Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. |
Autor: | Oscar Koch |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 362 |
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Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Von Oscar Koch,
Groß-Lichterfelde West.
(Fortsetzung von S. 349 d. Bd.)
Der heutige Stand der Motorfahrräder.
d) Kombinierte
Fahrzeuge.
Vorstehende Motorzweiräder lassen sich, sofern sie 3 PS und darüber haben, mit
einem Beiwagen verbinden. Die Lenkung, gleichviel ob der Wagen vor oder neben
dem Motorrad angebracht war. hatte stets der auf letzterem Sitzende zu
übernehmen (s. D. p. J. 1906, 321, S. 349 Fig.
60–64), bis die Anhaltische Fahrzeugwerkstätte in
Dessau die Lenkstange am Motorrad fortnahm und die Lenkvorrichtung in Form eines
Steuerrades in den Seitenwagen verlegte (D. p. J. 1906, 321, S. 350 Fig. 65 und 66).
Diese Anordnung hatte zur Folge, daß nun das Motorrad lediglich treibendes
Mittel war und die Fahrer staubfreien Platz einnahmen.
Von diesem Standpunkt ausgehend, baut jetzt auch Alfred
Behr in Coethen (Anh.) seinen Hinterspannwagen (Fig. 40). Die beiden Fahrer sitzen bequem in der
Karosserie und werden, da die Sitze hoch genug angebracht sind, wenig durch
Staub belästigt.
Textabbildung Bd. 323, S. 362
Fig. 40.Motorzweirad mit Hinterspannwagen von Behr.
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Fig. 41.Coronamobil der Corona Fahradwerke und
Metallindustrie-A.-G.
Das Wagengestell ruht auf Federn und wird mit dem Motorrad nach Abnahme dessen
Hinterrades fest und doch leicht lösbar verbunden. An Stelle des Hinterrades
tritt ein Vorgelege, oder, wenn Doppelübersetzung vorgesehen, der
Getriebekasten. Die Hinterachse des Beiwagens ist mit Differentialgetriebe und
Reibungskupplung versehen. Der Motor gibt seine Kraft mittels Riemen auf das
Vorgelege ab, von hier aus wird sie durch Kette auf die Hinterräder des Wagens
weiter übertragen.
Beim Ingangsetzen wird die Kupplung ausgerückt und festgestellt, hierauf der
Motor angedreht. Die Lenkstange wird durch Steuerrad betätigt.
Die Motorenfabrik „Magnet“ in
Berlin-Weißensee, wendet die alte Anordnung des Seitenwagens wieder an. Neu ist,
daß auch hier das Gefährt vom Wagen aus gelenkt wird, und zwar durch
einen Hebel, der mit der Lenkstange fest verbunden ist.
Das Motorzweirad ist dasselbe, wie es schon Fig. 45 (D. p. J.
1906, 321, S. 328 zeigt. Das Wechselgetriebe, das
dort in unmittelbarer Verbindung mit der Reibungskupplung arbeitet, ist jetzt in
ein Doppel-Uebersetzungs-Wechselgetriebe umgewandelt worden. Der Eingriff bei
der großen Uebersetzung ist ein unmittelbarer. Die Kupplung sowie die
Doppelübersetzung werden durch einen gemeinsamen Hebel betätigt. (Näheres
hierüber siehe später.)
So bequem auch derartig zusammengestellte Fahrzeuge aussehen, haben sie doch vor
allem die Nachteile, daß bei Anwendung des Hinterspannwagens das Fahrzeug
reichlich lang wird, während bei Anwendung des Seitenwagens stets die Gefahr
vorhanden ist, daß sich der Fahrradrahmen infolge der einseitigen Belastung
verzieht.
Besserung bringen die Corona Fahrradwerke und
Metallindustrie A.-G. in Brandenburg a. H. dadurch, daß sie bei ihrem
„Coronamobil“ den Rahmen des
Hinterspannwagens unverrückbar fest mit demjenigen des Fahrrades vereinen. Wie
aus Fig. 41 ersichtlich, kommen hier nicht nur
Lenkstange und Sattel, sondern auch die Hinterradgabel in Fortfall, so daß der
Wagenkasten bis dicht an das sonst gebräuchliche Tretkurbellager reicht. Die
Lenkung des Fahrzeuges erfolgt durch Steuerrad, dessen Bewegungen mittels Cardan-Welle, die vom Sattelstützrohr zum
Steuerkopf führt, auf die Vorderradgabel übertragen werden. Das Rad selbst ist
nach Fig. 33 D. p. J. 1906, 321, S. 297,
abgefedert.
Der 3 ½ PS-Magnet-Motor (s. später) hat
Handankurbelung; seine Riemenscheibe ist als Ventilator ausgebildet (s. D. p. J.
1906, 321, S. 492 Fig. 152).
Die Kraftübertragung des Motors erfolgt zunächst mittels Keilriemen auf eine
Vorgelegewelle, die, wie oben beim „Magnet“-Motorzweirad erwähnt, ein Wechselgetriebe mit zwei
Geschwindigkeiten und Leerlauf trägt. Von hier aus geschieht der Antrieb des
Fahrzeuges nun durch Kette auf die mit Differentialgetriebe versehene
Hinterradachse. Zum Anhalten dienen zwei kräftige Bremsen.
Dieser Wagen bietet Platz für zwei Personen und wiegt etwa 225 kg.
IV. Abfederung.
Um bei den bisher gezeigten Zweirädern das Fahren auf schlechten Wegen angenehmer zu
machen, kann die Vorderradgabel federnd angeordnet werden. Abfederung der
Hinterradgabel hat sich nicht eingebürgert; es ist bei dem Versuch der Adler Fahrradwerke (s. D. p. J. 1906, 321, S. 297 Fig. 28) geblieben, und so sucht man jetzt
die Stöße am Hinterrad entweder durch das Rad selbst oder durch besondere
Sattelstützkonstruktionen abzufangen.
Textabbildung Bd. 323, S. 363
Fig. 42.Vorderradabfederung.
Textabbildung Bd. 323, S. 363
Fig. 43.Vorderradabfederung von Peugeot Frères.
Zur Ergänzung der federnden Gabeln (D. p. J. 1906, 321, S.
297) sollen die folgenden dienen Fig. 42 stellt eine
Anordnung dar, bei welcher an jede Gabelscheibe e ein
Winkelhebel a angelenkt ist, der bei c die Radnabe trägt.
Erhält ein derart gefedertes Rad durch Unebenheit der Fahrbahn einen Stoß, so
bewegt es sich nach oben, wobei die Hebel a um ihren
Drehpunkt ebenfalls nach oben schwingen, und dabei die Federn f spannen. Um unsanftes Zurückschnellen der Federn f bezw. der Winkelhebel a
zu verhindern, sind an letzteren Federn g angeordnet,
die beim Hochgehen des Rades, also beim Spannen der Federn f, entlastet und umgekehrt, wenn die Federn f
den Winkelhebel a in Ruhestellung zurückziehen,
gespannt werden.
Ebenso sitzt auch in Fig. 25 S. 332 bei Peugeot Frères in Valentigney die Vorderradachse a (Fig. 43) an zwei
zweiarmigen Hebeln b. Letztere tragen an ihren Enden
zwei Sätze Spiralfedern, die in Büchsen c
eingeschlossen, und an den Gabelscheiden d aufgehängt
sind.
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Fig. 44.Vorderradabfederung der Akt.-Ges. vorm Seidel &
Naumann.
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Fig. 45 u. 46. Vorderradabfeuerung der Fabrique Nationale.
Die in D. p. J. 1906, 321, S. 297 Fig. 29 schon erwähnte
Abfederung zeigt Fig. 44 im Schnitt. Sie wird außer
von den dort genannten Firmen jetzt auch von der Akt.-Ges.
vorm. Seidel & Naumann in Dresden
benutzt.
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Fig. 47.Vorderradabfederung der Wanderer Fahrradwerke.
Wie ersichtlich, vereinen sich die Gabelscheiden in den Büchsen a, durch die je ein Bolzend hindurchgeführt ist,
welcher die Radachse c trägt. Trifft das Rad gegen ein
Hindernis, so drängen sich die Bolzen b unter
Zusammendrücken der Federn f nach oben und entlasten
die Federn g, die beim Abwärtsgehen der Bolzen b und somit des Rades dämpfend auf die Federn f einwirken.
Die Vorrichtung, mit der die Fabrique Nationale ihre
Motorräder nach Fig. 26 S. 333 abfedert, besteht in
einer sogen. Hilfsgabel, deren Stangen a (Fig. 45)
sich teleskopartig in die Rohre b, die bei c das Vorderrad tragen, hineinschieben lassen.
Durch Gelenkstücke d und e
ist diese Hilfsgabel mit der Hauptgabel f verbunden, so
daß sie in senkrechter Richtung schwingen kann. Als Stoßfänger dient Feder g (Fig. 46), die sich
gegen Mutter h der Stange a stützt.
Um zu starkes Zurückschnellen von Feder g bezw. des
Vorderrades zu verhindern, ist die zweite Feder f
vorgesehen, die sich einerseits gegen Mutter i, andererseits gegen die den oberen
Abschluß des Rohres b bildende Kappe k stützt, die gleichzeitig der Stange a als Führung dient.
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Fig. 48.Vorderradabfederung der Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G.
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Fig. 49.Vorderradabfederung von Steinhaus.
Zwischen beiden Muttern h und i befindet sich der Lederring m, der sich mit
seinen Wandungen dicht an Rohr b anlegt und so im
Verein mit den beiden Muttern einen Kolben bildet, der auf das Spiel der Federn
dadurch dämpfend einwirkt, daß er beim Hochgehen die Luft im oberen Teil des Rohres
b zusammenpreßt, wobei sie langsam nach dem
unterhalb des Kolbens liegenden Teil des Rohres b
strömt, um beim Abwärtsgehen des Kolbens hier zusammengepreßt zu werden.
Aehnlich dieser Federgabel ist diejenige der Wanderer
Fahrradwerke (Fig. 47). Der Unterschied
besteht lediglich darin, daß sich die Federung nicht in den Scheiden, sondern im
Schaft derselben befindet. Fig. 48 zeigt die
Abfederung, welche die Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G.
bei ihren leichten Motorfahrrädern nach Fig. 20 S.
330 anwenden; sie dürfte ohne weiteres verständlich sein.
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Fig. 50.Englische Vorderradabfederung.
Bei der Vorrichtung von G. Steinhaus in Ruhrort (Fig. 49 ist der Hebel e
an den Gabelscheiden a bei b drehbar gelagert. An seinem anderen Ende nimmt er bei c das Vorderrad auf, während er in der Mitte den Bügel
d trägt, der das Rad umgreift, so daß die an beiden
Gabelscheiden angelenkten Hebel e ein Stück bilden. Zum
Auffangen der Stöße ist zwischen a und d die Feder f
vorgesehen.
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Fig. 51.Vorderradabfederung der Motorenfabrik Magnet.
Wie ich schon in meinem letzten Berichte (D. p. J. 1906, 321, Fig. 51. S. 296) erwähnt habe, hat
man, um Bruche zu vermeiden, die Gabel verstärkt, dieses aber wieder fallen lassen,
da sie zu unelastisch war. Eine englische Erfindung nimmt sie wieder auf, versieht
sie aber mit Federvorrichtung. Nach Fig. 50 ist
mit den Gabelscheiden a je eine Versteifungsstrebe b durch Querstücke c und
d verbunden, in denen sich die Führungshülsen für
den Bolzen e, der in seiner Mitte bei f das Rad trägt, befinden. Auf beide Enden des Bolzens
e sind Spiralfedern aufgeschoben, von denen die
obere stärkere h zum unmittelbaren Abfangen der Stöße
dient, während die untere schwächere g den Rückstoß der
oberen Feder dämpft.
Eigenartig ist, wie die Motorenfabrik „Magnet“
ihre Motorzweiräder abfedert. Die Vorderradachse a
(Fig. 51) sitzt an den Hebeln b, von denen an jeder Seite des Rades einer im Bock c bei d drehbar gelagert
ist. Der Bock selbst ist an den Gabelscheiden e
befestigt und trägt für jeden Hebel b eine Flachfeder
h, die in den Hebeln gleiten kann.
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Fig. 52.Hinterradabfederung von Graichen.
Trifft nun das Vorderrad gegen ein Hindernis, so schwingt es unter Spannung der
Federn h nach oben und macht so den Stoß
unschädlich.
Um auch bei eventl. Bruch der Federn h noch fahren zu
können, ist an den Hebeln b je ein Puffer f vorgesehen, der dann am Bock c bei g zur Anlage kommt.
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Fig. 53.Hinterradabfederung der Wanderer Fahrradweike.
Die oben erwähnte Schwierigkeit der Hinterradabfederung ist darin zu suchen, daß das
Rad durch das Federspiel hin- und hergehende Bewegungen macht, wobei dann der
Treibriemen bald zu locker, bald zu straff gespannt ist. K
Graichen in Pegau in Sachsen umgeht die Hinterradabfederung durch
seine Sattelstütze (Fig. 52), deren Tragvorrichtung
für den Sattel durch kräftige Verbindungsstücke mit zwei zwischen Leisten geführten
und geschlitzten Schienen im Zusammenhang steht. Am unteren Ende der Schienen ist je
eine kräftige Spiralfeder befestigt.
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Fig. 54.Federnde Lenkstange von Graichen.
Erhält das Hinterrad einen Stoß, so kann der belastete Sattel infolge der
Federbefestigung durchfedern. Die Schienen verschieben sich dabei in ihren Führungen
nach unten, die Federn ausspannend.
Für leichte Motorräder dürfte sich die Sattelstütze (Fig.
53) der Wanderer Fahrradwerke gut eignen. Die
Federung besteht unter Abänderung des Sattelgestelles aus einem auf dem oberen
Rahmenrohr angebrachten Scharnier sowie zwei Doppelfedern, die auf dem seitlich am
Sattelstützrohr angeordneten Bolzen gelagert sind.
Um Stöße, die trotz der Radabfederung immer noch auf die Lenkstange etwas einwirken,
unschädlich zu machen, dient Graichens
Lenkstangenkonstruktion (Fig. 54). Die Stöße, die
das Vorderrad treffen, wirken auf das im Gabelschaft befestigte, unter Federwirkung
stehende Gelenkparallelogramm ein. Da die Lenkstange an letzterem und nicht im
Gabelschaft sitzt, so sind Uebertragungen der Erschütterungen auf die Arme des
Fahrers unmöglich. Die Konstruktion ist so getroffen, daß der Fahrer beim Drehen der
Lenkstange diese wie bisher fest in der Hand hat, so daß dabei das ganze System
einen starren Eindruck macht.
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Fig. 55.Vorderabfederung System Hüttel.
Für schwerere, dreiräderige Fahrzeuge eignet sich besonders die Vorderradabfederung
nach System Hüttel, welche die Neue Kraftfahrzeug-Gesellschaft m. b. H. in Berlin an ihren Phänomobilen
anbringt. Wie aus Fig. 55 ersichtlich, ist das
Vorderrad an einem Hebel gelagert, der an der Radgabel drehbar angebracht ist. Auf
diesen Hebel wirken zwei kräftige Federn ein und fangen so die Stöße und Rückstöße
auf. Um bei der Federung die Antriebskette stets in derselben Spannung zu erhalten,
läuft sie über zwei Kettenräder, die sich den Auf- und Abwärtsbewegungen des
Vorderrades entsprechend mitbewegen.
(Fortsetzung folgt.)