Titel: | Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 168 |
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Von K. Drews, Oberlehrer an der
Königl. höheren Maschinenbauschule in
Posen.
(Fortsetzung von S. 147 d. Bd.)
Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
4. Abschnitt.
Hebe- und Transportvorrichtungen für Eisenhütten und
Stahlwerke.
Schon im ersten Teil dieser Arbeit (S. 1) habe ich den großen Einfluß
hervorgehoben, den die Eisenerzeugnisindustrie auf die Entwicklung der modernen
Hebezeugtechnik ausgeübt hat.
Waren es doch die amerikanischen Hochofenwerke, für deren Bedürfnisse jene
vorbildlich gewordenen Verladeanlagen an den großen Seen Nordamerikas geschaffen
wurden. Und wenden wir den Blick zu den Hebezeugen für die unmittelbare
Bedienung der Eisen- und Stahlerzeugungsstätten, so finden wir hier eine Reihe
ganz neuer Formen.
Die Stahl- und Walzwerke sowie deren Lagerplätze sind das ureigenste Gebiet der
Spezialhebezeuge; nirgends ist wohl die Spezialisierung im Hebezeugbau so weit
getrieben worden. wie hier. Dadurch aber, daß die meisten Hebezeuge in Stahl-
und Hüttenwerken immer nur eine und dieselbe Arbeit zu verrichten haben, konnten
sie jenen Grad der Vollkommenheit erreichen, die wir heute an ihnen
bewundern.
Die Spezialisierung im Verein mit dem ununterbrochenen Arbeiten meist bei voller
Belastung führt dann auch zu höchster Leistungsfähigkeit und höchster Ausnutzung
der Hebe- und Transportvorrichtungen.
Am besten werden wir einen Ueberblick über dieses Neuland der
Hebezeugtechnik erhalten, wenn wir dem Produktionsgang der Eisen- und
Stahlerzeugung vom Hochofen bis zur Verladung der Walzwerksprodukte folgen.
Gichtaufzüge für Hochöfen.
Nach einem Vortrage von G. Simmersbach (St. u. E.
1906) hat die Roheisenerzeugung Deutschlands in den Jahren 1884 -1904 eine
Steigerung von 180 v. H. erfahren. Wenn dabei die Arbeiterzahl nur um 52 v. H.
gestiegen ist, so ist dieser Erfolg sowohl dem rationelleren Ofengang wie den
verbesserten Hebe- und Transportvorrichtungen zu danken.
Textabbildung Bd. 323, S. 168
Fig. 43.Gichtseilbahn von Adolf Bleichert & Co.
Die Tagesleistung neuerer Hochöfen beträgt 250 bis 350 t Roheisen; bei ärmeren
Erzen auch nur 150–200 t. Amerikanische Hochöfen weisen vielfach höhere
Tagesleistungen auf; den Rekord dürfte wohl ein Hochofen der Carnegie-Werke in Homestead erreicht haben, der
einmal eine Tagesleistung von 806 t Roheisen aufwies.
Zur Erblasung von 250 t Roheisen sind erforderlich 750 t Erz nebst Zuschlag und
250 t Koks; d.h. es sind täglich 1000 t Beschickmaterial auf die Gicht zu
fördern.
Nach einem Vortrage von Dr.-Ing. Schrödter erfordert
der tägliche Bedarf einer Hochofenanlage von vier 250 t Oefen einen Eisenbahnzug
von 3,2 km Länge.
Von der Zufuhr des Materials wollen wir hier absehen und uns nur mit seiner
Beförderung von der Hüttensohle auf die Gicht beschäftigen.
Die Begichtung der Hochöfen geschah früher durchweg mittels senkrechter
Aufzüge, die ähnlich wie Fördermaschinen mit Dampf betrieben wurden. Die mit Erz
oder Kohle beladenen Förderwagen wurden durch den Aufzug auf die Gichtbühne
geschafft, wo sie von Arbeitern an den Aufgabetrichter gefahren und dort
entleert wurden. Hierzu waren und sind bei älteren Anlagen auch heute noch
natürlich eine Anzahl von Arbeitern auf der Gichtbühne nötig.
Textabbildung Bd. 323, S. 169
Fig. 44.Gicht eines Hochofens mit Schrägaufzug.
Um nun diese Bedienungsmannschaften auf ein Mindestmaß einzuschränken und um die
Leistung des Hochofens zu erhöhen, schritt man an einigen Stellen zur
maschinellen Fortbewegung der Fördergefäße auf der Gichtbühne. Ein Beispiel
hierfür bietet die Hochofenanlage der Röchligschen
Eisen- und Stahlwerke. (St. u. E. 1906, S. 322.)
Zwei Hochöfen sind in Gichthöhe durch eine Brücke miteinander verbunden. Zwischen
ihnen befinden sich zwei Vertikalaufzüge. Das Beschickmaterial wird in
zylindrischen Fördergefäßen mit konischem Boden, der sich beim Aufsetzen nach
unten öffnen kann (s. auch Fig. 47 und 48) mittels eines elektrischen Hüttenkranes zum
Aufzug geschafft, wobei die Hubbewegung durch Einziehen von Auslegern mittels
Gallscher Ketten bewirkt wird. Oben auf der
Gichtbrücke übernimmt eine elektrische Laufkatze das Fördergefäß vom Aufzug,
fährt mit ihm über die Gicht und entleert es dort in den Aufgabetrichter, die
Aufzüge machen je 125–140 Fahrten in 12 Stunden. Das Gewicht eines mit Erz
gefüllten Förderkübels beträgt 11 t.
In einigen Fällen, namentlich dort, wo die Lagerplätze des Materials vom Hochofen
weit entfernt liegen, und wo man eine Umladung vermeiden will, hat man auch zu
Seilbahnen gegriffen.
Fig. 43 stellt eine von Adolf Bleichert, Leipzig, erbaute Gichtseilbahn auf der Maximilianshütte in Unterwellenborn dar. Die auf
dem entlegenen Materiallagerplatz gefüllten Fördergefäße werden mittels
Seilbahn, die vor den Hochöfen in eine unter 30° gegen die Wagerechte
ansteigende Hängebahn übergeht, direkt bis über den Aufgabetrichter des
Hochofens geschafft, wo sie von Arbeitern umgekippt werden.
Durch das Vorhandensein von zwei getrennten Seilbahnen und die Verbindungsbrücke
zwischen den beiden Hochöfen ist eine Unterbrechung der Materialzufuhr
ausgeschlossen, da gegebenenfalls von einer Bahn beide Oefen bedient werden
können. Die Leistung der Förderanlage beträgt 70 t i. d. Stunde.
Bei den beschriebenen Anlagen mußte das Fördergut nach dem Heben auf die
Gichtbühne bis zum Aufgabetrichter noch eine Horizontalbewegung ausführen. Dies
kann von Hand oder auch maschinell bewirkt werden, immer sind aber hierfür mehr
oder weniger Arbeiter auf der Gichtbühne nötig.
Hier setzten nun die amerikanischen Hochofenleute ein, indem sie die
Bedienungsmannschaft auf der Gicht bis auf einen Beobachtungsposten, der noch
dazu ganz gut zwei Oefen bewachen kann, entbehrlich machten. Man ließ das
Fördergefäß, nicht mehr wie früher auf zwei Wegkomponenten an seinen
Bestimmungsort gelangen, sondern in Richtung der Resultierenden, d.h. man
gelangte zum Schrägaufzug mit rein automatischer Begichtung.s. D. p. J. 1906, S. 609. Das
Fördergefäß wird hierbei auf einer in der Regel unter 67° gegen die Wagerechte
geneigten Bahn bis über den Aufgabetrichter geführt, wo es selbsttätig umkippt
und seinen Inhalt in jenen hineinschüttet; dann ebenfalls selbsttätig
zurückkippt und seinen Rückweg antritt.
Textabbildung Bd. 323, S. 169
Fig. 45.Schrägaufzug der Brown Hoisting Co. in Cleveland.
Einen solchen amerikanischen Schrägaufzug der Brown Hoisting
Co. in Cleveland, Ohio, stellen Fig. 44
und 45 dar. Fig.
44 zeigt den oberen Teil mit der Gicht. Der Schienenstrang des
Aufzuges verzweigt sich oben in zwei Kurvenstränge, von denen der obere eine
größere Spurweite als der untere besitzt. Die Vorderräder des Kübelwagens werden
über der Gicht durch die aufgebogene untere Schiene festgehalten, während die
Hinterräder, die hierfür breitere Laufflächen besitzen, durch den Seilzug auf
den oberen Kurvenstrang gezogen werden. Der Kübel kippt dabei vornüber; sein
Inhalt fällt in den Schüttrumpf und von dort in den Aufgabetrichter. Durch
Nachlassen des Seiles kippt der Kübel wieder zurück und fährt abwärts. Damit das
Material nun gleichmäßig in dem Trichter verteilt wird, wird dieser nach jeder
Kübelentleerung um ein Stück gedreht. Dieses Drehen wird selbsttätig von der
oberen Leitrolle durch Zahnräder und Wellen bewirkt; eine Sperrkupplung hält den
Trichter bis nach der nächsten Kübelentleerung fest. Das Oeffnen und Schließen
des Verschlußkegels geschieht durch den in Fig.
44 sichtbaren Preßluftzylinder, der von dem Maschinenhaus auf der
Hüttensohle aus gesteuert wird.
Obgleich Schrägaufzüge gegenüber der älteren Begichtungsmethode einen großen
Fortschritt bedeuten, so haben sie doch auch ihre Schattenseiten. In einem
Vortrag vor der American Institution of Mining
Engineers gab David Baker (Stahl und Eisen
1904) an, daß der Koksverbrauch für 1 t Roheisen bei selbsttätiger Begichtung
gestiegen ist. Er führt dies auf den sehr großen Abrieb bei dem zuweilen sechs
bis siebenmaligen Umladen von den Koksöfen zur Gicht zurück, wodurch der Koks
entwertet werde.
Ferner hätten sich infolge der ungleichmäßigen Verteilung des Materials bei der
Begichtung Störungen im Ofengang bemerkbar gemacht. Beim Umkippen der Kübelwagen
fällt das feinere Material in der Nähe der Kippkante herunter, während das
gröbere nach der gegenüberliegenden Seite rutscht.
Der Entwertung des Koks infolge öfteren Umladens hat man durch zweckmäßige
Transportvorrichtungen, der ungleichen Materialverteilung im Aufgabetrichter
durch dessen Drehbarkeit begegnet.
Die Schrägaufzüge haben auch in Deutschland in immer steigendem Maße Verwendung
gefunden; neue Hochöfen erhalten heutzutage in der Regel selbsttätige Begichtung
mittels Schrägaufzüge.
Textabbildung Bd. 323, S. 170
Fig. 46.Gichtbühne eines Hochofens mit Schrägaufzug, elektrischer
Gichtglockenwinde und elektrischem Trichterdrehwerk.
Fig. 46 seilt den oberen Teil eines neueren
Schrägaufzuges der Benrather Maschinenfabrik für
die Henrichshütte in Hattingen dar. Der
Aufgabetrichter ist ebenfalls drehbar; das Drehen wird hier indes durch einen
Elektromotor bewirkt. (Im Bilde unter dem Drehpunkt des Balanziers.) Ebenso wird
die Gichtglockenwinde elektrisch betrieben. Zum Ausbau der schweren
Verschlußteile ist über der Gicht ein elektrischer 15 t-Laufkran angeordnet.
Abgesehen von der Komplikation, die durch die Drehbarkeit des Trichters
entsteht, muß die große Sturzhöhe beim Kippen der Fördergefäße wie bei den
obigen Schrägaufzügen als ein Uebelstand empfunden werden.
(Fortsetzung folgt.)