besonders ins Gewicht fällt hier aber die
Tatsache, daß die neue Bauweise ein viel schnelleres Arbeiten ermöglicht, was bei
dem dringenden Bedürfnis an Kaianlagen in Rotterdam ein hoch einzuschätzender
Vorteil ist.
Bemerkung: Der Maßstab der Figuren ist:
Für Fig. 1–9 und 14–16 = 1: 200
„ „ 10 und 17 = 1: 400.