Titel: | Glasschmelz-Wannenöfen und das neue Siemens-Wannensystem und ihr Betrieb. |
Autor: | Hans Schnurpfeil |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 587 |
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Glasschmelz-Wannenöfen und das neue
Siemens-Wannensystem und ihr Betrieb.
Von Ingenieur Hans Schnurpfeil.
Glasschmelz-Wannenöfen und das neue Siemens-Wannensystem und ihr
Betrieb.
Einleitung.
Während noch vor einigen Jahrzehnten ausschließlich der Hafenofen der Schmelzung des
Glases diente, ist nun in neuerer Zeit ein mächtiger Rivale, der Wannenofen,
entstanden, der einzig und allein für die Massenfabrikation in Frage kommen kann.
Besonders die Flaschenfabrikation, die mit nur niedrigen Preisen rechnen darf, liegt
gänzlich in den Händen der mächtigen Wannenofenindustrie, wie desgleichen auch
die Halbweißglas- und gewöhnliche Weißglasmassenerzeugung.
Als Vorläufer der so bedeutungsvoll werdenden Glasschmelzwannenöfen sind wohl die
hier und da in den Guß- und Tafelglashütten noch üblichen viereckigen Häfen zu
betrachten, die auch gewöhnlich als „Wannen“ bezeichnet werden, weil die
geringe Hafenhöhe in keinem Verhältnis zu dem reichen Hafeninhalt steht. Die
Vervollkommnung des Wannenofens verdankt die Glashüttenweit Siemens, wie auch Siemens allein nur als
Schöpfer und Reorganisator der ganzen Glasofenindustrie, soweit das
Regenerativsystem in Betracht kommt, angesehen werden kann.
Der Unterschied des Hafenofens vom Wannenofen besteht darin, daß ersterer zur
Schmelzung des Glases eine bestimmte Anzahl von gewöhnlich 6, 8, 10, 12 oder 14
Schmelzgefäßen, „Häfen“ besitzt, die zur Aufnahme des Glases dienen. Der
Wannenofen jedoch entbehrt diese Häfen und verfügt zur Schmelzung des Glases über
den inneren Wannenraum in Form eines großen Beckens oder einzigen Schmelzgefäßes.
Der Vorteil, der aus einem einzigen großen Schmelzbassin sich ergibt, kennzeichnet
sich insofern, als man bei gleichem Flächenverhältnis das Schmelzfeld in seiner
ganzen Ausdehnung ausnutzen kann, was bei Hafenöfen mit ihren Häfen, Zwischen- und
toten Eckräumen niemals der Fall ist. Die Leistungsfähigkeit eines Wannenofens ist
dem Hafenofen gegenüber nicht nur sehr groß, sondern auch der Brennstoffaufwand wird
bei den Wannen bedeutend verringert, da bei ihr jeder Raum seine Ausfüllung findet,
während bei den Hafenöfen auch viele tote Felder Beheizung erfordern.
I. Allgemeines über die bei der
Glasfabrikation in Betracht kommenden Wannenöfen.
Infolge der vielen Vorteile, welche den Hafenöfen gegenüber die Wannenöfen des
billigen, wirtschaftlichen Betriebes wegen bieten, scheinen sich diesen immer
weitere Gebiete zu erschließen und findet man es ganz erklärlich, daß die
Wannenindustrie die Massenproduktion inne hat und die kleineren Betriebe, wie die
Hafenofenindustrie, sofern sie unrationell mit minderwertiger, gering bezahlter Ware
arbeiten, kapitulieren müssen. Der Hafenofen kann heute nicht mehr Massenartikel
schaffen; man findet dabei kaum seine Rechnung. Es ist durchaus nicht gesagt, daß
die Hafenofenindustrie durch die aufblühende Wannenofenindustrie einen Rückgang
erleiden wird, vielmehr wird sie sich weiter behaupten können, sobald sie ihre
Grundregel, ein schönes Spezialglas bei doch geringen Herstellungskosten zu liefern,
einhält. Bezüglich der Glasqualität kann der Wannenofen niemals dem Hafenofen den
Rang ablaufen und wenn auch der Ingenieur versucht, die Wanne in den Dienst der
Hohl- und Preßglasfabrikation zu stellen, so wird dieses Projekt vorerst noch eine
Utopie bleiben. Damit ist aber keineswegs gesagt, daß man gar nicht in der Lage ist,
in der Wanne ein weißes Glas zu schaffen. Im Gegenteil, durch geeignete
Konstruktionen, durch ein langes Wannenbassin, durch wohlerwogen aufgeführte
Brenner, durch einen höheren Glasstand, durch reine Rohmaterialien, durch möglichst
viele Ausarbeitung des Glases, durch einen sachgemäßen Betrieb überhaupt wird man
imstande sein, ein den wesentlichen Erfordernissen entsprechend weißes Glas zu
erzielen.
Vorzüge des Wannenofens. Die ins Auge springenden,
direkten Vorteile der Wanne dem Hafenofen gegenüber sind, kurz zusammengefaßt
folgende:
1. Bedeutend größere Leistungsfähigkeit bei gleichem Flächenverhältnis.
2. Verminderter Brennstoffaufwand: Die Wanne erfordert auf 1 kg verarbeitungsfähigen
Glases 0,8 kg, der Hafenofen etwa 2 kg an Steinkohle.
3. Keine größeren mit Zeitverlust verbundenen Betriebsstörungen, die beim Hafenofen
durch das öftere Auswechseln der Schmelzgefäße und Hafenbruch bedingt werden.
4. Keine Hafenausgaben, kein Herdglasverlust, folglich Betriebsverbilligung.
5. Verwendung härter eingestellter, alkalienärmerer, mithin auch billigerer
Gemengestoffe.
6. Weniger geschultes Schmelzerpersonal als beim Hafenofen.
Tageswanne. Es gibt Wannenöfen mit kontinuierlichem und
diskontinuierlichem Betrieb, erstere schmelzen und arbeiten ununterbrochen, letztere
dagegen, auch „Tageswannen“ benannt, schmelzen zuerst ähnlich dem
gewöhnlichen Hafenofen das Glas, welches dann nach Beendigung der Schmelze und
„Abgehen“, d.h. Läuterprozeß, zur Verarbeitung gelangt. Die Vorteile der
Tageswanne der kontinuierlichen Wannenbetriebsweise gegenüber sind:
1. Ein schöner ausfallendes und auch haltbareres Glas, weil man den Schmelzprozeß an
der Hand hat und das Rohglas inniger durchschmelzen lassen kann, und
2. keine so hohe Massenproduktion.
Als Nachteil wäre nur der anzuführen, daß der Betrieb der Tageswanne sich mehr als
der des kontinuierlichen Wannenofens verteuert, jedoch ist man in der Lage, die
bessere Ware auch etwas höher anzubieten.
Jeder Hafenofen, besonders der „Hochflammofen“, der „Ofen mit wagerechter
Flammenführung“ läßt sich mit Leichtigkeit ohne wesentlichen Kostenaufwand
zu einer Tageswanne umbauen. Die Kosten für die Abänderung eines Büttenofens würden
ungefähr 4 bis 5000 M. betragen, während die Bausumme für die Umgestaltung eines
Hochflammofens in eine intermittierende Wanne auf ungefähr 3 bis 4000 M. zu stehen
kommt. Bei einem solchen Umbau des Büttenofens müßte der Oberofen entfernt und dann
unter Beibehaltung des Unterofens mit seinen Regeneratoren die aufführenden
Brennerlinien entsprechend vorgerichtet und der Boden mit Kühlung versehen werden.
Ein Hochflammofen gestattet die Vollziehung einer solchen Umänderung unschwer, da
die Brenner sowie bisweilen ein großer Teil des Oberofens stehen bleiben können. Da
man mit der Glasqualität und Umfärben des Glases in der Tageswanne auch nicht viel
mehr als auf einer kontinuierlichen Wanne erreicht, die Baukosten einer Tageswanne
einschl. drei Generatoren unter normalen Vorbedingungen etwa 20 bis 22000 M,
betragen, also auch nicht viel niedriger sind als die einer kleinen, doch immerhin
leistungsfähigeren kontinuierlichen Wanne, so ist es entschieden unrationell, zum
Bau einer „Tageswanne“ zu schreiten und Verfasser würde nur die Aufstellung
einer kleinen, kontinuierlichen Wanne empfehlen.
Der Glasstand einer Tageswanne soll mindestens auf 60 cm, ratsamer aber auf 75 cm
bemessen sein; ein geringerer Glasstand von 40 bis 50 cm, wie man ihn oft findet,
ist zu verwerfen. Das Glas wird nämlich hierbei zu dünnflüssig und der Wannenboden
leidet stark, indem er beizeiten „durchgefressen“ wird. Abgesehen davon, daß
ein niedrigerer Glasstand das „Anfangen“ der Glasbläser während der Arbeit
erschwert, zieht er noch den Nachteil nach sich, daß man gezwungen ist, die
Bodenkühlung schärfer gehen zu lassen. Hieraus resultiert ein „gispiges“, mit
Bläschen besetztes Glas, davon herrührend, daß das Bodenglas infolge Erstarrens und
Festliegens eine nur ungenügende Läuterung erfährt.
Bei der Ausarbeitung der „Tageswanne“ muß auf jeden Fall eine stärkere
Glasschicht zurückbleiben. Einerseits ist dieses Restglas fehlerhaft und untauglich
für den Verkauf, andererseits soll es den Wannenboden schützen.
Die Umfärbung des Glases geschieht praktischer Weise von Halbweiß ins Grün mittels
Caput mortuum und Basalt und dann ins Braun mittels Braunstein (Mangan) oder
umgekehrt nach der Reihenfolge, zuerst Braun, sonach Grün, alsdann Halbweiß.
Zwischen Grün und Halbweiß muß die Wanne möglichst leer bis auf den Grund gearbeitet und dann
„ausgefeemt“ werden. Damit das Bodenglas sich auch leicht entfernen läßt,
muß man die Bodenkühlung schwächer wirken lassen, im anderen Falle man ein
allerdings halbweißes Glas, aber mit intensiv grünem Stich erhält. Das Wechseln der
Farben geht auf der Tageswanne infolge der geringen Glasmasse verhältnismäßig leicht
und rasch vor sich; anders aber gestaltet sich die Umfärbung des Glases in einem
kontinuierlichen Wannenbecken. Die Umschmelzung gewisser Farbengläser ins Halbweiß
kann nie korrekt durchgeführt werden, jedoch ist man in der Lage, recht bequem den
Umfärbungsprozeß von Grün ins Braun vorzunehmen. Auch hierbei macht sich ein
möglichst gründliches Ausarbeiten des grünen Glases notwendig, ehe man zum Einlegen
der für Braun bestimmten Gemengematerialien schreitet. Um in recht ausgedehntem Maße
die ausgearbeitete überschüssige Menge des Glases zu ersetzen, wird man den
Umschmelztermin über den Sonntag wählen. Am nächsten Tag, am Montag also, wird sich
noch immer dieselbe grüne Glasfarbe zeigen, erst ungefähr am Dienstag und Mittwoch
geht das Glas in den Durchfärbungsgrad über und wird es vorerst eine olivgrüne, mehr
ins Gelblichgrün spielende Nüanze annehmen. In dieser Zwischenzeit der Durchfärbung
muß man geeignete Artikel, wie gelblichgrüne Limonadeflaschen usw. arbeiten lassen.
Nach Verlauf einiger Tage, vielleicht am Donnerstag und Freitag, wird sodann die
Manganfärbung in ihrer Vollwirkung deutlich zum Ausdruck gelangen.
Textabbildung Bd. 323, S. 589
Fig. 1.a Kühlung; Maßstab 1 : 40.
Geteilte Wannen. Da der Umfärbeprozeß, wie wir gesehen
haben, viel Zeit erfordert und mit Schwierigkeiten verknüpft ist, spielen die
geteilten Wannen mit 2, 3 oder auch 4 (Siemens-Universalwanne) räumlich geschiedenen Abteilungen für die
Farbenglasschmelze eine gewisse Rolle, indem man in der Lage ist, zwei-, drei- und
vier- verschiedenfarbige Gläser zu erzeugen. Die Teilung des Wannenbassins geschieht
durch etwa 30 cm starke Zwischenwände, die eine 25 cm starke, gut arbeitende Kühlung
besitzen sollen. Dann hält sich eine solche Wand mehrere Jahre, nur muß alle ¾ bis 1
Jahr die Deckschicht erneuert werden. Eine Wandstärke von 25 cm genügt auch schon
und man gewinnt an Platz. Um einer Verschiebung der einzelnen Steinlager infolge des
hydrostatischen Glasdruckes vorzubeugen, müssen die Kühlungsräume mittels
entsprechender, schräg liegender Eisenstäbe, deren Enden in starken Winkelstabeisen
ruhen, verstrebt werden. Diese Versteifung kann auch durch Bindesteine
bewerkstelligt werden. Verfasser empfiehlt, die Scheidewand, wie Fig. 1 zeigt, derart zu konstruieren, daß unmöglich
weder ein Verrutschen der Maueraufführung, noch ein Abheben, ein „Schwimmen“
der Deckplatten vor kommen kann. Auch verhütet man mittels dieser Konstruktion, daß
das Glasniveau, was infolge des Ausarbeitens sonst unvermeidlich ist, mit einer Fuge
abschneidet, wodurch die Scheidewand, namentlich die Deckplatten an Dauerhaftigkeit
beträchtlich gewinnen. Bei der Ausarbeitung geteilter Wannen ist zu beachten,
daß dieselbe möglichst gleich und nicht einseitig erfolgt.
Ist aus dem einen getrennten Raum mehr Glas entfernt worden als aus dem anderen, so
kann nicht nur leicht ein Herausdrücken der Mauer infolge des ungleichen Druckes
geschehen, sondern die Deckplatten können auch unschwer, da die Glasmasse spezifisch
schwerer wie Chamotte ist, abgehoben werden. Um diesem Uebelstand zu steuern, kam
Siemens auf die sich wohl bewährende Idee, die
räumlich getrennten Abteilungen unten am Boden durch ein Loch miteinander in
Verbindung zu bringen. Verfasser kann eine derartige Verbindung nur bestens
empfehlen und ist die Befürchtung, daß diese Kommunikation Mischung der einzelnen
Glasfarbteile in den Bassins und somit überall eine Mißfärbung des Glases
hervorrufen dürfte, grundlos, da die am Wannenboden herrschende beträchtliche
Zähflüssigkeit und Steifheit des Glases ein Mengen der Farbgläser nicht zuläßt.
Wenn auch die geteilten Wannen den Vorteil der Erzeugung verschiedener Farbgläser
gestatten, so entbehren sie doch die Vorzüge eines gleich geringen
Brennstoffaufwandes und einer gleich großen Produktion, die der einfachen,
kontinuierlichen Wanne eigen sind. Durch die Teilung der Wanne verliert dieselbe
einen Teil des wirklichen Fassungsraumes, so daß sie etwa 5 bis 6 cbm weniger Glas
aufnehmen kann; dennoch aber benötigt sie den gleichen Brennstoffverbrauch bei
gleicher Fläche, als ob die 5 bis 6 cbm Glas vorhanden wären, mithin erhöht sich der
Selbstkostenpreis des Glases. Auch kommt durch die Teilungswand eine
„Werkstelle“ abhanden, wodurch, z.B. bei der Flaschenfabrikation, eine
jährliche Minderproduktion von etwa 300000 Flaschen, im Werte von 6 Pfg., also ein
Minusumsatz von 18000 M. im Jahre entsteht. Diese Summe ist auf einer
kontinuierlichen, einfachen Wanne wie gewonnen; davon gehen nur die Kosten der
Gemengematerialien und die Löhne der Glasmacher ab, denn alles andere bleibt genau
in gleichem Verhältnis dasselbe. Aus diesen Beispielen geht hervor, daß die
geteilten Wannen nicht gerade rationell arbeiten; außerdem sind ihre Trennungswände
vielen Schäden unterworfen, so daß von einem Projekt geteilter Wannen lieber
abzusehen ist und an deren Stelle vorteilhafter zwei kleine kontinuierliche Wannen
zu setzen sind.
Die kontinuierlichen Wannen haben entweder wechselnde oder konstante Flamme, sind
mithin entweder Regenerativ- oder Rekuperativsysteme. Der ausgebreitetste und
wirkliche Repräsentant der Regenerativ-Glasschmelzwanne ist die „alte Siemens-Wanne“, aus welcher in neuerer Zeit die
„neue Siemens-Wanne“ hervorgegangen ist.
Dazwischen begegnet uns das Gobbe-, Henning & Wrede- und Klattenhoff-Wannen System, im Prinzip dasselbe, nur unter Hinzufügung einiger
praktischer Vorteile und Abänderung einiger technischer Unebenheiten.
Zu den Rekuperativsystemen zählt in erster Linie die Nehse-Wanne, die unter Verschmelzung des Dralle-Systems als Nehse-Dralle-Wanne bekannt
ist. Zu den weiteren Rekuperativ-Konstruktionen gehört die Lürmann-Schmelzwanne, daneben bestehen, etwas abweichend, noch einige
andere französische Systeme, wie Quennec usw., die mehr
im Ausland vertreten sind.
(Fortsetzung folgt.)