Titel: | Moderne Gießwagen und Grießkrane für Stahlwerke. |
Autor: | C. Michenfelder |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 697 |
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Moderne Gießwagen und Grießkrane für
Stahlwerke.
Von Dipl.-Ing. C. Michenfelder.
(Fortsetzung von S. 683 d. Bd.)
Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke.
Trotz der im Vorstehenden angedeuteten, teilweise doch erheblichen Mißerfolge
und Mängel elektrisch angetriebener Stahlgießwagen hat man dennoch von Neuem die
konstruktive Durchbildung rein-elektrischer Gießwagen in die Hand genommen, in der
Erkenntnis, daß aus den eingangs erwähnten Gründen der Elektrizität als Antriebsart
für jedwede Lasthebungen die Zukunft gehört, beim Gießwagen um so mehr, als
dadurch gleichzeitig die stets erstrebenswerte Einheitlichkeit der verwendeten
Energiearten hergestellt wird.
Nicht zuletzt sind hierbei durch die sachgemäße Anwendung der im Kranbau bei den
schwersten Lasten erprobten Gelenkkette als direktes Kraftübertragungsmittel auch
bei den Hubwerksausführungen dieser rein elektrischen Gießwagen (System Stuckenholz) so unvergleichlich günstigere Resultate
erzielt worden.
Textabbildung Bd. 322, S. 697
Fig. 8.
Die neue Anordnung der Konstruktion ist so getroffen worden (Fig. 8), daß die festen Enden der zwei symmetrisch
zur Wagenmitte liegenden Ketten an den beiden Armen eines im Ausleger gelagerten,
abgepufferten Balanziers angeschlossen sind, von denen aus sie über zwei Rollen im
Kopf einer genieteten Vierkanthohlsäule, die ihrerseits drehbar an einem
ausgebuchsten Kammlager eines im Unterwagen festen Königsstockes aus Siemens-Martin-Stahl aufgehängt ist, nach den im Oelbad
laufenden Antriebsrädern der elektrischen Hubmaschine geführt werden. Diese, früher
in weniger stabiler Weise hängend angeordnet, ist neuerdings mit den Motoren
für die anderen Pfannenbewegungen auf der rückwärtigen Verlängerung des Auslesers
(oder seitlich) solide aufgestellt und bildet dadurch einen Teil des Gegengewichtes.
Außer durch diese vorteilhafte Ausbalanzierung der Chargenlast wird die senkrechte
Verschiebbarkeit des Auslegers noch dadurch erhöht, daß sich derselbe mittels acht
Rollen längs des Mittelgerüstes an gehobelten Schienen führt. Letzteres ist außerdem
in der zur Auslegerachse senkrechten Richtung möglichst breit gehalten, damit auch
beim plötzlichen Einleiten und Abstellen der Schwenkbewegung durch die Massenwirkung
des Auslegers usw. keinerlei Biegungsanstrengungen in die Laschenkette kommen.
Während das Schwenken des Auslegers durch den Drehmotor in normaler Weise unter
Vermittelung einer zum unteren Zahnkranz führenden senkrechten Welle erfolgen kann,
gehen die Antriebe für das Radialverfahren und für das Kippen der Pfanne von einem
gemeinsamen, seitlich stehenden Motor aus, der vom Führerstand aus durch Handrad
wechselweise mit dem Zahnstangentriebwerk der Pfannen – Laufwagen oder mit dem
Schneckengetriebe des Kippwerkes – das sich mittels Vierkantwelle in der Nabe des
Motorvorgelegrades verschieben läßt – gekuppelt werden kann. Die in dieser
Vereinigung der Antriebe liegende Vereinfachung ist nicht allein deshalb zulässig,
weil beim Entleeren der Pfanne nie gleichzeitig ein Verschieben derselben
stattfindet, sondern auch aus dem Grunde, weil das Abgießen des Pfanneninhaltes in
der Regel bekanntlich mit Hilfe der Stopfenvorrichtung vor sich geht, während das
Kippen – außer zum Entleeren der Schlacke – zum Gießen überhaupt nur aushilfsweise
beim Einfrieren des Stopfens gehandhabt wird.
Hierbei sei als konstruktiver Fortschritt gegenüber den meisten sonstigen
Ausführungen die staubdichte, verkapselte Anordnung des WurmgetriebesBei dem abgebildeten Wagen hat allerdings
ausnahmsweise ein bereits vorhandenes offenes Schneckengetriebe Verwendung
finden müssen. erwähnt, wie sie in Berücksichtigung der in
Stahlgießereien herrschenden Verhältnisse mit Vorteil auch bei allen übrigen
empfindlichen Triebwerksteilen – die elektrischen Kabel sind in isolierten
Stahlrohren verlegt – vorgenommen worden ist. So nicht in letzter Linie auch bei dem
Fahrmechanismus des Gießwagens, der wegen der Relativbewegungen des Auslegers gegen
den Unterwagen in letzterem hat untergebracht werden müssen. Trotzdem ist auch der
gesamte fahrmaschinelle Teil durch Oeffnen des Stirnwanddeckels des Unterwagens
leicht zugänglich.
Der bei den ersten Ausführungen gleichfalls in dem Unterwagen untergebrachte
Schwenkmotor ist bei den neueren elektrischen Gießwagen auf dem drehbaren
Obergestell aufgebaut, wodurch er neben seiner Verwendbarkeit als Gegengewicht auch
bequemer für die Stromzuführung und für die Revision ist.
Der Unterwagen besteht, entsprechend der mit Recht im Maschinenbau immer mehr
hervortretenden Strömung, die gußeisernen Gestelle durch schmiedeeiserne zu
ersetzen, gleichfalls aus Walzeisenkonstruktion, welche gegen die Einwirkung von
Staub und Hitze allseitig geschlossen, gegen brennende Stahlspritzer außerdem mit
feuerfesten Steinen verkleidet und wegen etwaiger Fahrhindernisse, Prellböcke oder
dergl. noch mit durchfedernden Pufferträgern an den Stirnseiten versehen ist, um
eventl. Beschädigungen des eigentlichen Wagens völlig auszuschließen. Zur
unschädlichen Aufnahme von Stößen während der Fahrt ist das Wagengestell außerdem
zweckmäßig versteift und für eine außerordentlich geringe Beanspruchung kräftigst
dimensioniert.
Textabbildung Bd. 322, S. 698
Fig. 9.
Diese sorgfältige Rücksichtnahme auf Erschütterungen ist hier nicht minder am Platze,
als beispielsweise beim Bau von Werkzeugmaschinen, wo sie längst anerkannt ist. Denn
es kommen bei neuen Gießwagenanlagen häufig noch die unvermeidlichen Stöße in
Betracht, die durch den Einbau von Schiebebühnen in das Gleis zwecks dessen
unabhängigen Befahrenwerdens durch mehrere Gieß wagen verursacht werden (Fig. 9). Die Heftigkeit und Häufigkeit der Stöße
machen für einen dauernd sicheren Betrieb besonders kräftig gebaute Motore zur
Bedingung, bei denen – wenn auch etwas auf Kosten des Wirkungsgrades – der
Zwischenraum zwischen Rotor und Stator, namentlich bei Drehstrommotoren, reichlich
groß ist. Beim Stator kommt noch eine sehr kräftige Befestigung der Statorbleche am
Gestell zur Anwendung, die in Verbindung mit der allgemein zwischen Motorwelle und
Ritzel einzuschaltenden elastischen oder beweglichen Kupplung die Motore – unter
Vermeidung fliegend gelagerter Antriebsräder – zur gefahrlosen Aufnahme jener
mechanischen Einwirkungen befähigt.
Der Fahrantrieb erfolgt gleichmäßig zu beiden Gleisseiten des Wagens, und zwar von
einer durchgehenden Vorgelegewelle aus, mit deren aufgekeiltem Stirnrad die Ritzel
gewöhnlich zweier gleicher Elektromotore in Eingriff stehen. Durch diese Anordnung
ist, mit Einschaltung eines oder zweier Motore, nicht nur eine Veränderung der
Fahrgeschwindigkeit derart möglich, daß beim schnellen Durchfahren der Halle beide
Motore, beim langsamen Vorbeifahren an den zu vergießenden Kokillen nur ein Motor arbeitetBei einem dieser neuen Gießwagen ist auf
besonderen Wunsch der Bestellerin nur ein Fahrmotor angeordnet worden, da
das betr. Werk neuerdings nach amerikanischem Vorbild den sogen.
„Wagenguß“ betreibt, wobei im Gegensatz zum Grubenguß der
Gießwagen während des Gießens bekanntlich stillsteht (vergl. z.B. „Stahl
und Eisen“ 1901, S. 1101.) Bei dem Wagen (Fig. 8) dagegen ist auch der doppelmotorige Antrieb
ersichtlich., sondern es ist auch hierdurch für alle Fälle ein
jederzeitiger Ersatz für einen etwa schadhaften Motor vorhanden.
Außer der für die senkrechte Auslegerbewegung vorgesehenen elektromagnetischen
Haltebremse findet für das Senken der Last, neben der gewöhnlichen Motorbremsung für
die übrigen Bewegungen, neuerdings noch mit Vorteil eine Wirbelstrombremsschaltung
Anwendung, bei der es als Vorteil gegenüber der meist gebräuchlichen elektrischen
Senkbremsschaltung überhaupt keine Kontrollerstellungen gibt, in denen der Motor
eine unzulässige Tourenzahl annehmen und bei der ferner das Ein- und Ausschalten
beliebig rasch erfolgen kann. Bei der gewöhnlichen Senkbremsschaltung tritt in
solchen Fällen bekanntlich infolge der zu großen Zentrifugalkraft des Ankers leicht
Reißen der Ankerbandagen bezw. wegen der zu starken Bremsstöße leicht Verschmoren
des Kollektors und des Kontrollers ein. Die einfache Bauart der Wirbelstrombremse
selbst: eine mit der Ankerwelle zwischen einem einspuligen Magnetgestell rotierende
Eisenscheibe reiht sich als ein weiterer Vorteil den in ihrer Wirkung gelegenen
an.
Interessieren dürften vielleicht noch die mit diesen letzterwähnten Gießwagen für 20
t und 15 t zu erzielenden Arbeitsgeschwindigkeiten:
Heben
1,53
m i.
d.
Min.
(52 PS Drehstrommotor)
Drehen
1,68
mal
„
„
(12 „)
Fahren
62
m
„
„
(75 „)
PfannenfahrenPfannenkippen
12,5 1,98
„mal
„„
„„
24 „
bezw. Heben
1,75
m
„
„
(30 PS Gleichstrommotor
Drehen
2,16
mal
„
„
(17 „)
Fahren
60
m
„
„
(2 Motore à 30 PS)
Fahren m. einem Motor etwa
40
„
„
„
PfannenfahrenPfannenkippen
12,5 1,59
„mal
„„
„„
17 PS.
Die im letzteren Beispiel verwendeten Elektromotore für das Hub- und das Fahrwerk
zeichnen sich ferner durch eine außergewöhnlich niedrige Tourenzahl – etwa 200
im vollbelasteten Zustand – aus, was auf die einfache Ausbildung der zugehörigen
Uebersetzungsmechanismen natürlich günstig einwirkt.
Trotz der im Vorstehenden aufgeführten Vorzüge rein elektrischer Gießwagen soll
jedoch nicht behauptet werden, daß bei ihnen selbst vorübergehende Mißstände nie
vorgekommen seien. Denn wie bekanntlich jede neue Maschinengattung im Anfange ihrer
Ausbildung eine Reihe sogen. Kinderkrankheiten durchzumachen hat, so waren auch
ihnen solche nicht erspart geblieben. Aber gerade durch sie lernte man die
hervorgetretenen Mängel bei späteren Ausführungen vermeiden. So veranlaßte z.B. der
in einem Fall gegebene unzweckmäßige Doppelschienenstrang (s. Fig. 9) eine vollkommenere Durchbildung des
Fahrwerks, indem man mit Einschaltung von Balanziers und Vermehrung der
Laufräderzahl eine gleichmäßige Druckverteilung erzielte; die hierbei ferner
vorhandene scharf geknickte Stromzuführungsleitung (bei deren Unterführung unter die
Roheisenbühne) wurde gleichfalls verbessert und damit wurden frühere
Betriebsstörungen durch Ausspringen der Kontaktrollen vermieden. Die hängende
Anordnung des Hubmotors mußte, wie gesagt, einer solideren, stehenden weichen,
wodurch dem Zittern des Motors oder gar dem Lockerwerden der Befestigungsschrauben
vorgebeugt worden ist; die zuerst angewendete Zentralschmierung wurde durch eine
verläßlichere Einzelschmierung ersetzt. Bei späteren Ausführungen hat man auch die
Zugänglichkeit zu den einzelnen Getriebeteilen dadurch erhöht, daß man an Stelle
eines der früher vorhandenen drei Stirnradhubvorgelege ein Schneckenradvorgelege
setzte. Ferner hat man aus dem gleichen Grunde die bereits erwähnte Verlegung des
Drehmotors aus dem Unterwagen nach dem oberen Auslegergestell vorgenommen.
(Fortsetzung folgt.)