Titel: | Welchen Schutz genießen technische Zeichnungen? |
Autor: | F. Riechers, Jul. Küster |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 541 |
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Welchen Schutz genießen technische
Zeichnungen?
Von Patentanwalt F. Riechers und Jul.
Küster, Berlin.
Welchen Schutz genießen technische Zeichnungen?
Die Konstruktions- und sonstigen Zeichnungen der Fabriken stellen ein Objekt von
oft nicht unbeträchtlichem Werte dar. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn ihre
Besitzer darauf bedacht sind, daß ihnen durch unbefugte Nachbildung oder
Einsichtnahme seitens dritter Personen kein Schaden erwachse, und es dürfte daher
die Beantwortung der Frage von Interesse sein, welche Schutzmittel dem Urheber und
rechtmäßigen Besitzer von technischen Zeichnungen zu Gebote stehen, sei es gegen
Nachdruck der Zeichnungen, Nachbildung der auf ihnen dargestellten Gegenstände oder
auch nur gegen mündliche Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts.
Sehr oft findet man auf derartigen Zeichnungen einen Stempelaufdruck etwa folgenden
Wortlauts: „Diese Zeichnung darf ohne unsere Genehmigung weder kopiert, noch
vervielfältigt, noch dritten Personen oder Konkurrenzfirmen zugängig gemacht
werden. (§ 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870.)“ Hierzu ist zu bemerken, daß
die Bezugnahme auf diesen Paragraphen bedeutungslos ist, da er nebst vielen anderen
jenes Gesetzes durch den § 64 des neuen literarischen Urheberrechtgesetzes vom 19.
Juni 1901 aufgehoben ist. Es muß daher der § 1 Absatz 3 dieses neuen Gesetzes
angezogen werden, in dem vom Schütze des Urhebers solcher Abbildungen
wissenschaftlicher oder technischer Art die Rede ist, welche nicht ihrem Hauptzwecke
nach als Kunstwerk zu betrachten sind. Und dieser Schutz geht in gewisser Beziehung
noch weiter als der früher durch jenen § 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870
gewährleistete. Denn während dieser nur die mechanische
Vervielfältigung verbot, ist nach dem neuen Gesetz jedwede ohne Einwilligung des
Berechtigten vorgenommene Vervielfältigung unzulässig, gleichviel durch welches
Verfahren sie bewirkt wird. Wer ferner vorsätzlich oder fahrlässig eine Zeichnung
widerrechtlich vervielfältigt, sie gewerbsmäßig verbreitet oder ihren wesentlichen
Inhalt öffentlich mitteilt, ist dem Urheber oder rechtmäßigen Besitzer der Zeichnung
zum Ersätze des aus diesen Handlungen entstehenden Schadens verpflichtet.
In vielen Fällen genügt nun aber der gekennzeichnete Schutz nicht. Es ist meistens
für den Besitzer der Zeichnung viel wichtiger, daß der auf ihn dargestellte
Gegenstand nicht nur gegen öffentliche, sondern gegen jedwede, also auch geheime
Mitteilung und unerlaubte Kenntnisgabe an Dritte geschützt ist. Hier aber versagt
der literarische Urheberrechtschutz, der nur
„gewerbsmäßige Verbreitung“ oder „öffentliche Mitteilung des
wesentlichen Inhalts“ der Zeichnung unter Strafe stellt. Da bleibt eben
nichts anderes übrig, als sich an die gewerblichen
Schutzgesetze, z.B. das Patentgesetz zu halten. Durch
dieses erhält man einen Anspruch auf ausschließliche Herstellung, Verbreitung und
Benutzung des betreffenden Gegenstandes, wodurch die durch das Urheberrechtsgesetz
nicht verbotene Einzelmitteilung an Dritte für den Konstrukteur gefahrlos wird.
Dieses Recht tritt bereits bei der Bekanntmachung der Anmeldung zum Patent ein und
wird entgültig bei dessen Erteilung.
Kann aber der Patentschutz für die betreffende Konstruktion oder Darstellung der
Zeichnung aus irgend welchen Gründen nicht erreicht werden, so empfiehlt es sich,
den Gebrauchsmusterschutz nachzusuchen, der stetig mehr
in Aufnahme kommt und besonders von unseren großen industriellen Werken heute mit
Vorliebe in Anspruch genommen wird. Können doch durch ihn schnell und mit wenig
Kosten die Einzelkonstruktionen wirksam geschützt werden. So sieht man denn häufig,
daß eine große Anzahl nur geringfügig voneinander abweichender Vorrichtungen, Teile
von anscheinend nur geringer Wichtigkeit oder auch komplizierte Anordnungen,
letztere manchmal unter Zerlegung in einzelne Konstruktionselemente, zum
Gebrauchsmusterschutz angemeldet werden.
Sollte aber hierbei dem rechtmäßigen Besitzer ein Unberufener zuvorkommen, der die
betr. Konstruktion aus der Zeichnung des ersteren entnommen hat, so stehen diesem
mancherlei Rechtsmittel zu Gebote: Einspruch gegen die Patentanmeldung, erneute
Anmeldung auf den eigenen Namen. Antrag auf Nichtigerklärung des etwa bereits
erteilten Patentes oder Gebrauchsmusters und endlich dessen Uebertragung auf den
eigenen Namen.
Mit dem Gesagten sind aber noch nicht alle Rechte erörtert, welche dem Urheber
technischer Zeichnungen zustehen. Es kommt vor, das Angestellte von Fabriken,
technischen Bureaux usw. die ihnen infolge ihres Dienstverhältnisses zugänglichen
Konstruktionszeichnungen entweder unbefugt an Konkurrenzfirmen ausliefern, oder
diesen die betr. Konstruktion anderweitig mitteilen, in der Absicht, dem Urheber
oder Besitzer der Konstruktionszeichnung zu schaden. Eine derartige Handlung
kennzeichnet sich als Verrat eines Betriebsgeheimnisses und verpflichtet nach den
Bestimmungen des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren
Wettbewerbes den Angestellten zum Ersatz des entstandenen Schadens. Das
Gesetz geht aber noch weiter und macht auch solche Personen schadenersatzpflichtig,
die die von dem Angestellten widerrechtlich erworbene und ihnen übergebene Zeichnung
an Konkurrenzfirmen ausliefern, ebenso auch den, der sich durch eine gegen die guten
Sitten verstoßende Handlung in den Besitz der Zeichnung versetzt oder von ihrem
Inhalte Kenntnis genommen hat, um, zum Schaden des Berechtigten, der Konkurrenz
entsprechende Mitteilungen zu machen. Allerdings besteht die Schweigepflicht der
Angestellten nur während des Dienstverhältnisses; bei dessen Aufhören ist sie
ebenfalls zu Ende, kann aber durch Privatvereinbarung noch über diese Zeit hinaus
festgelegt werden.
Da schließlich die Darstellungen auf den technischen Zeichnungen Erfindungen und
Betriebsgeheimnisse verkörpern, die ein verwertbares Rechtsgut bilden, so steht dem
Konstrukteur oder sonstigen Berechtigten auch der Schutz des bürgerlichen Rechtes zu Gebote. Nach diesem ist derjenige, der vorsätzlich
oder fahrlässig ein solches Rechtsgut verletzt, abgesehen von sonstigen Strafen
verpflichtet, für den daraus entstandenen Schaden aufzukommen. Das Gleiche gilt für
jeden, der vorsätzlich dem Besitzer der Zeichnung in einer gegen die guten Sitten
verstoßenden Weise Schaden zufügt.