Titel: | Kupplungen für Kraftfahrzeuge. |
Autor: | R. Lutz |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 3 |
Download: | XML |
Kupplungen für Kraftfahrzeuge.
Von Prof. R. Lutz.
Kupplungen für Kraftfahrzeuge.
Zwischen der Maschine und der Antriebsachse normaler Gas-Kraftwagen befinden
sich zwei Abschalt-Vorrichtungen. Die eine stellt der Leerlauf des Wechselgetriebes
dar, welcher besonders beim Andrehen des Motors benutzt wird; letzterer geht ja ohne
Anlaßvorrichtung überhaupt nicht selbsttätig an, und mit einer solchen ist er auch
nur unbelastet in Betrieb zu bringen. Zur Ingangsetzung des Wagens ist das übliche
Zahnradwechselgetriebe allein unzureichend. Die Einkupplung der Kraftmaschine würde
mit hartem Stoß vorgenommen werden müssen, wodurch entweder der gegen
erheblichere Tourenschwankungen infolge seiner Gemischbildung empfindliche Oelmotor
zum Stillstand gebracht werden, oder aber ein Bruch in der Arbeitsübertragung
erfolgen, oder schließlich ein für Gummibereifung besonders schädliches Schleifen
der angetriebenen Räder eintreten würde. Es bedarf also einer zweiten
Schalteinrichtung, welche gestattet, daß die Maschine auf ihre normale, also hohe
Umdrehungszahl gebracht wird und dann erst sanft auf das Fahrzeug wirkt. Eine Reibungs-Kupplung läßt eine solche Wirkungsweise zu und ermöglicht
außerdem eine plötzliche Auskupplung des Motors, welche inanbetracht jäh
auftretender Wegehindernisse nötig werden kann. Reibungskupplungen stellen daher
einen wesentlichen Bestandteil von Kraftwagen dar.
Es lag nahe, diese Kupplungen mit dem Schwungrade der Maschine baulich zu vereinen,
so daß sie zwischen dieser und dem Wechselgetriebe untergebracht werden (Fig. 1); ein mit ihnen mehr oder weniger eng
verbundenes Kreuzgelenk (a) gewährleistet die nötige
Nachgiebigkeit der Maschinerie gegen Formänderungen des Rahmens, welche sonst
Klemmungen der Antriebswellen oder gar Brüche zur Folge haben würden. Unnötig wird
ein solches Gelenk zwischen Motor und Getriebe nur dann, wenn beide in einem
genügend festen Sonderrahmen gelagert sind, eine von Decauville und den Adlerwerken (vergl. später
Fig. 21) verwendete Bauart, welche zwar die
Montage erleichtert und den Wirkungsgrad der Arbeitsübertragung verbessert,
andererseits aber auch das Gewicht erhöht und die Zugänglichkeit erschwert.
Textabbildung Bd. 323, S. 4
Fig. 1.
Wird das Schwungrad behufs Absaugung der Kühlluft aus der Haube zugleich als
Ventilator benutzt, so wird auch der Bau der Kupplung dadurch berührt.
Die Schlußkraft der letzteren wird durchweg durch eine oder mehrere Federn
hervorgebracht, so daß sich der Wagenführer bei freier Fahrt nicht um die Kupplung
zu kümmern hat. Die Lösung dagegen wird durch einen Druck auf den Fußhebel b (Fig. 1) bewirkt,
dessen Gestänge eine leicht zugängliche Einstellvorrichtung aufweisen muß. Es wurde
schon erwähnt, daß die Verkehrsverhältnisse der Straße oft eine jähe Auskupplung
nötig machen. Da ein solcher Fall dann eintritt, wenn eine Bremsung des Gefährtes
nötig wird, so hat man Bremsen und Kupplung fast immer so miteinander verbunden, daß
ein Anzug der ersteren auch die letztere ausschaltet, während das Umgekehrte
naturgemäß nicht eintreten darf. Das Mittel dazu ist ein sehr einfaches (Fig. 2). Ein mit dem Kupplungsgestänge verbundener
Zapfen a läuft in der durch das Bremsgestänge
angetriebenen, geschlitzten Stange b; verschiebt sich
diese im vorliegenden Falle nach links, eine Bewegung, welche dem Bremsanzug
entspräche, so nimmt sie den Zapfen mit und schaltet dadurch die Kupplung aus.
Andererseits kann sich diese Ausschaltung auch ohne Bremsbetätigung vollziehen,
indem nämlich a durch den Kupplungs-Fußhebel in die
Lage a' gebracht wird und dabei leer im Schlitz von b geht. Eine andere, erwähnenswerte Lösung der gleichen
Aufgabe stellt die konstruktive Vereinigung von Bremse und Kupplung dar, wie sie von
Chenard & Walker
durchgeführt worden ist.
Textabbildung Bd. 323, S. 4
Fig. 2.
In der Art der Kupplungsbetätigung liegt eines der Hauptmomente für die bauliche
Entwicklung der Kupplungen selbst. Der mögliche Druck auf die Fußhebel ist ja
begrenzt und darf bei
Schubhebeln (Fig. 3)
etwa
15 bis 25 (30) kg,
bei Druckhebeln nur
„
5 „ 18 (22) „
betragen; bei ersteren tritt der Wagenführer aus dem
Hüftgelenk heraus und vermag daher eine größere Kraft auszuüben, als wenn er, wie
bei den letzteren, im wesentlichen nur mit dem Fußgelenk arbeitet. Für beide
Hebelarten gilt, daß je geringer der Fußdruck gewählt werden kann, um so feiner und
vorsichtiger sich auch die Kupplung einschalten läßt. Auch der Weg der Fußhebel ist
beschränkt und zwar ebenfalls bei Druckhebeln in höherem Maße, als bei Schubhebeln.
Da demnach einerseits Kraft und Weg des Führerfußes gewisse Werte nicht übersteigen
können, und da andererseits die Größe der Kraftmaschine ständig zunahm, so ergab
sich ein Mißverhältnis, welches neue Konstruktionen erzwang. Neben diesem
Gesichtspunkt wirkten natürlich auch andere in gleicher Richtung, insbesondere die
mit zunehmender Wagengröße gleichfalls erschwerte Rücksichtnahme auf sanftes
Anfahren, fernerhin Zugänglichkeit der Nachstellung, leichter, die übrigen
Maschinenteile nicht berührender Ersatz bei Abnutzung, Vermeidung freier Kräfte,
sorgsame Führung der beweglichen Kupplungshälfte, gute Schmierung, Staubschutz usw.
Die Besprechung der einzelnen Bauarten bietet Gelegenheit, hierauf näher
einzugehen.
Textabbildung Bd. 323, S. 4
Fig. 3.
Die ursprüngliche Form von Kraftwagen-Kupplungen ist die der
Kegelkupplungen.
Textabbildung Bd. 323, S. 4
Fig. 4.
Man bildete das gußeiserne Schwungrad der Maschine als Hohlkegel aus und preßte in
diesen einen seltener metallischen, häufiger (zur Vergrößerung der Reibung)
lederbespannten Vollkegel hinein, dessen Drehung sich auf das Wechselgetriebe
übertrug. Die Massen dieses Vollkegels müssen möglichst gering sein, da ihre Wirkung
sonst das Umschalten des Wechselgetriebes und das Bremsen des Fahrzeuges erschwert;
beide Vorgänge werden ja bei abgeschalteter Kupplung vorgenommen, so daß störend für
sie nur die noch am Wechseltriebe hängende Masse des Vollkegels in Betracht kommt.
Der Lederbezug des letzteren wird durch weiche Kupfernieten auf der Metallnabe
befestigt und dann abgedreht. Da die Nieten im Betriebe allmählich mehr hervortreten
und im Hohlkegel in höherem Grade zur Anlage kommen, als das Leder selbst, so empfiehlt
es sich bei größeren Kräften, die Vernietung in Einbuchtungen des Kegels zu legen,
wie dieses Büssing (Braunschweig) ausführt (Fig. 4); es wird so besseres Festhalten der Kupplung
erzielt.
Die Rechnungsunterlagen von Kegelkupplungen sind ja bekannt. Der halbe Spitzenwinkel
eines lederbespannten Vollkegels sollte mindestens 10° sein, da sonst die Kupplung
haftet, also schwer zu lösen ist, da außerdem auch eine geringe Winkelgröße leicht
plötzliches, also stoßendes Packen der Kegel herbeiführt. Erwähnt sei jedoch, daß
Winkel von 9° oder sogar 8°, insbesondere bei stärkeren Kräften, vorkommen. Die
Beschaffenheit und Bearbeitung des Leders spricht dabei naturgemäß mit; zu weiches
und daher leichter haftendes Material läßt sich durch Behandlung mit Petroleum
verbessern.
Textabbildung Bd. 323, S. 5
Fig. 5.
Eine der ältesten der hierher gehörigen Bauarten stellt Fig. 5 dar, nämlich eine frühere Kegelkupplung von Rochet-Schneider.Vergl.
„La France Automobile“ 1904, S. 87. Sie zeigt schon
die jetzt allgemein übliche Flanschenbefestigung des Schwungrad-Hohlkegels auf der
Maschinenwelle – allereings ohne Zentrierung; die starke Ungleichförmigkeit des
Maschinenganges macht normale Aufkeilungen von Rädern auf Wellen zu nicht genügend
zuverlässigen Verbindungen. – Die Führung beider Kupplungshälften gegeneinander ist
nicht einwandfrei, denn sie wird nur durch den kurzen Zapfen a vermittelt; bei Formänderungen des Rahmens wird a Winkelabweichungen der Welle b nicht
verhindern können, so daß dann die beiden Kegel nicht mehr gleichmäßig aufeinander
liegen. Den Anpressungsdruck erzeugt die außerhalb der Kupplung liegende Feder c, welche zwar gut zugänglich und leicht nachstellbar
ist, deren Kraftwirkung sich jedoch unausgeglichen auf den Hohlkegel und damit auf
die Motorwelle überträgt, so daß diese achsial beansprucht wird, was wenig
empfehlenswert ist und jedenfalls, wenn nicht Erwärmungen und Abnutzungen eintreten
sollen, eine Spurlagerung nötig macht. Die Schaltbewegungen des Vollkegels werden
zur Minderung der Reibung durch Kugellager d
vermittelt, deren Schmierung aber keine gute ist.
Konstruktionen, bei denen, wie in Fig. 5, Kupplung
und Andrückfederung baulich getrennt sind, werden für Personenfahrzeuge kaum noch
angewendet; ihre Baulänge ist zu groß, und der achsiale Wellendruck wird auch gern
vermieden. Lastwagen sind in dieser Hinsicht weniger empfindlich, und so finden sich
denn bei ihnen noch derartige Ausführungen. Büssing
(Braunschweig) wendet beispielsweise für seinen 20 PS-Lastmotor eine Kupplung nach
Fig. 6 an. Zwei nebeneinander liegende Federn
a wirken auf den in b drehbar gelagerten Hebel c und übertragen
so auf das Kugellager d und damit auf den Vollkegel
eine gesamte Achsialkraft von etwa 120 kg. Die Auskupplung bewirkt der Schubfußhebel
e mittels eines die Rolle f bewegenden Kurvenstückes g. Das Kreuzgelenk
h pflanzt das Drehmoment der Maschine auf das
Wechselgetriebe fort. Alle umlaufenden Teile sind gut geschmiert. Die Kupplung zeigt
Unabhängigkeit der einzelnen Teile voneinander und gute Zugänglichkeit; die Federn
lassen sich bequem nachspannen, der Vollkegel kann durch Herausnahme des Stückes i entfernt werden (Lederersatz), ohne daß sonst ein
weitergehender Abbau nötig würde.
Textabbildung Bd. 323, S. 5
Fig. 6.
Die Mehrzahl neuerer Anwendungen vereinigt die Anpreßfederung mit der Kupplung, wobei
sich die einfachsten Formen ergeben, wenn
Außenfedern
zur Anwendung kommen.
Textabbildung Bd. 323, S. 5
Fig. 7.
Die Svelte-KupplungVergl.
„Revue Française de Construktion Automobile“ 1905, S.
200. mag das zunächst veranschaulichen (Fig. 7). Sie entspricht im allgemeinen der Fig.
5 in allen deren Schwächen (Achsialdruck auf Maschinenwelle, unsichere
Führung beider Kegelhälften gegeneinander), zeigt aber eine zentral angeordnete,
leicht nachstellbare Feder. Ihre Baulänge ist beträchtlich. Der Achsialdruck wird
bei sonst gleichen Bauarten vielfach in der Weise vermieden, daß man den im
Hohlkegel gelagerten Endzapfen des Wellenfortsatzes in einem Kugellager führt und achsial festlegt
(Fig. 7, Nebenfigur). Der Anpressungsdruck ist
dann in der Kupplung selbst ausgeglichen, vermag also keine Außenwirkungen
auszuüben. Die Beanspruchung des Kugellagers ist dabei allerdings keine
günstige.
Textabbildung Bd. 323, S. 6
Fig. 8.
Textabbildung Bd. 323, S. 6
Fig. 9.
Eine recht sorgsame Beachtung der bisher besprochenen Gesichtspunkte ist an der Mors-KupplungVergl.
„Der Motorwagen“ 1905, S. 698. (Fig. 8) ersichtlich. Schwungrad und Vollkegel sind
als Ventilator ausgebildet; ersteres ist auf einem Wellenflansch zentriert und
verschraubt, letzterer auf dem Wellenfortsatz sicher gegen ersteres mittels
Ausbüchsung geführt. Die Feder ist bequem nachstellbar; ihr beiderseitiger Druck
durch ein gut zu schmierendes Spur-Kugellager ausgeglichen, so daß ein freier
Achsialdruck nur bei ausgeschalteter Kupplung auftritt und sich auf die
Maschinenwelle überträgt. Der (nicht verzeichnete) Ausschalthebel wirkt auf das
Hohlstück a, welches viereckigen Querschnitt aufweist,
und das entsprechend geformte linke Ende der Welle b
mitnimmt. Nachgiebigkeit gegen Rahmenverbiegungen ist dadurch gewährleistet, daß
sich die kurze Welle b mittels Kugelgelenk an die
Maschinenwelle anschließt, während sie ihre Drehung auf das an das Wechselgetriebe
anschließende Stück c durch einen balligen Vierkant
überträgt. Letztere Uebertragung ist nicht zu empfehlen; sie arbeitet lärmend und
schlägt sich stark aus, so daß ein Kreuzgelenk entschieden vorzuziehen ist. Der
Abbau der Kupplung ist genügend leicht, also ohne Demontage von Maschine und
Wechselgetriebe vorzunehmen. Man muß dazu die Feder-Nachstellschraube lösen,
die Hohlkörper verschieben und so den Bolzen d
freilegen. Nach Herausschlagen desselben läßt sich die Zwischenwelle b entfernen.
Zwei außen liegende und leicht nachzustellende Federn weist die Horch-Kupplung (Fig. 9)
auf, welche in sich ausgeglichen ist und sichere Kegelführung besitzt. Das
Mitnehmergelenk a sitzt unmittelbar am Vollkegel.
Textabbildung Bd. 323, S. 6
Fig. 10.
Eine recht komplizierte Bauart mit Außenfeder ist schließlich noch die von Charron, Girardot & VoigtVergl. „Revue Française de Construktion
Automobile“ 1904, S. 8. (Fig.
10). Der Aluminium-Vollkegel ist geteilt und in Kugelführung sicher
verschiebbar, die Federung ist zur Erzielung weichen Angehens eine doppelte;
Kraftausgleich ist vorhanden, und Nachgiebigkeit der Wellen wird durch ein
Kugelstück gewahrt. Die Drehungsübertragung vermittelt die auf das Ende der Welle
a aufgekeilte Schlitzführung, während das
Kugellager b der Ausschaltung dient.
(Fortsetzung folgt.)