Titel: | Der Laufwiderstand beim Radfahren. |
Autor: | Otto Schaefer |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 186 |
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Der Laufwiderstand beim Radfahren.
Von Dr.-Ing. Otto Schaefer.
Der Laufwiderstand beim Radfahren.
Die zur Fortbewegung eines Fahrzeuges erforderliche Leistung ist das Produkt aus
Geschwindigkeit V und Zugkraft Z. Bei den auf Rädern fahrenden Landfahrzeugen dient diese Zugkraft zur
Ueberwindung der Steigung, des Luftwiderstandes und des Reibungswiderstandes, welch
letzterer wieder aus rollender und gleitender Reibung zusammengesetzt ist. Nachdem
die Annahme, daß für ein bestimmtes Fahrzeug die Zugkraft für alle Geschwindigkeiten
gleich sei, sich als falsch erwiesen hatte, war das einfachste Gesetz, welches man
aufstellen konnte, das der Proportionalität der Zugkraft mit der Geschwindigkeit.
Versuche von Mac Neill, Rumford und Morin haben in der Tat gezeigt, daß dieses Gesetz, wenn
auch nur annähernd richtig war.
Der Luftwiderstand, welcher proportional dem Quadrate der Geschwindigkeit zu setzen
ist, kam bei den untersuchten älteren Fahrzeugen, welche verhältnismäßig große
Reibung besaßen und sich mit geringer Geschwindigkeit bewegten, nur wenig zur
Geltung. Dagegen werden wir heute gerade da großen Einfluß des Luftwiderstandes zu
erwarten haben, wo entweder die Geschwindigkeit sehr groß ist, z.B. bei Eisenbahnen,
oder wo die Reibung ungewöhnlich gering ist, wie bei Fahrrädern.
Beim Fahrrad bildet der Mensch nicht nur die Nutzlast, sondern er dient zugleich als
Antriebsmaschine und gerade dieser Umstand hat recht interessante Untersuchungen
veranlaßt, nämlich die von F. v. Rziha in der
Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins 1894, S. 505
veröffentlichten „Versuche über die Arbeitsleistungen beim Radfahren“. Neben
Betrachtungen über die große Ueberlastungsfähigkeit des Menschen bei kurzer Dauer
der Leistung und Vergleichen zwischen den Leistungen an verschiedenen Maschinen bringt Rziha auch Ergebnisse von Auslaufversuchen, die er mit
Fahrrädern angestellt hat. Gegen Auslaufversuche ist aber geltend zu machen, daß der
Pedaldruck und der Kettenzug wegfallen und daher die Reibung im Tretkurbellager und
der Kette geringer wird als bei normaler Fahrt; man wird also einen zu geringen
Widerstand herausrechnen. Außerdem entsteht eine Ungenauigkeit dadurch, daß man ein
Fahrrad nicht bis zum Stillstand auslaufen lassen kann, da selbst der geschickteste
Fahrer vorher ins Schwanken gerät.
Textabbildung Bd. 323, S. 187
Fig. 1.
Das sicherste Mittel, um den Laufwiderstand zu bestimmen, ist eine Vorrichtung,
welche gestattet, die von Menschen an das Rad abgegebenen Kräfte da zu messen, wo
sie übertragen werden; also zwischen Fuß und Pedal. Auf Grund dieser Ueberlegung
habe ich folgende Meßvorrichtung konstruiert (Fig.
1): Der Fuß ruht auf der Platte a, an der die
nach unten gehenden Druckstangen b befestigt sind.
Diese Stangen drücken auf das bewegliche Querstück c,
in dem das untere Ende der Meßfeder d sitzt. Die
Stangen b sind zum Zweck der Führung nach unten
verlängert und durchdringen ein festes Querstück e. Die
obere Befestigung der Meßfeder ist in der Figur nicht sichtbar. An der Platte a sitzen zwei Arme f, die
einen Schreibstift g tragen, der durch eine leichte
Feder gegen die Schreibtrommel gedrückt wird, sobald der Stift i eine kleine Arretierung ausgelöst hat. Die Achse des
Pedals ist verlängert zu einem spiralig gewundenen Draht k, der wie eine Schnecke in das Schneckenrad, in eine Verzahnung der
Bordscheibe der Trommel eingreift. Die Trommel bleibt sich selbst parallel, die
Pedalachse dagegen dreht sich bei einer Kurbelumdrehung einmal um sich selbst. Es
findet also tatsächlich eine relative Bewegung zwischen Draht und Trommel statt, und
zwar wird bei einer Kurbelumdrehung die Trommel um einen Zahn weiterbewegt.
Die Entfernung des Schreibstiftes von der Nullinie ist bei der beschriebenen
Anordnung gleich der Verlängerung der Feder, welche ihrerseits proportional der
Kraft ist. Der Proportionalitätsfaktor (Federmaßstab) wurde bestimmt, indem die
Feder durch Gewichte belastet wurde, die auf der Platte ruhten, und gleichzeitig der
Ausschlag des Schreibstiftes gemessen wurde. Die vom Schreibstift aufgezeichnete
Kurve kann also, im passenden Maßstabe gemessen, als Kurve der Kräfte betrachtet
werden. Fig. 2 zeigt die beiden vom rechten und
linken Pedal herrührenden Kurven übereinander gezeichnet. Die Kräfte haben einen im
Verlauf einer Umdrehung zweimal von Null bis zu einem Maximum veränderlichen
Hebelarm. Multipliziert man jede Kraft mit ihrem zugehörigen Hebelarm, und trägt die
so erhaltenen Werte als Ordinaten übet dem Kurbelweg als Abszisse auf, so erhält man
eine Darstellung der Drehmomente (Fig. 3). Das
hieraus bestimmte mittlere Drehmoment der Kurbel, auf das Hinterrad reduziert und
durch dessen Halbmesser dividiert, ergibt eine gewisse Umfangskraft. Addiert man nun
die von den beiden Pedalen herrührenden mittleren Umfangskräfte, so hat man die zur
Fortbewegung erforderliche Kraft, oder, was dasselbe sagt, den Fahrwiderstand für
die Geschwindigkeit, bei der die Kurve (Fig. 2)
aufgenommen wurde.
Textabbildung Bd. 323, S. 187
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 323, S. 187
Fig. 3.
Die Gewinnung dieser Kurven und die Messung der Geschwindigkeit geschah in folgender
Weise: Die Trommel wurde mit einem Papierstreifen bespannt und so aufgesteckt, daß
der Stift i fast den ganzen Umfang zurücklegen mußte,
ehe er die Arretierung auslöste. Hierdurch war es möglich, das Rad zu besteigen und
in volle Fahrt zu bringen, ehe die Aufzeichnung der Fahrt begann. Durch richtige
Wahl des Abfahrtpunktes ließ es sich erreichen, daß der Schreibstift zu schreiben
begonnen hatte, kurz bevor die Maßstrecke von 100 m Länge erreicht war. Bei Einfahrt
in diese wurde eine Stoppuhr eingerückt, am Schluß ausgerückt, um nachher aus Weg
und Zeit die Geschwindigkeit bestimmen zu können. Die geringste Geschwindigkeit
betrug etwa 6 km/Std., da bei noch langsamerer Fahrt die Lenkung sehr schwierig
wird, wie jedem Radfahrer bekannt ist. Die obere Grenze von 30 km/Std. war bedingt
durch die körperliche Leistungsfähigkeit des Fahrers. Durch die zwischen diesen
Grenzen liegenden Versuche ergab sich eine Abhängigkeit des Fahrwiderstandes von der
Geschwindigkeit, wie sie Fig. 4 wiedergibt. Die
Kurve geht nicht durch den Nullpunkt; vielmehr kann man sich den Widerstand in Teile
zerlegt denken, von denen der erste unabhängig von der Geschwindigkeit ist. Wenn man
die Kurve rückwärts bis zur Abszissenachse verlängert, so kann man dort diesen Teil
des Widerstandes (etwa 0,6 kg) ohne weiteres ablesen. Wäre die Kurve nur bis 20
km/Std. bekannt, so würde man als zweiten Teil des Widerstandes jedenfalls nur einen solchen
einführen, der proportional der Geschwindigkeit ist. Der weitere Verlauf der Kurve
zeigt jedoch, daß der Widerstand mit einer höheren Potenz der Geschwindigkeit
steigt, wahrscheinlich mit der zweiten, daß man also noch einen dritten Teil des
Widerstandes annehmen muß. Auf Grund dieser Ueberlegungen ist die Kurve durch eine
Formel wiedergegeben worden.
Z = 0,64 + 0,0256 v + 0,0017 v2.
Daraus, daß diese Formel ein Glied enthält, das ebenso wie der
Luftwiderstand mit der zweiten Potenz der Geschwindigkeit steigt, darf man nicht
etwa schließen, daß dieses Glied den Luftwiderstand genau angibt. Es wäre z.B. sehr
wohl denkbar, daß die Lagerreibung mit einer Potenz der Geschwindigkeit steigt, die
zwischen der ersten und zweiten liegt. Dieser Beitrag wäre dann annähernd ersetzt
durch Teile, von denen willkürlich angenommen ist, daß sie mit der ersten und
zweiten Potenz der Geschwindigkeit steigen.
Textabbildung Bd. 323, S. 188
Fig. 4.
Aus der Widerstandskurve (Fig. 4) erhält man durch
Multiplikation mit der Geschwindigkeit die Leistungskurve (Fig. 5). Man sieht aus dieser Kurve, daß ein Radfahrer bei einer
Geschwindigkeit von 18 km/Std. etwa 1/7 PS leistet was der Dauerleistung eines Arbeiters
annähernd gleich kommt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Versuche bei
Windstille, auf ebener Strecke und vorzüglicher Bahn gemacht sind, daß ein
Radfahrer, der dauernd 18 km in jeder Stunde zurücklegt, also jedenfalls einen
höheren durchschnittlichen Widerstand findet. Bei höherer Geschwindigkeit wächst die
Leistung außerordentlich rasch und beträgt bei 30 km/Std. bereits 3/7 PS.
Textabbildung Bd. 323, S. 188
Fig. 5.
Zwei andere Ergebnisse, welche bei diesen Versuchen nebenher gefunden wurden, mögen
noch erwähnt werden. Erstens erhöht schlechte Schmierung der Kette und der
Kugellager den Fahrwiderstand nur ganz wenig, zweitens wurde festgestellt, daß der
Luftdruck in den Reifen von recht großem Einfluß war und zwar in der Weise, daß der
Widerstand bei sehr schlaffen Reifen ganz außerordentlich groß war, bis zu einer
gewissen mittleren Pressung beträchtlich, dann aber nur noch wenig abnahm.
Rzihas Versuche haben einen geringeren Widerstand
ergeben, wie nach dem oben Gesagten auch zu erwarten war und sind außerdem nicht bis
zu so hohen Geschwindigkeiten ausgedehnt worden, daß der Luftwiderstand sich stark
bemerklich gemacht hätte.
Die Veröffentlichung dieser Versuche verfolgte weniger den Zweck, ein Problem zu
lösen, als vielmehr solche anzuschneiden und zur Lösung anzuregen. Vor allen Dingen
wäre hier zu nennen die Ermittlung der einzelnen Widerstände: Luftwiderstand, Lager-
und Kettenreibung und rollende Reibung der Gummireifen getrennt voneinander, ferner
der Vergleich zwischen Rädern mit Kettenantrieb und kettenlosen, Vergleich
verschieden starker Luftreifen, Einfluß der Luftpressung in den Reifen und Vergleich
verschiedenartiger Straßenpflasterung.