Titel: | Photographische Aufnahme elektrischer Wellen. |
Autor: | Josef Rieder |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 60 |
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Photographische Aufnahme elektrischer
Wellen.
Von Josef Rieder
(Steglitz).
Photographische Aufnahme elektrischer Wellen.
Hiermit möchte ich auf eine Erscheinung aufmerksam machen, die, soviel ich weiß,
bisher nicht beobachtet wurde, oder, falls sie beobachtet worden sein sollte, nicht
jene Würdigung gefunden hat, die sie verdient. In der einschlägigen Literatur habe
ich auch nicht die geringste Bemerkung darüber gefunden.
Das erste und heute noch am meisten angewandte Hilfsmittel elektrische Wellen
sozusagen festzuhalten ist der Kohärer, eine mit Metallpulver gefüllte Röhre, die
unter Einfluß der elektrischen Wellen ihren Leitungswiderstand ändert. Die Ursache
dieser Erscheinung ist noch nicht mit Sicherheit erkannt. Man nimmt an, daß durch
die Wirkung der Wellen Funken zwischen den Metallspähnen überspringen, diese
gewissermaßen verschmelzen und so Leitungsbrücken bilden. Ist diese Anschauung
richtig, sagte ich mir, so ist es vielleicht möglich, die Funkenbildung bei einer
geeigneten Anordnung photographisch festzuhalten.
Zu diesem Zwecke machte ich mit Schellacklösung ein Zeichen auf eine Glasplatte,
bestreute es vor dem Eintrocknen mit Aluminiumpulver und brachte diese Vorrichtung
unter Lichtabschluß in einer Kasette in Kontakt mit einer hochempfindlichen
Bromsilbe-Trockenplatte. Dann setzte ich diese Kombination der Wirkung elektrischer
Wellen aus. Der Erfolg war ein überraschender. Ich hatte das Zeichen nach der
Entwicklung der Platte deutlich fixiert. Anfangs glaubte ich, daß vielleicht das
Aluminiumpulver selbst eine Reaktion auf das Bromsilber ausgeübt haben könnte.
Nachdem ich aber mehrmals dieselbe Vorrichtung, ohne daß sie von Wellen getroffen
wurde, zusammenstellte und auch nicht die Spur eines Bildes bekam, mußte ich wohl
glauben, daß meine Beobachtung richtig war. Nur in einer Hinsicht stimmte meine
Beobachtung nicht mit meiner Voraussetzung überein. Ich dachte, das Metallpulver
müßte möglichst dicht aufeinander liegen, damit die Wirkung eintreten könnte. Das
Gegenteil war der Fall. Wo das Metallpulver am wenigsten dicht lag, war die
Belichtung am stärksten. Auch dachte ich, den herrschenden Anschauungen
entsprechend, die Vorrichtung müßte erst entfrittet werden, ehe eine neue
Lichtwirkung stattfinden könnte. Diese Anschauung war ebenfalls unrichtig. Das
Zeichen belichtete, solange es von elektrischen Wellen getroffen wurde und je länger
die Einwirkung dauerte, desto intensiver war die Belichtung. Ferner beobachtete ich,
daß die Wirkung stärker war, wenn ich die Rückseite des das Zeichen tragenden
Glases mit Metall belegt hatte.
Unter Berücksichtigung dieser Beobachtungen konstruierte ich mir nun folgende
Vorrichtung. Auf eine angewärmte Glasplatte drückte ich einen Gummistempel ab, auf
welchem ich erst eine alkoholische Kolophoniumlösung eintrocknen ließ. Durch die
Wärme schmolz das Harz und blieb auf dem Glase hängen, wodurch ich einen ziemlich
präzisen Abdruck erhielt. Nun staubte ich vorsichtig mit Aluminiumpulver ein,
erhitzte das Glas neuerdings und staubte dann den Ueberschuß ab. Die Rückseite des
Glases wurde mit einem dünnen Kupferblech versehen und dann in einer lichtsicheren
Kasette mit einer Bromsilberplatte in Kontakt gebracht. Als Funkengeber benutzte ich
eine kleine Influenzmaschine mit 18 cm Scheibendurchm. 3 cm Funkenlänge und eine
kleine Antenne von 50 cm Höhe. Der Erfolg übertraf alle meine Erwartungen. Die
Maschine stand in meiner Wohnung und jemand begab sich mit der Kasette auf die
Straße in eine Entfernung von etwa 70 m von der Wohnung, Trotzdem erhielt ich den
Abdruck sehr kräftig belichtet. Die Grenze der Reichweite war lange nicht erreicht.
Soweit meine bisherigen Versuche. Diese geben mir die Gewißheit, daß wir in meiner
Anordnung ein vorzügliches Hilfsmittel vor uns haben, elektrische Wellen
nachzuweisen. In erster Linie vermag die Wissenschaft daraus Nutzen zu ziehen. Wir
vermögen damit nicht nur das Vorhandensein von Wellen, sondern auch deren Dauer und
Intensität graphisch aufzuzeichnen. Um ein Beispiel anzuführen, vermag man den
Verlauf eines Gewitters nach Dauer, Zahl und Intensität der Entladungen vollkommen
präzis festzuhalten.
Man denke sich zu diesem Zweck eine Glasplatte mit einem Punkt aus Metallpulver,
deren Rückseite einen Metallbelag hat, der seinerseits mit einer Antenne in
geeigneter Weise leitend verbunden ist. An dem Punkt vorbei streift ein
lichtempfindliches Band das nunmehr in Strichen und Punkten von verschiedener Länge
und Intensität den Verlauf des Gewitters festlegt.
Um auf die praktische Seite der Angelegenheit einzugehen, steht wenigstens
theoretisch nichts der Annahme entgegen, daß eine ähnliche Vorrichtung Morsezeichen
niederzuschreiben vermag. Das fortlaufende lichtempfindliche Band wird so, lange
durch den Punkt belichtet, als die Antenne von Wellen getroffen wird. Bei
entsprechenden Unterbrechungen entstehen Linien und Punkte, die den Morsezeichen
entsprechen. Da bei einer solchen Vorrichtung keinerlei empfindliche mechanische
Teile in Frage kommen, so scheint größte Betriebssicherheit garantiert, und da bei
der rein chemischen Wiedergabe kein Zeitverlust entsteht, wie beim Entfritten und
mechanischen Schreiben der Zeichen, so dürften in bezug auf Schnelligkeit der
Zeichengebung und damit auf Rentabilität der Anlagen alle derzeit bekannten Systeme
übertroffen werden. Bedingung ist dabei nur, daß ein derartiger Empfangsapparat in
bezug auf Empfindlichkeit hinter den bekannten Anordnungen nicht zurücksteht.
Aufschluß hierüber können natürlich nur in größerem Maßstabe mit vollendeten
Hilfsmitteln angestellte Versuche ergeben.
Sollte sich aber, wie meine, mit so primitiven Hilfsmitteln gemachten Versuche hoffen
lassen, nicht nur eine gleiche, sondern eine vielfach größere Empfindlichkeit
ergeben, so hätten wir nicht nur eine wissenschaftlich interessante Erscheinung,
sondern einen wichtigen technischen Fortschritt auf dem Gebiete der drahtlosen
Telegraphie vor uns.