Titel: | Moderne Gießwagen und Grießkrane für Stahlwerke. |
Autor: | C. Michenfelder |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 679 |
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Moderne Gießwagen und Grießkrane für
Stahlwerke.Nach einem Vortrage,
gehalten im Oberschi. Bezirksverein d. Vereines deutscher Ingenieure zu Gleiwitz
am 25. Mai 07.
Von Dipl.-Ing. C. Michenfelder.
(Fortsetzung von S. 666 d. Bd.)
Moderne Gießwagen und Grießkrane für Stahlwerke.
So ist unter sorgfältiger Berücksichtigung der jahrzehntelangen, soeben nur kurz
gekennzeichneten ErfahrungenSiehe auch den
Bericht in No. 28 von „Stahl und Eisen“, betr. den Vortrag von Prof.
Dr. Stauber in der Hauptversammlung deutscher
Eisenhüttenleute in Düsseldorf am 12. Mai d. Js. im Bau und
Betriebe von dampf-hydraulischen Gießwagen als neueste die in Fig. 4 gezeigte
Konstruktion entstanden, die mithin als Typus eines modernen dampfhydraulischen
Gießwagens anzusehen istFig. 4
veranschaulicht einen Gießwagen von 16000 kg Nutzbelastung und 3,50 m
Ausladung, während der vorhin gezeigte Hörder Wagen bei nur 2 m Ausladung 13
t Pfanneninhalt hatte..
Bei ihr kommt als weitere und wesentliche Verbesserung die vervollkommnete
Führung des Hebezylinders an dem feststehenden Plunger hinzu. Bei den vorhergehenden
Anlagen, bei denen die Drehsäule innerhalb des Zylinders endete, mußte bei dessen
Hochgehen ja eine zunehmende Verkürzung der Führungslänge, infolgedessen auch eine
Erhöhung der spezifischen Führungswiderstände eintreten, was wieder eine verstärkte
Abnutzung der betroffenen Teile mit sich brachte und eine Vergrößerung der
Pumpenarbeit erheischte.
Indem man bei diesem neuesten Gießwagen den Hubzylinder sich – unter Verwendung
beiderseitiger Stopfbüchsen – an einer durchgehenden Säule verschieben läßt, bleiben
die vorgenannten Faktoren konstant. Die Abstellung der Hubbewegung bei
Ueberschreitung der Höchststellung des Zylinders kann, wie im allgemeinen
Hebezeugbau, selbsttätig erfolgen, z.B. durch Anbringung eines Austrittskanales in
entsprechender Höhe des Zylinders oder des Kolbens. Für die Antriebe zum Schwenken
des Auslegers und zum Kippen der Gießpfanne, die bei den älteren Anlagen von Hand
erfolgten, ist hier gleichfalls Preßwasser vorgesehen. Ein an der einen
Auslegerwange angeschraubter Zylinder beeinflußt durch eine verzahnte Kolbenstange
in bekannter Weise das Stirnradvorgelege des Drehwerkes, während das hydraulische
Kippen der Pfanne in Anbetracht ihrer gleichzeitigen Verfahrfähigkeit in folgender
Eigenart geschieht: Der Triebzylinder für das aus Zahnrad und Zahnstange bestehende
eigentliche Kippwerk ist an der anderen Auslegerwange mit dem Pfannenwagen achsial
verschieblich gelagert und empfängt das Druckwasser aus einem hinter ihm am Ausleger
festen Zuleitungszylinder, und zwar für jede Kolbenseite vermittels eines durch
letzteren posaunenartig hindurchgehenden und mit Löchern versehenen Rohres. Auf
diese Weise sind biegsame Hochdruckschlauchleitungen mit ihren leicht zu
Betriebsstörungen führenden Drehgelenken in glücklicher Lösung vermiedenIn „Stahl und Eisen“ 1900, S. 644 ist
ein dampf-hydraulischer Gießwagen beschrieben, bei dem das Schwenken
allerdings auch schon hydromotorisch erfolgte, jedoch unter Vermittlung
gewöhnlicher Gliederketten..
Daß ferner auch für das Hauptfahrwerk im Gegensatz zu früher nur Stirnräder
Verwendung gefunden haben, ist der Absicht zuzuschreiben, Kegelrad- und
Schneckengetriebe wegen ihrer bei nicht sorgfältiger Behandlung allerdings nicht zu
leugnenden Mängel grundsätzlich zu vermeiden.
Erwähnt sei noch, daß die Zylinderabmessungen bei diesem Wagen derartig sind, daß der
ganze Hub des vollbelasteten Pfannenauslegers von 1 m bei etwa 47 at Wasserdruck in
40 Sek. vollführt werden kann. Die normale Fahrgeschwindigkeit des Gießwagens ist zu
60 m festgesetzt, die maximal bis über 100 m gesteigert werden kann. Der größte
Schwenkwinkel des Auslegers beträgt 210°. Von sonstigen Daten dürfte bei dieser
Anlage vielleicht noch die Größe des höchsten Raddruckes interessieren, der – zur
Erzielung der erforderlichen Adhäsion zweckentsprechend am Triebrad auftretend –
etwa 28 t beträgt. Die Uebertragung der Raddrücke auf den Unterbau geschieht
neuerdings meist durch stählerne Knüppelschienen mit etwa 100 mm Kopfbreite auf
durchgehende und mit dem Fundament verankerte Hohlgußböcke, mit denen die
Fahrschienen verkeilt sind.
Die im vorliegenden Fall, bei einem Pfanneninhalt von 16 t, außergewöhnliche Größe
des Kessels mit 40 qm Heizfläche ist zurückzuführen auf die Minderwertigkeit des
hier zu verwendenden Brennmaterials; in normalen Fällen kommt man, bei selbst 20 t
Charge, erfahrungsgemäß mit etwa 30 qm Heizfläche gut aus.
Textabbildung Bd. 322, S. 680
Fig. 4a.
Wenngleich die Ausbreitung der neuzeitlichen „Elektrisierung des
Maschinenbaues“ auch auf die Konstruktionen moderner Stahlgießwagen in den
folgenden Betrachtungen einerseits als ein in seiner Art von mannigfachen und
unleugbaren Vorteilen begleiteter Fortschritt nachgewiesen werden soll, kann auf
Grund der gemachten Erfahrungen andererseits doch nicht in Abrede gestellt werden,
daß gerade das Zusammenwirken von Hydraulik und Dampfkraft im Stahlwerksbetriebe
unter Umständen seine nicht zu unterschätzenden, namentlich in der unbegrenzten
Betriebszuverlässigkeit gelegenen Vorzüge besitzt. Diese Ansicht ist auch von neuem
bei jüngsten in Auftrag gegebenen Bestellungen dampf-hydraulischer Wagen z.B. durch
die Gutehoffnungshütte, durch die Dillinger Hüttenwerke, durch das Eisenwerk Krämer in St. Ingbert u.a. zum Ausdruck
gekommen.
Es war nach den Fortschritten des Maschinenbaues im allgemeinen und des Baues von
Hebe- und Transportmaschinen im besonderen zu erwarten, daß sich auch im Werdegang
des Gießwagens die Einwirkung der Elektrotechnik nachdrücklich geltend machen werde.
Sind doch in den meisten Fällen auch hier im wesentlichen die nämlichen
Gesichtspunkte und Rücksichten maßgebend, die beispielsweise im allgemeinen Kranbau
zur Anwendung elektrischer Bewegungsenergie geführt haben.
Textabbildung Bd. 322, S. 681
Fig. 4b.
Textabbildung Bd. 322, S. 681
Fig. 4c.
Dort vermochte weder der Dampfkran mit seiner mangelnden Betriebsbereitschaft, seinem
vielgestaltigen Aufbau und seiner oft unreinlichen Arbeitsweise, noch der
hydraulische Kran mit seinem für veränderliche Lasten unwirtschaftlichen Betrieb und
der umständlichen Zuleitung des bei niederen Temperaturen überdies noch unsicheren
Kraftmittels dem Ansturm des elektrischen Kranes Stand zu halten, der
bekanntlich mit rationellster Arbeitsweise größte Reinlichkeit und gedrungensten Bau
vereinigt.
Daß bei dem kombiniert dampf-hydraulischen Gießwagen außerdem wegen der Unmöglichkeit
der Zentralisierung der Bedienung die dauernde Anstellung von wenigstens zwei Mann
für jeden Wagen zur Notwendigkeit wird – die übrigens den eventl.
Anschaffungsmehrpreis elektrischer Wagen ganz bedeutend ausgleichen hilft, – hat
ferner dazu beigetragen, auch hier die Benutzung des so bequem zu dirigierenden
elektrischen Motors zu versuchen.
Wenn auch die diesbezüglichen Bemühungen bei der Jugendlichkeit der Elektrotechnik
noch verhältnismäßig nicht weit zurückreichen, – nur bis in die allerletzten Jahre
des vorigen Jahrhunderts, – so sind doch infolge der modernen Entwicklungen eigenen
Rastlosigkeit und unter sorgfältiger Berücksichtigung aller anfänglich gemachten
Erfahrungen heute bereits Konstruktionen geschaffen, die einen Vergleich mit den
nicht elektrischen Gießwagen in jeder Hinsicht aushalten.
Es werden die hauptsächlich in der gedrungenen Bauart, in der vervollkommneten
Betriebsweise – der dampf-hydraulische Gießwagen muß ja in eventl. kürzeren Arbeitspausen unter
Dampf gehalten werden – und in der vereinfachten Bedienung- beim elektrischen Wagen
ist u.a. nur ein Mann auf der Maschine nötig – gelegenen Verzüge im Anschluß an die
bisher gebrachten Ausführungen am besten erkennbar sein durch die Betrachtung eines
solchen modernen elektrischen Gießwagens, wie er beispielsweise nach Fig. 5 mehr und mehr in Aufnahme kommt.
Angenehm? auffallend ist zuerst die bauliche Einheitlichkeit der vollständigen
Maschine, die unter Fortfall des früheren besonderen Antriebswagens nur noch aus dem
Auslegerwagen besteht, auf dem geschützt und doch leicht zugänglich sämtliche
Antriebe mit dem Führerstand untergebracht sind.
Eine weitere und nicht minder vorteilhafte Einheitlichkeit herrscht bei ihm betreffs
des Prinzipes der Bewegungsantriebe, die sämtlich elektrisch sind. Gerade
hinsichtlich dieses Punktes begegnet man in der Literatur und viel mehr noch in der
Praxis allerdings oft den sich widersprechendsten Ansichten. Man erkennt auch von
anderer Seite die Ueberlegenheit der elektrischen Energie für den Gießwagenbetrieb
durch ihre Einführung für sämtliche wagerechte PfannenbewegungenVergl. z.B. Stahl und Eisen 1904, S. 1435 und
ff., 1906, S. 931. wohlan, man bestreitet jedoch ihre
Ueberlegenheit, ja sogar ihre Zulässigkeit für die Vertikalbewegung der Pfanne, also
für das Heben und Senken des Auslegers, mit der stillschweigenden oder offenen
Motivierung: nur das Druckwasser biete hierzu eine genügende Sicherheit! Gemeint
kann nur sein eine solche gegen das Abstürzen der Last, denn die Genauigkeit des
Manövrierens mit der Pfanne muß ja bei den übrigen Bewegungen ebenso groß sein. Daß
aber jener Einwand nicht stichhaltig ist, wird in ungezählten Fällen dadurch
bewiesen, daß die Elektrizität mit größter Ruhe und bestem Erfolge zum Heben und
Senken nicht nur gleichartiger Lasten – wie beim noch zu besprechenden
elektrischen Gießkran – sondern noch viel schwererer benützt wird, deren Absturz
wenigstens die gleichen Schädigungen wie beim Gießwagen zur Folge haben würde. Zieht
man noch in Betracht, daß die Sicherheit gegen Bruch der im vorliegenden Fall
gewählten Gallschen (Nickelstahl-) Hubketten durch eine
solide Konstruktion beliebig groß gemacht werden kann – in unserem Beispiel etwa 15
fach, – so wird man einen überzeugenden sachlichen Grund für die Beibehaltung des
zuweilen noch befürworteten elektrisch-hydraulischen Gießwagens schwerlich
vorbringen können. Und dies um so weniger, als das örtliche Nebeneinanderbestehen
gerade des hydraulischen und des elektrischen Betriebes infolge der durch
Undichtigkeiten und Wasserverluste eintretenden Kurzschlüsse trotz
Isolierungsmaßregeln immerhin zu Betriebsstörungen Veranlassung geben kann, um so
mehr als sich die elektrische Ausrüstung für das Fahren diesfalls ja stets im
Unterwagen befindet.
Textabbildung Bd. 322, S. 682
Fig. 5.
Es erscheint ganz angebracht, bei dieser Gelegenheit daran zu erinnern, daß man bis
vor wenigen Jahren den gleichen Standpunkt für die alleinige Zulässigkeit des
Druckwassers zum sicheren Heben auch beim Bau von (Personen-) Aufzügen fast
allgemein vertreten hat. Auch hier glaubte man solange, nur bei der direkten
Abstützung der Last durch den hydraulischen Kolben die nötige Sicherheit und
Manövrierfähigkeit zu haben, bis sich infolge mehrjähriger Erprobung der elektrische
Antrieb bekanntlich allen anderen gegenüber als überlegen erwiesen hat. Dieser
Vergleich erscheint selbst in Berücksichtigung der Eigenart des Stahlwerksbetriebes
statthaft, weil durch jene Erfahrungen ganz allgemein dargetan ist, daß dem
Druckwasser als Hubmittel eben nicht das Privileg der Betriebssicherheit
zukommt.
Selbstverständliche Voraussetzung allerdings für günstige mit elektrischem
Pfannenheben zu erzielende Ergebnisse ist eine zweckmäßige und solide Durchbildung
des
Hubmechanismus. In den hierin begangenen Verstößen wird auch vernünftigerweise
allein der Grund der soeben gekennzeichneten Stellungnahme für den
elektrischhydraulischen Gießwagen zu suchen sein.
Textabbildung Bd. 322, S. 683
Fig. 6.
So erscheint z.B. der mehrfache direkte Hubspindelantrieb für die Vertikalbewegung
des Auslegers (Fig. 6) – besonders beim Fehlen
jeglicher Ausgleichvorrichtungen für die beiderseitigen Spindelkräfte – infolge des
bei den hohen Flächendrucken und des wegen der mehr oder weniger einseitigen
Belastung frühzeitigen Fressens der Getriebeteile als nicht besonders
zweckentsprechend. Bei einem derartigen, für ein Lothringer Hüttenwerk gebauten
Gießwagen – allerdings wohl dem ersten reinelektrischen – sollen die
aufgetretenen Mißstände sogar zur gänzlichen Abstellung der Hubbewegung geführt
haben. Daß die diesfalls erforderliche feste Einstellung des Auslegers in die zum
Ein- und Abgießen gerade noch angängige mittlere Höhenlage nur als ein dürftiger
Notbehelf angesehen werden kann, wird außer Zweifel sein.
Textabbildung Bd. 322, S. 683
Fig. 7.
Andererseits hat man versucht, den Pfannenhub durch Verwendung eines Balanciers zu
erzielen, auf dessen einem Arm die Pfanne (mittels Spindel und Mutter, sowie unter
Verwendung von Kegelradübertragungen) verfahrbar ist, während an dessen anderem
Armende das Hubspindel- oder dergl. Triebwerk angreift (Fig. 7). Das Wagenfahren erfolgte mittels mehrfacher konischer Vorgelege
von einem auf dem schwenkbaren Oberteil montierten Motor aus und zwar mit einer
durch den hohlen Königszapfen hindurchgehenden Welle.
Wenn auch dieser WagenIn einem älteren und
neueren Ausführungsbeispiel in „Stahl und Eisen“ 1931, S. 275 bezw.
in der „Z. d. V. d. Ing.“ 1903, S. 422 beschrieben.
gegenüber dem letztgenannten unverkennbare Vorzüge aufweist, so dürfte doch
erfahrungsgemäß die reichliche und schwer zu umgehende Verwendung konischer Räder
als kein die Betriebssicherheit erhöhender Faktor angesehen werden. Daß ferner das
Einziehen der Pfanne mitunter auf stark geneigtem Ausleger erfolgen muß, wird auf
den Kraftverbrauch ungünstig einwirken.
(Fortsetzung folgt.)