Titel: | Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke. |
Autor: | C. Michenfelder |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 726 |
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Moderne Gießwagen und Gießkrane für
Stahlwerke.
Von Dipl.-Ing. C. Michenfelder.
(Fortsetzung von S. 699 d. Bd.)
Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke.
Während das Verwendungsgebiet des auf Flur fahrenden Gießwagens in der
Hauptsache auf die Bessemer- bezw. Thomasstahlwerke beschränkt ist, in denen die vor den
Konvertern durchlaufenden Bühnen das Herabhängen der Pfanne von einem
obenfahrenden Kran nach den tiefgekippten Hälsen verhindern oder doch sehr
erschweren, und in denen auch empfindliche Triebwerksteile oberhalb der
Birnenschnauze wegen der ausstrahlenden Hitze nicht ohne weiteres zulässig sind,
macht man sich in Martinwerken sowohl beim Abstich der
Oefen als auch bei deren Beschickung mit flüssigem Roheisen jetzt fast ausnahmslos
die in der laufkranmäßigen Ausbildung der Transportmaschine für das flüssige Eisen
gelegenen Vorteile zu Nutze, welche hier vor allem in der Freihaltung der Hüttenflur
für andere Zwecke und in der Entziehung der Maschine vor schädlichen Einwirkungen
(Stößen, Staub u.a.m.) bestehen.Die
Benutzung eines feststehenden, dem alten Zentralkran in Bessemerwerken in seiner Verwendung analogen
Gießdrehkranes in Martinhallen, wie er z.B. in
„Stahl und Eisen“ 1902, S. 80 und ff. beschrieben ist, mag wohl
einer Laufkrananlage gegenüber den Vorteil der Billigkeit haben, der indes
das Fehlen der vielen Vorzüge von Gießlaufkranen hier schwerlich aufwiegen dürfte.
Textabbildung Bd. 322, S. 727
Fig. 10.
Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß kein zwingender Grund vorliegt,
Laufgießkrane in Konverterhallen – am allerwenigsten in neu anzulegenden – nicht zu
verwenden. Das Thomasstahlwerk von Neuves MaisonsS. „Stahl und Eisen“ 1904, S. 16 und
ff. z.B. gibt hierfür nicht nur einen praktischen Beweis, sondern
es läßt gleichzeitig die vielartige Benutzungsmöglichkeit eines solchen Gießkranes
erkennen: zum Beschicken des Mischers mit Roheisen, zur Entnahme und
Weiterbeförderung des Roheisens vom Mischer nach dem Konverter, zur Aufnahme des
Stahles aus dem Konverter und endlich zum Transport desselben nach den Kokillen.
Trotzdem zählen – merkwürdigerweise – solche einfache Anordnungen noch zu den großen
Seltenheiten und erscheinen deren Erfahrungsergebnisse noch nicht ausreichend
zu einem abschließenden Urteil in dem einen oder dem anderen Sinne. – Bei dieser
Gelegenheit sei bemerkt, daß neuerdings eine mit einem unten hängenden, senkrecht
verschieblichen Pfannenausleger versehene Laufkrankonstruktion (Fig. 10) zum Patent angemeldet worden ist, deren
Verwendung zum Eingießen und Ausgießen der Konverter möglich ist, ohne daß in die
Konverterbühne durchgehende Einschnitte gemacht werden müssen, wie bei der eben
genannten Anlage. Diese Konstruktion stellt gleichsam einen hängenden Gießwagen dar;
sie steht somit zur Bauart der gewöhnlichen Gießwagen – auch hinsichtlich gewisser
Betriebsvorteile – in dem gleichen Verhältnis, wie beispielsweise die bekannten
Auslegerlaufdrehkrane zu den normalen fahrbaren Drehkranen.
Textabbildung Bd. 322, S. 727
Fig. 11.
Andererseits sind früher wiederum vielfach Martinanlagen in Betrieb gekommen, bei
denen der Stahltransport durch Gießwagen erfolgt, die aber wegen der
gleichbleibenden Ausflußhöhe des flüssigen Materials im Gegensatz zu den
vorbeschriebenen der Pfannenhubbewegung entbehren können, dafür aber wieder zum
Chargieren der Oefen nicht verwendbar sind. Fig. 11
gibt beispielsweise eine solche ältere Anlage (aus d. J. 1885) wieder, die noch
durch die gegen früher andersartige Fahrvorrichtung bemerkenswert ist. Der Wagen
kann nämlich an eine zwischen dem Schienengeleis geführte Kette gekuppelt und
dadurch mit Hilfe zweier an den Enden der Fahrbahn aufgestellter Druckwasserzylinder
verfahren werden. Die übrigen Pfannenbewegungen erfolgen in bekannter Weise von
Hand. Eine bei Vergrößerung des Stahlwerkes, d.h. beim Anschluß weiterer Oefen sich
notwendig machende Verlängerung der Fahrbahn ist bei diesem System natürlich mit
Schwierigkeiten verknüpft.
Auch mit elektrischem Antrieb – sowohl nach dem Einmotoren- wie auch nach dem Mehrmotorensystem –
sind Gießwagen, etwa nach Fig. 12, zur Ausführung
gelangt für Martinwerke mit zwischen den Laufschienen befindlicher Gießgrube.
Textabbildung Bd. 322, S. 728
Fig. 12.
Die hierbei durch den Fortfall auch der
Auslegerschwenkbewegung erzielte sehr einfache Bauweise hat jedoch wieder eine
entsprechend begrenzte Verwendungsmöglichkeit hinsichtlich des Abgießens bezw. der
Lage und Größe der Gießgrube zur Folge.
Indessen sind auch derartige Anlagen nach dem oben Gesagten heute nur noch
Ausnahmen; in der Regel wählt man jetzt für den Martinwerksbetrieb nicht die
stehende Anordnung des Gießwagens, sondern die hängende des sogen. Gießkranes.
Textabbildung Bd. 322, S. 729
Fig. 13.
Textabbildung Bd. 322, S. 729
Fig. 14.
Zu den Eingangs bereits angeführten Vorteilen, welche die Wahl des Laufkran-Systems
insonderheit im Hüttenbetriebe mit sich bringt, gesellt sich im allgemeinen noch die
Annehmlichkeit, daß man in der Steigerung der Fahrgeschwindigkeiten nicht durch die
Rücksicht auf den sonstigen Verkehr im Stahlwerk gehindert ist, und vor allem, daß die einmal
vorhandene Gießkrananlage ohne weiteres, oder doch höchstens unter Zuhilfenahme
einer einfachen Winde auch zur Benutzung für allgemeine Hebe-und Transportzwecke
geeignet ist (Abziehen der Blockformen, Transport der Blöcke, Montagearbeiten an den
Oefen u.a.m.). Denn andernfalls macht sich hierfür ja doch die Anlage eines
besonderen vollständigen Laufkranes nötig.
Abgesehen von den älteren oder primitiveren Vorrichtungen, bei denen die Gießpfanne
wie jede andere Last einfach an einen normalen Kran gehängt, verfahren und durch
Hand gekippt wird, kann man den Existenzbeginn des Spezialgießkranes für Stahlwerke
von jener Zeit an rechnen, wo mit Einführung der elektrischen AntriebsweiseAuch bei den Gießkranen scheint übrigens
stellenweise eine ähnliche Ansicht über die besondere Zweckmäßigkeit des
hydraulischen Hebens wie bei den Gießwagen geherrscht zu haben; vgl. die
elektrisch-hydraulischen Laufkrane in „Stahl und Eisen“, 1901, S.
1103 u. 1902, S. 716. die Ausgestaltung des Hebezeuges seiner
besonderen Bestimmung, namentlich hinsichtlich einer sicheren und ruhigen Bewegung
der Pfanne, angepaßt wurde.
In diesem Bestreben ging man anfangs dazu über, das Pendeln der an vertikal von der
Winde herabgeführten Seilen hängenden Pfanne dadurch zu mildern, daß man die
tragenden Seiltrume von der Unterflasche schräg nach oben zur Trommel leitete, wie
es z.B. Fig. 13 erkennen läßt.
Das Kippen der Pfanne wird bei derartigen Gießkranen gewöhnlich von einer auf
der Laufkatze montierten Hilfswinde besorgt, deren Haken an einer unteren Pfannenöse
angreift, und deren Steuerung zweckmäßig auch von dem meist seitlichen
Kranführerstand aus erfolgt. Auf diese Art ist unter Vermeidung des sonst üblichen
Kippens der Pfanne durch Handschneckengetriebe die ganze Bedienung des Kranes
vorteilhaft auf eine Stelle und auf einen Mann beschränkt. Die sonstige konstruktive
Durchbildung der Gießkrane dieser Gruppe unterscheidet sich nicht von der bekannten
normaler moderner Laufkrane, wie dieselben denn auch nach Abhängen der Hubtraverse
ohne weiteres als solche benutzt werden können.
Die allgemein mehr und mehr geforderten hohen Arbeitsgeschwindigkeiten, namentlich
der Fahrbewegung von Kranen, ließen bei den Gießkranen in Rücksicht besonders auf
die Eigenart der heißflüssigen Last oft selbst die veränderte lose Einhängung des
Kübels an schräggeführten Seilen als nicht mehr genügend erscheinen, um so weniger,
als hierbei einem Pendeln der Pfanne meist auch nur in der den schrägen Tragseilen
gemeinsamen Ebene – in Richtung des Querfahrens – vorgebeugt werden sollte
Diese Ueberlegungen führten bei heutigen Längsfahrgeschwindigkeiten von 80 bis 100 m
und mehr zur Konstruktion der modernen „Gießkrane mit. starrer
Pfannenführung“, deren Merkmal in der Anordnung eines an der Laufkatze
befestigten schmiedeisernen Hängegerüstes besteht, längs dessen die Pfanne unter
Vermittlung einer Führungstraverse nur vertikal verschieblich ist (s. z.B. Fig. 14).
(Fortsetzung folgt.)