Titel: | Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 49 |
Download: | XML |
Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Von K. Drews, Oberlehrer an der
Königl. höheren Maschinenbauschule in
Posen.
(Fortsetzung von S. 36 d. Bd.)
Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Die Zeit der ungehemmten Entwicklung und der heutige Stand
des Hebezeugbaues 1896 bis zur Jetztzeit.
In der nun folgenden Zeit richtete sich die Elektrotechnik auf dem eroberten
Anwendungsgebiete häuslich ein. Der Hebezeugkonstrukteur machte sich mit der neuen
Betriebskraft gründlich vertraut. Seine Aufgabe war eine sehr schwisrige. Er stand
hier einer geheimnisvollen, seiner unmittelbaren Anschauung sich entziehenden Kraft
gegenüber, deren Gesetze ihm noch unbekannt waren und deren Verhalten ihn oft ratlos
machten. Er mußte sich also erst in die neuen Verhältnisse hineinleben. Hatte er
früher fast immer nur mit den statischen Verhältnissen der Hebezeuge gerechnet, so
traten jetzt die dynamischen Verhältnisse vielfach in den Vordergrund, sie konnten
jedenfalls nicht vernachlässigt werden. Ein Hebezeugkonstrukteur oder
Betriebsleiter, der nicht den elektrischen Teil der Hebezeuge beherrscht, weiß
eigentlich sehr wenig von ihnen, er wird ihnen bei der geringsten Betriebsstörung
ratlos gegenüberstehen.
Der Elektrotechniker wiederum mußte den besonderen Betriebsbedingungen der Hebezeuge
seine Aufmerksamkeit zuwenden. Erst durch das Zusammenarbeiten beider entstanden die
exakt wirkenden Kranmotoren und Steuerapparate unserer großen Elektrizitätsfirmen,
Apparate, die erst die Manövrierfähigkeit unserer schnellarbeitenden
Hebevorrichtungen sicherstellten.
In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts nahm nun der Hebezeugbau, namentlich in
Deutschland, einen rapiden Aufschwung. Die riesige Produktionssteigerung – in der
ersten Hälfte des Jahres 1899 wurde nach einem Referate Schrödters in „Stahl und Eisen“ die Gleislänge der elektrischen
Bahnen von 3700 km auf 6000 km erhöht, sowie 135 neue elektrische Kraftwerke gebaut
– verlangte gebieterisch zahlreiche und leistungsfähige Hebe- und
Transportvorrichtungen namentlich für Massengüter.
Die deutschen Hebezeugfirmen nahmen um jene Zeit zuerst in Anlehnung an amerikanische
Vorbilder dann in durchaus selbständiger Weise den Bau von großen Verladeanlagen für
Massengüter auf. Im Jahre 1899 waren in Deutschland nach „Stahl und Eisen“
solche Anlagen geliefert worden von der Benrather
Maschinenfabrik für Dortmund und Rheinau; von Pohlig in Köln für Kratzwiek bei Stettin, Höchfeld, Hörde, Deutsch-Oth;
von Bleichert in Leipzig für Geisweid, Eschweiler,
Unterwellenborn und Differdingen.
Auch eine neue Kranart, der sogen. Hammerkran für Schiffswerften entstand noch
im alten Jahrhundert. Der Geschäftsbericht der Benrather
Maschinenfabrik vom Jahre 1899 meldet die Bestellung des ersten dieser
modernen Riesenkrane für Bremerhaven, dem sehr bald weitere Ausführungen auch von
anderen Firmen folgten.
Das Fazit der Entwicklung der Hebezeugtechnik im neuen Jahrhundert ziehe ich am
besten durch Schilderung ihres augenblicklichen Standes.
Zur besseren Uebersicht werde ich die Hebezeuge in folgende Gruppen einteilen:
1. Hebezeuge für den Werkstättenbetrieb,
2. Hebezeuge für Schiffswerften,
3. Hebezeuge für den Hafenbetrieb und an Bord von
Schiffen,
4. Hebezeuge für Stahl- und Walzwerke,
5. Elektrische Ausrüstung, Bremsen und andere
Einzelteile.
6. Aufzüge für Personen und Lasten,
Daran sollen sich schließen ein Ueberblick über neuere Lade- und
Transportvorrichtungen für Kohlen und Erz, sowie ein Ueberblick über Fortschritte im
Bau von Fördermaschinen.
Hebezeuge für den Werkstättenbetrieb.
Das Universalhebezeug für geschlossene Räume wie Gießereien, Montagehallen,
Maschinenhäuser usw. ist der Laufkran. Nachdem man für ihn in der Elektrizität eine
ideale Betriebskraft gefunden hatte, ist er von unseren bedeutenderen Hebezeugfirmen
zu einer der vollkommensten, leistungsfähigsten modernen Maschinen ausgebildet
worden.
Bei keinem anderen Hebezeug kommen auch die Vorteile des elektrischen Betriebes so
voll zur Geltung wie beim Laufkran.
Der normale Werkstätten-Laufkran hat in den fünf letzten Jahren keine wesentlichen
Veränderungen erfahren. Er dürfte durch die zahlreichen Veröffentlichungen der
letzten Jahre zur genüge bekannt sein. Einer der besten seiner Art ist der in D. p.
J. 1906, S. 18 veröffentlichte Viermotoren-Laufkran von Ludwig Stuckenholz.
Die gegen früher um ein Vielfaches erhöhte Leistungsfähigkeit dieses notwendigen
Bestandteils jeder größeren Werkstatt möge durch einen Vergleich des obengenannten
elektrischen Kranes mit einem Transmissionskran derselben Firma erläutert
werden.
Wir wählen hierzu den in „Z. d. V. d. I.“ 1887, S. 370 beschriebenen
Seilkran, der wohl als normaler Werkstätten-Laufkran der vor-elektrischen Zeit
angesehen werden kann.
Zum Vergleich setzen wir die Daten beider Krane in nachstehender Tabelle (S. 51)
nebeneinander.
Textabbildung Bd. 323, S. 50
Fig. 10.Elektrisch angetriebener Laufkran mit drei Motoren, 200000 kg
Probelast. (In Tätigkeit beim Auswechseln der Walzenstraße)
Die Leistungen beim Heben der Höchstlast verhalten sich also wie 1 : 7; das
Verhältnis der aufzuwendenden Leistungen beim Kranfahren ist noch weit größer, es
dürfte, wenn man die größere Tragkraft und größere Spannweite des elektrischen
Kranes berücksichtigt, etwa 1 : 15 betragen.
Auf dem letzteren ist insgesamt eine Motorleistung von 132 PS vereint; da der Führer
nur zwei Hebel zu bedienen hat, so kann er drei Kranbewegungen zu gleicher Zeit
ausführen; die dem Kran zuzuführende Energie würde mithin bei Vollast 92 PS
betragen, (es wird hierbei angenommen, daß nur eine der beiden Hubwinden arbeitet).
Auf der Fahrbahn des 25 t-Seilkranes läuft noch ein zweiter von 15 t Tragkraft.
Für den Betrieb dieser beiden Krane ist eine 12 pferdige Dampfmaschine
aufgestellt.
Ein weiterer Vorzug des elektrischen Kranes ist die Selbstregulierung namentlich der
Hubgeschwindigkeit von Vollast bis zum leerem Haken, während dem Transmissionskran
nur zwei Geschwindigkeitsstufen zur Verfügung stehen.
In Werkstätten, wo Lasten von sehr verschiedener Größe gehoben werden müssen, ist es
vorteilhaft, für die ganz schweren Lasten einen besonderen Kran zu haben, während
für mittlere und kleine Lasten ein oder mehrere Krane von geringerer Tragkraft
vorgesehen sind.
Fig. 10 zeigt einen besonders schweren elektrischen
Laufkran von Ludwig Stuckenholz zum Auswechseln ganzer
Walzengerüste. Seine Tragkraft beläuft sich auf 150 t. Der Kran besitzt 12
Laufräder, die Katze 8 Laufräder.
Die Geschwindigkeiten sind so bemessen, daß nach
Transmissionskranvom Jahre 1887
Elektrischer Kranvom Jahre 1905
Tragkraft
25 t
30 t großer Haken5 t kleiner Haken
Spannweite
14 m
24,13 m
Geschwindig-keiten:Heben
v = 0,76 m/Min. beiLasten > 10 tv
= 1,9 m/Min. beiLasten < 10
t;Geschwindigkeitsände-rung mittels Wechsel-räder.
Großer Haken:v = 4,35 bis 7,5
m/Min.Kleiner Haken:v = 25 bis 40
m/Min.Geschwindigkeitsände-rung durch Selbstregu-lierung der
Motoren.
Katzefahren
v = 3 m/Min. bei 10 bis25 tv = 11 m/Min.,
von 10 tabwärts.
v = 50 m/Min. bei vollerBelastung; bei
kleinererentsprechend größer,
Kranfahren
v = 14 m/Min.
v = 100 m/Min. bei vollerBelastung.
1 ½ Stunden schon mit dem neu eingesetzten Gerüst gearbeitet
werden kann.
Der im Hintergrund sichtbare kleinere Laufkran dient für Aufräumungsarbeiten. Die
Fahrbahnen beider Krane liegen übereinander, damit sie sich nicht gegenseitig
behindern.
Textabbildung Bd. 323, S. 51
Fig. 11.Elektrischer Laufkran zum Transport ganzer Lokomotiven der
Niles-Bement Pond Co., New York.
Die Anordnung übereinander liegender Fahrbahnen ist auch vorteilhaft in intensiv
betriebenen Werkstätten. Namentlich in Montagehallen kann es vorkommen, daß ein Kran
an derselben Stelle längere Zeit verbleiben muß. Laufen sämtliche Krane der
Werkstatt auf derselben Fahrbahn, so können die anderen Krane dadurch auch
lahmgelegt werden, oder ihr Arbeitsfeld ist doch stark eingeschränkt. Da ist es denn
gut, wenn ein oder mehrere Krane über den stilliegenden hinwegfahren können. Diese
Anordnung ist natürlich kostspielig.
Auch in Lokomotiv-Reparaturwerkstätten hat vielfach der elektrische Laufkran die
Lokomotivhebeböcke und, namentlich in Amerika, auch die Schiebebühne entbehrlich
gemacht.
Das typische Bild einer deutschen Lokomotivreparaturwerkstätte zeigt einen Raum mit
drei Längsschiffen. Die beiden seitlichen enthalten die Gruben, über die die zu
reparierenden Lokomotiven gefahren werden, deren Transport durch die den mittleren
Raum bestreichende Schiebebühne geschieht. Die Lokomotiven werden dann mittels vier
Hebeböcke von Hand hochgekurbelt. Diese Arbeit erfordert acht bis zehn Mann und
nimmt etwa 30 bis 45 Minuten in Anspruch.
In neueren Werkstätten, z.B. in Gleiwitz, in Erfurt und in Süddeutschland hat man nun
über den Lokomotivständen einen elektrischen Laufkran mit zwei Katzen von je 50 t
Tragkraft angeordnet, der die Lokomotive in sehr kurzer Zeit von ihren Achsen
abhebt.
In Amerika ist man jedoch noch weiter gegangen, indem man auch die Schiebebühne,
durch deren Vorhandensein ein großer Teil der Werkstätte der Benutzung entzogen
wird, beseitigt hat. Der Laufkran wird dann nicht nur zum Hochheben der Maschine,
sondern auch zu deren Transport auf ihren Stand, gegebenenfalls über die anderen
hinweg benutzt. Fig. 11 zeigt einen solchen
elektrischen Laufkran in der Werkstätte der Lake Skore and
Michigan Southern Railway Co., Collinwood, Ohio, wie er eine 80
t-Lokomotive von draußen auf ihren Stand transportiert. Die Figur zeigt zugleich das
typische Bild eines amerikanischen Laufkranes (siehe hierüber D. p. J. 1906. S. 17).
Der vorliegende Kran ist von der Niles-Benient Pond Co.
in New York erbaut worden.
Um auch in älteren Werkstätten, wo man einen so schweren Kran nicht einbauen kann,
Zeit und Arbeiter bei dem Hochwinden der Maschine zu sparen, treibt man jetzt die
Hebeböcke vielfach elektrisch an. Der Antrieb wird dann von dem Fahrmotor der
Schiebebühne bewirkt, die ja heute fast immer elektrisch angetrieben wird. Die vier
Hebeböcke werden durch Wellen miteinander und mit dem Motor zusammengekuppelt.
Vielfach ist auf der Schiebebühne noch eine kleine Spillwinde zum Transport der
Lokomotive von der Schiebebühne auf ihren Stand oder umgekehrt angeordnet.
Nach Angaben des Eisenbahnbauinspektors Cordes (Stahl
und Eisen 1901, S. 537) gewinnt man mittels dieser Einrichtung bei jeder Lokomotive
1 ½ Stunde und spart 4 M., außerdem sind nur drei Arbeiter zur Bedienung
erforderlich.
(Fortsetzung folgt.)