Titel: | Amerikanische und englische Dampfschaufeln. |
Autor: | Curt Vogt, Jos. Maienthau |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 374 |
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Amerikanische und englische
Dampfschaufeln.
Von Dipl.-Ing. Curt Vogt und Dipl.-Ing. Jos.
Maienthau in Lincoln.
Amerikanische und englische Dampfschaufeln.
In den letzten 60 Jahren hat sich in allen Kulturländern das Netz der
Verkehrswege in ungeahnter Weise ausgedehnt; jährlich vermehren sich die
Eisenbahnlinien der verschiedenen Länder um tausende von Kilometern, während
neuerdings der Ausbau von Binnen- und Schiffskanälen an Bedeutung besonders in
Deutschland zugenommen hat. Mit dieser großartigen Entwicklung der Verkehrsadern
geht Hand in Hand die Entwicklung der Dampfbagger, deren wirtschaftliche Bedeutung
seit dem Steigen der Arbeitslöhne wesentlich zugenommen hat.
Die Trockenbagger zerfallen im allgemeinen in:
1. Eimer-Kettenbagger,
2. Dampfschaufeln.
Die Eimer-Kettenbagger eignen sich nur für Arbeiten in sehr weichem Boden und nur für
Arbeiten unter besonders günstigen Bedingungen. Diese Kettenbagger, die schon seit
längerer Zeit auf dem Kontinent bekannt sind, wurden in letzterer Zeit vielfach
durch die Dampfschaufeln verdrängt, da dieselben den Vorzug haben, in jeder Bodenart
und unter allen Arbeitsbedingungen verwendbar zu sein, während sie, was Leistung
anbetrifft, den Kettenbaggern gleichkommen. Außerdem bietet die Dampfschaufel den
Vorteil als Verlademaschine für Massengüter Verwendung finden zu können.
Das Mutterland der Dampfschaufeln ist Amerika, dem bald England, das schon frühzeitig
unter hohen Arbeitslöhnen litt, in der Verwendung dieser Apparate folgte, und in
letzter Zeit hat sich der Gebrauch von Dampfschaufeln auch auf dem Kontinente
eingebürgert.
Die Dampfschaufeln werden nach zwei voneinander verschiedenen Systemen gebaut und
zwar:
A. mit feststehender Grundplatte, bei denen der Ausleger eine
Gesamtschwingung von 180° ausführen kann,
B. mit Drehscheibengrundplatte, bei denen der Ausleger
zusammen mit der Grundplatte nach dem System der Drehscheibe sich um 360°
drehen kann.
Beide Systeme haben sich gut bewährt und werden nebeneinander verwendet. Die Wahl des
Systems hängt von den örtlichen Verhältnissen ab, z.B. von der Breite des
Einschnittes, ob derselbe ein Aufstellen der zu füllenden Waggons neben oder nur
hinter dem Excavator gestattet. Aus konstruktiven Gründen mußte man bei den
amerikanischen Riesenmodellen das Drehscheibensystem aufgeben.
Beiliegende Skizze illustriert die verschiedenen Arbeitsweisen der Dampfschaufeln und
empfiehlt es sich, wo angängig das in Fig. 1 dargestellte
Schema zu wählen. Bei demselben sind zwei Transportgeleise für die Waggons
vorgesehen, die in geeigneter Entfernung von dem Hauptgleise abzweigen. Auf dem
Hauptgleise stehen die leeren Wagen und werden dieselben durch Pferde an die
Maschine herangebracht und nach Füllung an die bereits vorhergefüllten Waggons zur
Formierung eines Zuges rangiert.
Bei dieser Anordnung wird keine Zeit durch Warten auf Waggons verloren; da außerdem
der Ausleger jeweilig nur um 90° zu schwingen hat, so wird bei diesem System die
größtmöglichste Leistung erzielt und ist dasselbe, wenn irgend möglich,
anzuwenden.
Ist nur ein Seitenabschnitt auszuführen, so empfiehlt sich die in Fig. 2 dargestellte
Anordnung, wobei der ganze Zug auf einem Gleise aufgestellt und nach Füllung eines
Waggons soweit vorgerückt wird, daß der nächste Waggon gefüllt werden kann.
Ist ein sehr enger Einschnitt auszuführen, wie z.B. bei eingleisigen Bahnen, so
empfiehlt sich das Drehscheibensystem, bei welchem die zu füllenden Wagons hinter
der Schaufel aufgestellt werden (Fig. 3). Nach Füllung
werden dieselben einzeln durch Pferd auf ein Nebengleise zu einem Zuge rangiert.
Durch die jemalige Schwingung um 180° wird selbstverständlich Zeit verloren und ist deshalb
diese Arbeitsweise nur wo unbedingt erforderlich anzuwenden.
Soll ein sehr breiter Ausschnitt wie z.B. bei Kanälen ausgeführt werden, so können
mehrere Exkavatoren Seite an Seite arbeiten. Gewöhnlich arbeiten die Exkavatoren mit
einem Einschnitte von 6–7 m Tiefe, soll ein tieferer Einschnitt ausgeführt werden,
so empfiehlt sich das Etagensystem.
Bei fast allen Konstruktionen ist die Verwendung von Dampfkraft zum Antriebe der
Schaufeln zugrunde gelegt worden, und ist nahezu in allen Fällen die zur Verwendung
kommende Dampfmaschine nach dem Zwillingssystem, d.h. mit zwei Hochdruckzylindern
gebaut, da sich dieses System infolge seiner Eigenschaft des leichten Anlaufens in
jeder Kurbelstellung besonders zum Antriebe von Exkavatoren eignet. Bei den
kleineren und mittleren Modellen genügt die Anwendung einer resp. von zwei
Dampfmaschinen, die die drei Bewegungen des Hebens des Eimers, des Schwenken des
Auslegers, sowie das Vorstoßen des Eimers ausführen. Bei den großen Modellen
verwendet man drei Dampfmaschinen, die getrennt voneinander die drei oben genannten
Operationen ausführen.
Textabbildung Bd. 323, S. 375
a Kohlen, b Wasser, c Dampfschaufel.
Auch Elektromotore werden zum Antriebe von Exkavatoren verwendet und haben dieselben
gute Resultate ergeben.
Die Leistungsfähigkeit wird natürlicherweise in erster Linie von der Größe der
Dampfschaufel bedingt. Es werden Dampfschaufeln von 200 bis 4000 cbm täglicher
Leistung gebaut. Mit der Größe der Dampfschaufel variiert der Rauminhalt des Eimers,
der der Leistung angepaßt sein muß; der Rauminhalt variiert von ½ bis 4 cbm.
Andererseits ist die Leistungsfähigkeit abhängig von dem auszuschaltenden Material,
von der Geschicklichkeit der Bedienungsmannschaft und nicht wesentlich von der
Anordnung des Waggondienstes, wie oben bereits erwähnt.
Für eine mittlere Größe von Dampfschaufel beträgt die tägliche Leistung:
In gesprengtem Felsmaterial
150 cbm
in durch Stein durchsetztem Ton
300–450 cbm
in Lehm
550–600 „
in loser Erde
600–800 „
in Sand
1000–1200 „
Die Anzahl der Wagen, die hierzu notwendig sind, beträgt ungefähr 30–45, und
zwar von einem Rauminhalt von 3–5 cbm. Diese Wagen werden in drei Zügen rangiert und
sollte der Dienst so angeordnet sein, daß ein leerer Zug bei der Dampfschaufel ist,
der zweite an der Abladestelle, während sich der dritte auf dem Wege zu der
Dampfschaufel befindet, so daß keine Zeit durch Warten auf zu füllende Waggons
verloren geht.
Das Anwendungsgebiet der Dampfschaufel ist ein sehr bedeutendes und erstreckt sich
dasselbe auf: Einschnitte für Eisenbahnbauten, Kanalbauten, Mienenbetrieb mit
Tagbau, Abtragen der oberen Erdschichten bei Erz- oder Kohlenlagern, zum
Ausschachten von Ton in Lehmgruben, Ausschachten von Kalk für Zementfabriken, Bau
von Stauwerken, Wasserreservoirs und Klärbecken, Ausschachten von Kies, Sand und
Gerolle, Laden von Kohle oder anderen Massengütern vom Haufen.
Die Betriebskosten variieren naturgemäß bedeutend in den einzelnen Ländern, je nach
dem Preis der Arbeitskräfte und der Kohle; in jedem Falle stellen sich jedoch die
Betriebskosten bedeutend geringer als der Handbetrieb, und zwar betragen in
einzelnen Fällen die Kosten des Betriebes mit der Dampfschaufel nur ⅕ der Kosten für
Handbetrieb. In England und Amerika wurde dieser Vorzug der Dampfschaufel schon
frühzeitig erkannt, und wäre z.B. der Bau des Panamakanals zumal unter
Berücksichtigung der dortigen klimatischen Verhältnisse unmöglich gewesen ohne
Benutzung von Dampf schaufeln. Bei dem Bau des Manchester Schiffskanals wurden 70
Exkavatoren einer einzigen Firma (Ruston, Proctor &
Co, Ltd. Lincoln, England) verwendet. Nach uns
vorliegenden Berichten der betreffenden Betriebsverwaltung stellten sich die
Unkosten wie folgt:
a) Verzinsung einer Abschreibung von 20 v. H.
der Kaufsumme von M. 24000 für 250 Arbeitstage M. 4800,
gleich f. d. Tag.
M. 19,–
b) Betriebslöhne:
––––––––––––––––––
Maschinist
M. 6,–
Eimerwärter
„ 5,–
Heizer
„ 4,–
4 Arbeiter à M. 3,50
„ 14,–
2 Pferde u. 2 Knechte
„ 20,–
––––––––––––––––––
M. 49,–
c) Kosten der Betriebsmaterialien:
½ t Kohle
M. 7,–
Oel usw
„ 3,–
M. 10,–
––––––––––––––––––
Gesamtkosten f. d. Arbeitstag von 10 Stunden
M. 78,–.
Demnach kostet das Ausschachten inkl. Verladen bei einer Tagesleistung in schwerem
Material von 600 cbm f. d. Tag für 1 cbm 8 Pfennige.
Bemerken möchten wir hierzu noch, daß nach den Berichten des Oberingenieurs die
Dampfschaufeln zeitweise Tagesleistungen ä 10 Stunden bis zu 1500 cbm
erreichten.
Dampfschaufeln werden in Amerika von der Marion Steam Shovel
Company Ohio, von der Toledo Foundry & Machine Co. Toledo, Ohio, the Bucyrus Company, Milwaukee,
the Thew Automatic Shovel Company, Lorain, Ohio, the Vulcan Iron Works Company,
Toledo, Ohio, gebaut. In England beschäftigen sich mit der Konstruktion von
Dampfschaufeln Ruston, Proctor & Co. Ltd., Lincoln, John H. Wilson & Co. Birkenhead (Liverpool), Whittacker Brothers, Leeds, während neuerdings der Bau von Dampfschaufeln
in Deutschland von Menck & Hambrock Hamburg aufgenommen wurde.
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Fig. 4.
Die Bucyrus Company baut Dampfschaufeln (Fig. 4) von folgenden Konstruktionsgewichten: 12, 35,
45, 55, 65, 75, 85 und 95 t. In Gebrauch sind hauptsächlich in Amerika die Größen
55–85 t. Die Dampfschaufeln sind sämtlich für Normalspurweile gebaut und haben am
vorderen Ende zwei Arme mit Stellschrauben zum Aufnehmen des Gewichtes der Schaufel
bei der Arbeit. Alle Modelle dieser Firma haben feststehende Grundplatte. Das
Fahrgestell ist ganz aus Stahl konstruiert und infolge der geringen Breite besonders
lang gehalten, z.B. beträgt die Länge desselben für die 95 t Schaufel 12,8 m.
Sämtliche Schaufeln haben liegende Kessel und zwar Lokomotiv-Röhrenkessel. Die
Dampfmaschinen sind wagerecht angeordnet und hat die 12 und 35 t Schaufel nur eine
einzige Maschine zum Ausführen der drei Bewegungen,
die 45 t hat eine Zwillingsmaschine zum Schwenken und Heben der Last, und eine
Einzylindermaschine zum Vorstoßen des Eimers. Die größeren Modelle haben zwei
Zwillingsmaschinen, von denen eine den Eimer hebt, während die andere den Ausleger
schwenkt; eine Einzylindermaschine ändert den Hub des Eimers. Die Dimensionen der
Hauptzwillingsmaschinen, Eimer, Breite des Einschnitts sind für die einzelnen Größen
wie folgt:
Zwillingsmaschine
Eimer Inhalt
Breite d. Einschnitt
t
Durchm.mm
Hubmm
cbm
m
12
127
203
0,4
9,75
35
203
254
1,15
14,6
45
203
305
1,35-1,5
15,25
55
254
305
1,5–1,9
15,25
65
254
356
1,9–2,25
15,85
75
305
381
2,25–2,65
16,45
85
305
406
2,65–3,05
16,45
95
356
406
3,8
16,45
Bemerkenswert ist ferner, daß diese Gesellschaft wie fast alle Amerikaner Ketten zum
Heben des Eimers verwendet. Ein Vorteil des Kettenantriebes ist, daß man mit
kleinerem Trommeldurchmesser auskommt als beim Seilbetrieb; hierzu kommt noch, daß
beim Reißen der Kette dieselbe durch Einsetzen einzelner Glieder leicht repariert
werden kann, während das Seil durch ein neues ersetzt werden müßte. Hingegen
arbeitet das Seil geräuschloser und hat den Vorzug leichteren Gewichts bei gleicher
Tragfähigkeit. Der Ausleger sowohl als der Eimerarm sind ganz aus Stahl gearbeitet.
Besonders erwähnenswert ist die gefällige Konstruktion des Auslegers in A-Form.
Die Vorwärtsbewegung der Dampfschaufel geschieht selbsttätig durch Kettenübertragung
auf die Vorder- und Hinterräder.
Wie bereits oben erwähnt, haben alle Dampfschaufeln Normalspur und
Eisenbahnuntergestell, so daß sie bei Bedarf als Eisenbahnwagen im Zug transportiert
werden können. Trotzdem dieser Vorteil gegenüber den europäischen Konstruktionen
nicht zu unterschätzen ist, wäre dies auf unsere Verhältnisse nicht anwendbar, da
hier zu Lande kaum eine Eisenbahngesellschaft sich dazu hergeben würde, eine
Dampfschaufel in ihren Zügen als Wagen mitlaufen zu lassen.
Die übrigen amerikanischen Konstruktionen sind analog der obenbeschriebenen
gebaut.
Die Viktoria-Schaufel der Toledo Foundry and Machine Co.
hat ein in Gitterwerk ausgeführten Ausleger und das Schwenkwerk befindet sich im
Gegensatz zu allen anderen uns bekannten Konstruktionen oben statt unten.
Die Hauptabmessungen der Viktoria-Schaufel, die in sechs verschiedenen Größen
konstruiert werden, geben wir in nachstehender Tabelle:
Konstruktions-gewichtt
Zylinder derHauptdampfmaschine
Kubikinhaltdes
Eimerscbm
Leistung f.
d.zehnstündigenArbeitstagcbm
Durchm.mm
Kolbenhubmm
80
305
305
2,25
1900–3000
70
254
305
1,9
1500–2600
55
216
305
1,5
1150–2200
45
216
254
1,15
750–1500
30
203
203
0,76
380– 750
18
175
178
0,57
230– 380
Die vier größten Modelle sind auf Eisenbahnuntergestell gebaut, während die beiden
kleineren Modelle auf breiten Fahrrädern gesetzt sind, die das Fahren auf Straßen
gestatten.
Die Thew Automatic Shovel Company ist die einzige
amerikanische Firma, die Dampfschaufeln nach dem Drehscheibensystem baut (Fig. 5). Außerdem baut dieselbe die größeren
Exkavatoren nach dem System der freistehenden Grundplatte. Bemerkenswert ist an
dieser Schaufel der Vorschub des Eimers, der nach besonders patentiertem Verfahren
so eingerichtet ist, daß derselbe vollständig wagerecht erfolgt. Außerdem bietet
diese Schaufel den Vorteil, daß der Aufhängepunkt des Eimerarms so nahe wie möglich
an das Drehzentrum der Schaufel herangerückt ist, wodurch das Kippmoment möglichst
klein ausfällt. Der Ausleger wird vollständig entlastet und kann infolgedessen
möglichst leicht gehalten werden.
Textabbildung Bd. 323, S. 377
Fig. 5.
Der Antrieb bei der 32 t-Schaufel dieser Konstruktion erfolgt durch drei
Zwillingsmaschinen, von denen zwei auf der Grundplatte und eine auf dem
Vorschubmechanismus angebracht ist. Die Dimensionen dieser kleinen Maschine sind in
nachstehender Tabelle enthalten:
Der Dampfkessel ist ein senkrechter Röhrenkessel für 5–7 at Dampfdruck.
Gewichtt
Dampfmaschinen
Vorschubmaschinemm
Eimerinhaltcbm
Leistung f. 10 Stundencbm
Hauptmaschinemm
Schwenkmaschinemm
11 ½
Zwilling 127 × 152
Friktionskupp.
1 Zyl. 102 × 127
0,38
114–190
20
„ 178 × 203
„
Friktionskupp
0,57–0,75
300–450
25
„ 178 × 203
„
1 Zyl. 127 × 152
0,75–1,14
300–450
30
„ 203 × 229
1 Zyl. 178 × 203
1 Zyl. 127 × 152
0,75–1,14
450–760
Außer diesem Typ baut die letztgenannte Firma noch Dampfschaufeln mit feststehender
Grundplatte in der Größe von 45, 65 und 85 t Konstruktionsgewicht, die nichts Neues
gegenüber den bereits erwähnten Konstruktionen bieten.
(Schluß folgt.)