Titel: | Amerikanische und englische Dampfschaufeln. |
Autor: | Curt Vogt, Jos. Maienthau |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 388 |
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Amerikanische und englische
Dampfschaufeln.
Von Dipl.-Ing. Curt Vogt und Dipl.-Ing. Jos.
Maienthau in Lincoln.
(Schluß von S. 377 d. Bd.)
Amerikanische und englische Dampfschaufeln.
Zum Schlusse wollen wir noch eine Neuanordnung bei der Atlantic Dampfschaufel
erwähnen.
Bei allen bisher beschriebenen amerikanischen Dampfschaufeln ist die
Hauptdampfmaschine, die das Aufwinden der Last besorgt auf der Grundplatte gelagert.
Die Atlantic Co. hingegen plaziert die Hauptmaschine
auf die drehbare Plattform des Auslegers (Fig. 6).
Diese Anordnung gewährt den Vorteil, daß die Kettenführung eine einfache wird,
besonders wenn gleichzeitig mit dem Heben der Last ein Schwenken des Auslegers
verbunden ist, sie hat den Nachteil, daß das Kippmoment vergrößert wird.
Wir haben eingehend eine Beschreibung der amerikanischen Dampfschaufeln gegeben, da
dieselben in vieler Hinsicht viel Interessantes bieten, hingegen sind dieselben
lediglich für amerikanische Verhältnisse konstruiert und eignen sich diese
Riesenmaschinen nicht für unsere europäischen Verhältnisse.
Wie bereits im Vorgehenden erwähnt, haben in England seit einer Reihe von Jahren sich
drei Firmen dem Bau von Dampfschaufeln gewidmet und geben wir untenstehend eine
Beschreibung der hauptsächlich interessierenden Punkte.
Die größte der englischen Firmen, die Dampfschaufeln baut und deren Fabrikate am
weitesten verbreitet sind, ist die Firma Ruston Proctor
& Co. Ltd. in Lincoln, England. Dieselbe baut
sowohl Dampfschaufeln mit feststehender Grundplatte als auch solche nach dem
Drehscheibensystem. Von der ersteren konstruiert sie zwei Größen, Nr. 8 und Nr. 10,
von 29 und 37 t Arbeitsgewicht. Die Schaufel selbst ist ganz aus Eisen und Stahl
hergestellt. Bemerkenswert an diesen Schaufeln ist der biegungsfeste Turm aus ⊤-Eisen und Stahlplatten hergestellt, sowie der aus
Gitterwerk konstruierte Ausleger (s. Fig. 7 und 8). Der erste Eindruck, den diese Exkavatoren
hervorrufen, ist der großer Festigkeit und sollen sich diese Dampfschaufeln
hervorragend, besonders in schwierigem Böden bewährt haben.
Die Grundplatte ist kürzer gehalten als bei den amerikanischen Schaufeln, dafür ist
sie aber bedeutend breiter gehalten. Sie ruht auf acht Rädern, und zwar vier auf jeder Achse, von
denen je zwei zur Vorwärtsbewegung dienen, während die beiden anderen Satz zur
Mitaufnahme der Last bei der Arbeit dienen sollen. Außerdem hat die Grundplatte noch
vier Arbeitsstützen mit Schrauben, die gleichfalls die Last bei der Arbeit
aufnehmen, so daß die ganze Schaufel außerordentlich stabil ist. Die
Vorwärtsbewegung geschieht auf Schienenrädern, und zwar beträgt die Spurweite etwa
1½ m; sie ist also der Stabilität Rechnung tragend, größer als die Normalspurweite
der Eisenbahn.
Textabbildung Bd. 323, S. 388
Fig. 6.
Beide Schaufeln sind nur mit je einer Zwillingsdampfmaschine ausgerüstet, die das
Heben der Last und das Schwenken des Auslegers besorgt und die außerdem zur
Vorwärtsbewegung des Exkavators durch Kettenübertragung auf die Radachsen dient. Die
Dampfmaschine ist senkrecht angeordnet, der Kessel ist ein stehender Kessel mit
Quersiederohren.
Das Heben der Last geschieht vermittels Kettenbetrieb, der Rauminhalt des Eimers
wechselt je nach dem auszuschachtenden Material. Der Eimer selbst ist aus Stahlblech
hergestellt, durch Querbänder versteift und mit vier Zähnen mit gehärteten Spitzen
versehen. Die Zähne sind angenietet und reichen bis auf den Boden des Eimers.
Untenstehende Tabelle gibt die Hauptdimensionen der Dampfschaufeln:
Die Dampfschaufeln können Einschnitte ausführen von einer Tiefe von 5 ½ bis 6 ½ m und
von einer Breite am Fuße des Einschnittes von 9 m und am oberen Ende von 16 m.
Außer diesen Dampfschaufeln mit feststehen der Grundplatte baut die Firma noch einen
Typ nach dem Drehscheibensystem von einem Arbeitsgewicht von 40 t. Bei diesem System
(s. Fig. 9) ist der biegungsfeste Turm fortgelassen,
und durch einen Ausleger in A-Form ersetzt.
Textabbildung Bd. 323, S. 388
Fig. 7.
Die Hauptdampfmaschine ist eine liegende Zwillingsmaschine, die das Drehen der
Drehbühne auf der Grundplatte sowie das Heben der Last und das Vorwärtsbewegen des
Exkavators besorgt. Zum Vorstoßen des Eimers dient ein dampfgesteuerter Mechanismus
im Ausleger. Der senkrechte Kessel ist mit Quersiederohren versehen, das
Wasserreservoir
Arbeits-gewichtt
Hauptabmessungender Dampfmaschine
Eimerinhaltcbm
Leistungfähigkeitf. d.
Arbeitstagvon 10 Stundencbm
Zyl.-Durchm.mm
Kolbenhubmm
29
178
280
0,75–1
450–500
37
196
305
1–1 ½
800–1000
ist zur Erhöhung der Stabilität an dem äußersten Punkt
der Drehscheibe angeordnet.
Das Heben der Last geschieht vermittels Stahlseile, die auf Bestellung durch Ketten
ersetzt werden können. Die Dampfschaufel kann Lasten bis 12 t heben und
transportieren und kann somit im Bedarfsfalle als Lokomotivkran verwendet
werden.
Textabbildung Bd. 323, S. 389
Fig. 8.
Bei beiden Modellen sind die einzelnen Hebel für den Maschinisten, der das Heben der
Last und das Schwenken des Auslegers zu besorgen hat, nahe beieinander angeordnet,
so daß der Betrieb sich möglichst einfach gestaltet.
Wie wir bereits in Vorstehendem sagten, sind nicht weniger als 70 Exkavatoren dieser
Firma bei dem Manchester Schiffskanal verwendet worden, und haben sich diese
Exkavatoren infolge ihrer überaus kräftigen Bauart in allem Material, selbst in ganz
hartem Kalk bewährt. Für unsere europäischen Verhältnisse sind sie sicher geeigneter
als die amerikanischen Riesenmodelle und sind dieselben daher auch bei allen
größeren Erdarbeiten, wie beim Bau der Moskauer Gürtelbahn, beim Bau der
Metropolitaine in Paris, beim Bau der Eisenbahn Bilbao-Santander, die durch ungemein
felsiges Terrain geführt wurde, beim Bau der Bahn in Neu Seeland usw. verwendet
worden. Auch im Minenbetrieb haben sich diese Exkavatoren bewährt und hatten wir
erst kürzlich Gelegenheit im Bergwerk Amormont drei Exkavatoren im Betriebe zu
sehen, mit deren Arbeiten der Betriebsleiter außerordentlich zufrieden war.
Textabbildung Bd. 323, S. 389
Fig. 9.
Neuerdings baut diese Firma noch einen leichten Typ einer Dampfschaufel, die auf
Straßenfahrrädern gesetzt ist, und so das Fahren auf Straßen ermöglicht (s. Fig. 10). Das Arbeitsgewicht derselben beträgt 16 t.
Diese neue Dampfschaufel ist mit feststehender Grundplatte gebaut; der biegungsfeste
Turm ist durch einen einfachen Ausleger aus Doppel-⊤-Trägern ersetzt, der mit der Grundplatte versteift ist. Die Grundplatte ist
gleichfalls aus Doppel-⊤-Trägern konstruiert. Die
Dampfschaufel hat nur eine wagerechte Zwillings-Dampfmaschine, die das Heben der
Last und das Schwingen des Auslegers besorgt. Der Kessel ist ein senkrechter Kessel
mit Quersiederohren. Ausgerüstet ist die Dampfschaufel mit einem Eimer von ½ cbm
Inhalt. Ihre Leistungsfähigkeit variiert von 170 bis 300 cbm f. d. 10 Stunden
Arbeitstag. Die Vorwärtsbewegung der Dampfschaufel erfolgt durch Kettenantrieb der
Dampfmaschine.
Die von den Firmen John M. Wilson & Co., Ltd. und Whittacker
Brothers Ltd. konstruierten Dampfschaufeln bieten wenig Neues und
Bemerkenswertes gegenüber den bereits ausführlich beschriebenen Dampfschaufeln der
Firma Ruston, Proctor & Co., Ltd. Sie sind beide als Drehscheiben-Schaufeln gebaut und beträgt ihr
Arbeitsgewicht etwa 40 t. Der Kessel der Wilson-Schaufel ist ein Schiffskessel, das Heben der Last und Schwenken des
Auslegers werden durch eine senkrechte Zwillings-Dampfmaschine ausgeführt von 203 mm
Zylinderdurchm. und 305 mm Kolbenbub. Ein Dampfzylinder ist am Baggerlöffel selbst
angebracht, der durch unmittelbaren Dampfdruck aus dem Kessel ein Vorschieben
desselben von etwa ½ m gestattet.
Endlich bauen Menck & Hambrock in Hamburg noch Dampfschaufeln nach dem Drehscheibensystem und
haben dieselben die Anwendung des überhitzten Dampfes eingeführt.
Textabbildung Bd. 323, S. 390
Fig. 10.
Wir hoffen mit vorstehendem Artikel bei unseren Lesern Interesse für diese neue Art
von Maschinen erweckt zu haben, die infolge ihrer vielseitigen Verwendbarkeit und
hohen Wirtschaftlichkeit, weitere Verbreitung verdient, als sie bisher genossen
hat.