Titel: | Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 145 |
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Von K. Drews, Oberlehrer an der
Königl. höheren Maschinenbauschule in
Posen.
(Fortsetzung von S. 135 d. Bd.)
Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Auch der einphasige Wechselstrom hat schon in einem Falle Eingang in den
Kranbetrieb gefunden, nämlich bei zwei Portalkranen der Benrather Maschinenfabrik im Köln-Deutzer Hafen.
Auf die Vorteile hochgespannten Wechselstroms für die Kraftverteilung in ausgedehnten
Hafengebieten ist schon in D. p. J. 1906, S. 4 hingewiesen worden. Diese Stromart
konnte früher im Kranbetrieb nicht verwandt werden, weil Wechselstrommotoren nicht
unter Last anliefen, sie mußten zuvor auf die Umlaufzahl ihres Generators gebracht
werden. Das hätte im Kranbetrieb wieder Kupplungen, Wendegetriebe, Leerlauf des
Motors, erfordert, alles Dinge, die man dort gern vermeidet. Nachdem nun aber unter
Last anlaufende Einphasen-Wechselstrommotoren verschiedener Systeme für den
Bahnbetrieb konstruiert worden waren und sich dort auch bewährt hatten, lag es ja
nahe, einphasigen Wechselstrom auch im Kranbetrieb zu verwenden. Im Kölner Hafen bot
sich hierzu eine günstige Gelegenheit.
Die dortige Hafenanlage, die im Jahre 1898 fertiggestellt worden ist, hat
Druckwasserbetrieb. Die drei Pumpensätze der Kraftstation werden mittels Riemens von
synchronen Wechselstrommotoren älterer Bauart angetrieben. Das Abstellen und
Anlassen der Pumpen geschieht selbsttätig vom Akkumulator aus und zwar durch
Verschieben des Antriebriemens von Fest- auf Losscheibe und umgekehrt. Die Motoren
laufen bei ausgerückten Pumpen leer weiter. Der Strom wird dem städtischen Netz
entnommen, das einphasigen Wechselstrom von 2100 Volt liefert.
Hier hat man sich nun bei Neubeschaffung von zwei Kranen zum elektrischen Betriebe
entschlossen. Die betr. Krane sind normale Vollportalkrane von 4 t Tragkraft mit
Selbstgreifer. Der Hubmotor leistet normal 40 PS bei n
= 500 und ist zehnpolig. Er besitzt wie ein Gleichstrommotor einen Kollektor, der
indes hier mit 10 Bürstensätzen versehen ist, von denen acht paarweise
kurzgeschlossen sind, während zwei davon den Erregerstrom führen. Die Motoren für
Schwenken und Fahren leisten je 10 PS bei n = 700 und
sind sechspolig. Ihre Konstruktion stimmt mit derjenigen des Hubmotors überein.
Die Steuerapparate zeigen die für Kranbetrieb übliche Walzenform. Das Anlassen der
Motoren und die Regulierung ihrer Tourenzahlen geschieht durch Beeinflussung ihrer
Klemmenspannung mittels eines Regulier – Transformators, der an Stelle der
Anlaßwiderstände bei anderer Stromart tritt. Durch den Steuerapparat kann der Motor
an verschiedene Teilspannungen des Transformators gelegt werden.
Die Wechselstrom-Kommutatormotoren, System Winter-Eichberg der A. E. G. in Berlin, deren
Wirkungsweise in D. p. J. 1905, S. 762 beschrieben worden ist, verhalten sich in
bezug auf Anzugsmoment, Regulier- und Ueberlastungsfähigkeit wie Hauptstrommotoren
für Gleichstrom.
Die Energie wird dem städtischen Netz entnommen, dessen Spannung von 2100 Volt durch
einen Umformer auf die Betriebsspannung 500 Volt der Krane heruntergezogen wird.
Zu den Hebe- und Transportvorrichtungen in Häfen gehören auch die Spills. Sie dienen
zum Verholen von Schiffen, Heranziehen von Eisenbahnwagen und dergl.
In Häfen mit Druckwasser als Kraftmittel werden die Spills mittels dreizylindriger
Wassermotoren angetrieben, deren Wirkungsgrad aber ein sehr schlechter ist.
Wo nur irgend möglich, z.B. im Hafen von Antwerpen, ersetzt man daher heute die
hydraulischen Spills durch elektrische wenn man auch den Druckwasserbetrieb der
Krane für die nächste Zeit bestehen lassen muß.
Textabbildung Bd. 323, S. 145
Fig. 37.Elektrisches Spill.
Fig. 37 zeigt den Aufbau eines elektrischen Spills.
Der Motor treibt mittels Schneckengetriebes die senkrechte Trommelwelle an. Bei
Spills, die größere Uebersetzungen verlangen, ist zwischen Schneckenrad und
Trommelwelle noch ein Stirnräderpaar eingefügt.
Das ganze Triebwerk nebst Steuerapparat befindet sich in einem staub- und
wasserdicht schließenden, gußeisernen Kasten unter Flur. Als Fundament genügt eine
20 cm starke Betonschicht; an den Seiten wird der Spillkasten mit Zement vergossen
und das Erdreich ringsherum festgestampft. Bei einigermaßen gutem Baugrund bietet
diese Lagerung genügende Sicherheit.
Textabbildung Bd. 323, S. 146
Fig. 38.Elektrisches Spill der Benrather Maschinenfabrik.
Fig. 38 zeigt ein elektrisches Spill der Benrather Maschinenfabrik. Vorn unterhalb der
Spilltrommel sieht man den Anschlußkasten für das Stromzuleitungskabel.
Die Trommel ist zweihäuptig; das obere Haupt von kleinerem Durchmesser ist für
größere Zugkräfte und kleinere Geschwindigkeiten, das untere für geringere Zugkräfte
und größere Geschwindigkeiten bestimmt. Die Seilgeschwindigkeiten liegen gewöhnlich
zwischen 0,5 und 1 m/Sek.
Größere Geschwindigkeiten sind nicht zweckmäßig, da dann zum Ablegen des Seiles eine
besondere Handfertigkeit erforderlich ist.
Als Zugkraft kann man bei gut verlegtem Gleis und ebener Strecke etwa 10 kg für 1 t
Wagengewicht rechnen.
Bei größeren Steigungen sollen Spills überhaupt nicht verwandt werden, da ihre
Arbeitsweise (die Last wird lediglich durch Seilreibung gehalten) keine genügende
Sicherheit gegen Absturz bietet.
Als Antriebsmotoren kommen hauptsächlich Hauptstrommotoren in Frage.
Die Motoren brauchen nicht umgesteuert zu werden, da durch Rechts- oder Linksumlegen
des Zugseiles die Bewegungsumkehr des letzteren bewirkt werden kann.
Die Steuerapparate werden entweder durch Steckschlüssel oder durch Fußtritt betätigt.
Die erstere Art der Betätigung unterscheidet sich in nichts von der bei Kranen
üblichen. Der Steuerapparat, ein Krankontroller, befindet sich im Spillkasten und
wird von dem Führer mittels eines durch ein Loch im Kastendeckel gesteckten
Schlüssels gedreht. Das Zeitmaß für das Aus- und Einschalten hängt dabei von der
Willkür des Führers ab. Dieses ist indes nicht der Fall bei den
Fußtrittanlassern. Hier hat der Führer nur mit dem Fuße einen Kolben
niederzudrücken; mehr oder minder kräftiges Drücken hat dabei keinen merklichen
Einfluß auf den Anlauf, da ein Oelpuffer zu schnelles Abschalten der Widerstände
verhindert. Gibt der Führer den Tretkolben frei, so unterliegt der Anlasser der
Wirkung eines Belastungsgewichtes, das ihn schnell in seine Nullstellung
zurückdreht. Spills mit Fußtrittanlasser können daher auch durch ungeübte Arbeiter
bedient werden.
Textabbildung Bd. 323, S. 146
Fig. 39 und 40. Fußtrittanlasser der A. E. G. für elektrische Spills.
Fig. 39 und
40
zeigen einen Fußtrittanlasser der A. E. G. in Berlin
für kleinere Motorleistungen; in Fig. 40 ist der
Schutzkasten abgenommen. Der Tretkolben sitzt in einem Rohrstück, das durch ein
Parallelogramm gerade geführt ist.
Die Kontakte der Walze führen hier den vollen Motorstrom. Bei Spillanlassern für
größere Motorleistungen bleibt indes die Steuerwalze stromlos; sie betätigt bei
ihrer Drehung mittels Schaltscheiben eine Anzahl von Einzelschaltern, deren
Kupfer-Kohlekontakte starke elektrische und mechanische Beanspruchungen vertragen.
Jede Stromunterbrechungsstelle ist mit magnetischer Funkenlöschung versehen.
Fig. 41 und
42
zeigen einen solchen Anlasser der A. E. G. Rechts in
Fig.
42 sieht man den Oelpuffer.
Damit kein Unbefugter das Spill in Gang setzen kann, wird der Tretkolben entweder
herausgezogen oder aber nach einer Vierteldrehung bis unter den Kastendeckel
versenkt; das Loch wird dann durch eine Klappe verschlossen.
Bei Motorleistungen über 15 PS wendet die A. E. G. auch
ähnlich wie bei Druckknopfsteuerungen der Personenaufzüge selbsttätige Anlasser an.
Der Führer betätigt hier durch den Tretkolben einen Hilfsstromschalter, der nur das
Ein- und Ausschalten des Stromes besorgt. Das Abschalten der Widerstände geschieht
selbsttätig durch sogen. Schützen und ist von der Umlaufzahl des Motors abhängig
gemacht; die Anlaufzeit ist daher je nach der Belastung länger oder kürzer. Bei zu
großer Belastung oder Verschwinden des Netzstromes kommt das Spill selbsttätig zum
Stillstand. (Die Schützensteuerung wird in dem Abschnitt über Einzelteile eingehend
besprochen werden.)
Bremsen können bei Spills entbehrt werden; die Last kommt durch Abwerfen des Seiles
von der Trommel zur Ruhe.
Ziehen wir auch noch die Hebezeuge an Bord von Schiffen in den Kreis unserer
Betrachtungen, so bemerken wir, daß der Dampfbetrieb hier immer noch an erster
Stelle steht.
Der elektrische Betrieb der Schiffswinden und Schiffskrane hat nur dort Eingang
gefunden, wo ein geschultes Personal in Verbindung mit weitgehender Arbeitsteilung
vorhanden ist; also vor allem bei der Kriegsmarine und auch zum Teil auf den großen
Ozeandampfern. Auf Kriegsschiffen scheint der elektrische Betrieb bei Munitions- und
Materialaufzügen, Bootkranen, Kohlen- und Deckwinden schon die Regel zu sein; nur
bei den schweren Anker- und Gangspills findet man noch überwiegend Dampfbetrieb.
Textabbildung Bd. 323, S. 147
Fig. 41 und 42. Fußtrittanlasser der A. E. G. für elektrische Spills.
Die großen Ozeandampfer dagegen bieten in dieser Beziehung noch ein recht buntes
Bild. Man findet dort Dampf, elektrischen und auch Druckwasserbetrieb.
Auf deutschen Dampfern herrscht noch der Dampfbetrieb vor; ich nenne hier die Dampfer
„Gneisenau“ des Norddeutschen Lloyds, dann
„Kaiser Wilhelm II“ und „Kaiserin Auguste Viktoria“ der
Hamburg-Amerika-Linie. Dabei haben alle diese Schiffe eine recht große elektrische
Zentrale an Bord.
Auf den neueren Dampfern englischer Linien, z. B, auf der „Lusitania“ werden
jedoch wenigstens die leichteren Boot- und Ladewinden elektrisch betrieben.
An Bord von Handelsdampfern ist der Dampfbetrieb bei Winden und Kranen schon deshalb
das Gegebene, weil es sich nicht lohnen würde, hierfür eine Kraftstation an Bord
einzurichten.
Um hier dem wirtschaftlich jedenfalls günstigeren elektrischen Antrieb die Wege zu
ebnen, hat man eine internationale Regelung dieser Frage vorgeschlagen
dahingehend, daß für alle Seehäfen eine einheitliche Spannung eingeführt werden
sollte, so daß die Schiffshilfsmaschinen stets an das Hafennetz angeschlossen werden
könnten. Das hätte den weiteren Vorteil, daß, solange das Schiff im Hafen liegt, die
Kessel ausgelöscht werden können, wogegen jetzt zum Betrieb der Dampfwinden
wenigstens ein Kessel bereit stehen muß. Diese Vorschläge sind ja sehr
beachtenswert, aber ich bin überzeugt, daß, selbst wenn sie verwirklicht wären, die
meisten Handelsschiffe doch ihre Dampfwinden beibehalten würden, und zwar aus
Gründen, die ich schon früher einmal (D. p. J. 1906, S. 6) dargelegt habe. Es ist
ganz unglaublich, in welcher Weise mit den Dampflade winden- an Bord umgegangen
wird, was ihnen zugemutet wird und was sie alles geduldig ertragen. Bei gleicher
Behandlung und Wartung käme eine elektrische Schiffswinde garnicht aus der Reparatur
heraus.
Auf Segelschiffen sind auch Petroleummotoren mehrfach mit Erfolg zum Antrieb der
Ladewinden verwandt worden. Nach der Zeitschr. des V. d. I. 1905 sind auf den
Kohlenleichtern des Norddeutschen Lloyds und der Hamburg-Amerika-Linie seit
acht Jahren 87 Spillwinden mit Petroleummotoren in Betrieb.
Größere Segelschiffe haben wohl immer eine kleine Kesselanlage zum Betrieb der
Ankerspills, Winden, Pumpen usw. an Bord; trotzdem dürfte sich dort der Betrieb der
Winden mit Petroleummotoren vielfach als vorteilhaft erweisen. Allerdings haben
diese Maschinen gegenüber Dampfmaschinen manche Nachteile; sie sind nicht
umsteuerbar, wenig überlastungsfähig, erfordern bessere Wartung und sind im Betriebe
empfindlicher.
Der Druckwasserbetrieb hat ebenfalls, wenngleich seltener, an Bord z.B. auf dem
Dampfer „Barbarossa“ des Norddeutschen Lloyds,
Verwendung gefunden; indes fast nur bei den Kranen.
(Fortsetzung folgt.)