Titel: | Stoßbeanspruchungen und das Maß der Schlagfestigkeit (\frakfamily{M}). |
Autor: | E. Rasch, J. Stamer |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 277 |
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Stoßbeanspruchungen und das Maß der
Schlagfestigkeit (\frakfamily{M}).
(Mitteilung aus dem Kgl.
Materialprüfungsamt zu Groß-Lichterfelde
W.)
Von E. Rasch und J.
Stamer.
(Schluß von S. 262 d. Bd.)
Stoßbeanspruchungen und das Maß der Schlagfestigkeit
(\frakfamily{M}).
Prüfung der abgeleiteten Beziehungen durch
Versuchsergebnisse.
Die gemeinhin übliche schaubildliche Darstellung der Stauchkurven und deren Verlauf
wird durch Fig. 2 veranschaulicht. Die
Gesamtschlagarbeiten 31 sind als Abszissen verzeichnet, die Ordinaten stellen die
Höhe des Versuchszylinders nach der Stauchung in v. H. der ursprünglichen Höhe
dar.
Soll die von uns abgeleitete Beziehung Gültigkeit haben, so muß A als Funktion der Hilfsvariablen
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon} aufgetragen eine Gerade
ergeben, deren Neigung dann tg α = M ist. Dies ist nun augenscheinlich der Fall, wie durch
die in Tab. 1–10 und die zugehörigen Schaubilder (Fig.
3–13) dargestellten Versuche hinreichend dargetan wird, die sich auf
verschiedenartige Metalle erstrecken. Die Zahlen sind älteren im Amte ausgeführten
Versuchen entnommen. Bezüglich der Versuchseinzelheiten wird auf die Arbeit von
A. Martens (1891) verwiesen.
Textabbildung Bd. 323, S. 277
Fig. 2.
Auf eine Auffälligkeit dürfen wir nicht vermeiden aufmerksam zu machen. Wie
unsere Beziehung verlangt ist A eine lineare Funktion
von \frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}, d.h. es handelt sich –
abgesehen von Fig. 4 – um gerade Linien. Diese gehen
jedoch nicht immer streng, wie es die Theorie verlangt, durch den
Koordinatennullpunkt, obwohl für die Arbeit A = 0 auch
die Stauchung ε = 0 sein muß.
Textabbildung Bd. 323, S. 278
Fig. 3.Stangenkupfer. (Tab. 1.)
Tabelle 6.
Material: Reinnickel, roher Guß.
A = ∑a
a = 10
mkg/ccm
a = 20 mkg/ccm
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
\frakfamily{M}=\frakfamily{A}\,\frac{1-\varepsilon}{\varepsilon}
\frakfamily{M}_0=\frac{\Delta\,\frakfamily{A}}{\Delta\,\left(\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}\right)}
M0 im Mittelkg/qmm
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
\frakfamily{M}=\frakfamily{A}\,\frac{1-\varepsilon}{\varepsilon}
\frakfamily{M}_0=\frac{\Delta\,\frakfamily{A}}{\Delta\,\left(\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}\right)}
M0 im Mittelkg/qmm
1020304050607080
0,2920,4990,6860,8751,0831,2381,4161,631
34,340,143,845,746,248,449,549,1
48,453,553,048,164,556,246,6
52,9
0,4990,8981,3081,726
40,144,645,946,4
50,148,847,8
48,9
Tabelle 7.
Material: Werkzeugstahl. Zylinder
von 2,5 cm Höhe und Durchmesser.
Einzelschlagarbeit: a = 10
mkg/ccm.
∑a = A
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
\frakfamily{M}=\frakfamily{A}\,\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
\frakfamily{M}=\frac{\Delta\,\frakfamily{A}}{\Delta\,\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}}
M = tg αkg/qmm
Einzel-werte
Mittelkg/qmm
10 20 30 40 50 60 70 80 90100
0,06730,12240,17930,23160,28370,33680,39260,44510,50150,5552
149164167173176178178180179180
–182176191192188179193179185
183
186
Wir sind geneigt, dieses auf kleine Ungenauigkeiten bei Bearbeitung der Endflächen
der Probezylinder und bei deren Ausmessung zurückzuführen. Daß es sich hier
nicht um eine systematische, physikalisch begründete Abweichung von der
angegebenen Beziehung handelt, erhellt aus der Tatsache, daß die Geraden zuweilen
die x-Achse (s. Fig. 5,
6, 8 und 9), zuweilen aber auch die y-Achse schneiden (s. Fig. 7 und 11). Hierdurch wäre auch die naheliegende Annahme
nicht begründet, daß zur Ueberwindung des elastischen Zustandes bei Beginn des
Versuchs eine gewisse Zusatzarbeit Ae erforderlich wäre, denn die Versuche (Fig. 5, 6, 8 und 9) sagen aus,
daß für die Arbeit O bereits eine gewisse endliche,
wenn auch kleine Zusammendrückung vorhanden sein solle, oder anders ausgesprochen,
daß die Stauchungen beim ersten Schlage zu groß gemessen werden.
Textabbildung Bd. 323, S. 278
Fig. 4.Eisen. (Tab. 2)
Man geht vielleicht nicht fehl in der Annahme, daß die Stauchzylinder die Werkstatt
selten mit völlig planparallelen sondern zumeist mit
balligen oder konkaven Endflächen verlassen werden, die in die Höhenmessungen
eingehen und eine zu große Deformation vortäuschen, wenn nach dem ersten Schlage die
Endflächen eben geworden sind.
Textabbildung Bd. 323, S. 278
Fig. 5.Lagermetall. (Tab. 3).
Diese Erklärung würde es auch verständlich machen, daß man die in der Ballistik zur
Messung des Gasdruckes in Geschützen verwendeten Kupferstauchzylinder
(„crusher“) vor dem Gebrauch „vordrückt“, ein Verfahren, das
allgemein geübt und verlangt wird. Eine triftige Begründung hierfür konnte den Verf.
nicht angegeben werden.
Von Interesse ist das Verhalten der in Tab. 8 Fig.
10 behandelten Manganbronze.
Die Schlagfestigkeit M steigt bei allen drei
untersuchten Materialien (A, B, C) im Verlauf der
ersten Schläge an, um sodann abzusinken. Diese Erscheinung findet ihre Deutung durch
die Bemerkung der Versuchsprotokolle, daß bei den Proben – es handelte sich um ein
hart gezogenes Material – feine Oberflächenanrisse im Verlauf des Versuchs zu Tage
traten.
Textabbildung Bd. 323, S. 279
Fig. 6.Flußeisen. Walzbleck. (Tab. 4.)
Textabbildung Bd. 323, S. 279
Fig. 8.Reinnickel. (Tab. 6.)
Beachtlich ist es, daß in dem betrachteten Falle für alle drei, verschiedenen
Ziehstadien entsprechenden Probesorten A, B und C das Verhältnis
\frac{\frakfamily{M}}{\sigma_B} übereinstimmend = 1,16
ist.
Für Hartblei (s. Tab. 5, Fig. 7) liegt
\frac{\frakfamily{M}}{\sigma_B} zwischen 1,67 bis 1,79.
Für Lagermetall (Fig. 5, Tab. 3) war M = 20,2 kg/qmm. Die Druckfestigkeit σB = 10,8 kg/qmm.
Hieraus ergibt sich für das letztgenannte Material
\frac{\frakfamily{M}}{\sigma_B}=1,87.
Textabbildung Bd. 323, S. 279
Fig. 7.Hartblei. (Tab. 5)
In Tab. 4 (Fig. 6) sei ein Fall nicht vorenthalten,
in dem die abgeleitete Beziehung anscheinend nicht erfüllt zu sein scheint. Alle
drei Kurven I, II und III
weichen merklich von geraden Linien ab.
Hierzu ist zu bemerken, daß es sich um Walzblech handelt, ein Material, das in der
Walzrichtung eine ausgesprochene Faserrichtung besitzt, somit nicht die
Voraussetzung unserer Ableitung erfüllt, daß die Dehnbarkeit in allen drei
Koordinaten gleich groß sein soll (Isotropie).
Wie Kick u.a. bemerkt haben, bewirken wuchtige Schläge
größere Stauchungen als es derselben Schlagarbeit bei
Anwendung geringerer Fallhöhen entspricht.
Diese Erfahrung spricht sich ziffernmäßig beispielsweise in Tab. 9 (Nickeleisen, Rudeloff) dadurch aus, daß die spezifische
Schlagfestigkeit M mit der Anwendung größerer
Einzelschlagarbeiten abnimmt.
Textabbildung Bd. 323, S. 279
Fig. 9.Werkzeugstahl. (Tab. 7)
Ob diese Aussage in ihrer Allgemeinheit zutrifft, muß vor der Hand dahingestellt
bleiben.
Wie nämlich eine Versuchsreihe Fig. 12 (Tab. 10) an
Kupfer- und Messingzylindern erweist, wächst mit steigender
Deformationsgeschwindigkeit o die spezifische
Schlagfestigkeit M von einem Anfangswert an. Dieses ist
durch
Tabelle 8.
Zusammenhang zwischen Schlagfestigkeit M
und Zugfestigkeit σB.
Material: Manganbronze, Zylinder von
20 mm Durchm. und 40 mm Höhe.
SchlagNo.
Ziehstadium A
Ziehstadium B
Ziehstadium C
∑a = A
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
\frakfamily{M}=\frakfamily{A}\,\frac{1-\varepsilon}{\varepsilon}
∑a = A
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
\frakfamily{M}=\frakfamily{A}\,\frac{1-\varepsilon}{\varepsilon}
∑a = A
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
\frakfamily{M}=\frakfamily{A}\,\frac{1-\varepsilon}{\varepsilon}
1
9,21
0,169
54,5
9,12
0,1575
57,9
9,33
0,1554
60,0
2
18,42
0,323
57,0
18,24
0,305
59,8
18,66
0,3064
61,0
3
27,63
0,480
57,6
27,36
0,458
59,7
27,99
0,460
60,9
4
36,84
0,639
57,7
36,48
0,614
60,0
37,32
0,623
59,9
5
46,05
0,806
57,1
45,60
0,778
58,7
46,65
0,795
58,7
6
55,26
0,984
56,2
54,72
0,948
57,7
55,98
0,997
56,2
Schlagfestigkeit(nach dem 1. Schlag berechnet) M1 = 54,5
kg/qmmZugfestigkeit σB = 47,95 kg/qmmDehnung beim Bruch δ = 26,9 v. H.Verhältnis
\frac{\frakfamily{M}}{\sigma_B}=1,14
M1 = 57,9 kg/qmmσB = 49,35 kg/qmmδ = 24,1 v.
H.\frac{\frakfamily{M}_1}{\sigma_B}=1,17
M1 = 60,0 kg/qmmσ = 51,45 kg/qmmδ = 20,05 v.
H.\frac{\frakfamily{M}_1}{\sigma_B}=1,17
die vorher erwähnte Bemerkung erklärt, daß
\frakfamily{M} gemeinhin größer ist als die spezifische
Festigkeit beim statischen Druckversuch (v = 0).
Beachtlich ist es jedoch, daß die Schlagfestigkeit bis zu einem ausgeprägten Maximum
anwächst und sodann mit steigendem v stetig kleiner
wird.
Dieses Maximum liegt beim Stangenkupfer den vorliegenden Versuchen gemäß bei v = 3,7 m/Sek., für Messing bei der
Aufschlaggeschwindigkeit v = 4,0 m/Sek.Wir lassen vor der Hand die Frage offen, in wie
weit diese Erscheinung durch die konstruktiven Einzelheiten jeweilig bei der
Prüfung angewendeten Fallwerkes, insbesondere durch das Massenverhältnis
zwischen Fallbär und Chabotte bezw. Resonanzerscheinungen zwischen diesen
bedingt ist.
Diese Frage hat insofern eine außerordentliche Bedeutung, als man in der Ballistik
und ebenso in der theoretischen Physik (bei Bestimmung
der spezifischen Wärme bei hohen Temperaturen) den bei Explosionsvorgängen
auftretenden Gasdruck durch die Stauchungen von Kupferzylindern mißt, die man zwecks
Anschluß an die absolute Druckskala durch statische
Belastungen aicht.
Textabbildung Bd. 323, S. 280
Fig. 10.Manganbronze. (Tab. 8.)
Textabbildung Bd. 323, S. 280
Fig. 11.Nickeleisen. (Tab. 9.)
Textabbildung Bd. 323, S. 280
Fig. 12.Auftreffgeschwindigkeit. (Tab. 10.)
Wie aus Obigem bereits erhellt, können diese Ziffern ohne weiteres nicht
Anspruch darauf erheben, Druckangaben in absolutem Maße darzustellen oder als solche
theoretische Folgerungen zu gestatten.
Tabelle 9.
Abhängigkeit der Schlagfestigkeit M
von der Größe der Einzelschlagarbeit.
Material: Nickeleisen.
SpezifischeSchlagarbeitαmkg/ccm
SchlagNo.
Ni = 2,05 v.
H.
Ni = 15,60 v.
H.
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
Mkg/qmm
M im
Mittelkg/qmm
\frac{\varepsilon}{1-\varepsilon}
Mkg/qmm
M im
Mittelkg/qmm
5
2 4 6 81015
0,1780,3440,5200,7130,8691,310
56,258,257,856,257,557,3
57,2
0,0340,0750,1120,1540,1950,271
294267268260256277
270
10
2 4 6 8
0,3430,6921,0831,457
58,457,855,454,9
56,6
0,1110,2150,3110,409
180186193196
189
20
1 2 3 4
0,3650,7691,1501,585
54,952,152,250,5
52,4
0,1290,2610,3950,539
155153152148
152
Tabelle 10.
Einfluß der Deformationsgeschwindigkeit v auf die Schlagfestigkeit M.
Material
Fallhöhefm
Auftreff-geschwin-digkeitvm/Sek.
Schlagfestig-keitMkg/qmm
Bemerkungen
Stangen-kupferMitt. 91Tab. 3
0,030,060,120,250,501,001,501,502,003,00
0,7671,0851,5342,2153,1324,4295,4255,4256,2647,672
12,9814,6117,5321,2624,5025,0024,0924,0923,1521,14
Die Werte M sinderrechnet aus denFormänderungendes ersten
Schlages
Walz-messingMitt.
91Tab. 2
0,4330,5650,8481,1321,695
2,913,334,075,095,76
47,2649,0150,1648,3347,68
Probeform: Zylin-der von 15 mmHöhe und
15 mmDurchmesser
Tabelle 11.
Zahlenwerte für die Schlagfestigkeit
M.
Material
Einzel-Schlagarbeitmkg/ccm
Schlag-festigkeitMkg/qmm
Werkzeugstahl
10
186
Nickeleisen 2,05 v. H. Ni
51020
57,256,652,4
Eisen 0,05 v. H. Ni
5
54,4
Reinnickel (roher Guß)
1020
52,948,9
Stangenkupfer
10,65
25,4
Manganbronze A „ B „ C
9,21 9,12 9,33
54,557,960,0
Lagermetall
0,25
20,2
Hartblei (Würfel)
0,25 1,25 2,50
9,86 9,19 9,30
Die Frage über den Einfluß der Geschwindigkeit v
auf die Deformationsgleichung ist z. Z. Gegenstand eingehender Untersuchung im Kgl.
Materialprüfungsamt; wir behalten uns vor über den Gegenstand in erschöpfenderer
Weise in den „Mitteilungen des Kgl. Materialprüfungsamtes“ zu berichten.