Titel: | Neuere Versuche mit Eisenbetonträgern von C. von Bach. |
Autor: | P. Weiske |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 135 |
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Neuere Versuche mit Eisenbetonträgern von C. von
Bach.
Von Dr.-Ing. P. Weiske.
(Schluß von S. 124 d. Bd.)
Neuere Versuche mit Eisenbetonträgern von C. von Bach.
4. Betondruckspannungen.
Aus den gemessenen Zusammendrückungen an der Druckseite der Biegeproben und an
den Betonprismen lassen sich die wirklichen Druckspannungen der Eisenbetonbalken
ermitteln und mit den nach den amtlichen Bestimmungen berechneten Werten
vergleichen (s. Tab. 2). Sie weichen bei geringen Spannungen ziemlich erheblich
voneinander ab, und zwar ergeben sich die Spannungen aus den Berechnungen größer als
aus den Messungen, da die Betonzugspannungen bei der Berechnung vernachlässigt
werden. Bei höheren Belastungen nähern sich die Werte einander. Hierbei ist der Unterschied bei
Plattenbalken geringer als bei Balken, da bei den ersteren der Betonzugquerschnitt
im Verhältnis zum ganzen Querschnitt nur gering ist.
Tabelle 2.
Balken
Belastung in kg
1000
4000
6250*
14000
Druck-spannung
berechnet
6,6
26,6
41,5
93,0
gemessen
4,2
18,5
34,2
82,9
Platten-balken
Belastung in kg
2000
8000
12000*
30000
Druck-spannung
berechnet
6,6
26,3
39,5
98,6
gemessen
5,4
23,7
38,5
98,0
*) Erste Risse.
5. Eisenzugspannungen.
Da die Betonzugspannungen bei geringer Belastung
mitwirken, sind die Beanspruchungen des Eisens im rißfreien Zustande des Balkens
geringer als die rechnungsmäßigen Beanspruchungen. Aber auch bei höheren Belastungen
sind letztere größer.
Es wurden die Eisenzugspannungen berechnet, bei denen beim Biegeversuch die
Streckgrenze des Eisens erreicht war, und mit den aus Zugversuchen ermittelten
Streckgrenzen verglichen. Hierbei war die rechnungsmäßige Zugspannung stets größer
als die Streckgrenze (s. Tab. 3).
Tabelle 3.
Spannung
Streckgrenze
3124 kg/qcm
2755–2788 kg/qcm
3445 kg/qcm
2922–3329 kg/qcm
3549 kg/qcm
3143–3316 kg/qcm
3669 kg/qcm
3316–3612 kg/qcm
2780 kg/qcm
2506–2764 kg/qcm
2958 kg/qcm
2396–2972 kg/qcm
6. Gleitwiderstand (Haftfestigkeit).
Das Gleiten des Eisens an den Enden der Proben, welches nach Ueberwindung der
Haftfestigkeit zwischen Beton und Eisen auftritt, ist bei den meisten Versuchen
dadurch gemessen worden, daß die Enden der geraden Eisen mit einem Stift versehen
waren, der aus der Stirnfläche des Balkens herausragte. Die Bewegung dieses Stiftes
wurde mit Mikrometerschrauben gemessen, so daß der Beginn des Gleitens und die
relative Bewegung zwischen dem Beton und der Eiseneinlage genau festgestellt werden
konnte. Diese Beobachtungen sind für die Ermittlung des Gleitwiderstandes bei
Beanspruchung von Eisenbetonträgern auf Biegung maßgebender als die früheren
Versuche, bei denen durch Herausziehen oder Herausdrücken der Eiseneinlagen aus dem
Beton der Gleitwiderstand bestimmt wurde. Bei Balken mit einer Eiseneinlage war auf
die beschriebene Weise der Gleitwiderstand zu 20 bis 22 kg/qcm ermittelt worden.
Bei Verwendung von mehreren Eiseneinlagen kann der durchschnittliche Gleitwiderstand
infolge ungleicher Mitarbeit einzelner Stäbe geringer ausfallen wie die Balken
Bauart 1 und 2 zeigen, bei denen der mittlere Gleitwiderstand nur 16,7 kg/qcm
betrug.
Der Gleitwiderstand wächst mit dem Alter der Probekörper und mit der Rauhigkeit
der Oberfläche. Eisenstäbe mit Walzhaut lieferten höhere Werte als bearbeitete
Stäbe. Die Erhärtung der Eisenbetonträger im Wasser erhöht den Gleitwiderstand
gegenüber der Luftlagerung, da durch die bei Wasserlagerung eintretende
Volumvergrößerung der Beton sich fester an die Eiseneinlagen anpreßt. Ein Vergleich
der in Tab. 1 unter τ1
angeführten Werte bestätigt diese Angaben.
Da die Sicherheit der Eisenbetonbalken in erster Linie auf der innigen Verbindung der
Eisen mit dem Beton beruht, wurde bei den angestellten Versuchen besonders der
Einfluß der verschiedenen Hilfsmittel zur Erhöhung des Gleitwiderstandes und der
Verbundsicherheit untersucht. Diese Mittel sind Verwendung besonderer Formeisen,
Umbiegen der Enden (Hakenbildung), Einlegen von Bügeln und Aufbiegen der Eisen am
Auflager. Ihr Einfluß auf die Erhöhung des Gleitwiderstandes soll im Folgenden
besprochen werden.
7. Thachereisen.
Bei drei Balken mit der Bauart 7 wurde ein amerikanisches Knoteneisen mit 2,3 qcm
Querschnitt verwendet. Der Gleitwiderstand wurde zu 22,6 kg/qcm ermittelt. Die
Widerstandsfähigkeit dieser Balken war nur wenig größer als bei Verwendung von
geraden Rundeisen, da durch die Knoten der Beton aufgesprengt wurde.
8. Hakenbildung.
Durch Anordnung von Haken am Ende der geraden Rundeisen wurde der Gleitwiderstand
bezogen auf die Einheit der Eisenoberfläche gar nicht oder nur wenig erhöht; die
Bewegung der Stifte begann ungefähr bei derselben Belastung wie bei geraden
Rundeisen ohne Haken. Die Haken verhindern jedoch nach Ueberwindung des
Gleitwiderstandes die völlige Aufhebung des Verbundes und die völlige Zerstörung des
Balkens so lange, bis mit steigender Belastung die Haken sich aufbiegen und den
diese Formänderung hindernden Beton an der Stirnseite absprengen. Die erzielte
Steigerung der Bruchlast (höchste Tragkraft) durch Anordnung der Enden betrug 43 bis
54 v. H.
9. Bügel.
Die in den Balkenenden eingelegten senkrechten Bügel umschlingen die Eiseneinlagen
und verschnüren den einhüllenden Beton. Hierdurch wurde eine Erhöhung des
Gleitwiderstandes bis zu 30 v. H. erzielt. Besonders wirksam ist es, jedes Rundeisen
mit einem Bügel zu versehen und beide durch Bindedraht zu verbinden. Die Bügel
erhöhen den Gleitwiderstand und die Verbundfestigkeit der Eisenbetonbalken noch in
anderer Weise. Da die Zugfestigkeit des Betons geringer ist als seine
Schubfestigkeit, verlaufen die Risse an den Seitenflächen nahezu senkrecht zu der
Richtung der Hauptzugspannungen also in der Richtung der Drucktrajektorien,
senkrecht zur Unterkante beginnend und um so schräger gegen die Balkenmitte
ansteigend, je näher der Riß am Balkenende liegt. Bei den vorliegenden Versuchen
wirkten auf den Balken zwei gleiche Lasten in gleichem Abstande vom Auflager, so daß
die größte Querkraft mit dem größten Biegungsmoment an der Laststelle zusammenfällt.
Daher wird hier, wie auch die Versuche bestätigen, die Rißbildung am stärksten
sein.
Mit dem fortschreitenden Wachsen dieser Risse, die gegen die Belastungsrollen hin
verlaufen, ist eine Drehung und Verschiebung der äußeren Balkenteile gegen den
mittleren Balkenteil verbunden. Hierdurch drückt im äußeren Balkenteil der Beton
nach unten gegen die Eiseneinlagen und sprengt die dünne Betonschicht unter dem
Eisen ab, nachdem sich die schrägen Risse in der Nähe der Belastungsrollen zu
Längsrissen an den Eiseneinlagen im äußeren Balkenteil erweitert haben. Diese
Erscheinung tritt besonders bei Plattenbalken auf, bei denen infolge der geringen
Rippenstärke die Schubspannungen und die von ihnen abhängigen Hauptzugspannungen
besonders groß sind. Die senkrechten Bügel verbinden die Eiseneinlagen der Zugzone
mit der Druckzone und schneiden die zu erwartenden schrägen Risse. Daher müssen sie
das Entstehen derselben hinausschieben und der oben angedeuteten Verdrehung des
äußeren gegen den mittleren Balkenteil entgegenarbeiten. Hierdurch wird auch den am
unteren Balkenende auftretenden Längsrissen vorgebeugt und der Gleitwiderstand
erhöht.
Die Versuche mit Plattenbalken, Bauart 20 (ohne Bügel), 21 (mit 24 Rundeisenbügeln)
und 22 (mit 48 Flacheisenbügeln) zeigen demgemäß eine Erhöhung der Bruchlast von
23000 auf 30500 bezw. 37700 kg, also um 32 bezw. 68 v. H. Jedes kg Bügel erhöht die
Bruchlast im ersten Falle um 900 kg, im zweiten Falle um 499 kg.
10. Aufgebogene Eisen.
Die durch Ueberwindung der Hauptspannungen entstehenden schrägen Risse werden
offenbar durch schräge Eisen senkrecht zu ihrer Richtung am wirksamsten
hinausgeschoben oder unschädlich gemacht. Daher wurde bei einigen Versuchsbalken ein
Teil der Rundeisen in der Nähe des Auflagers mit einer Neigung 1 : 1,5 oder 1 : 2
aufgebogen. Die Versuche mit den Balken, Bauart 23, zeigen, daß die schrägen Eisen
kräftig mit gearbeitet haben, da sie an den schrägen Rissen in der Nähe der
Belastungsrollen bis zur Streckgrenze beansprucht wurden.
Die Höchstbelastung wurde durch das Aufbiegen der Eisen von 23000 kg bis 33300 kg,
also um 45 v. H. gesteigert. Die Steigerung der Bruchlast betrug für 1 kg
Mehraufwand an Eisen in den Aufbiegungen 1914 kg.
11. Vereinigte Wirkung der Haken,
Bügel und aufgebogenen Eisen. – Erhöhung der Bruchlast.
Offenbar muß unter sonst gleichen Verhältnissen derjenige Balken die größte Bruchlast
ergeben, bei dem alle Mittel zur Sicherung der Verbundwirkung vereinigt sind. Die
Balken, Bauart 25, sind in dieser Weise angeordnet.
Tabelle 4.
Bauart
Berechnung
Bruch-last
Eisen-bedarf
Erhöhung
GrößteEisen-span-nungσekg/qcm
GrößteDruck-span-nungσekg/qcm
kg
kg
der Bruch-last
des Eisen-bedarfs
20
3 gerade Eisen,ohne Bügel
23000
43,7
1
1
1480
74
21
3 gerade Eisen,24 Bügel(Durchm. 7)
30500
52,0
1,33
1,19
1952
97
22
3 gerade Eisen,48 Bügel (2,7 . 30)
37700
73,1
1,64
1,67
2419
120
23
1 gerade Eisen4 aufgebogeneEisen
33300
49,1
1,45
1,12
2073
108
24
Eisen wie vor,24 Bügel(Durchm. 7)
41000
56,9
1,78
1,31
2611
135
25
Eisen u. Bügelwie vor, am mittl.ger. Eisen
Haken
46500
57,6
2,02
1,32
2958
155
Das mittlere gerade Rundeisen von 32 mm Durchm. hat einen Haken. Die auf jeder Seite
liegenden zwei Rundeisen von 18 mm Durchm. sind am Auflager aufgebogen. In den
beiden äußeren Balkenteilen sind je 12 Bügel von 7 mm Durchm. eingelegt. Die
Bruchlast betrug 46 500 kg, also gegen 23 000 kg bei den Balken mit geraden Eisen,
eine Erhöhung um 102 v. H. Durch diese vergleichsweise vollkommenste Sicherung des
Verbundes ist es möglich, die Zugkraft der Eiseneinlagen vollständig auszunutzen.
Die rechnungsmäßige Beanspruchung der Eiseneinlagen betrug 2960 kg, ihre
Streckgrenze lag bei 2396 bezw. 2926 kg.
Aus Tab. 4 ist der Einfluß der verschiedenen Hilfsmittel zur Sicherung des Verbundes
und der Aufwand an Eisen in jedem Balken zu erkennen.
Die Zerstörung der Balken erfolgt am Auflager, wenn die Verbundwirkung nicht genügend
gesichert ist. Im anderen Falle kann die Druckfestigkeit des Betons und die
Zugfestigkeit des Eisens ausgenutzt werden. Das Aufbiegen der Eisen erfordert
weniger Materialaufwand als das Einlegen von Bügeln.
12. Folgerungen für die Berechnung der
Spannungen.
Die amtlichen Bestimmungen vom 16. April 1904 und 24. Mai 1907 liefern für die
Normalspannungen Werte, die bei höheren Beanspruchungen ziemlich genau den
wirklichen Spannungen entsprechen, für geringe Belastungen führen sie eher zu einer
Ueberschätzung als zu einer Unterschätzung der Beanspruchung. Bei der Berechnung der
Haftspannungen decken sich die amtlichen Berechnungen nur mit den
Versuchsresultaten, soweit es sich um gerade Eiseneinlagen handelt. Sind mehrere
Eiseneinlagen aufgebogen, so weisen die amtlichen Bestimmungen die Aufnahme des
ganzen Gleitwiderstandes den geraden Eiseneinlagen, die im unteren Balkenteil noch
vorhanden sind, zu. Dies steht in vollständigem Widerspruch mit den
Versuchsergebnissen, weil sich bei aufgebogenen Eisen an den geraden Eisen
Gleitwiderstände von über 70 kg/qcm herausrechnen lassen, während doch nach diesen
Versuchen der Gleitwiderstand die Größe von 20 bis 25 kg/qcm nicht übersteigt.
Bach schlägt daher vor, die Zugkraft der einzelnen Eisen
unter Gleichsetzung der Spannungen in allen Eiseneinlagen zu ermitteln und die
Haftspannung in jedem Eisen nach der Formel
\tau_1=\frac{\sigma_e\,f_e}{\pi\,d\,\cdot\,l}=\frac{\sigma_e\,\cdot\,\pi\,\frac{d^2}{4}}{\pi\,d\,\cdot\,l}=\frac{\sigma_e}{4}\,\cdot\,\frac{d}{l}
zu ermitteln. Hierbei ist l der
Abstand des Auflagers von Kraftangriff. Die Berechnungsweise ist für gerade
Eiseneinlagen von Probst angewendet in seiner
Abhandlung: „Zusammenwirken von Beton und Eisen“, (Heft VI der
Forscherarbeiten auf dem Gebiete des Eisenbetons) (s. a. D. p. J. 1907, S. 298
ff.).
Nach derselben wird der Eisenbetonträger als Gewölbe aufgefaßt, in dem die
Eiseneinlagen den Horizontalschub M aufnehmen. Der
Gleitwiderstand muß dann das Herausziehen der Eiseneinlagen aus dem Beton am
Auflager durch den Horizontalschub verhindern. Sind teilweise aufgebogene Eisen
vorhanden, so tritt an Stelle von H in der Aufbiegung
der größere Wert \frac{H}{\cos\,\alpha}, wobei α der Neigungswinkel des aufgebogenen Eisens gegen die
Wagerechte ist. Da sich durch das Aufbiegen die verfügbare Einbettungslänge in
demselben Verhältnis vergrößert, so ergibt sich auch für die abgebogenen Eisen
derselbe Wert von τ1
wie für die geraden Eisen, so daß die Neigung der Eisen am Auflager gar keine Rolle
spielt. Man ist daher berechtigt, in die amtlichen Formeln den Umfang sämtlicher am
Auflager vorhandener Rundeisen einzusetzen und erzielt hierdurch eine befriedigende
Uebereinstimmung mit diesen Versuchsergebnissen. Eine Beschränkung auf die geraden
Eiseneinlagen führt sogar oft zu fehlerhaften Konstruktionen, Um den für eine
zulässige Haftspannung von 4,5 kg/qcm erforderlichen Umfang zu erhalten, wird an
Aufbiegungen bei Plattenbalken gespart, während doch gerade diese, wie die Versuche
zeigen, die Bruchlast bedeutend steigern und den Verbund sichern.
Der hier von Bach gemachte Vorschlag deckt sich mit den
Ausführungen Empergers in den Heften III und V der
Forscherarbeiten auf dem Gebiete des Eisenbetons. Auf Grund seiner eigenen Versuche
kommt Emperger zu derselben Forderung. Ueber diese
Versuche ist D. p. J. 1907, S. 298 berichtet worden.
So lange die amtlichen Bestimmungen sich in der Aufnahme der Haftspannungen auf die
geraden Eiseneinlagen beschränken, sollte es wenigstens gestattet sein, für die
Eiseneinlagen mit Haken die zulässige Haftspannung zu erhöhen, da ja der günstige
Einfluß der Haken auf die Erhöhung der Bruchlast durch diese Versuche einwandfrei
festgestellt ist. Eine Erhöhung auf 6 kg/qcm, wie ich in dem Hefte: „Berechnung
der Eisenbetonbauten“, S. 41 ff. vorgeschlagen habe, dürfte nach den
vorliegenden Versuchen zulässig sein.