Titel: | Neuerungen aus einigen Gebieten der Starkstromtechnik. |
Autor: | K. Kahle |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 10 |
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Neuerungen aus einigen Gebieten der
Starkstromtechnik.
Von Regierungsrat Dr. K. Kahle,
Charlottenburg.
Neuerungen aus einigen Gebieten der Starkstromtechnik.
Dieser Aufsatz soll nicht etwa eine erschöpfende Darstellung des jetzigen
Standes der gesamten Starkstromtechnik geben. Er behandelt nur einige Gebiete
derselben, nämlich Maschinen, Schalt- und Sicherheitsvorrichtungen und Beleuchtung,
und auch hier nur einzelne Gegenstände, die zurzeit besonderes Interesse in Anspruch
nehmen. Trotz dieser Beschränkung ist bei der intensiven Tätigkeit, die heute das
ganze wirtschaftliche Leben und besonders die Elektrotechnik beherrscht, der Stoff
sehr reichhaltig. Verwickelte Probleme mußten daher kurz behandelt werden, um den
Umfang nicht zu sehr anschwellen zu lassen. Wer näher in die einzelnen Gegenstände
eindringen will, muß auf die Quellen zurückgehen, die überall in Fußnoten angegeben
sind.
I. Dynamomaschinen und
Elektromotoren.Gleichstrommaschinen.
Die Entwicklung der Gleichstrommaschinen schien vor einigen Jahren im wesentlichen
abgeschlossen zu sein. Einen neuen Anstoß erhielt siedurch die Einführung der
schnellaufenden Dampfturbinen zum Antrieb elektrischer Maschinen. Während bisher die
Dynamomaschinen großer Leistung dem Antriebe durch die langsamlaufenden
Kolbenmaschinen entsprechend großen Durchmesser und geringe Breite aufwiesen und so
ohne Ueberanstrengung des Materials und mit guter Ventilation auszuführen waren,
müssen diese Maschinen jetzt der hohen Antriebsgeschwindigkeit der Dampfturbinen
entsprechend sehr gedrängt gebaut werden. Hierdurch ergibt sich eine Reihe von
Schwierigkeiten: Für die Energieentwicklung stehen kleinere Massen zur Verfügung,
die sich infolgedessen höher erwärmen und eine ausreichende Lüftung erfordern, die
Ausbalanzierung der schnellaufenden Teile ist aufs sorgfältigste durchzuführen und
in elektrischer Beziehung macht bei Gleichstrommaschinen die funkenfreie
Kommutierung viel zu schaffen.
Eine Turbodynamomaschine für Gleichstrom sei hier an einer neuen Type von Brown, Boveri & Co, vorgeführt, die für Leistungen
von 65–2400 KW hergestellt wird. Die Dynamomaschine besitzt ein feststehendes, aus
Blechen zusammengesetztes Feldsystem, in dessen Nuten die Wicklung über den ganzen
Umfang verteilt liegt, so daß ausgeprägte Pole nicht vorhanden sind. Das Feldsystem
trägt außer dieser gewöhnlichen Erregerwicklung noch eine zweite gegen jene um eine
halbe Polteilung versetzte Kompensationswicklung, die in Reihe mit dem Anker
liegt, dessen Rückwirkung aufhebt und ein Wendefeld für die unter den Bürsten
liegenden Ankerspulen schafft, so daß die Kommutierung bei allen Belastungen und
Geschwindigkeiten ohne Verstellung der Bürsten funkenfrei bewirkt wird. Für die
Speisung der Erregerwicklung ist eine besondere mit der Hauptmaschine gekuppelte
Erregermaschine vorgesehen. Sie bietet den Vorteil, daß wenn beim Parallelbetrieb
zufolge zufälliger Schwächung der Erregung der Generator Rückstrom erhält und nun
als Motor schneller läuft, die mit ihm gekuppelte Erregermaschine selbsttätig die
Erregung verstärkt und ein Durchgehen verhindert.
Fig. 1 gibt eine Ansicht des Hauptankers des
Kollektors und des Erregerankers einer solchen Turbodynamomaschine. Der Anker ist in
üblicher Weise aus geglühten Blechen zusammengesetzt, und enthält Luftkanäle zur
Kühlung und an der Oberfläche Nuten zur Aufnahme der Trommelwicklung. Diese ist in
den Nuten durch Holzkeile und an den freien Enden durch besonders konstruierte
Endkappen befestigt. Der Kollektor wird in gewissen Abstanden durch Schrumpfringe
zusammengehalten. Zur Verbindung des Kollektors mit der Ankerwicklung dienen bei
größeren Maschinen Stäbe aus Flachkupfer, bei kleineren Maschinen biegsame
Kabelstücke. Das freie Ende der Ankerwelle trägt den Erregeranker.
Textabbildung Bd. 323, S. 9
Fig. 1.Anker, Kollektor und Erregeranker eines
Gleichstrom-Turbo-Generators von Brown, Boveri & Co.
Fig. 2 zeigt das Feldgehäuse, das Magneteisen und die
Wicklung einer zweipoligen Maschine. Die dünnen Windungen bilden die
Erregerwicklung, die dicken die Kompensationswicklung. Beide sind von Eisen
umschlossen und werden außerhalb der Nuten durch eine besondere Vorrichtung
festgehalten.
Zur Ausbalanzierung des Ankers, der bei der höchst zulässigen Geschwindigkeit der
Maschine vor und nach dem Zusammenkuppeln mit der Turbine vorgenommen wird, werden in den Umfang
der Endkappen Schrauben eingeschraubt; zum gleichen Zwecke können in Nuten der
Schrumpfringe am Kollektor kleine Stahlstückchen befestigt werden.
Textabbildung Bd. 323, S. 10
Fig. 2.Gehäuse, Magneteisen und Wicklung eines 135
KW-Gleichstrom-Turbo-Generators von Brown, Boveri & Co.
Die fertig montierten Maschinen sind auf beiden Seiten durch Metalldeckel
verschlossen. Die Kühlluft tritt an der Seite der Kupplung von unten in das
Maschinengehäuse ein, durchstreift den Anker, tritt an der anderen Seite in die
Luftkanäle des Magneteisens ein und verläßt schießlich die Maschine durch die oben
befindlichen schachtförmigen Oeffnungen, die in Fig.
2 zu sehen sind.
Fig. 3 ist eine Maßzeichnung der fertigen Maschine.
Bei einer Leistung von 1000 KW bei 550 Volt ist A =
1850 mm, B = 3000 mm und C
= 450 mm. Eine solche Maschine macht 1250 Umdreh. i. d. M. und wiegt etwa 18,5
t.
Textabbildung Bd. 323, S. 10
Fig. 3.
Die Einführung der Turbodynamomaschine brachte im wesentlichen nur Aenderungen auf
dem mechanischen Gebiete des Dynamomaschinenbaues mit sich. Vom elektrischen
Standpunkte angesehen wurde jedoch eine prinzipielle Neuerung in dem neuen Typus der
Gleichstrommaschine geschaffen, die Rosenberg vor
einiger Zeit angegeben hat. Diese von der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft gebaute Maschine hat in letzter Zeit nach
verschiedenen Richtungen hin weitere Ausbildungen erfahren, von denen im Folgenden
die Rede sein soll.Rosenberg, Elektrot. Zeitschr. 1906, S. 1035,
1061.
Die Rosenbergsche Maschine beruht bekanntlich darauf,
daß das von den gewöhnlichen Maschinen her bekannte Querfeld zur Erzeugung des
Nutzstroms verwendet wird. Fig. 4 stellt eine
fremderregte Maschine dieser Art dar, die einen Lichtbogen speist. Das durch den
Strom der Batterie Q gespeiste Primärfeld f erzeugt im Anker über die Bürsten b b einen Kurzschlußstrom, der zur Entstehung des
sekundären Querfeldes Veranlassung gibt. Der Anker rotiert in diesem von ihm selbst
gebildeten Felde und erzeugt so in den senkrecht zu den Bürsten b b liegenden Bürsten B B
eine elektromotorische Kraft, die den Nutzstrom liefert. Der Nutzstrom erzeugt ein
dem Primärfeld entgegenwirkendes Tertiärfeld. Die Differenz dieser beiden Felder
bestimmt nun wieder die elektromotorische Kraft zwischen den Bürsten b b und damit das sekundäre Querfeld. Da die Bürsten
b b kurzgeschlossen sind, braucht die Differenz
zwischen dem Primär- und Tertiärfeld nur klein zu sein und erzeugt trotzdem eine
elektromotorische Kraft, die den erforderlichen Kurzschlußstrom für das Querfeld
liefert. Eine verhältnismäßig geringe Aenderung des Nutzstroms wird daher die
Differenz des Primär- und Tertiärfeldes stark beeinflussen und zwar in dem Sinne,
daß das Querfeld und die elektromotorische Kraft der Maschine stark geschwächt wird,
wenn der Nutzstrom steigt, und umgekehrt. Die Maschine hat daher die Neigung auch
bei starken Spannungsänderungen die Stromstärke annähernd konstant zu halten. Selbst
bei Kurzschluß kann ein übermäßiges Ansteigen des Stromes nicht stattfinden, da die
äußere Stromstärke schnell den Wert erreicht, wo das von ihr herrührende Tertiärfeld
das Primärfeld aufhebt, so daß zwischen den Bürsten b b
eine elektromotorische Kraft und damit ein nützliches Querfeld nicht mehr entstehen
kann.
Textabbildung Bd. 323, S. 10
Fig. 4.Fremderregte REG-Dynamo.
Textabbildung Bd. 323, S. 10
Fig. 5.REG-Dynamo mit Hauptstromerregung.
Textabbildung Bd. 323, S. 10
Fig. 6.Charackteristik einer fremderregten REG-Dynamo.
Eine solche Maschine ist vorzüglich geeignet zur Speisung von in Reihe geschalteten
Bogenlampen, deren Betriebsbedingungen man bisher durch verwickelte
Regelungsvorrichtungen für konstante Stromstärke gerecht zu werden versuchte. Für
einzelne Bogenlampen, z.B. für Scheinwerfer, ist eine so große Konstanz der
Stromstärke aber garnicht erwünscht, sie zünden besser, wenn der Kurzschlußstrom
etwa auf das 1 ½ fache des normalen Wertes ansteigt. Eine solche Charakteristik läßt
sich nun mit einer Reihenschlußmaschine erzielen, deren Magnetsystem so ausgebildet
ist, daß das Primärfeld stark und das Tertiärfeld schwach gesättigt ist (Fig. 5). Die Windungszahl der Magnetwicklung ist
größer als die der Ankerwicklung, so daß das Primärfeld schnell seinen maximalen
Wert erreicht, während das Tertiärfeld, das die großen Eisenquerschnitte des Ankers
und der ausgedehnten Polschuhe zur Verfügung hat, proportional mit der Stromstärke
wächst. Welchen Einfluß diese Umgestaltung der Maschine auf die Charakteristik hat,
erhellt aus den Fig. 6 und 7, von denen die erstere einer fremderregten Maschine für zwei
Geschwindigkeiten und die letztere einer Reihenschlußmaschine angehört. Der Abfall
der Spannung mit steigender Stromstärke läßt sich bei der fremderregten Maschine
durch Aenderung der Umlaufszahl (vergl. Fig. 6), bei
der Reihenschlußmaschine aber durch Parallelschaltung von Widerständen zur
Feldwicklung ändern, wie aus der Kurvenschaar nach Fig.
8 zu ersehen ist, wo die den einzelnen Kurven zugehörigen Zahlen das
Verhältnis des Feldstroms zum Ankerstrom bezeichnen.
Textabbildung Bd. 323, S. 11
Fig. 7.Charakteristik einer REG-Dynamo mit Hauptstromerregung.
Bisher schaltete man einzelnen Bogenlampen einen Widerstand vor, der ein zu starkes
Ansteigen der Stromstärke bei Berührung der Kohlen verhindert aber während der
ganzen Dauer des Betriebes Strom verbrauchte. Ein solcher Widerstand ist bei den Rosenbergschen Maschinen zufolge ihrer eigenartigen
Charakteristik nicht erforderlich und trotzdem ist bei ihnen die Stromschwankung bei
Bildung des Lichtbogens geringer als bei der bisher üblichen Betriebsweise der
Einzellampen mit Vorschaltwiderstand.
Textabbildung Bd. 323, S. 11
Fig. 8.Wirkung von Parallelwiderständen zur Magnetspule.
Textabbildung Bd. 323, S. 11
Fig. 9.REG-Schweißdynamo. 30 KW, 729 Umdr./Min.
Aehnliche Verhältnisse wie bei den Einzelbogenlampen liegen bei der elektrischen
Schweißung vor, für die von Rosenberg besondere
Maschinen durchgebildet sind, deren Aufbau aus Fig.
9 zu ersehen ist. Die dargestellte Maschine ist für Reihenschlußschaltung
und für eine Leistung von 30 KW bei 720 Umdr. i. d. Minute bestimmt. Auffallend ist
der Aufbau des Magnetsystems, das den oben für die Reihenschlußmaschinen
entwickelten Verhältnissen Rechnung trägt. Das Joch ist außergewöhnlich schwach
gehalten und mit den dünnen Magnetschenkeln aus einem Stück gegossen; nur die
Polschuhe, die mit dem Ankereisen das tertiäre Feld bestimmen, sind aus Blechen
zusammengesetzt und mit den Magnetschenkeln verschraubt. Fig. 10 zeigt den Zusammenhang zwischen Stromstärke und Leistung bei
dieser Maschine. Nimmt man 26 KW als Normalleistung an, so ändert sich diese nur um
± 15 v. H., wenn die Stromstärke von 260–630 Amp. steigt. Maschinen dieser Art sind
daher wegen der geringen Abhängigkeit der Leistung von der Stromstärke auch zum
Antrieb von Kraftwagen mit elektrischer Uebertragung der Leistung des
Explosionsmotors auf die Räder geeignet.
Textabbildung Bd. 323, S. 11
Fig. 10.Schweißdynamo. Stromstärke und Leistung.
Textabbildung Bd. 323, S. 11
Fig. 11.
Textabbildung Bd. 323, S. 11
Fig. 12.
Eine interessante Anwendung der Rosenbergschen Maschine
liefert folgende Betrachtung. Wie verhält sich die Maschine bei Stromwerten, die
unterhalb Null und oberhalb der Kurzschlußstromstärke liegen? Dies zeigt Fig. 11, die die Charakteristik der Maschine nach
Fig. 6 jenseits der Abscissen- und der
Ordinatenachse darstellt. Die Teile M0
X und M1
Y der Charakteristik erhalten reelle Bedeutung, wenn
man die Maschine als Zusatz- oder Puffermaschine zwischen zwei Stromquellen
verschiedener Spannung schaltet. Für Stromwerte von 0 bis M1 läuft dann die Maschine als Generator
unter 0 und über M1 als
Motor, da im ersten Falle die Stromstärke, im zweiten die Spannung sich umkehrt. Ein
Beispiel für diese Verwendung der Maschine zeigt Fig.
12, wo die Dynamomaschine A B ein
Beleuchtungsnetz L und gleichzeitig über die
Puffermaschine C D E die Batterie Q speist. Halten sich Dynamomaschine und Batterie das
Gleichgewicht, so herrscht die Kurzschlußstromstärke. Ueberwiegt die Batterie, so
sinkt der Ladestrom etwas und die Zusatzmaschine liefert als Generator positive
Spannung. Ueberwiegt die Lademaschine, so steigt der Ladestrom und die
Zusatzmaschine verbraucht als Motor Spannung. Wählt man nun die Verhältnisse durch
Einstellung des Feldreglers E der Zusatzmaschine so,
daß der Höchstwert der Zusatzspannung in der Nähe von m
M in Fig. 10 liegt, so vollzieht sich die
Ladung ohne irgend eine Regelung mit nahezu konstanter Stromstärke. Liegt aber der
Höchstwert der Zusatzspannung in der Nähe von O M0, so fällt die Stromstärke bei zunehmender Spannung
der Batterie. In ähnlicher Weise kann die Rosenbergsche
Maschine eine Pufferwirkung im Stromnetze mit stark schwankendem Energieverbrauch,
so bei elektrischen Bahnen und in Förderanlagen Anwendung finden.
(Fortsetzung folgt.)