Titel: | Transportanlagen des Getreide-Welt-Verkehrs. |
Autor: | E. Lufft |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 801 |
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Transportanlagen des
Getreide-Welt-Verkehrs.
Von E. Lufft, Regierungsbaumeister.
(Fortsetzung von S. 786 d. Bd.)
Transportanlagen des Getreide-Welt-Verkehrs.
A. Getreideverschiffungs-Anlage
im Hafen von Haidar-Pacha.
Durch die anatolische Eisenbahn ist Kleinasien, welches als getreideerzeugendes Land
immer mehr von Bedeutung wird, in einer Weise erschlossen worden, wie man es noch
vor der Verwirklichung dieses dem deutschen Unternehmungsgeiste alle Ehre machenden
Werk es nicht erhoffen konnte. Der Ausgangspunkt dieser Bahn (Fig. 4) liegt in Haidar-Pacha, wo augenblicklich für
Zwecke des Güterumschlages große Speicher- und Bahnhofsanlagen errichtet werden.
Haidar Pacha liegt auf der kleinasiatischen Seite des Bosporus, Stambul unmittelbar
gegenüber. Von diesem Ausgangspunkte verzweigt sich die Bahn, indem sie den
zentralen und hoch gelegenen Teil des Landes, der sich für den Anbau der meisten
Fruchtarten besonders eignet, an den Weltverkehr anschließt. Vor dem Bau der Bahn
erfolgten die Getreidetransporte in langsamer und indem das Getreide durch Karawanen
an die nächstgelegenen Hafenplätze verbracht wurde, wo es ebenso sehr an Gelegenheit
zum Lagern, wie an Vorrichtungen zum Umschlag nach den Schiffen mangelte.
Textabbildung Bd. 322, S. 801
Fig. 4.Die anatolische Bahn.
Textabbildung Bd. 322, S. 801
Fig. 5.Lageplan des Hafens von Haidar Pacha mit dem Speicher.
A Polizei, B Zollhaus, C
Maschinenhaus, D Querbrücke, E Kaibrücke, F ältere Anlage, G Warenschuppen, H u.
J Silo, K Bodenspeicher, L projektierter Speicher, M fahrbarer Kran, N
feststehender Kran. O u. P Anfuhrgleise
Vor dem Bau der nachbeschriebenen Anlage wurde das mit der Bahn die Hochebene
herabkommende Getreide fast ausschließlich in Derindjé, einem ganz im Hintergrunde
des Golfes vom Ismid gelegenen kleinen Hafenorte, verschifft. Hierzu bestehen in
Derindjé mehrere, niedrig gebaute Lagerhäuser ohne maschinelle Einrichtung, außerdem
jedoch zwei mehrgeschossige Bodenspeicher, welche auch die für die Einlagerung, das
Umstechen und die Verschiffung erforderliche Maschinerie enthalten. Nachdem sich
jedoch diese Maschinerie im Laufe der Zeit als unzulänglich ergeben hat, wurde der
Bau bedeutend größerer und modern eingerichteter Speicher in Verbindung mit einer
leistungsfähigen Verschiffungsanlage im Gebiet des Hafens von Haidar Pacha
beschlossen.
Leider fehlen im Innern des Landes an den einzelnen Bahnstationen, welchen das
Getreide zugeführt wird, noch fast alle Vorkehrungen für dessen zweckmäßige
Aufnahme. Die Folge davon ist, daß das Getreide außerordentlich stark verunreinigt
nach dem Verschiffungsort gelangt. Eine besonders bedeutende Rolle unter den
verschiedenen Getreidearten bildet die Gerste, welche in der Hauptsache nach
englischen, dann aber auch nach den deutschen Häfen der Ost- und Nordsee zur
Ausführung gelangt. Es sind deshalb in den Speichern von Haidar Pacha umfangreiche
Anlagen für die Reinigung und Sortierung namentlich der Gerste vorgesehen.
Auf dem Hafengelände von Haidar Pacha (Fig. 5)
sind bis jetzt drei geräumige Speicher errichtet und zwar alle in einer dem Kai
parallel laufenden Reihe. Der Bau noch weiterer Speicher ist, wenn der Bedarf hierzu
vorliegt, vorgesehen. Von diesen Speichern sind zwei (H
und J) Silospeicher, während der dritte, zwischen den
beiden Silos stehende (K) nach dem Bodenspeichersystem
ausgeführt ist. Das Getreide kommt durchwegs in losem Zustande in den Waggons der
Bahn an, wird von diesen nach unterirdisch angelegten Bandtransporten ausgeschüttet
und gelangt auf diese Weise vermittels weiterer Bänder und Elevatoren nach einem
beliebigen Punkte im Innenraum der Speicher.
Textabbildung Bd. 322, S. 802
Fig. 6.Querbrücke mit den Motortürmen I und II.
Hier interessiert jedoch in der Hauptsache die Verbringung des in den Speichern
eingelagerten Getreides nach den Dampfern. Zu diesem Zwecke ist eine in Eisen
konstruierte Gallerie, welche an allen drei Speichern an deren Vorderfront entlang
läuft, vorhanden. Diese Gallerie enthält auf ihre ganze Länge hin zwei
Bandtransporteure, von welchen jeder stündlich 100000 kg Schwerfrucht zu fördern
vermag und die eine Förderung des aus den Speichern kommenden Getreides nach
beliebiger Richtung zulassen. Jeder Speicher besitzt Vorbereitungsbehälter, welche
unmittelbar nach diesen Bandtransporteuren ausmünden. Der Antrieb dieser wie auch
aller übrigen Bandtransporteure wird durch Elektromotoren bewirkt, die in einem
sogenannten Motorturm aufgestellt sind, welcher sich an der wasserseitigen Ecke des
Silos H befindet.
Textabbildung Bd. 322, S. 802
Fig. 7.Motorturm II während des Baues.
Die Front der Speicher befindet sich in einer Entfernung von rd. 60 m vom Kai. Es
führt deshalb von eben genanntem Motorturm eine Querbrücke D zum Ufer und zwar nicht wagerecht, sondern ansteigend (Fig. 6 u. 7), um die
für eine bequeme Einbringung des Getreides in die Schiffsräume erforderliche Höhe zu
gewinnen. Am Ufer angelangt, zweigt im rechten Winkel die sogen. Kaibrücke E ab (s. Fig. 8),
welche ebenso wie die Querbrücke und die Gallerie zwei Bandtransporteure eingebaut
enthält. Die Kaibrücke besitzt eine Länge, welche derjenigen eines großen Dampfers
ungefähr gleichkommt, und es muß möglich sein, von jedem Punkte dieser Kaibrücke das
Getreide nach den darunter liegenden Schiffsluken zu bringen, deren gegenseitige
Abstände stets wechselnde sind.
Textabbildung Bd. 322, S. 803
Motorturm I.
Textabbildung Bd. 322, S. 803
Brückenquerschnitt.
Deshalb sind an der wasserseitigen Vertikalwand dieser Brücke
zwei sogen. Teleskopwagen vorhanden, welche auf Schienen beweglich, die ganze Länge
der Brücke abfahren können. Diese Teleskop wagen sind die Ausgangspunkte von
ausziehbaren Schüttrohren, welche, indem sie in senkrechten Ebenen schwenkbar sind,
eine Anpassung an die je nach Wasserstand oder nach mehr oder weniger
fortgeschrittener Beladung sich ergebende Höhenlage der Luken ermöglichen. Die
Bewegung der Teleskopwagen erfolgt mit elektrischem Antrieb und die hierbei
erreichbare Geschwindigkeit ist eine solche, daß der Wechsel von einer Luke zu einer
anderen nur geringe Zeit in Anspruch nimmt. Die Verbindung zwischen den in der
Kaibrücke befindlichen Bandtransporten und den genannten Schüttrohren erfolgt durch
sogenannte Abwurfwagen. Ihre Wirksamkeit besteht darin, daß der Transportgurt
durch geeignet angebrachte Bandrollen veranlaßt wird, eine kurze rückläufige
Bewegung zu machen, wodurch das auf dem Gurt liegende Getreide nach vorne
ausgeworfen und durch ein Rohr seitlich abgelenkt werden kann.
Während die Leistungsfähigkeit der beiden in der Gallerie befindlichen
Bandtransporteure zusammen 200 Tons stündlich beträgt, ist diejenige der Bänder in
der Quer- und Kaibrücke eine größere, nämlich 300 Tons. Der Grund hierfür liegt
darin, daß das eine der zum Kai hinaufführenden Bänder in der Hauptsache für die
Verschiffung des im großen Silo H liegenden Getreides
vorgesehen ist. Dieses Getreide kann jedoch in erheblich größeren Mengen dem
Vorbereitungsbehälter zugeführt werden, als wie das im Bodenspeicher K lagernde Getreide.
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Fig. 8.Ansicht der Verschiffungsanlage von der Landseite. Erbaut von
Amme, Giesecke, Konegen.
Außer der vorbeschriebenen Verschiffungsanlage befindet sich in Haidar Pacha eine
zweite ältere derartige Anlage F, gegenüber dem Silo
J, welche jedoch nur von einer stündlichen Leistung
von 100 Tons ist. Indem die Bänder in der Gallerie nach beiden Richtungen zu fördern
vermögen, sind sie imstande, auch das Getreide nach dieser älteren Anlage zu
bringen. Es ist überhaupt dafür Sorge getragen, daß das Getreide, gleichgültig in
welchem der drei Speicher es gelagert sei, sowohl mit der einen, als auch mit der
anderen Anlage an Bord der Dampfer gebracht werden kann, wie durch diese Kombination
auch gleichzeitig zwei Dampfern die Möglichkeit gegeben ist, Getreidefracht
einzunehmen.
(Schluß folgt.)