Titel: | Versuche über Torsion rechteckig-prismatischer Stäbe. |
Autor: | August Hempelmann |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 819 |
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Versuche über Torsion rechteckig-prismatischer
Stäbe.
Von August Hempelmann,
Diplomingenieur.
(Schluß von S. 813 d. Bd.)
Versuche über Torsion rechteckig-prismatischer Stäbe.
Aus den Versuchsergebnissen ist sodann die Tab. 4 berechnet worden. Der
ausgerechnete Elastizitätsmodul ist den Tabellen entnommen und aus den einzelnen
Werten ist der Gleitmodul für m=\frac{10}{3} berechnet worden. Die den Tabellen
entnommenen Werte für den mittleren Drallwinkel bei dem bestimmten Drehmoment 500
mm/kg sind
noch, wie schon erwähnt, mit \frac{1}{100000} zu multiplizieren, um die Verdrehung f. d.
Längeneinheit zu erhalten; ebenso ist der jedem Querschnitt eigentümliche, reciproke
Wert von Q ausgerechnet und eingetragen worden. Die
ausgerechneten Werte für die Konstante C sind für die
bearbeiteten Stäbe und für die unbearbeiteten zu je einem besonderen Mittelwert
vereinigt worden. Wir erhalten für die bearbeiteten Stäbe
Cm1 = 0,2064,
für die unbearbeiteten
Cm2 =
0,2005,
beide unter der Annahme m=\frac{10}{3}.
Bei dem großen Einfluß dieser Zahl erschien es nötig, sie noch besonders zu prüfen,
zumal sie schon oft zu Bedenken Anlaß gegeben hat. Aus diesem Grunde trat der
Verfasser auch dieser Frage näher. Die diesbezüglichen Untersuchungen basieren auf
der Tatsache, daß bei Torsion runder Stäbe die Querschnitte eben bleiben und der
Drall mit der Formel
D=\frac{M}{G\cdot J_p}
berechnet werden kann, in welcher
J_p=\frac{\pi}{2}\,r^4
das polare Trägheitsmoment des Kreises ist. Durch Beobachtung
von D für einen runden Stab kann sonach, da Ip bekannt ist, G gefunden werden. Aus dem Verhältnis
\frac{G}{E} folgt sodann m=\frac{2}{\frac{E}{G}-2}.
Zu diesem Zwecke wurden die Stäbe Ia, IIa, IIIa und IVa mit Ausnahme der Enden zylindrisch abgedreht (Fig. 8); sodann wurden sie, wie schon beschrieben, in
den Versuchsrapparat eingespannt, um D zu ermitteln. In
derselben Weise wurde mit den unbearbeiteten Stäben G
und H verfahren. Die Versuchsresultate sind in den Fig. 9 und 10
graphisch eingetragen worden. Leider war es nicht möglich, den Stab IIa zu untersuchen, da er beim Abdrehen unbrauchbar
wurde.
Textabbildung Bd. 322, S. 820
Fig. 15.Versuchseinrichtung zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls von
Stäben mit rundem Querschnitt.
Die Ermittlung des Elastizitätsmoduls gestaltete sich ein wenig schwieriger. Die
Versuche waren im Prinzip genau dieselben wie schon geschildert, indessen lag die
Schwierigkeit in der Auflage der runden Stäbe, die ja auf den Schneiden nicht ruhig
liegen bleiben konnten. Die auf der Skizze (Fig. 15)
abgebildete Hilfsvorrichtung half hierüber gut hinweg. Der Stab wurde zunächst auf
einer Seite in einem Kästchen D mittels zweier
Schrauben fest eingespannt. Das Kästchen war unten mit einem Schlitz versehen und
konnte auf der Stütze A pendeln. Stütze B war nun selbst pendelnd angeordnet, was durch zwei
gehärtete und mit Gegenmutter versehene Schräubchen, deren Spitzen auf einem
gehobelten Eisenstück C standen, ermöglicht wurde.
Beide Stützen standen wieder isoliert, Stab und I-Schiene
waren genau wagerecht eingestellt, und bei den Versuchen wurde in der schon
beschriebenen Weise verfahren, Ebenso wurde auch der Elastizitätsmodul berechnet.
Dadurch war auch dieser Wert bekannt. Die Versuchsergebnisse sind in Fig. 13 und 14
graphisch aufgezeichnet. In der Tab. 5 ist Jp für jeden Querschnitt berechnet worden, ebenso
wurde der Gleitmodul bestimmt aus der Formel
G=\frac{1}{D}\cdot \frac{M}{J_p}
Die ausgerechneten Beziehungen zwischen Gleit- und Elastizitätsmodul erscheinen
befremdend gegenüber dem seit vielen Jahren verwandten Wertheimschen Versuchswert. Zur Vereinfachung hat auch hier der Verfasser
Mittelwerte ausgerechnet. Es ergibt sich G = 0,423 E und G = 0,4288 E als Mittelwerte, welchem ein m in der Poissonschen Formel = 5,5 resp. m = 6 entspricht. Die Versuche selbst wurden mit
peinlichster Genauigkeit und wiederholt ausgeführt; eine wesentliche Aenderung der
Beziehungen zeigte sich nicht. Allerdings ist die Zahl der Versuche gering; sie sind
für die folgenden Berechnungen der Aufgabe von Bedeutung. Hier dürften die
Betrachtungen interessant sein, welche der französische Physiker H. Bouasse an diese Frage knüpft.H. Bouasse,
Essais des Matériaux. Notions Fonda. mentales, Relatives aux Déformations
élastiques et permanentes. Grenoble et Paris 1905, S. 72. (Dieses Buch kam
dem Verfasser kurz vor Abschluß seiner Arbeit zu Gesicht.)
Derselbe läßt sich über den Poissonschen Koeffizienten
– den er σ nennt und dessen Wert =\frac{1}{m} ist –, wie
folgt aus: „Man weiß heute, daß σ sehr veränderlich
ist, je nach dem betrachteten Körper. Die heutige, klassische Theorie der
durchaus elastischen Deformationen erlaubt σ alle
Werte zu geben zwischen 0 und 0,5; sie läßt infolgedessen alle Beziehungen zu,
die zwischen E = 2 G
und E = 3 G enthalten
sind.“
Nach Bouasse heißt die Gleichung, welche die Beziehung
zwischen Gleit- und Elastizitätsmodul ausdrückt
E = 2 G
(1 + σ),
entsprechend unserer Gleichung
E=2\,G\,\left(1+\frac{1}{m}\right).
Der Gleitmodul G kann demnach
zwischen ⅓ und ½ E liegen. Bouasse schließt seine Betrachtungen mit den Worten: „Es ist also
endgültig nicht möglich, auf den Wert des E resp.
G aus der Kenntnis des andern zu schließen. Man
ist gezwungen, sie alle beide an der Probe, die man benutzt, zu messen.“
Aus diesen Ueberlegungen und Ergebnissen wurde dann mit den neuen Beziehungen G = 0,423 E resp. G = 0,4228 E die Tab. 6 in
derselben Weise wie Tab. 4 berechnet. Damit haben wir ein wertvolles Resultat
erhalten. Alle Werte der Konstanten C nähern sich dem
von Föppl auf Grund der elastischen Energie
aufgestellten
Tabelle 4.
Für m=\frac{10}{3}.
Stab
Elastizitäts-modul
GleitmodulG =
0,385 E
DrallD
\frac{1}{Q}
Dreh-moment
KonstanteC
Ia
19354
7451
0,000003594
3836,34
500
kgmm
0,20548
19268
7418
0,20456
Ib
19502
7508
0,000003422
0,19829
19617
7553
0,19946
IIa
20164
7763
0,00000764
\frac{3375}{2}
0,20017
IIb
20376
7845
0,00000756
0,20016
20298
7815
0,1994
IIIa
20997
8084
0,0000132
1000
0,21309
21710
8358
0,22032
IIIb
20619
7938
0,0000132
0,20957
20806
8010
0,21147
IVa
20361
7839
0,0000426
\frac{625}{2}
0,20872
IVb
20279
7807
0,00004302
0,2099
20228
7788
0,20937
Mittlere Konstante Cm1 = 0,2064
A
18862
7262
0,0000081634
\frac{3375}{2}
500
kgmm
0,2001
18929
7288
0,2008
B
19602
7547
0,000006696
1984,75
0,2006
19299
7430
0,1975
C
18375
7074
0,0000124
1104,75
0,1938
18698
7199
0,1972
D
18728
7210
0,00001037
1321,71
0,1977
18779
7240
0,1985
E
19068
7341
0,000008977
1582,03
0,2085
18729
7211
0,2048
F
18694
7197
0,000021746
648
0,2028
18762
7224
0,2036
Mittlere Konstante Cm2 = 0,2005.
Tabelle 5.
Stab
DrallwinkelD
J_p=\frac{\pi}{2}\,r^4
GleitmodulG
ElastizitätsmodulEmittel
G = x . E
Ia Durchm. = 11,45
0,000035292
1687,42
8396,0
20639,86
G = 0,4068 E
IIIa Durchm. = 9,2
0,00007863
703,3188
9041,4
20637,43
G = 0,4332 E
IVa Durchm. = 8,6
0,0001011
537,025
9209,25
21464,6
G = 0,42904 E
Im Mittel G =
0,423 E
G Durchm. = 15
0,000012856
4970,1094
7825,25
16960,5
G = 0,4613 E
H Durchm. = 11,2
0,00003955
1544,8026
8183,72
20644,8
G = 0,3964 E
Im Mittel G =
0,4288 E
Tabelle 6.
Für m = 5,5.
Stab
Elastizitäts-modul
GleitmodulG =
0,423 E
DrallD
\frac{1}{Q}
KonstanteC
Ia
19354
8187
0,000003594
3836,34
0,2257
19268
8151
0,2247
Ib
19502
8250
0,000003422
0,2178
19617
8298
0,2191
IIa
20164
8529
0,00000764
\frac{3375}{2}
0,2199
IIb
20376
8619
0,00000756
0,2199
20298
8586
0,2190
IIIa
20997
8882
0,00001318
1000
0,2341
21710
9183
0,2421
IIIb
20619
8722
0,0000132
0,2302
20806
8801
0,2323
IVa
20361
8613
0,0000426
\frac{625}{2}
0,2293
IVb
20279
8578
0,00004302
0,2306
20228
8556
0,2300
Mittlere Konstante CmI = 0,2267
Für m = 6
A
18862
8088
0,0000081634
\frac{3375}{2}
0,2228
18929
8117
0,2236
B
19602
8405
0,000006696
1984,75
0,2234
19299
8275
0,2199
C
18375
7879
0,0000124
1104,75
0,2159
18698
8018
0,2196
D
18728
8031
0,00001037
1321,71
0,2202
18779
8053
0,2208
E
19068
8176
0,000008977
1582,03
0,2322
18729
8031
0,2281
F
18694
8016
0,000021746
648
0,2259
18762
8045
0,2267
Mittlere Konstante CmII = 0,2233.
Zahlenfaktor C = 0,225. Es
ist Zufall, daß die beiden Versuchswerte CmI = 0,2267 und CmII = 0,2233 genau den Föpplschen Wert liefern.
Zusammenfassung.
Die Versuche haben ergeben, daß man für m = 5,5 bis 6
den Drall nach der Formel
D=0,225\,\frac{M}{G}\cdot \frac{b^2+c^2}{b^3\cdot c^3}
berechen kann, um Werte zu erhalten, welche der Wirklichkeit
hinreichend nahe kommen, daß sich also mit der technischen Methode und der zuerst
von Föppl entwickelten Ableitung des Drallwinkels
brauchbare Resultate erzielen lassen.
Ein Vergleich der Formeln für den Drallwinkel nach der Föpplschen und der Saint-Venantschen Methode
mit den erhaltenen Versuchsresultaten führt zu folgendem Ergebnis:
De Saint-Venant gibt in seiner schon zitierten
Formel
D=x\cdot \frac{M}{G}\cdot \frac{J_p}{F^4}
für den Zahlenwert x beim
rechteckigen Querschnitt (Seiten 2 b und 2 c)
für
ein
Seitenverhältnis
b = c,
x = 42,68,
„
„
„
b = 2c,
x = 42 an.Siehe de
Saint-Venant, Comptes rendus 1879, S. 142 und
folg.
Das ergibt:
für b = c
D=0,2223\,\frac{M}{G}\cdot \frac{b^2+c^2}{b^3\cdot c^3}
für b = 2c
D=0,21875\,\frac{M}{G}\cdot \frac{b^2+c^2}{b^3\cdot c^3}
Aus Tab. 6 finden wir für die Stäbe IVa, IVb, E und F, welche ein Seitenverhältnis b = c besitzen, als Mittelwert
D=0,2289\cdot \frac{M}{G}\cdot \frac{b^2+c^2}{b^3\cdot c^3},
für die Stäbe IIIa, IIIb und B mit dem Verhältnis b =
2c den Mittelwert
D=0,2302\,\frac{M}{G}\cdot \frac{b^2+c^2}{b^3\cdot c^3}
Das entspricht bei der Föpplschen Formel mit dem
Zahlenwert 0,225 einem Unterschied von 1,7 v. H. und bei dem Saint-Venantschen Wert 0,2223 einem Unterschied von 2,88 v. H. in Bezug
auf den gefundenen Versuchswert 0,2289 für den quadratischen Querschnitt. Bei dem
Seitenverhältnis b = 2c
ergibt sich bei dem Föpplschen Wert ein Unterschied von
2,3 v. H. und bei dem Saint-Venantschen Wert 0,21875
ein Unterschied von 5,02 v. H. in Bezug auf den mittleren Versuchswert 0,2303.
Ob auch größere Querschnitte, die einen stärkeren Versuchsapparat erfordern würden,
dieselben Resultate ergeben würden, kann noch nicht ohne weiteres geschlossen
werden. Von größtem Einfluß war die Tatsache, daß die Poissonsche Zahl m statt 10/3 zu 5,5 resp.
6 gefunden und in der Berechnung der Versuchsergebnisse verwendet worden ist.