Titel: | Temperaturspannungen in einer kreisförmigen Platte. |
Autor: | Max Ensslin |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 705 |
Download: | XML |
Temperaturspannungen in einer kreisförmigen
Platte.
Von Dr.-Ing. Max Ensslin,
Stuttgart.
Temperaturspannungen in einer kreisförmigen Platte.
In D. p. J., Heft 37 d. Bds. ist die Beanspruchung eines hohlen rippenlosen
Scheibenkolbens mit ebener Ober- und Unterfläche untersucht worden unter dem Einfluß
eines Dampf- oder Gasdrucks. Hier soll der bei Gasmotorenkolben wichtige Einfluß
einer verschiedenen Temperatur der Innen- und Außenfläche der Böden behandelt
werden, wenigstens für einen ebenen Kolbenboden. Jene Kolben sind bekanntlich außen
den heißen Gasen ausgesetzt und innen durch Wasser gekühlt. Kreisförmig verlaufende
Risse besonders in den Kolbenböden zwischen Putzlöchern sind nicht selten
aufgetreten. Wir müssen einen stationären Temperaturzustand annehmen; denn wollte
man auf die Schwankungen der Temperatur eingehen, die tatsächlich eintreten, so
würde die Behandlung der Aufgabe zu schwierig; auch hat man über die Höhe der
Wandtemperaturen und ihre Verteilung noch keine Beobachtungen anstellen können. Man
ist auf Annahmen angewiesen und wird zuerst die einfachste wählen, nämlich: die
Temperatur nehme von der Außen- nach der Innenfläche hin nach einem linearen Gesetz
ab, und sei in parallelen Ebenen zur Außenfläche konstant (vergl. Encykl. d. Math.
Wiss. Bd. V, S. 181 u. 182). Im Vergleich zu der schon gemachten Annahme, derzufolge
die Temperaturschwankungen unberücksichtigt bleiben, erscheint die Annahme der
denkbar einfachsten (linearen) Veränderlichkeit der Temperatur von keinem allzu
erheblichen Einfluß zu sein. Es handelt sich hier in erster Linie darum, die
Größenordnung der Temperaturspannungen kennen zu lernen und die maßgebenden
Einflüsse zu erörtern, soweit als möglich auch hinsichtlich der Beanspruchung von
Versteifungsrippen. Eine von der linearen abweichende Temperaturverteilung kann
erforderlichenfalls in zweiter Linie weiter verfolgt werden.
Ich gehe von geometrischer Anschauung aus und benutze ferner die in D. p. J. 1904,
Heft 39–43 mitgeteilten Ergebnisse betr. die Beanspruchung und Formänderung
kreisförmiger Platten, setze auch die Entwicklung der Theorie ebener Kreisplatten
als bekannt voraus (vgl. hierzu die Lehrbücher über Elastizität).
Vorbemerkung.
Temperaturspannungen bei vollkommen gehinderter
Wärmeausdehnung einer Linie, einer Fläche, eines Körpers
1. Ein Stab von der Länge 1 cm (Fig. 1) werde um ΔT°C erwärmt, der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient αw sei konstant;
der Stab dehnt sich um
w = αw . ΔT.
Diese Ausdehnung ε wird durch eine Druckspannung σ rückgängig gemacht.
w = ε = α . σ,
wo α = 1 : E der Dehnungskoeffizient des Materials ist. In
allgemeinen Rechnungen wird eine
\left\{{{\mbox{Ausdehnung}}\atop{\mbox{Verkürzung}}}\right \mbox{und eine }+\left\{{{\mbox{Zugspannung\ \ \ }}\atop{\mbox{Druckspannung}}}\right\mbox{
mit }\left{{+}\atop{-}}\right\}
bezeichnet. Es ist dann
w + ε = 0 . . . . . . . . . . 1)Würde nicht die ganze Ausdehnung w durch eine Druckspannung σ rückgängig gemacht, sondern ein Teil ε' übrig bleiben, so wärew + ε = ε',wobei diese resultierende Dehnung ε' eine positive Ausdehnung
wäre.
α . σ
= – αw . ΔT
\sigma=-\frac{\alpha_w}{\alpha}\cdot \Delta\,T . . . . . . . . . . 2)
Für eine Temperaturzunahme um ΔT wird σ negativ, d.h. eine Druckspannung.
Textabbildung Bd. 322, S. 705
Fig. 1.
Für Schmiedeeisen und Stahl ist in runden Zahlen
\alpha=\frac{1}{2000000}\ \ \ \ \ \alpha_w=\frac{1}{80000},
für Gußeisen
\alpha=\frac{1}{1000000} und \alpha_w=\frac{1}{90000}.
Daher entsteht infolge gänzlich gehinderter linearer Wärmeausdehnung eine
Spannung
in Schmiedeeisen und Stahl
σ
= ∾ 25 . ΔT
kg/qcm
Druck
in Gußeisen
σ
= ∾ 11 . ΔT
„
„ .
Bei nur teilweise gehinderter Ausdehnung fällt die Spannung entsprechend kleiner
aus.
2. Ein Prisma von quadratischem Querschnitt von 1 cm
Seite werde um ΔT° C erwärmt und an der seitlichen Ausdehnung vollständig gehindert.
Senkrecht zum Querschnitt sei die Wärmeausdehnung frei und die Spannung
Null.
Bei nicht gehinderter Ausdehnung würden sich beide Seiten um w = αw . ΔT verlängern.
Zwei Druckspannungen σx und σy
verhindern diese Ausdehnung εx und εy, deren Absolutwert w ist.
Wir haben wie oben
w + εx = 0
w + εy = 0
Zwischen den Spannungen σx, σy, σz in drei aufeinander senkrechten Richtungen und
den von ihnen bewirkten Dehnungen εx, εy, εz besteht nach dem Hookeschen Gesetz und unter Annahme der Superposition der Dehnungen
die Beziehung:
\sigma_x=\frac{2}{\beta}\,\left[\varepsilon_x+\frac{e}{m-2}\right]
\sigma_y=\frac{2}{\beta}\,\left[\varepsilon_y+\frac{e}{m-2}\right]
\sigma_z=\frac{2}{\beta}\,\left[\varepsilon_z+\frac{e}{m-2}\right]
. . . . . 3)
wo
\beta=2\,\frac{m+1}{m}\,\alpha
der Schubkoeffizient (= 1 : G) und m das Verhältnis \frac{\mbox{Längsdehnung}}{\mbox{Querkontraktion}} und e = εx + εy + εz ist.
Mit σz = 0 erhält
man die auch späterhin nötigen Gleichungen
\sigma_x=\frac{m}{m^2-1}\cdot \frac{1}{\alpha}\,\left[m\,\varepsilon_x+\varepsilon_y\right]
\sigma_y=\frac{m}{m^2-1}\cdot \frac{1}{\alpha}\,\left[\varepsilon_x+m\,\varepsilon_y\right]
\sigma_z=0
. . . 4)
woraus mit
εx = εy = – w = – aw . ΔT
\sigma_x=\sigma_y=-\frac{m}{m-1}\cdot \frac{\alpha_w}{\alpha}\cdot \Delta\,T . . . . . . . . . . 5)
Mit m=\frac{10}{3} erhält man für die Temperaturspannung bei vollständig gehinderter
Flächenausdehnung
in Schmiedeeisen u. Stahl
σ = ∾ 35,5 . ΔT
kg/qcm
Druck
in Gußeisen
σ = ∾ 15,7 . ΔT
„
„ .
3. Ein Würfel von 1 cm Seitenlänge wird um ΔT° C erwärmt und an der Wärmeausdehnung allseitig gehindert.
Aehnlich wie oben findet man w = aw . ΔT und
εx + w = 0εy
+ w = 0εz + w = 0
und mit Gleichung 3
\sigma_x=\sigma_y=\sigma_z=-\frac{m}{m-2}\cdot \frac{\alpha_w}{\alpha}\cdot \Delta\,T . 6)
Für Schmiedeeisen und Stahl würde
σ = ∾ 63,5 . ΔT
kg/qcm
Druck.
Für Gußeisen
σ = ∾ 27,5 . ΔT
kg/qcm
Druck.
Dehnung und Biegung der Platte infolge der ungleichen
Temperatur in Richtung der Plattendicke.
Wie schon hervorgehoben, nehmen wir an, von der Oberfläche zur Unterfläche nehme
die Temperatur nach einem linearen Gesetz ab; die Temperatur T im Abstand λ von der
Mittelfläche ist demgemäß
\begin{array}{rcl}T&=&T_0+\frac{T_a+T_i}{2}+\frac{T_a-T_i}{2}\cdot \frac{\lambda}{h/2}\\ &=&T_0+T_m+\frac{T_a-T_i}{2}\cdot
\frac{\lambda}{h/2}\ .\ .\ .\ 7)\end{array}
wo T0 die anfängliche Temperatur und Tm, Ta, Ti die
Temperaturzunahme der Mittel-, Außen- und Innenfläche über T0 hinaus
bedeutet.
Wir können uns auch vorstellen, die Platte werde
a) als Ganzes um Tm über T0 hinaus erwärmt,
b) hierauf die Oberfläche um
\frac{T_a-T_i}{2}=\Delta\,T
über die Temperatur Tm
+ T0 der
Mittelfläche erwärmt und die Unterfläche um ΔT
unter diese Temperatur abgekühlt, wobei die Temperatur T' dem Abstand ± λ von der Mittelfläche
proportional sei, also:
T'=\pm\,\frac{\lambda}{h/2}\cdot \Delta\,T=\pm\,2\,\frac{\lambda}{h}\cdot \Delta\,T . . 7a)
Zufolge a wird die Mittelfläche gedehnt, zufolge b gebogen.
a) Radiale Dehnung der Platte infolge
gleichmäßiger Erwärmung um Tm
°C.
Vermutlich treten bei nicht gehinderter Ausdehnung keine Spannungen auf, jedenfalls
bei geringer Plattendicke keine Achsialspannungen (in Richtung der Dicke). Würden je
Spannungen auftreten, so wären sie wohl von der Art der Spannungen in einem
dickwandigen Hohlzylinder unter innerem und äußerem Druck oder in einer rotierenden
Scheibe.
Textabbildung Bd. 322, S. 706
Fig. 2.
Wir wählen das Koordinatensystem wie in Fig. 2 und
begrenzen durch zwei konachsiale Zylinder mit Radien x
und x + dx ein
zylindrisches Plattenelement.
Infolge der Erwärmung um Tm über T0
hinaus wird der Umfang
2πx zu 2πx + 2πx aw .
Tm,
der Radius wächst um x . aw . Tm.
Die Umfangsdehnung εyT
infolge dieser Erwärmung ist
\varepsilon_{y\,T}=\frac{2\,\pi\,x+2\,\pi\,x\,\alpha_w\,T_m-2\,\pi\,x}{2\,\pi\,x}=\alpha_w\,T_m.
Die radiale Abmessung dx wird zu dx . awTm, die radiale Dehnung
durch die Erwärmung ist
\varepsilon_x\,T=\frac{d\,x\cdot \alpha_w\cdot T_m}{d\,x}=\alpha_w\cdot T_m.
Ebenso findet man für die achsiale Dehnung
εzT =
aw . Tm.
Gleiches gilt für jedes Plattenelement. Würden diese bei
eintretender Erwärmung etwa nicht zwanglos ihren Zusammenhang beibehalten, so würden
sie durch Spannungen dazu gezwungen, von denen man (wie bei dickwandigen
Preßzylindern oder rotierenden Scheiben) annehmen kann, daß sie sich in Richtung der
Dicke (z – Achse) nicht ändern;Diese Annahme trifft nicht ganz scharf zu;
doch ist es bis jetzt nicht gelungen, eine vollständig befriedigende Lösung
zu finden; s. Love, Elastizität, deutsche Ausgabe, S. 174. Für den
vorliegenden Zweck genügt die einfache Annahme. fernerhin sei
angenommen, daß σz
= 0 sei. Dann ist nach Gleichung 4
\left{{\sigam_x=\frac{m}{m^2-1}\cdot \frac{1}{\alpha}\,\left[m\,\varepsilon_x+\varepsilon_y\right]}\atop{\sigam_y=\frac{m}{m^2-1}\cdot
\frac{1}{\alpha}\,\left[\varepsilon_x+m\,\varepsilon_y\right]}}\right\ .\ .\ .\ .\ 4)
An jedem Plattenelement (Fig.
3) sind dann nur Normalspannungen σx und σy tätig, deren Gleichgewichtsbedingung bekanntlich
lautet
\sigma_y-\sigma_x=x\,\frac{d\,\sigma_x}{d\,x} . . . . . . 8)
(Ausführliche Herleitung in den Lehrbüchern über
Elastizität).
Textabbildung Bd. 322, S. 707
Fig. 3.
Die Größen εx und εy in Gleichung
4 bedeuten die von den Spannungen σx und σy herrührenden Dehnungen; diese und die
Wärmeausdehnung εxT,
εyT und εzT vereinigen sich,
wie in der Fußnote 1 angegeben, zu einer resultierenden Dehnung ε'x und ε'y, so daß ist
\left\{{{\varepsilon'_x=\varepsilon_{x\,T}+\varepsilon_x}\atop{\varepsilon'_y=\varepsilon_{y\,T}+\varepsilon_y}}\right
Rückt ein Punkt (x, z) bei der
Verzerrung nach (x + u, z
+ w), so ist die Umfangsdehnung
\varepsilon'_y=\frac{2\,\pi\,(x+u)-2\,\pi\,x}{2\,\pi\,x}=\frac{u}{x} . . . 9)
Bezüglich der radialen Dehnungen bedenke man, daß wenn x um u zunimmt, dx um du wächst; die
verhältnismäßige Zunahme von dx, d.h. die radiale
Dehnung ε'x ist
also
\varepsilon'_x=\frac{d\,u}{d\,x} . . . . . . . 10)
Mit diesen Werten und den Werten von εT gibt Gleichung 4
\left\{{{\sigma_x=\frac{m}{m^2-1}\cdot \frac{1}{\alpha}\,\left[m\,\frac{d\,u}{d\,x}+\frac{u}{x}-(m+1)\,\alpha_w\,T_m\right]}\atop{\sigma_y=\frac{m}{m^2-1}\cdot
\frac{1}{\alpha}\,\left[\frac{d\,u}{d\,x}+m\,\frac{u}{x}-(m+1)\,\alpha_w\,T_m\right]}}\right\}\ \ 11)
Einsetzen in Gleichung 8 gibt:
\frac{d^2\,u}{d\,x^2}+\frac{d\,\left(\frac{u}{x}\right)}{d\,x}=0 . . . . . 12)
als Differentialgleichung für die Verzerrung. Diese Gleichung
ist von der Aufgabe des dickwandigen Preßzylinders her wohl bekannt. Die Integration
ergibt
u=\frac{c_1}{2}\,x+\frac{c_2}{x} . . . . 13)
Setzt man die hieraus folgenden Werte
\frac{u}{x}=\frac{c_1}{2}+\frac{c_2}{x^2}
\frac{d\,u}{d\,x}=\frac{c_1}{2}-\frac{c_2}{x^2}
in Gleichung 11 ein, so erhält man
\left\{{{\sigma_x=\frac{m}{m^2-1}\cdot \frac{1}{\alpha}\,\left[\frac{c_1}{2}\,(m+1)-\frac{c_2}{x}\,(m-1)-(m+1)\,\alpha_w\,T_m\right]}\atop{\sigma_y=\frac{m}{m^2-1}\cdot
\frac{1}{\alpha}\,\left[\frac{c_1}{2}\,(m+1)+\frac{c_2}{x}\,(m-1)-(m+1)\,\alpha_w\,T_m\right]}}\right\}\ 11a
Die Integrationskonstanten c1 und c2 findet man aus den Grenzbedingungen: Fürs erste
ist in x = 0 die Spannung rings um die z-Achse gleich groß, also σx = σy. Ferner nehmen wir an, am äußeren Umfang greife
eine Druckspannung – p an, welche die Wärmeausdehnung
teilweise oder ganz hindert (sie könnte auch noch
größer sein); es sei also σx = – p für x =
Ra; dann wird nach
Gleichung 11a:
c2 =
0
\frac{c_1}{2}=-\frac{m-1}{m}\,\alpha\,p+\alpha_w\,T_m.
Hiermit wird die Spannung
σx = σy
= – p . . . . . . . . . . 14)
Die radiale und tangentiale Normalspannung ist also überall in
der Platte gleich groß und von der Erwärmung unabhängig.
Wie zu erwarten, ruft die gleichmäßige Erwärmung der Platte
bei ungehinderter Wärmeausdehnung (p = 0) keine Spannungen in der Platte
hervor.
Die radiale Ausdehnung ist im Abstand x von der Achse
nach Gleichung 13:
u=\left[-\frac{m-1}{m}\,\alpha\,p+\alpha_w\,T_m\right]\cdot x . . 15)
und am Umfang (x = Ra)
u_a=-\frac{m-1}{m}\,\alpha\,p\,R_a+\alpha_w\,T_m\,R_a . . 15a)
Bei vollständig gehinderter Wärmeausdehnung ist ua = 0, womit
p=\frac{m}{m-1}\cdot \frac{\alpha_w}{\alpha}\,T_m . . . 14a)
und somit die Spannung in der Platte überall
\sigma_x=\sigma_y=-\frac{m}{m-1}\cdot \frac{\alpha_m}{a}\,T_m,
d. i. Gleichung S, also die
Temperaturspannung bei vollständig gehinderter Flächenausdehnung, wie das ja dem
Wesen der Sache entspricht.
b) Biegung der Platte
\mbox{infolge}\left\{{{\mbox{Erwärmung}}\atop{\mbox{Abkühlung}}}\right\mbox{ der Platten- }\left{{\mbox{Oberfläche}}\atop{\mbox{Unterfläche}}}\right\}\mbox{
um }\Delta\,T
infolge
ErwärmungAbkühlung
der Platten-
OberflächeUnterfläche
um ΔT
über die Temperatur der Mittelfläche hinaus und bei linearer
Temperaturänderung in der Richtung der Dicke.
Wir grenzen wieder ein Plattenelement durch zwei konachsiale Zylinder von den
Halbmessern x und x + dx ab. Die über der Mittelfläche liegenden Schichten
von der radialen Stärke dx wachsen in radialer und
tangentialer Richtung, unterhalb ziehen sie sich zusammen. Betrachten wir ein Stück
dieses Ringes zwischen zwei den Winkel dφ
einschließenden Achsialebenen. Da die Temperatur der Mittelfläche nicht geändert
wird, so bleibt diese letztere auch an dem Element in der ursprünglichen Entfernung
x; ober- bezw. unterhalb ändert sich die
Entfernung, an der Ober- bezw. Unterfläche um ± xaw
ΔT.
Die Elemente neigen
sich daher gegen die z-Achse (Plattenachse) und zwar
nach Fig. 4 um
\mbox{tg}\,d\,\phi=\sim\,d\,\phi=\frac{x\cdot \alpha_w\cdot \Delta\,T}{\frac{h}{2}}.
Wird die Durchbiegung der Mittelfläche mit w0 bezeichnet, so ist nach Fig. 4
-\frac{d\,w_0}{d\,z}=2\,x\,\frac{\alpha_w\,\Delta\,T}{h}.
Textabbildung Bd. 322, S. 708
Fig. 4.
Die Schiefstellung des Elements erfolgt, ohne daß Umfangsspannungen entstehen. Bei
der angenommenen Temperaturverteilung Gleichung 7a bleiben auch die Plattennormalen
gerade und diejenige in der Mitte des Elementes senkrecht zur geneigten
Mittelfläche.
Man könnte sich wohl durch weitere Ueberlegung des geometrischen Verhaltens der
andern Elemente klar machen, daß die Elemente nach der Verzerrung durch die
Temperaturänderung eine Form annehmen, die gestattet, sie alle zwanglos ineinander
zu fügen, woraus folgen würde, daß die bezeichnete Temperaturänderung eine Biegung
der Platte ohne innere Spannung bewirkt. Dann könnte man die letzte Gleichung
integrieren und erhielte sofort die Gestalt der durchgebogenen Platte.
Wir schlagen einen anderen Weg ein, der uns ebenfalls auf die obenstehende Gleichung
für die Neigung der Platte führt. Die Normalen des oben betrachteten Elementes
bleiben, wie wir sehen, auch nach der Temperaturänderung gerade und senkrecht zur
Mittelfläche des Elementes.
Die Theorie ebener Platten wird auf Grund der Annahme entwickelt, daß die Normalen
bei der Biegung der belasteten Platte sich ebenso verhalten. Für die Dehnungen und
Spannungen ergibt sich daraus eine proportionale Aenderung mit dem Abstand X von der Mittelfläche.
Wir dürfen dem Gesagten zufolge wohl annehmen, daß die Spannungs- und
Dehnungsverteilung in der durch die genannte Temperaturänderung gebogenen Platte
ebenso verläuft, wie in der durch äußere Kräfte gebogenen.
Man erhält der Theorie ebener Platten zufolge (anschaulicher Beweis von Föppl, Techn. Mech. III) für die radiale Dehnung der
gebogenen Platte:
\varepsilon'_x=-\lambda\,\frac{d^2\,w_0}{d\,x^2} . . . . . 16)
und für die Umfangsdehnung
\varepsilon'_y=-\lambda\,\frac{1}{x}\,\frac{d\,w_0}{d\,x}, . . . . . . 16)
wenn w0 die Durchbiegung der elastischen Mittelfläche (in Richtung der z-Achse) bedeutet.
An einem Plattenelement greifen die Normalspannungen σx und σy und die Schubspannung τ wie in Fig. 5 gezeichnet an, wie in der
Theorie ebener Platten ausführlich gezeigt wird (s. d. Lehrbücher über Elastizität).
Die Gleichgewichtsbedingung der Spannungen an dem Element lautet:
\frac{1}{x}\,(\sigma_x-\sigma_y)-\frac{d\,\sigma_x}{d\,x}=\frac{d\,\tau}{d\,\lambda} . . . 17)
Da die in der Dickenrichtung tätigen Normalspannungen σz bei einer dünnen Platte jedenfalls
klein sind im Vergleich zu den übrigen Spannungen pflegt man σz
= 0 zu setzen, womit die Gleichungen 4 gelten
\left\{{{\sigma_x=\frac{m}{m^2-1}\cdot \frac{1}{\alpha}\,\left[m\,\varepsilon_x+\varepsilon_y\right]}\atop{\sigma_y=\frac{m}{m^2-1}\cdot
\frac{1}{\alpha}\,\left[\varepsilon_x+m\,\varepsilon_y\right]}}\right\}\ .\ .\ .\ 4)
Bezüglich der durch die Temperaturänderung allein bewirkten Dehnungen εx', εyT, εzT sind die gleichen
Ueberlegungen anzustellen wie auf S. 706, und bezüglich der Zusammensetzung der
Temperaturdehnungen εT
und der durch Spannungen verursachten Dehnungen ε zu
resultierenden Dehnungen ε' die gleichen Ueberlegungen
wie auf S. 707 bezw. Fußnote 1 zu S. 705. Man erhält unter Beachtung von Gleichung
7a.
\sigma_{x\,T}=\sigma_{y\,T}=\sigma_{z\,T}=\alpha_w\,T'=2\,\alpha_w\,\frac{\lambda}{h}\cdot \Delta\,T
\left\{{{\varepsilon'_x=\varepsilon_{x\,T}+\varepsilon_x}\atop{\varepsilon'_y=\varepsilon_{y\,T}+\varepsilon_y}}\right
Mit diesen Werten gibt Gleichung 4
\left\{{{\sigma_x=-\frac{m}{m^2-1}\,\frac{\lambda}{\alpha}\,\left[m\,\frac{d^2\,w_0}{d\,x^2}+\frac{1}{x}\,\frac{d\,w_0}{d\,x}+2\,(m+1)\,\alpha_w\cdot
\frac{\Delta\,T}{h}\right]}\atop{\sigma_y=-\frac{m}{m^2-1}\,\frac{\lambda}{\alpha}\,\left[m\,\frac{d^2\,w_0}{d\,x^2}+\frac{m}{x}\,\frac{d\,w_0}{d\,x}+2\,(m+1)\,\alpha_w\cdot
\frac{\Delta\,T}{h}\right]}}\right\}\ 18)
Textabbildung Bd. 322, S. 708
Fig. 5.
Einsetzen von Gleichung 18 in Gleichung 17 gibt
\frac{d\,\tau}{d\,\lambda}=\frac{m^2}{m^2-1}\cdot \frac{\lambda}{\alpha}\,\left[\frac{d^3\,w_0}{d\,x^3}+\frac{1}{x}\,\frac{d^2\,w_0}{d\,x^2}-\frac{1}{x^2}\,\frac{d\,w_0}{d\,x}\right].
Summiert man sämtliche Schubspannungen in einem Normalschnitt,
der mit einem Zylinder vom Radius x durch die Platte
geführt ist, von
\lambda=\frac{h}{2} bis \lambda=-\frac{h}{2},
so erhält man die in diesem Normalschnitt tätige Schubkraft
zu
S=2\,\pi\,x\,\frac{m^2}{m^2-1}\,\left[\frac{d^3\,w_0}{d\,x^3}+\frac{1}{x}\,\frac{d^2\,w_0}{d\,x^2}-\frac{1}{x^2}\,\frac{d\,w_0}{d\,x}\right]\,\frac{h^3}{12} 19)
Je nach der Art der Belastung und Unterstützung nimmt diese Schubkraft folgende
Sonderwerte an;
1.
volle oder zentrisch durch-brochene Scheibe mit
konzen-trierter Einzellast P (auf Kreis-umfang
2πx gleichmäßig ver-teilt):
S = P
2.
volle Scheibe außen gestützt mitgleichmäßiger
Oberflächenpres-sung p
kg/qcm;
S = πx
2
p
3.
zentrisch durchbrochene Scheibeaußen gestützt mit
p gleichmäßigbelastet:
S = π(x2– R2i)p
4.
zentrisch durchbrochene Scheibeinnen gestützt mit p gleichmäßigbelastet:
S = – π(R2a– x2)p
wobei + P und + p in Richtung von + z
wirken.
Die Integration der Gleichung für diese Sonderfälle ist in dem Aufsatz: Studien über
die Beanspruchung und Formänderung kreisförmiger Platten in D. p. J. 1904, Heft
39–43 durchgeführt.
(Schluß folgt.)