Titel: | Die Erwärmung der Bremswerke bei Bremsseilbahnen. |
Autor: | Emil Klapper |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 502 |
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Die Erwärmung der Bremswerke bei
Bremsseilbahnen.
Von Dipl.-Ing. Emil Klapper,
Berlin.
Die Erwärmung der Bremswerke bei Bremsseilbahnen.
Die Förderbahnen mit dauernd umlaufendem Zugmittel:
Kettenbahnen, Kettenseilbahnen, insbesondere jedoch die Seilbahnen, und zwar letztere
sowohl als Standbahnen (Gleisseilbahnen) wie auch als Hängebahnen (Schwebebahnen,
sogen. Drahtseilbahnen, Luftbahnen) lassen sich einteilen in Antriebsbahnen und Bremsbahnen.
Bei den Antriebsbahnen muß zur Ueberwindung der Bewegungswiderstände auf der
Wagerechten, auf Steigungen und auf Neigungen, die kleiner als das Reibungsgefälle
sind, von außen dem Antriebsmechanismus Energie zugeführt werden, durch direkte
Kupplung mit einem Motor, durch Riemenübertragung und dergl.
Bei den Bremsbahnen ist dagegen die Summe der parallel zur Strecke wirkenden
Schwerkraftskomponenten der bergab gehenden Wagen größer als es die gesamten
Bewegungswiderstände erfordern, der Energieüberschuß müßte eine Beschleunigung des
Systems herbeiführen, sofern er nicht durch Bremsung eines geeigneten Getriebes in
die Energieform der Wärme übergeführt würde.
Während in den meisten Fällen die Standbahnen mit dauernd umlaufendem Zugseil
Antriebsbahnen darstellen, findet die Dauerbremsung eine besonders häufige und
wichtige Anwendung bei den Hängebahnen mit Zugseilantrieb, deren Fahrbahn ein
starkes Drahtseil ist, d. i. bei den sogen. Drahtseilbahnen, weil die
Drahtseilbahnen bei solchen Geländeverhältnissen Verwendung finden, wo Standbahnen
technisch oder wirtschaftlich unausführbar sind, also im Gebirge. Zumeist wird das
Fördergut auf der Höhe gewonnen und muß dauernd der in der Ebene gelegenen
Verarbeitungs- oder Umschlagsstelle zugeführt werden.
Eine der umfangreichsten Bremsbahnen dieser Art ist z.B. die aus den ausführlichen
Veröffentlichungen bekannt gewordene Anden-BahnZ. d.
V. d. I. 1906, S. 1769 u. f. der argentinischen Regierung, die
von Ad. Bleichert & Co. gebaut und für die Förderung von Kupfererz bestimmt ist. Die gesamte
Förderstrecke von rd. 35 km ist in acht Bremsstrecken zerlegt. Die eingebauten
Dampfmaschinen dienen auf den meisten dieser Strecken lediglich dazu, den Betrieb
einzuleiten und werden abgestellt, sobald der regelmäßige Kreislauf: Talfahrt der
beladenen, Bergfahrt der leeren Wagen eingetreten ist.
In Anbetracht der großen, zu Tal gehenden Nutzlasten und des Höhenunterschiedes
zwischen Anfang und Ende der Bahn sind die abzubremsenden Energiemengen und die
erzeugten Wärmemengen sehr bedeutend und es muß Sorge dafür getragen werden, daß in
solchen Fällen die Wärme an die Umgebung abgeführt wird, ohne daß eine das Gefüge
des Bremswerkes gefährdende Erhitzung eintritt.
Die Bremswerke haben, so verschieden auch ihre konstruktive Durchbildung sein mag,
gewisse gemeinsame Merkmale.
Damit nicht bei gebremster Scheibe das Seil in der Rille rutscht und den Erfolg der
Bremsung zum Teil hinfällig macht, wird das Seil über eine Hauptscheibe und eine
vorgelagerte Gegenscheibe in mehreren Windungen geführt, wobei, je nach der Bauart,
nur eine oder beide Scheiben eine Bremsung erfahren. Die Scheiben sind meist aus
Grauguß, die Bremsklötze aus Pappel- oder Erlenholz hergestellt, eiserne Bremsklötze
finden, im Gegensatz zu den Eisenbahnen, wegen des weichen Materials der
Bremsscheiben keine Verwendung. Die an und für sich mögliche Kühlung der Bremswerke
durch Wasser findet aus wirtschaftlichen Gründen keine Anwendung. Der wirksame
Winkel der Umschlingung muß, um Rutschen des Seiles zu verhüten, so groß sein, daß
nach bekannter Formel
\frac{P_1}{P_2}\,<\,e^{\mu\,\varphi},
wobei P1 den Zug im stärker belasteten (ablaufenden) Seilturm, P2 den Seilzug im
auflaufenden Seilturm, e die Basis des natürlichen
Logarithmus, φ den wirksamen Winkel und μ den Reibungskoeffizienten zwischen Seil und Scheibe
bezeichnet.
Der nachfolgenden Betrachtung sei ein Bremswerk nach dem Schema Fig. 1 zugrunde gelegt, wobei beide Scheiben durch
Klötze gebremst gedacht werden. Auf die Beschaffenheit des Gestänges kommt es für
vorliegende Betrachtungen nicht an.
Textabbildung Bd. 323, S. 502
Fig. 1.
Besitzt die Hauptscheibe n Rillen, so hat die
Gegenscheibe deren n – 1, jede Rille ergibt einen
wirksamen Winkel ∾ π der gesamte wirksame Winkel
ist
φ = π
(2 n – 1),
der Reibungskoeffizient für nasses und geschmiertes Seil auf
Gußeisen ist erfahrungsgemäß
μ = 0,1.
Das zulässige Seilzugsverhältnis
\frac{P_1}{P_2}=e^{(2\,n-1)\,0,1}
Abgesehen von den mechanischen Beanspruchungen unter dem Einfluß der Seilzüge, der
Fliehkraft und der Bremsdrücke kommen für die Bemessung des Bremswerkes noch in
Frage die schädlichen Einflüsse der durch die Bremsung erzeugten Wärme. Zunächst
liegt die Gefahr einer Verkohlung der hölzernen Bremsklötze vor, die eintreten
würde, sofern die Temperatur der Bremsscheibe sich dauernd auf einer Höhe von
180–200° befindet. Es muß weiterhin festgestellt werden, ob nicht schon bei einer
niedrigeren Temperatur infolge der Ausdehnung der Scheiben innere Spannungen
auftreten, welche die für den angewandten Baustoff zulässigen Werte
überschreiten.
Nachstehend soll eine Rechnungsweise entwickelt werden, die gestattet, folgende Fälle
zu untersuchen:
1. Bei vorhandener Ausführung eines Bremswerkes und bei einer durch Voraussetzung
oder Betriebsverhältnisse vorgeschriebenen Bremsdauer die dauernd ohne Gefahr
abzubremsende Energie zu bestimmen und zwar:
a) bei gegebener Seilgeschwindigkeit die zulässige
abzubremsende Umfangskraft an der Scheibe,
b) bei gegebenen Seilzügen die zulässige Höchstgeschwindigkeit
des Seiles.
2. Bei vorhandener Ausführung und durch die Betriebsverhältnisse gegebenen
Seilgeschwindigkeiten sowie Seilzügen zu bestimmen:
a) die Zeit, während welcher dauernde Bremsung stattfinden
darf,
b) die Dauer der Ruhepause und die Endtemperatur, des
Bremswerkes, wenn die Dauer der darauf folgenden Betriebsperiode gegeben
ist.
3. Bei den durch die Betriebsverhältnisse gegebenen Werten für Seilzüge,
Seilgeschwindigkeit, Betriebs- und Ruheperiode die Abmessungen des Bremswerkes zu
bestimmen.
Wenn die Möglichkeit vorläge, die zugeführte Wärme völlig gleichmäßig auf die gesamte
Masse der Bremsscheiben zu verteilen, etwa wie in einem Wasserbade, so würden sich
Bremskranz und Arme völlig gleichmäßig ausdehnen, innere Spannungen würden hierdurch
ebensowenig auftreten wie in einem kalten Bremswerke. (Von einer Berücksichtigung
der unberechenbaren Gußspannungen muß natürlich Abstand genommen werden.)
Die ausschließlich dem Bremskranze zugeführte Wärme strahlt z. T. von den durch
Bremsklötze nicht bedeckten Flächen aus, wird z. T. durch die Arme geleitet und
strahlt auch hier teilweise aus; die verbleibende Wärmemenge wird durch die Nabe,
den Rahmen des Bremswerkes und durch das Fundament an die Umgebung abgeführt. Diese
Annahme stellt den ungünstigsten Fall in Bezug auf die Spannungen dar, weil sie die
größten Temperaturdifferenzen zwischen Kranz und den übrigen Teilen ergibt. Es soll
daher angenommen werden, daß die Nabe die Temperatur der Umgebung besitzt. Zur
Vereinfachung sei der bei prismatischer Form der Arme wohl zutreffende Fall
vorausgesetzt, daß das Temperaturgefälle von der Höchsttemperatur des Kranzes bis
zur Lufttemperatur der Nabenmitte gleichmäßig verlaufe; des ferneren bleibe die
Strahlungsfläche der Nabe unberücksichtigt und zum Ausgleich sei der Einfachheit
halber der konstruktiv unmögliche Fall angenommen, daß die Arme bis zum Mittelpunkt
der Scheibe mit gleichem Querschnitt fortgesetzt seien. Die Temperatur des Kranzes
kann als gleichmäßig angesehen werden, der mittlere Radius des Bremskranzes vor Beginn
der Bremsung habe die Länge R, die dem Abstande der
Seilmitte von der Scheibenmitte entsprechen soll; die mittlere
Umfangsgeschwindigkeit des Bremskranzes entspricht somit der Seilgeschwindigkeit.
Die Höchsttemperatur des Bremskranzes werde mit Θ1 bezeichnet, sie findet sich im Abstande R von der Scheibenmitte; in einem Abstande r von Scheibenmitte habe sie zu dem gleichen Zeitpunkt
den Wert Θ.
Textabbildung Bd. 323, S. 503
Fig. 2 zeigt
die angenommene theoretische Gestalt eines Scheibensektors, Fig. 3 die Schaulinie
des Verlaufs der Temperatur längs eines Armes.
Für die Betrachtung ist allein maßgebend die Temperaturdifferenz zwischen Kranz und
Umgebung, es genügt daher die Temperatur der Luft, also auch der Scheibenmitte, mit
0° anzunehmen. Nach Abgabe der Schaulinie (Fig. 3) gilt dann für
einen Armquerschnitt im Abstande r von
Scheibenmitte
\Theta=r\,\cdot\,\frac{\Theta_1}{R}.
Bei Erwärmung von 0° auf Θ1 und ungehinderter Ausdehnung würde sich der Radius
des Kranzes verlängern auf
R' = R (1
+ α Θ1),
wobei α den
Wärmeausdehnungskoeffizient für Gußeisen und 1° Temperaturzunahme bedeutet.
Ein im Abstande r befindliches Stück des Armes von der
Länge d r würde sich bei ungehinderter Ausdehnung
verlängern auf
\begin{array}{rcl}d\,r'&=&d\,r\,(1+\alpha\,\Theta)\\
&=&d\,r\,\left(1+r\,\frac{\alpha\,\Theta_1}{R}\right).\end{array}
Die freie Länge des Armes wäre dann
\begin{array}{rcl}R''&=&\int_0^R\,d\,r'=\int_0^R\,d\,r+\alpha\,\frac{\Theta_1}{R}\,\int_0^R\,r\,d\,r\\
&=&R\,\left(1+\frac{\alpha\,\Theta_1}{2}\right).\end{array}
Die freie Ausdehnung wäre die gleiche, wenn der Arm gleichmäßig auf die halbe
Höchsttemperatur des Kranzes, also auf \frac{\Theta_1}{2} erwärmt
wäre. Die Differenz zwischen Temperatur des Kranzes und mittlerer Temperatur der
Arme ist somit \frac{\Theta_1}{2} und für die
Spannungsverhältnisse maßgebend.
Wenn angenommen wird, daß die Arme sich tatsächlich von R auf die länge R'' ausdehnen, so wird dem
Bestreben des Kranzes, sich derart auszudehnen, daß der Radius die Länge R' annimmt, Widerstand geleistet, der Kranz erleidet
eine relative Zusammendrückung von dem Umfange 2 π R'
auf 2 π R''. Umgekehrt würden bei ungehinderter
Ausdehnung des Kranzes auf den Umfang 2 π R' die Arme
eine relative Zugbeanspruchung erfahren, die sie von R'' auf R' ausdehnt. Es wird sich zwischen
diesen beiden Extremen ein Gleichgewichtszustand einstellen, bei dem sowohl
Druckspannung im Kranze wie Zugspannung in den Armen herrscht. Zur möglichsten
Ausnutzung des Baustoffes ist es nun erwünscht, daß gleichzeitig bei Erreichung der
maximal zulässigen Druckspannung im Kranze die maximal zulässige Zugspannung in den
Armen eintritt. Die Spannungen wachsen während der Betriebsperiode von 0 bis zum
Maximum; als zulässig sind daher, wie im Maschinenbau üblich, zuzulassen
max. Zugspannung
kz = 100
kg/qcm
max. Druckspannung
k = 600 „
Damit dieses Verhältnis gewahrt wird, ergibt sich als konstruktive Maßregel, daß die
Summe der Armquerschnitte ungefähr ein sechsfaches des
Kranzquerschnittes sein soll. Es wird dann der tatsächliche Radius des
Kranzes sein
R''' = 1 ⅙ R'' = ⅚ R'
wobei R'' und R' die bereits bestimmten Werte besitzen.
(Schluß folgt.)