Titel: | Neuerungen aus einigen Gebieten der Starkstromtechnik. |
Autor: | K. Kahle |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 39 |
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Neuerungen aus einigen Gebieten der
Starkstromtechnik.
Von Regierungsrat Dr. K. Kahle,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 26 d. Bd.)
Neuerungen aus einigen Gebieten der Starkstromtechnik.
Die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft hat ihren
kompensierten Repulsionsmotor nach Winter-Eichberg in
Hamburg eingeführt. Schaltung und Regelung dieses Motors sind aus dem Schema nach
Fig. 23 zu ersehen. Der Ständer trägt nur die
Arbeitswicklung A, der Läufer ist mit zwei aufeinander
senkrechten Bürstenpaaren ausgerüstet, von denen das koachsial mit der
Ständerarbeitswicklung liegende kurzgeschlossen ist und das Zustandekommen der
Kompensationsstrome ermöglicht, während das senkrecht zur Arbeitsachse stehende
Bürstenpaar die Erregerströme führt und an den regelbaren, in Reihe mit der
Ständerarbeitswicklung liegenden Erregertransformator Te gelegt ist. Die Läuferwicklung ist also
gleichzeitig Kompensations- (C) und Erregerwicklung
(E) und liegt mit der Ständerarbeitswicklung nicht
direkt, sondern unter Vermittlung des Erregertransformators in Reihe. Die Speisung
des Motors erfolgt wieder über dem regelbaren Leistungstransformator Te.
Textabbildung Bd. 323, S. 39
Fig. 23.
Textabbildung Bd. 323, S. 39
Fig. 24.Wechselstrommotor der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft.
Aus Fig. 24 sind die Abmessungen und aus Fig. 25 der gesamte Aufbau des in Hamburg benutzten
115 pferdigen und dabei 2800 kg schweren Motors zu ersehen. Der Motor ist vierpolig
und daher verhältnismäßig schwerer als der Siemenssche
bei annähernd gleichen Abmessungen. Für die Kühlung ist ein besonderer Ventilator
auf der Zahnradseite vorgesehen, der dem Inneren des Läufers Kühlluft zuführt, ohne
diese, die im Bahnbetriebe nicht staubfrei zu halten ist, mit der Wicklung in
Berührung zu bringen, Die Ständerspannung beträgt etwa 800 Volt, die Läuferspannung
etwa 200 Volt. Beide werden getrennt geregelt, in den ersten Anlaufstufen die
erstere, in den letzten Anlaufstufen die letztere. Der Motor läuft also mit
schwachem Felde und starkem Ständerstrom an. Er ist gegen Spannungsänderungen
empfindlicher als der reine Serienmotor.
Die Siemens-SchuckertwerkeD. R. P. 184972 und 184445 der Kl. 21
d. haben an ihren Serienmotoren noch besondere Vorkehrungen zur
Vermeidung der Funkenbildung getroffen, die bekanntlich davon herrührt, daß die in
den durch die Bürsten kurzgeschlossenen Ankerspulen vom Erregerfeld induzierte
elektromotorische Kraft nicht richtig kompensiert ist. Während nämlich in den
kurzgeschlossenen Spulen bei den Gleichstrommotoren nur eine elektromotorische Kraft
durch die Rotation des Ankers in seinem Felde entsteht, tritt bei dem
Wechselstromkollektormotor zu dieser noch eine elektromotorische Kraft hinzu, die
durch die Pulsationen des Erregerfeldes nach Art der Transformatorwirkung induziert
wird. Sind Feld- und Ankerstrom in Phase, wie dies bei den Reihenschlußmotoren der
Fall ist, so sind die beiden in den kurzgeschlossenen Spulen induzierten
elektromotorischen Kräfte um 90° gegeneinander in der Phase verschoben. Da die
elektromotorische Kraft der Umdrehung bei Stillstand Null ist und mit zunehmender
Umdrehungszahl steigt, so ist auch das Verhältnis der beiden elektromotorischen
Kräfte und damit auch die Phasenverschiebung der resultierenden elektromotorischen
Kraft von der Umdrehungszahl abhängig. Es ergeben sich also recht verwickelte
Verhältnisse, und eine, wie bei Gleichstrommaschinen in Reihe mit dem Anker
geschaltete Wendepolwicklung genügt nicht zur Kompensation dieser elektromotorischen
Kraft und zur Beseitigung der Funken am Kollektor.
Textabbildung Bd. 323, S. 39
Fig. 25.Ansicht des Wechselstrommotors der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft.
Textabbildung Bd. 323, S. 39
Fig. 26.
Nach dem deutschen Patent 184972 der Kl. 21 d wird die richtige Kompensation nun
dadurch erzielt, daß, wie Fig. 26 zeigt, neben den
in üblicher Weise in Reihe geschalteten Wicklungen h
der Hilfspole besondere Hilfswicklungen k angebracht
sind, die (gegebenenfalls über Widerstände w)
kurzgeschlossen sind. In diesen Hilfswicklungen werden dann durch die in den
Wicklungen h verlaufenden Wechselströme
phasenverschobene Ströme induziert, deren Phase durch Bemessung der Widerstände w so geregelt werden kann, daß das durch sie in den
Hilfspolen erzeugte Feld in den vorbeibewegten kurzgeschlossenen Ankerspulen
elektromotorische Kräfte induziert, die den durch Transformation vom Erregerfelde
aus erzeugten elektromotorischen Kräften das Gleichgewicht halten. Die durch
Bewegung der kurzgeschlossenen Spulen im Ankerfeld erzeugte elektromotorische Kraft
wird in üblicher
Weise durch das Hauptfeld der Hilfspole kompensiert.
Eine andere Lösung derselben Aufgabe bringt das deutsche Patent 186445 der Kl. 21 d.
Hier ist parallel zum Anker k ein induktiver Widerstand
l gelegt, wie aus Fig.
27 zu ersehen ist. Hierdurch erhält der Ankerstrom, der sonst in Phase mit
dem Kompensationsstrom der Hilfspole h ist, eine
Phasenverschiebung gegen diesen, deren Größe abhängig ist von der Umdrehungszahl des
Ankers. Bei richtiger Bemessung der Selbstinduktion l
ist es nun möglich dem Kompensationsstrom eine solche Phasenverschiebung gegen den
Ankerstrom zu erteilen, daß das Hilfsfeld bei allen Geschwindigkeiten der Maschine
resultierende elektromotorische Kraft in der kurzgeschlossenen Spule aufhebt.
Textabbildung Bd. 323, S. 40
Fig. 27.
Auf dem Gebiete der kompensierten Repulsionsmotoren macht neuerdings der sogenannte
Doppelschlußmotor der Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerke viel von sich reden.Elektrot. Zeitschr. 1907, S. 336,
358. Dieser Motor ist besonders für Aufzugsbetrieb bestimmt und
verdankt folgenden Ueberlegungen seine Entstehung. Ein Aufzug verlangt einen
Antriebsmotor der beim Angehen große Anzugskraft und bei nornalem Gange eine von der
Belastung unabhängige Geschwindigkeit besitzt. Wechselstromkollektormotore verhalten
sich nun gerade wie Gleichstrommotore: in Reihenschlußschaltung liefern sie große
Anzugskraft, sind aber in ihrer Geschwindigkeit abhängig von der Belastung, in
Nebenschlußschaltung liefern sie geringe Anzugskraft aber eine von der Belastung
unabhängige, konstante Geschwindigkeit. Es kommt also im Aufzugsbetriebe darauf an,
den Wechselstromkollektormotor beim Angehen in Reihenschlußschaltung und im normalen
Betriebe in Nebenschlußschaltung zu benutzen. Und zwar muß sich diese Umschaltung
bei einer gewissen Geschwindigkeit selbsttätig und ohne Stoß vollziehen. Diese
Aufgabe wird durch den Doppelschlußmotor in folgender Weise gelöst.
Textabbildung Bd. 323, S. 40
Fig. 28.
Textabbildung Bd. 323, S. 40
Fig. 29.
Um seine Wirkung zu erklären, sei zunächst das Schaltungsschema des gewöhnlichen
kompensierten Repulsionsmotor in Fig. 28 vor Augen
geführt, z ist die Arbeitswicklung auf dem Stator, die
Läuferwindungen z2 sind
über zwei aufeinander senkrecht stehende Bürstenpaare geschlossen, von denen das
eine kurzgeschlossen ist und das andere in Reihe mit der Ständerarbeitswicklung
liegt, so daß dieselbe Läuferwicklung in Verbindung mit den Kurzschlußbürsten die
zur Ständerarbeitswicklung koachsiale Kompensationswicklung und in Verbindung mit
den Reihenbürsten die Erregerwicklung bildet. Der durch Fig. 29
schematisch dargestellte Doppelschlußmotor trägt auf dem Ständer noch eine
zweite Wicklung z4, die
durch den Schalter c an die Erregerbürsten b b angeschlossen werden kann. Da bei konstanter
Netzspannung auch die Spannung an den Enden der Wicklung z1 konstant und nahezu in Phase mit der
Netzspannung ist, so muß auch der von der Wicklung z1 herrührende, den Ständer durchsetzende magnetische
Kraftfluß konstant sein. Dieser durchsetzt auch die Spule z4 und induziert also auch in ihr eine
konstante Spannung von derselben Phase wie die Netzspannung. Diese konstante
Spannung bestimmt bei geschlossenem Schalter c die
Erregung und damit die Geschwindigkeit des Motors, der dadurch den Charakter eines
Nebenschlußmotors erhält. Die Transformatorwicklung z4 braucht aber nicht den gesamten
Erregerstrom zu liefern, der zum Teil auch vom Ständerstrom herrührt, sondern nur
die Differenz zwischen Ständer- und Erregerstrom, und kann daher verhältnismäßig
klein bemessen werden. Sinkt die Geschwindigkeit unter die normale, so wird die
Transformatorwicklung Strom hergeben, bei normaler Geschwindigkeit halten sich
Erreger- und Transformatorspannung das Gleichgewicht, und bei Ueberschreiten der
normalen Geschwindigkeit überwiegt die Erregerspannung, so daß der nun als Generator
wirkende Motor über die Transformatorwicklung Strom ans Netz zurück liefert. Die
Schließung des Schalters c erfolgt selbsttätig durch
einen Zentrifugalschalter bei einer bestimmten Umlaufsgeschwindigkeit, die so
gewählt ist, daß im Augenblick der Einschaltung die Erreger- und
Transformatorspannung annähernd einander gleich sind. Die Umwandlung des
Reihenschlußmotors in den Nebenschlußmotor erfolgt unter diesen Umständen stoßlos
und ohne merkliche Aenderung des elektrischen Zustandes des Motors.
Textabbildung Bd. 323, S. 40
Fig. 30.Doppelschlußmotor D G VI.
Die bauliche Ausführung eines vierpoligen Doppelschlußmotors ist aus Fig. 30 zu ersehen. Aeußerlich unterscheidet er sich
nicht von einem Gleichstrommotor. An dem freien Wellenende ist der
Zentrifugalschalter angebracht, bei dem nur der Zentrifugalregler umläuft, die
übrigen Teile, wie Belastungsfeder und Kontaktstücke, aber feststehen, so daß diese
während des Betriebes zugänglich sind.
Der Doppelschlußmotor ist bereits an verschiedenen Stellen in Benutzung, so in
Frankfurt a. M. für Hotelfahrstühle und dergl. und im Hamburger Zentralbahnhof für
die Gepäckaufzüge. Seine einfache Handhabung und günstige Arbeitsweise werden ihm
dort Einführung verschaffen, wo Einphasenwechselstromnetze bereits vorhanden sind
und Strom für Kraftzwecke verlangt wird.
Antrieb elektrischer Maschinen.
Am Schlusse dieses Kapitels sei noch einer Einrichtung der Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerke
gedacht, die zum elektrischen Andrehen der Dampf- und Gasmaschinen in elektrischen
Zentralen dient. Während bisher der Maschinist durch Klinkwerke und ähnliche
Vorrichtungen die anzulassende Maschine in die Anlaufkurbelstellung bringen oder das
Schwungrad in langsamen Umlauf setzen mußte, hat er jetzt weiter nichts zu tun, als
das Handrad des Motoranlassers langsam in seine Endlage zu bringen. Ist dies
geschehen, so kann er die Andrehvorrichtung sich selbst überlassen, sie bringt ihr
Zahnrad mit dem Zahnkranz des Schwungrades in Eingriff, dreht die Kraftmaschine bis
zur Anlaufgeschwindigkeit an und schaltet sich dann selbst aus. Inzwischen hat der
Maschinist Zeit, sich den übrigen Apparaten zu widmen.
Textabbildung Bd. 323, S. 41
Fig. 31.
Textabbildung Bd. 323, S. 41
Fig. 32.Elektrisch angetriebene Andrehvorrichtung für eine Dampfmaschine
von 3000 PS Leistung.
Die Wirkungsweise der Andrehvorrichtung ist aus der schematischen Darstellung nach
Fig. 31 zu ersehen. Eine Scheibe S2 wird über ein
Vorgelege S1 von einem
Elektromotor M angetrieben. Auf der Scheibe S2 ist das Zahnrad Z2 befestigt und steht
mit dem Zahnrad Z3 in
Eingriff, das auf dem verschwenkbaren Hebel H gelagert
ist und so eine Drehbewegung um Z2 ausführen kann. Der Hebel H ist mittels der kräftigen Feder f mit dem
Zahnkranz m verbunden, der sich in Gleitführungen nach
links bewegt, wenn mittels des Zahnrades Z1 der Anlaßhebel h des
Motoranlassers A in die Betriebsstellung geführt wird
und in der Endstellung durch die Klinke k gesperrt
gehalten wird. Mit der Bewegung des Zahnkranzes m ist
unter Vermittlung der Feder f auch das Zahnrad Z3 mit dem Zahnkranze Z
des anzulassenden Schwungrades in Eingriff gekommen. Erreicht nun das Schwungrad
durch die anzulassende Kraftmaschine eine höhere Geschwindigkeit als die, welche der
Elektromotor M ihr erteilen kann, so wird das Zahnrad
Z3 und mit ihm der Hebel H unter Spannung der Feder f in der
Drehrichtung mitgenommen und löst dadurch die Klinke k,
so daß die Feder f den Zahnkranz m und damit den Anlaßhebel h in die
Offenstellung zurückführt, während gleichzeitig das Zahnrad Z3 durch den ihm vom Schwungrad erteilten
Anstoß außer Eingriff mit diesem gelangt. Das Andrehen der Maschine ist hiermit
vollendet und sämtliche Teile der Vorrichtung sind selbsttätig wieder außer Betrieb
gesetzt. Der Maschinist hat also weiter nichts zu tun als langsam den Anlaßhebel h für den Motor M in die
Betriebsstellung herüber zu führen, alles übrige und die Rückführung der Vorrichtung
in die Ruhelage vollzieht sich von selbst. Wird der Anlasser als Fernanlasser
ausgebildet, so läßt sich die Andrehvorrichtung von einem beliebig wählbaren Punkte
in Bewegung setzen.
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Fig. 33.Anbau der Andrehvorrichtung, Modell I an die
Kraftmaschine.
Fig. 32 zeigt die beschriebene Andrehvorrichtung für
eine Dampfmaschine von 3000 PS und Fig. 33 läßt
erkennen, wie die Andrehvorrichtung an die Kraftmaschine angebaut wird und wie wenig
Platz sie dabei gebraucht.
In einer Reihe von Elektrizitätswerken, so in Charlottenburg, Duisburg und Charing
Cross (London) hat die Andrehvorrichtung bereits bei Maschinen bis zu 6000 PS
Anwendung gefunden.
(Fortsetzung folgt.)