Titel: | Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerfabrikation im ersten Halbjahr 1907 (s. d. Bd. 8. 278). |
Autor: | A. Stift |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 635 |
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Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem
Gebiete der Zuckerfabrikation im ersten Halbjahr 1907 (s. d. Bd. 8. 278).
Von k. k. landw. techn. Konsulent A.
Stift (Wien).
(Fortsetzung von S. 617 d. Bd.)
Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der
Zuckerfabrikation usw.
Schon vor ungefähr 26 Jahren tauchte zuerst der Gedanke auf, die Diffusion mit
der Pressung zu vereinigen, und zwar in der Weise, daß die Schnitzel vor dem
Verlassen der Diffusionsbatterie einer teilweisen Pressung unterworfen werden
sollten. Dieser ersten Erfindung folgten noch andere Konstruktionen, die sich aber
in der Praxis nicht bewährten, so daß die ganze Frage in Vergessenheit geriet, bis
anfangs unseres Jahrhunderts die Idee einer ununterbrochenen, mit teilweiser
Pressung verbundenen Diffusion wieder von den Technikern aufgenommen wurde. Von den
vorgeschlagenen Verfahren wurde nur eines mit glücklichem Erfolge in die Praxis
übertragen, nämlich das Preß- Diffusionsverfahren von
Hyroß-Rak. Die ersten Versuche wurden mit einem kleinen Apparat ausgeführt
und die gemachten Erfahrungen sodann auf die Konstruktion eines Apparates für den
Großbetrieb übertragen, welcher in der Kampagne 1906/07 in der Zuckerfabrik Böhmisch Brod in Betrieb gesetzt wurde,
von Anfang bis zum Ende derselben tadellos und ohne jedwede Störung arbeitete und
allen gehegten Erwartungen vollständig entsprach. Referent hatte Gelegenheit, das
Verfahren in genannter Zuckerfabrik zu besichtigen und darüber zu berichtenDie Deutsche Zuckerindustrie 1907, 32.
Jahrgang, S. 57.. Die Fabrik verarbeitete täglich 12000
Meterzentner Zuckerrüben, zu welchem Zwecke zwei Diffusionsbatterien zur Verfügung
standen. In einem Seitenraume, neben der Dampftrockenanlage (System Sperber), und unweit der Schnitzelmaschine stand die
Batterieanlage Hyroß-Rak, welcher die zur Verarbeitung
dienenden Schnitzel mittels eines Rechentransporteurs von der Schnitzelmaschine
zugeführt wurden. Der Grundgedanke des Verfahrens ist der, nach dem bewährten
Prinzip der Robertschen Batterie die Auslaugung in
einzeln aufeinander folgenden Räumen nacheinander und getrennt auszuführen, und
behufs Erhöhung des Effektes nach jeder einzelnen Auslaugung zu pressen. Da die
bestehenden Diffusionsbatterien für den beabsichtigten Zweck nicht verwendet werden
können, so ist daher die Aufstellung einer neuen Konstruktion notwendig, die durch
die Deutsche Patentschrift No. 156592 geschützt ist. Fig.
2 ist ein senkrechter Längsschnitt durch den ersten Diffuseur und Fig. 3 zeigt den Grundriß einer Batterie von vier
Diffuseuren in schematischer Darstellung. Die Diffusionsbatterie besteht ähnlich wie
die üblichen Diffusionsbatterien aus einer Anzahl von Diffuseuren, in welchen unter
Wasserdruck diffundiert wird, jedoch mit dem Unterschied, daß hier die Schnitzel
nicht in demselben Diffuseur während des ganzen Diffusionsvorganges verbleiben,
sondern aus einem Diffuseur in den nächstfolgenden übergehen und dabei ausgepreßt
werden. Infolgedessen entfällt jedes Oeffnen und Schließen von Diffusionsdeckeln und
jede damit verbundene Unterbrechung der Diffusion. Alle Diffuseure sind gleich groß,
von gleicher Gestaltung und parallel nebeneinander aufgestellt. Ihre Lage kann
entweder wagerecht (wie in der Zeichnung), senkrecht (wie in Böhmisch Brod) oder
auch geneigt sein. In Böhmisch Brod bestand die Versuchsbatterie, die täglich
3000 Meterzentner Rüben verarbeitete, aus vier Diffuseuren, und die Anlage war
insofern nicht vollständig, als zu einer normalen Entzuckerung sechs Zylinder nötig
sind; aus diesem Grunde hat die Aussüßung der Schnitzel nicht den gewünschten Grad
erreicht, was mit sechs Diffuseuren aber sicher geschehen kann, so daß die
Entzuckerung dann eine normale wird.
Textabbildung Bd. 322, S. 635
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 322, S. 635
Fig. 3.
Das Gehäuse des Diffuseurs I (Fig. 2) ist am breiten Ende vollwandig und zylindrisch; in der Mitte
verengt es sich nach dem linken Ende zu, wo das Sieb C1 einen Teil des konischen Mantels bildet. Dieses Sieb befindet sich
jedoch nicht ganz am Ende des Diffuseurs, sondern hinter dem Siebe ist noch ein Teil
des Diffusionsgehäuses vollwandig ausgebildet. In diesem Teil hat der Diffuseur den
kleinsten Durchmesser. Die frischen Schnitzel werden durch einen Füllrumpf bei A' in den Diffuseur I
befördert und gelangen zu der Förderschnecke, welche sie in der Pfeilrichtung gegen
das verengte Ende D' zu bewegt.
Die Diffusionsflüssigkeit (Rübensaft) wird bei C2 (Fig. 3) aus dem Diffuseur II durch Oeffnen des Ventils abgezogen und strömt mit
Hilfe der Pumpe L und des Vorwärmers H heiß durch die mit einem Siebe versehene Oeffnung m' in den Diffusionsteil A' ununterbrochen ein und in gleicher Richtung mit der Schnitzelbewegung
im Diffuseur weiter. Da im ersten Diffuseur der beste Saft bei C' abgezogen wird und den in dem Diffuseur II geförderten Schnitzeln außerdem ärmerer Saft
zugemischt wird, so ist klar, daß der aus dem Diffuseur II abgezogene Saft bedeutend dünner ist als der ursprüngliche Rübensaft in
den frischen Schnitzeln, weshalb nach dem Zusammenmischen im Diffuseur I eine sehr wirksame Diffusion vor sich geht. Da der
Diffuseur ständig enger wird und die Schnitzel mit Hilfe der Schnecke ununterbrochen
vorwärts geschoben werden, muß sich die Flüssigkeit im gleichen Verhältnis von den
Schnitzeln trennen und entweichen, was in dem Diffusionsteil C' bewirkt wird. Dieser Teil ist, wie aus Fig.
2 ersichtlich, mit doppelter Wandung versehen; die innere Wandung bildet
ein Sieb, welches in der Fortsetzung der Wandung der übrigen Mantelteile des
Diffuseurs liegt, während die äußere Wandung nicht durchlocht ist. Die Flüssigkeit
fließt durch die gelochte Blechwand und durch das an der Außenwand bei C angebrachte
Abflußrohr in das Maßgefäß P, während die stark
zusammengepreßten Schnitzel mit Hilfe der Schnecke in den letzten Diffuseurteil D' gedrückt werden, wo die Flüssigkeit einen
vollständigen und dauernden Abschluß findet. Dieser Vorgang im Diffuseur I geht ununterbrochen vor sich und es lassen sich dabei
vier Phasen deutlich unterscheiden, welche an bestimmte Stellen gebunden sind, so
daß man den ganzen Raum dieses Diffuseurs in vier charakteristische Zonen einteilen
kann: Vereinigungszone A', Diffusionszone B' Trennungszone C' und
Abschlußzone D'. Derselbe Vorgang mit den vier
charakteristischen Zonen wiederholt sich in allen nachfolgenden Diffuseuren, nur mit
dem Unterschiede, daß diese Diffuseure ihre Schnitzel nicht von außen, sondern von
dem jeweilig vorhergehenden Diffuseur erhalten, und daß die Diffusionsflüssigkeit
mittels eines Uebersteigrohres aus der Trennungszone des nächstfolgenden Diffuseurs
in die Vereinigungszone des betreffenden Diffuseurs direkt übertritt. So tritt z.B.
aus der Trennungszone C4 die Flüssigkeit, welche ihre Auslaugungsarbeit im Diffuseur IV vollbracht hat, durch das Uebersteigrohr C4 und den Stutzen
m3 in die
Vereinigungszone A3, wo sie mit den aus dem Diffuseur II kommenden ausgepreßten Schnitzeln zusammenkommt.
Ventil Q, Pumpe L und
Vorwärmer H finden nur beim Diffuseur I Anwendung. In den Fig.
2 und 3 bezeichnen die voll ausgezogenen
Pfeile die Flüssigkeitsrichtung, die punktierten Pfeile die Schnitzelrichtung. Der
Flüssigkeitsübertritt aus einem in den anderen Diffuseur geschieht dadurch, daß man
das Wasser unter namhaftem Druck durch Stutzen m4 in den letzten Diffuseur eintreten läßt (Fig. 3) und aus Diffuseur II durch Ventil Q abzieht. Der gesamte
Druckunterschied zwischen den Diffuseuren II und IV verteilt sich wie bei der üblichen Diffusion in der
Weise, daß auch zwischen je zwei benachbarten Diffuseuren eine bedeutende
Druckdifferenz entsteht, welche den Uebertritt der Flüssigkeit bewirkt. Um den
nötigen Flüssigkeitsdruck im letzten Diffuseur erhalten zu können, wird an seinem
Ende ein Regulierverschluß G bekannter Bauart
angebracht, mit dessen Hilfe die Bildung der Abschlußzone D4 bewirkt wird. Der Wasserverbrauch im
Verhältnis zur Schnitzelmenge wird nur mit dem Ventil Q
geregelt. Der Uebertritt der Diffusionsflüssigkeit durch die Uebersteigrohre, dann
die von Gefäße zu Gefäße stufenweise vor sich gehende Diffusion unter Wasserdruck,
sowie die einfache Regulierung des Wasserverbrauches wird durch die Einschaltung der
Abschlußzonen D', D2,
D3 usw. erzielt.
Der gleichmäßig ununterbrochene Gang der Diffusion ist aber in zweiter Linie
auch von der ununterbrochenen Fortbewegung der Schnitzel abhängig. Diese Bewegung
geht allerdings mittels des Schraubentransporteurs in bekannter Weise im Innern des
Diffuseurs vor sich, notwendig erscheint es aber auch, die Schnitzel von einem in
den anderen Diffuseur zu befördern, d.h. den Uebertritt von einer zur
nächstfolgenden Schnecke zu ermöglichen. Dies geschieht durch eine neue Anordnung,
welche einen weiteren Bestandteil der vorliegenden Erfindung bildet und die in den
Uebergangskammern A2,
A3, A4, welche die
einzelnen Diffuseure untereinander verbinden, angebracht ist. Sie besteht in einer
sehr sinnreich konstruierten Schaufelvorrichtung, welche ohne jedwede Aufsicht und
mit erstaunlicher Genauigkeit die Schnitzel von einem Diffuseur in den anderen
befördert und aus den Fig. 4–7 ersichtlich ist.
Textabbildung Bd. 322, S. 636
Textabbildung Bd. 322, S. 636
Die durch die Abschlußzone D'
(Fig. 3) ununterbrochen hindurchgeführten
Schnitzel treten in den plötzlich erweiterten Raum A2, durch welchen die
Transporteurwelle W' durchgeführt ist. Auf dieser Welle
ist die Schaufel M2
aufgekeilt, welche sich mit der Welle dreht und bis an den zylindrischen Mantel von
A2 reicht.
Zwischen den beiden Wellen W' und W2 ist
außerdem noch eine zweiarmige Zwischenschaufel N2 angeordnet, die um ihre Achse O drehbar ist. Diese Achse O ist in der Mitte zwischen den beiden Wellen in die Seitenwände der
Uebergangskammer eingelagert. Die Drehung der Zwischenschaufel N2 um ihre Achse O ist nur zwischen den beiden in den Figuren
gezeichneten Grenzlagen möglich, weil ihr größerer Arm in der ersten Grenzlage auf
die Welle und in der zweiten auf die Wand der Uebergangskammer schlägt. Diese hin-
und hergehende Bewegung der Zwischenschaufel N2 bezw. N4 ist nur von der Drehung der Schaufel M2 bezw. M4 abhängig, so daß
diese während ihrer Bewegung im Viertelkreis a – b die
Zwischenschaufel N2
bezw. N4 von deren
erster Grenzlage aus (Fig. 5) in der Richtung
des Pfeiles verschiebt. Im Viertelkreis b – c bringt
die Schaufel M2 bezw.
M4 sie zuerst in
die zweite Grenzlage (Fig. 7), in welcher sie
so lange verbleibt, bis die Schaufel M2 bezw. M4 auf den kurzen Arm c drückt, wodurch diese dann mittels der Zwischenschaufel N2 bezw. N4 in die
ursprüngliche Lage (Fig. 4) zurückgebracht
wird. Während der Bewegung der Schaufel M2 bezw. M4 durch die Quadranten c –
d und d – a verbleibt die Zwischenschaufel N2 bezw. N4 ruhig in derselben
Lage, und da die beiden Schaufeln M2 bezw. M4 und N2 bezw. N4 fast die ganze lichte Breite der
Uebergangskammern einnehmen, müssen die durch die Schaufel M2 bezw. M4 vorgeschobenen Schnitzel in der
Pfeilrichtung allmählich durch die Zwischenschaufeln N2 bezw. N4 in die ersten Schneckengewinde des
nachfolgenden Transporteurs übergehen. Durch diese Anordnung ist die ununterbrochene
Fortbewegung der Schnitzel mit Hilfe der Schneckentransporteure in Verbindung mit
dieser neuen Schaufelvorrichtung sichergestellt. In Böhmisch Brod gehen die
ausgelaugten Schnitzel aus dem letzten Diffuseur unmittelbar in den
Dampftrockenapparat, System Sperber. Während nun bei
der üblichen Diffusionsarbeit die ausgelaugten Schnitzel, bevor sie in den
Dampftrockenapparat gelangen, durch Passieren einer Fleischhackmaschine die zum
glatten Trocknen notwendige Struktur erhalten müssen, ist dies bei dem vorliegenden
Verfahren nicht notwendig, da die Schnitzel durch die Fortbewegung und das Pressen
im Apparat unmittelbar zur Trocknung vorbereitet sind.
Die vorliegende Erfindung verdankt ihr Entstehen der Hauptsache nach der schwierigen
Wasserfrage, an der viele Fabriken leiden und zwar in der Richtung hin, daß entweder
ein Mangel an Betriebswasser herrscht, oder aber die Fabrik mit der Reinigung ihrer
Abwässer große Schwierigkeiten hat und mit den Nachbaren im steten Kampfe liegt.
Diesem großen Uebelstande suchten die Erfinder abzuhelfen und kamen bei ihren
Versuchen schließlich zu der Ueberzeugung, daß die übliche Diffusionsarbeit den
größten Teil des Wassers dazu verbraucht, um die ausgelaugten Schnitzel aus dem
letzten Diffuseur zu entfernen. Das viele jetzt notwendige Wasser dient daher nur
als Schwemme für die die Diffusionsbatterie verlassenden Schnitzel. Bei der jetzigen
Arbeitsweise werden etwa 100 bis 120 v. H. Diffusionssaft vom Rübengewicht
abgezogen, oder m. a. Worten, man verbraucht tatsächlich bei diesem Saftabzug
höchstens etwa 70 v. H. vom Rübengewicht an Wasser. Alles übrige Wasser, welches
angewendet werden muß, um den Saft in den ausgelaugten Schnitzeln zu ersetzen und
als Schwemmwasser beim Schnitzeltransport sich zu betätigen, ist reiner Ballast.
Gegenwärtig dauert die Entzuckerung der Schnitzel etwa 70 Minuten und der ständige
Schnitzel Vorrat in der Batterie selbst beträgt etwa 6 v. H. der täglichen
Rübenverarbeitung. Die Erfinder richteten daher ihr Hauptaugenmerk darauf, die
Diffusionsdauer abzukürzen und die in der Batterie verbleibende Schnitzelmenge zu
verringern. Beide Bestrebungen sind ihnen auch durch den neuen Saftgewinnungsapparat
gelungen, in dem 1. die auszulaugenden Schnitzel sich in dünnen Schichten unter
innigster Berührung mit der Auslaugeflüssigkeit bewegen, 2. der Saft und die ganze
Batterie stets heiß gehalten und 3. in jedem Diffuseur die Abpressung des Saftes von
den Schnitzeln vorgenommen wird. Durch diese Arbeitsweise gelang es, die
Auslaugungsdauer auf 25 bis 35 Minuten herabzusetzen und die in der Batterie
verbleibende Schnitzelmenge auf 1,5 bis 1,7 v. H. der in 24 Stunden verarbeiteten
Menge zu vermindern. Da die mechanisch-konstruktive Durchführung der neuen Batterie
behufs Erlangung der genannten Vorteile vollkommen gelungen ist, und diese Batterie
ferner nur so viel Wasser bedarf, als zum Auslaugen der Rübenschnitzel unbedingt
nötig ist, so entfällt das unangenehme Diffusionswasser gänzlich und die
ausgelaugten Schnitzel verlassen die Batterie mit einem hohen Gehalt an
Trockensubstanz. Die Erfinder garantieren bei ihrem Verfahren eine Reihe von
Vorteilen, nämlich: 1. normale, tadellose und sichere Funktion des Apparates; 2.
normale Auslaugung der Schnitzel; 3. hohe Saftdichte bei mindestens 0,5 v. H.
höherem Quotienten als bei der üblichen Diffusionsarbeit; 4. ausgelaugte Schnitzel
von mindestens 20 v. H. Trockensubstanz; 5. Wasserverbrauch höchstens 40 v. H.
Rübengewicht; 6. Arbeiterersparnis und billige Arbeit und 7. vollständiger Wegfall
der Abwässer.
Der Apparat hat während der ganzen Kampagne 1906/07 ohne Unterbrechung und tadellos
gearbeitet, obgleich mit dem Rübenmaterial allerhand Eisenstücke und andere
unliebsame „Verunreinigungen“ in den Apparat eingeführt worden sind; die
Bewegungsvorrichtungen hatten dabei nicht Schaden gelitten, ein Beweis von der
Solidität und der sicheren Funktion der Anlage. Der anstandslose Betrieb bedurfte
nur einer geringen Aufsicht seitens des leitenden Beamten, und mit einem Arbeiter
und einem jugendlichen Hilfsarbeiter konnte der ganze Betrieb mühelos durchgeführt
werden, Auf Grund der bisherigen glänzenden Erfolge wird in der nächsten Kampagne
eine sechs- und eine achtgliedrige Batterie aufgestellt werden, um durch
vergleichende Versuche den erreichbaren Grad der Auslaugung der Schnitte und die
höchste Leistungsfähigkeit festzustellen. Die Aufarbeitung des verbleibenden
Tagesquantums an Rüben besorgt noch eine alte Diffusionsbatterie, damit sich die
sehr konservativ veranlagten Landwirte durch Augenschein von dem höheren Werte der
durch das neue Verfahren erhaltenen ausgelaugten Schnitzeln überzeugen können.
Die Vorteile des Verfahrens sind, außer den mitgeteilten Garantien, verschiedener
Natur; Geringerer Dampfverbrauch bei der Verdampfstation infolge der dichteren
Diffusionssäfte, Wegfall der Schnitzelpresse und des Schnitzelaufzuges, Förderung
und Verbilligung der Schnitzeltrocknung und Gewinnung stark abgepreßter Schnitzel
ohne Nachpressung, wobei die Schnitzel in ihrem Nährwert den anderen
Trockenschnitzeln nicht nachstehen, ja sich vielleicht durch einen höheren Nährwert
auszeichnen und schließlich, was unbedingt der Hauptvorteil und nach welchem der
Wert des Verfahrens zu beurteilen ist: 1. Wegfall der Abwässer, wodurch die ganze
unleidige und heikle Frage der Abwässerreinigung in Fortfall kommt, und 2. die
Möglichkeit, mit wenig Betriebswasser das Auskommen finden zu können, welcher
Vorteil namentlich in trockenen Jahren von großer Bedeutung werden kann. Der geringe
Wasserverbrauch, eigentlich nur zum Schwemmen und Reinigen der Rüben, würde eventl.
auch den Bau von Zuckerfabriken in wasserarmen Gegenden ermöglichen. Die
Unannehmlichkeit der Abwasserfrage ist jedem Industriellen, der darunter zu leiden
hat, in so unangenehmer Weise bekannt, daß darüber keine weiteren Worte mehr zu
verlieren sind. Die einfachste Lösung dieser Frage liegt wohl darin, daß die
betreffende Industrie überhaupt kein Abwasser mehr abgibt und so die ganze Kalamität
mit einem Schlage beseitigt. Diese Lösung ist der Zuckerindustrie nach verschiedenen
Richtungen hin gelungen, wie dies das Brühverfahren von Steffen, die Diffusionsverfahren von Pfeiffer
und Claassen und schließlich das
Preßdiffusionsverfahren von Hyroß-Rak beweisen. Für
letzteres Verfahren kann auch der Ausspruch Claassens
gelten, daß das Verfahren der Zukunft kein Brüh- oder Preßverfahren (im Sinne Steffens), sondern das Diffusionsverfahren bleiben
wird, in seiner einfachsten Art der Ausführung, aber verbessert durch die
Wiedergewinnung der in den Abwässern enthaltenen Zucker- und Nichtzuckerstoffe. Eine
einfachere Durchführung des Diffusionsprozesses als bei Hyroß-Rak läßt sich kaum denken, die Arbeit und das Funktionieren der
Batterie sind erstaunlich sicher, und auch hier hat man es in der Hand, den
Zuckergehalt der auszulaugenden Schnitzel je nach dem beabsichtigten Zwecke zu
verändern, um nicht nur ein zuckerreicheres, sondern auch durch Anreicherung mit
Eiweißstoffen gehaltreicheres Futter zu gewinnen, und, was schließlich die
Hauptsache ist, die Abwässerfrage erscheint ebenfalls vollständig beseitigt, mit der
unter Umständen wertvollen Zugabe, auch bei Wassermangel ungestört arbeiten zu
können. Jedenfalls verdient das Verfahren von Hyroß-Rak
das vollste Interesse der Zuckertechniker, da es zu den aussichtsreichsten Verfahren
der Zukunft gerechnet werden kann, ja vielleicht dazu berufen ist, eine Umwälzung in
der bisherigen Arbeitsweise herbeizuführen.
Auch andere Fachmänner sprechen sich über das Verfahren günstig aus. Andrlik, Stanek und UrbanZeitschrift für
Zuckerindustrie in Böhmen 1907, 31. Jahrgang. S. 284. haben das
Verfahren von Hyroß-Rak in chemischer Beziehung einer
eingehenden und vergleichenden Prüfung gegenüber dem üblichen Diffusionsverfahren
unterzogen, wobei sie zu dem Schluß kommen, daß die von den Erfindern garantierten
Vorteile (siehe oben) ohne Schwierigkeiten erreicht und eingehalten werden können,
und ihrer Ansicht über die Zukunft des Verfahrens dahin Ausdruck geben, daß dasselbe
in der Zuckerindustrie allem Anscheine nach eine wichtige Reform herbeiführen
wird.
HerzfeldDie Deutsche
Zuckerindustrie 1907, 32. Jahrgang, S. 37 und 237, ferner Zeitschr. d.
Vereins d. Deutschen Zuckerindustrie 1907, 57. Band, S. 366., welcher das Verfahren von Hyroß-Rak in Böhmisch Brod besichtigt hat, hebt ebenfalls als Vorzug
desselben gegenüber dem Steffenschen Brühverfahren
hervor, daß man es hier in der Hand hat, soviel Zucker aus den Schnitzeln
herauszuholen, wie man will, d.h. je nach schneller oder langsamer Arbeit, entweder
Zuckerschnitzel zu erzeugen oder aber die Schnitzel vollständig auszulaugen. Herzfeld betrachtet es auch als Fortschritt, wenn
dieses Verfahren, welches im wesentlichen ein Diffusionsverfahren ist, sich bewähren
würde, da man dann beliebig arbeiten könne. Vom technischen Standpunkte aus ist es
zu bewundern, daß es mit dem geschlossenen Apparate gelungen ist, mehrere Monate
ohne Störungen zu arbeiten. Allerdings liegen auch mancherlei Bedenken vor. Wenn
z.B. zu stark gepreßt wird und sich dann die Siebe zusetzen, dann entsteht wohl die
Frage: was tut man jetzt mit einem solchen Apparat? Ferner ist nicht die Möglichkeit
aus dem Auge zu lassen, daß der Apparat zu stark beschickt sein könnte. Es scheint
daher die Reinigungsfrage doch eine ganz besonders schwierige zu sein, wie ferner
auch die Frage einer Regulierung der Temperatur in der Batterie. Wie sich die
Durchführung des Verfahrens bei der Arbeit mit einer Batterie im großen Maßstabe
gestalten wird, muß die Zukunft lehren. Immerhin bezeichnet Herzfeld das Verfahren aber als hoch interessant und bemerkt noch, daß die
Erfinder zwar ein deutsches Reichspatent auf den Apparat haben, aber nicht auf das
Verfahren, mit dem Apparat zu arbeiten.
SaillardCirc.
hebdom. du Syndicat 1907, No. 931. hat das Verfahren von Hyroß-Rak ebenfalls an Ort und Stelle studiert und
kommt zu dem Resultat, daß dieses Verfahren, trotz der bisher provisorischen Anlage,
schon jetzt die größte Beachtung verdient. Rüben mit einem Zuckergehalt von 16,5 bis
16,7 v. H. lieferten ungefähr 90 l Diffusionssaft von 1,0742 Dichte und 88,5 bis
89,5 scheinbarer Reinheit. Die ausgelaugten Schnitte enthielten ungefähr 22 v. H.
Trockensubstanz mit 2,6 bis 3,9 v. H. Zucker. Von 100 kg Rüben wurden etwa 30 kg
Schnitte erhalten. Der Wasserverbrauch für 100 kg Rüben betrug 25 bis 30 l.
(Fortsetzung folgt.)