Titel: | Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke. |
Autor: | C. Michenfelder |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 774 |
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Moderne Gießwagen und Gießkrane für
Stahlwerke.
Von Dipl.-Ing. C. Michenfelder.
(Fortsetzung von S. 730 d. Bd.)
Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke.
Es ist nun eine in der Praxis öfter zu beobachtende Tatsache, daß diesen
Führungsgerüsten bei Gießkranen keine allzu große Sympathie entgegen gebracht wird,
weil sie angeblich unnötigerweise die Anlage nur verteuern, da es doch bisher auch
ohne sie gegangen sei. Gewiß, so lange, wie bisher, mit kleinen Geschwindigkeiten
und mit geübten Bedienungsmannschaften gearbeitet wird. Doch genau wie die Mehrzahl
der noch zu nennenden Konstruktionsverbesserungen im Bau von Gießkranen sich aus den
stetig gesteigerten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit, Sicherheit und
Unabhängigkeit des Betriebes als begründet und berechtigt ergeben haben, ebenso
sollten auch in diesem Punkt die Rücksichten auf die durchweg erhöhten modernen
Geschwindigkeiten und auf die oft beträchtlich angewachsenen Lastgrößen, sowie der
Wunsch nach möglichster Unabhängigkeit von der Geschicklichkeit und Zuverlässigkeit
des Personals die Wahl einer sicheren automatischen Pfannenführung als nicht nur
nicht überflüssig, sondern vielmehr als zweckmäßig und notwendig erkennen
lassen.
Die Anlage Fig. 14 S. 729, bei welcher wegen der
beträchtlichen Spannweite von nahezu 24 m der Führerkorb zur gleichmäßigeren
Uebersehbarkeit des Arbeitsfeldes in Trägermitte hängt, ist ferner durch die
nachbeschriebene Sicherheitsvorkehrung (Ausführung von Ludwig Stuckenholz A.-G. in Wetter a. d. R.) bemerkenswert:
Um die durch einen etwaigen Bruch des Tragorganes von dem ausfließenden Eisen
drohenden Gefahren nach Möglichkeit auszuschließen, kann sich der Tragbalken der
Pfanne in vier verschiedenen Arbeitsstellungen gegen Aufsatzriegel abstützen, die –
wie Fig. 15 zeigt – mittels Kettenzuges leicht zur
Wirkung gebracht werden können. Diese im Kranbau außergewöhnliche unmittelbare
Feststellvorrichtung der schwebenden Last – die im Prinzip an die Stützverriegelung
von Schachtaufzügen erinnert – ist auf einem s. Zt. durch Kettenbruch veranlaßten
Unfall bei einem Gießkran einfachster Bauart zurückzuführen. Der Betrieb mit diesem
Ersatzkran hat sich als gut und sicher bewährt und zur Nachbestellung eines Kranes
ganz gleicher Konstruktion geführt, bei welchem, als weitere Verbesserung, durch
Verlegung der beiderseitigen Hubtrommeln mehr nach innen zu das ganze ungeteilte
Führungsgerüst zur Aufnahme der Massenkräfte herangezogen worden ist. Eben so gut
wie im vorliegenden Beispiel, wo das Pfannenkippen vom Fußboden aus gewünscht war,
die Betätigung der Stützriegel gleichfalls von unten erfolgt, könnte sie zwecks
Zentralisierung der Bedienung ohne Schwierigkeit natürlich auch vom Führerkorb aus
geschehen.
Hinsichtlich der Längenbemessung des starren Führungsgerüstes möge darauf hingewiesen
werden, daß man dort, wo dieses Gerüst dem übrigen Verkehr möglichst wenig
hinderlich sein soll – wie z.B. auch bei der letztgen. Anlage –, die Pfanne aber
trotzdem auch noch
Textabbildung Bd. 322, S. 775
Fig. 15.
Textabbildung Bd. 322, S. 775
Fig. 15a.
in den tiefen Stellen starr geführt werden soll, daß man
dort die Pfanne zweckmäßig in eine ebenfalls gerüstähnliche Tragkonstruktion von
gehöriger Länge einhängt, die sich teleskopartig in ersteres einschieben läßt, und
so dessen Länge trotz steter Führung der Pfanne auf ein Minimum beschränkt. In den
meisten Fällen genügt jedoch eine mäßige Länge des starren Hängegerüstes, da man
beim Verfahren der Pfanne diese genügend hochziehen und damit vor unliebsamen
Schwankungen schützen kann.
Um die Sicherheit und die Gleichmäßigkeit des Ausgießens – beim Kippen – nicht wie
bei den bisherigen Kranen von der Achtsamkeit der Bedienung abhängig zu haben, hat
man bei neueren Gießkranen eine Vorrichtung angebracht, wodurch die Pfanne beim
Anheben mittels Zapfen beiderseits derart an zwei Kurven geführt wird, daß hierdurch
das Kippen automatisch erfolgt und dabei die Schnauzenmündung annähernd in gleicher
Höhe gehalten wird.
Diese Einrichtung ist nach Fig. 16 an einem Gießkran
angebracht, dessen Führungsgerüst außerdem drehbar an der Laufkatze hängt. Diese für
normale Fälle nicht erforderliche Komplikation ist in dem besonderen
Verwendungszwecke jenes Kranes begründet, der, wie Fig.
16 deutlich zeigt, zur Bedienung zweier zu beiden Seiten aufgestellter
Masseln-Gießmaschinen benutzt wird. Der trotz der automatischen Vorrichtung zum
Kippen noch vorhandene Hilfshaken bietet außer einer Reserve hierfür noch die
Möglichkeit zur Verwendung für anderweitige Arbeiten: zum Reinigen der Pfanne, zum
Versetzen von Gegenständen u.a.m.
Die durch den Fortfall der Gerüstdrehbarkeit wesentlich vereinfachte Konstruktion
läßt sich im allgemeinen gleich gut auch zur Beschickung der Martinöfen oder auch
der Konverter mit flüssigem Eisen wie zur Bedienung von Mischern verwenden, wobei ja
ebenfalls die Ausgießhöhe konstant zu halten ist.
Textabbildung Bd. 322, S. 776
Fig. 16.
Textabbildung Bd. 322, S. 776
Fig. 16a.
Fig. 17 veranschaulicht eine interessante Anwendung
solcher Art für eine Neuanlage eines zu erbauenden deutschen Thomasstahlwerkes, die etwas an die vorhin erwähnte französische
Konverterhallen-Laufkrananlage erinnert: der rechte, größere Kran (60 t) schafft die
gefüllten Roheisenpfannen zum Mischer und kippt sie in diesen aus; der linke,
schwächere Kran (35 t) übernimmt den Transport vom Mischer zum Konverter, in den er
dann gleichfalls den Pfanneninhalt auskippt. (Für die Entnahme und den Transport des
Stahles ist diesfalls ein besonderer Gießwagen vorgesehen.)
Konstruktiv bemerkenswert ist bei diesen Kranen zunächst die gegen die vorige
vereinfachte und in der Wirkung verbesserte Kippvorrichtung: während sich bei jenem
Kran die Pfanne, wie gesagt, jederseits gleichzeitig an zwei getrennten Kurven
führte und dadurch schon während des Hebens allmählich zum Kippen gebracht wurde,
erfolgt hier das Kippen um die Schnauze erst, nachdem sich die vorher nur senkrecht
verschobene Pfanne mit möglichst nahe der Schnauze angeordneten Zapfen gegen eine
Anschlagsbegrenzung gelegt hatEine im
Prinzip ähnliche Konstruktion s. „Stahl und Eisen“ 1901, S.
1101..
Textabbildung Bd. 322, S. 777
Fig. 17.
Textabbildung Bd. 322, S. 777
Fig. 18.
Ferner hat das Windwerk eine eigenartige und zweckmäßige
Ausbildung (D. R. P. angemeldet) erfahren, die bei den hier zu benutzenden
Drehstrommotoren einen Ausgleich schafft für deren bekanntlich schlechte
Regulierfähigkeit beim Senken der Last, welche ja erst nach Ueberschreiten der
synchronen Motorentourenzahl möglich ist. Zu diesem Zwecke kommt ein Windwerk mit
zwei getrennten Trommeln in Anwendung, deren jede durch einen besonderen Motor
unabhängig von der anderen gesteuert wird. Beim Heben laufen beide Motore in
Hubrichtung, beim Senken wird die eine Trommel durch ihren Motor im Senksinne, die
andere mit geringerer Geschwindigkeit im Hubsinne angetrieben, so daß nur der
Unterschied beider Geschwindigkeiten zur Wirkung kommt. Diese Anordnung mit zwei
Trommeln besitzt außerdem den Vorteil, daß jede Trommel mit ihrem Antrieb als
Reserve für die andere dient. Falls also ein Teil versagt, kann bei halber
Geschwindigkeit mit allen Lasten bis zur Höchstlast für Heben und Senken weiter
gearbeitet werden; jeder Motor kann ausgewechselt werden, während der andere in
voller Betriebsbereitschaft bleibt. Endlich hat man bei dieser Anlage in dem
Bestreben, lästige oder schädliche Hitzewirkungen fernzuhalten, den vollständig
geschlossenen Führerkorb mit einem doppelten, durch Achse isolierten Boden versehen
und die Seile durch ein besonderes Blechdach an der Pfannentraverse geschützt; die
Windenstirnradvorgelege laufen staubsicher in geschlossenen Kästen die, wie es sonst
bei Schneckengetrieben üblich ist, zugleich als Oelbehälter dienen.
Die festliegende Führungskurve bringt es mit sich, daß das Auskippen stets um einen
Punkt in der nämlichen Höhenlage im Raume erfolgt, was in den aufgeführten
Anwendungsfällen ja auch völlig zweckentsprechend ist. Um jedoch auch für die
häufigen Fälle wechselnder Ausgießhöhen eine gleichwertige Vorrichtung zu haben,
ordnet man gemäß einem neuen Patente (No. 185560), s. Fig.
18, außer dem Laufkatzenhauptwindwerk noch ein von diesem mittels eines Rahmens
hebbares, selbständiges Kippwindwerk an, so daß bei einem entsprechenden
Hubgeschwindigkeitsverhältnis beider das Kippen um die Pfannenschnauze in jeder
beliebigen Höhe stattfinden kann. (Streng genommen beschreibt hierbei die Schnauze
zwar einen kleinen Weg in wagerechter Richtung, was für die Ruhe und
Gleichförmigkeit des Ausgießens jedoch belanglos ist.) Für Aufräumungsarbeiten
dagegen kann das Nebenwindwerk für sich allein benutzt werden, ohne erst das
Räderwerk der Hauptwinde ganz oder teilweise mit durchziehen zu müssen.
Textabbildung Bd. 322, S. 778
Fig. 19.
Es sei im Anschluß hieran auch einer andersartigen, den erstgenannten Zweck des
Schnauzenkippens gleichfalls wirksam verfolgenden Vorrichtung gedacht, bei der
die den Kipphaken aufwindende Hilfstrommel durch Einrücken einer Kupplung mit
dem Haupthubmotor angetrieben wird, und zwar mit einer gegen die
Lasthakengeschwindigkeit entsprechend vergrößerten Geschwindigkeit (Fig. 19). Wenn auch die Einfachheit dieser Lösung der
Kippaufgabe anerkannt werden muß, so erscheint doch die rationelle Arbeitsweise bei
diesem Kran wegen der Verwendung des immerhin empfindlichen Elementes der
Ausrückkupplung nicht in gleichem Maße wie beim vorigen gewährleistet.
Als eine weitere und eigenartigere Lösung des genannten wichtigen Kipp-Problems möge
endlich noch die bei dem schon erwähnten Konvertergießkran in Neuves Maisons verwendete Anordnung Erwähnung finden,
wobei durch das Zusammentreffen des gabelförmigen, unteren Endes einer hoch- und
niederschraubbaren Druckspindel mit besonderen Anschlagzapfen des Gießkübels ein
jederzeitiges Auskippen derselben in beliebiger Höhenlage erfolgen kanns. „Stahl und Eisen“ 1904, S.
21..
(Schluß folgt.)