| Titel: | Ein Leistungsversuch an einer fahrbaren Heißdampf-Lokomobile von R. Wolf in Buckau-Magdeburg. | 
| Autor: | Gustav Fischer | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 611 | 
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                        Ein Leistungsversuch an einer fahrbaren
                           								Heißdampf-Lokomobile von R. Wolf in Buckau-Magdeburg.
                        Von Professor Dr. Gustav Fischer in
                           									Berlin.
                        Ein Leistungsversuch an einer fahrbaren Heißdampf-Lokomobile von R.
                           								Wolf.
                        
                     
                        
                           Die Firma R. Wolf in Buckau-Magdeburg hat vor zehn
                              									Jahren die erste brauchbare Lokomobile mit Dampfüberhitzung hergestellt und seit
                              									dieser Zeit an der Vervollkommnung dieser Bauart weiter gearbeitet. Für Lokomobilen
                              									und Halblokomobilen großer Leistung versprach die Dampfüberhitzung ohne Frage große
                              									wirtschaftliche Vorteile. Bei kleinen Maschinen konnten jedoch Zweifel entstehen, ob
                              									die zu erwartenden Ersparnisse an Kohlen nicht durch eine komplizierte Bauart zu
                              									teuer erkauft werden müßten. Tatsächlich besteht in den Kreisen der Käufer auch
                              									heute noch vielfach die Besorgnis, daß die Heißdampflokomobile sehr empfindlich und
                              									ihre Bedienung besonders schwierig sei. Wäre das wirklich der Fall, so müßte
                              									allerdings vor der Verwendung der Ueberhitzung an kleinen Lokomobilen gewarnt
                              									werden, denn die größte Mehrzahl dieser Maschinen arbeitet unter ungünstigen
                              									Bedingungen, im Freien oder in staubiger, schmutziger Umgebung. Für solche Betriebe
                              									sind, zumal da oft auch der Maschinist nicht sehr erfahren ist, die
                              									Betriebssicherheit und die Einfachheit der Behandlung mehr wert als kleine
                              									Ersparnisse, die oft noch dadurch geringer werden, daß die Lokomobile nur einige
                              									Monate im Jahr arbeitet.
                           Die Bauarten von Heißdampflokomobilen, die die deutschen Fabriken, namentlich Wolf in Buckau und nach ihm Heinrich Lanz in Mannheim, ausgebildet haben, stellen aber an die
                              									Kenntnisse und Leistungen der Maschinisten keine höheren Anforderungen als
                              									Sattdampflokomobilen.
                           Mit der kleinsten der jetzt von Wolf gebauten
                              									Heißdampflokomobile (Fig. 1 und 2) hat Verf. im Februar d. J. unter Mitwirkung seines
                              									Assistenten, Herrn Ingenieur E. Meyer, einen
                              									Leistungsversuch angestellt. Es handelte sich um die fahrbare Lokomobile, Modell P H
                              									F 1, deren normale Leistung 12 PS betragen soll. Das geprüfte Exemplar trug die
                              									Fabriknummer 11824.
                           Die Lokomobile ist nach dem bekannten Wolfschen System
                              									gebaut, bei welchem der Langkessel verhältnismäßig kurz gehalten und der Ueberhitzer
                              									als Rohrschlange in die Rauchkammer eingebaut ist. Der Naßdampf tritt am vorderen
                              									Ende in den Ueberhitzer ein, durchläuft ihn also im Gegenstrom zu den
                              									Heizgasen. Um einen recht großen Teil der Rohrschlange mit den Heizgasen in
                              									Berührung zu bringen und hierdurch einen lebhaften, auf die ganze Ueberhitzerfläche
                              									möglichst gleich verteilten Wärmeaustausch zu erzielen, sind die Windungen
                              									benachbarter Ueberhitzerspiralen nach der senkrechten Richtung gegen einander
                              									versetzt. Vor dem oberen Teil des Ueberhitzers ist der Weg der Heizgase nach der
                              									Rauchkammer und dem Schornsteine durch eine Blechwand mit Oeffnungen verengt, damit
                              									die Rauchgase ihrer Neigung, vorzugsweise durch die oberen Heizröhren und den oberen
                              									Teil der Rauchkammer hindurch zu entweichen, nicht frei folgen können. Das oberste
                              									Segment dieser Blechwand wird durch eine Klappe gebildet, die den Heizgasen je nach
                              									ihrer Stellung einen bestimmten Weg zum Schornstein vorschreibt. Nach hinten
                              									umgelegt zwingt sie die Gase, den Ueberhitzer vollständig zu umspülen und durch die
                              									Oeffnung in der Blechwand zu ziehen; das ist die Betriebsstellung. Zum Anheizen wird
                              									die Klappe nach vorn gelegt, so daß die Gase auf einem kürzeren Wege zum Schornstein
                              									gehen. Eine Regelung der Ueberhitzung ist nicht notwendig, die Schornsteinklappe
                              									bleibt vielmehr während des Betriebes bei jeder Belastung völlig offen.
                           Die Steuerung geschieht durch einen Kolbenschieber mit Inneneinströmung, der durch
                              									zwei Ringe an jeder Seite gedichtet wird. Zur Regelung dient ein Achsenregler mit
                              									Verstellung des Schieberhubes.
                           Die Hauptabmessungen der untersuchten Lokomobile waren folgende:
                           
                              
                                 Zylinderdurchmesser
                                 120
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 240
                                 „
                                 
                              
                                 Durchmesser der (nicht durchgehenden)
                                    											Kolben-    stange
                                 26
                                 „
                                 
                              
                                 Kesselheizfläche, gemessen auf der Wasserseite
                                 8,5
                                 qm
                                 
                              
                                             „                     „          „    „  
                                    											Feuerseite
                                 7,51
                                 „
                                 
                              
                                 Ueberhitzerheizfläche, gemessen a. d.    „
                                 6,34
                                 „
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 0,234
                                 „
                                 
                              
                                 Minutliche Umdrehungszahl
                                 210
                                 
                                 
                              
                           
                           Die Lokomobile wurde mit einer Bandbremse versehen, die nach Beendigung der
                              									Versuche ausgewogen wurde. Diagramme wurden viertelstündlich entnommen; der
                              									Indikator war auf einem Stutzen befestigt, der durch absperrbare Knierohre mit den
                              									beiden Zylinderseiten verbunden war. Die Untersuchungen wurden in; übrigen unter
                              									Beachtung der „Grundsätze und Anleitung“ vom Verein deutscher Ingenieure usw.
                              									ausgeführt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 612
                              Fig. 1.Fahrbare Heißdampflokomobile von Wolf. Längsschnitt
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 612
                              Fig. 2.Fahrbare Heißdampflokomobile von Wolf. Wagerechter Schnitt.
                              
                           In Fig. 3 und 4 sind
                              									Diagramme wiedergegeben, die bei dem Versuch mit etwa normaler Belastung und bei
                              									demjenigen mit etwa der größten Dauerbelastung aufgenommen wurden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 612
                              Fig. 3.Diagramm normaler Dauerleistung.
                              
                           Die Versuchsergebnisse sind in Tab. 1 zusammengestellt. Bei Versuch 3 scheint durch
                              									unvermeidliche kleine Beobachtungsfehler die Verdampfungsziffer etwas zu groß
                              									gefunden zu sein, dementsprechend sind auch die daraus abgeleiteten Werte etwas
                              									zu groß.
                           Die Wärmeausnutzung des Kessels ist sehr gut. Die Anstrengungsgrade des Rostes und
                              									des Kessels sind mäßig, und der dadurch erreichte günstige Wirkungsgrad wird durch
                              									den Ueberhitzer bis auf 77,9 v. H. gebracht. Dieser Wert stimmt mit den Ergebnissen
                              									der Versuche an einer 200pferdigen Wolfschen
                              									Heißdampflokomobile überein, die GutermuthLeistungsversuche an Wolfschen Heißdampf-Lokomobilen. Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing.
                                    											1905, S. 189 ff. angestellt hat. VersucheDie Entwicklung der Lokomobilen von R. Wolf in technischer und wirtschaftlicher
                                    											Hinsicht. Von Dipl.-Ingenieur Karl Heilmann.
                                    											Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1906, S. 313 ff. von Nachtweh an einer 16 pferdigen Heißdampflokomobile
                              									ergaben den Wirkungsgrad zu 77 v. H., und bei dem Versuch von JosseUntersuchung
                                    											einer Dampfkraftanlage mit zweifacher Ueberhitzung durch Abgase. Zeitschr.
                                    											d. Ver. deutsch. Ing. 1905, S. 1147 ff. an einer 60pferdigen
                              									Lokomobile mit Zwischenüberhitzung berechnet sich der Wirkungsgrad des Kessels mit
                              									dem ersten Ueberhitzer, wenn cp = 0,6 gesetzt wird (statt 0,48 wie in der Quelle)
                              									zu 76,2 v. H.
                           Auch die Ausnutzung der Dampfwärme in der Dampfmaschine ist für eine so kleine
                              									Dampfmaschine recht gut. Aus den mitgeteilten Zahlen ergibt sich der Wärmeverbrauch
                              									für die PSi/Std.
                              									bei Versuch 1 zu 5392 WE (bezogen auf die Temperatur des vorgewärmten Speisewassers)
                              									bezw. 5871 WE (bezogen auf Speisewasser von 0°), bei Versuch 3 zu 5828 WE bezw. 6310
                              									WE. Die entsprechenden thermischen Wirkungsgrade sind bei Versuch 1: 11,8 v. H.
                              									bezw. 10,8 v. H., bei Versuch 3: 10,9 v. H. bezw. 10,2 v. H. Die theoretischen
                              									Wirkungsgrade der Gesamtanlage sind bei Versuch 1: 9,2 v. H., bei Versuch 3: 8,9 v.
                              									H. Die eingangs erwähnten Bedenken gegen die kleineren Heißdampflokomobilen
                              									erscheinen hiernach als durchaus unbegründet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 612
                              Fig. 4.Diagramm größter Dauerleistung.
                              
                           
                           Nach Beendigung der Versuche wurde der Kolbenschieber ausgebaut und besichtigt.
                              									Die Ringe waren bei dem Probebetrieb der Maschine gut eingelaufen, die
                              									Dichtungsflächen blank; irgend welche Abnutzung war nicht vorhanden. Da die
                              									Schieberstopfbüchse nicht mit überhitztem Dampf in Berührung kommt, so sind
                              									Unzuträglichkeiten an ihr nicht zu befürchten. Ohne hier auf den Streit
                              									zwischen den Vertretern der Kolbenschieberund der Ventilsteuerung einzugehen, kann
                              									doch ausgesprochen werden, daß für Lokomobilen kleiner und mittlerer Leistung der
                              									gut konstruierte und ausgeführte Kolbenschieber durchaus am Platze ist.
                           Tabelle 1.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 613
                              Nummer des Versuchs; Datum;
                                 										Versuchsdauer, Stunden; Ausnutzung d. zugeführten Wärme durch Verdampfung;
                                 										Dampfspannung, at abs.; Zugstärke, mm W.-S.; desgl. durch Ueberhitzung;
                                 										Temperatur d. Abgase; Temp. d. überhitzt. Dampes; Gesamtausnutzung der Wärme v.
                                 										H.; Stündl. Kohlen verbrauch, kg; Umdreh.-Zahl d. Maschine; Technisch. Heizwert,
                                 										WE/kg; Füllung d. Zylinders, v. H.; Stündl. Kohlenverbrauch auf 1 qm Rostfläche,
                                 										kg; Bremsleistung, PSe; Indizierte Leistung, PSi**); Stündl. Dampferzeug., kg;
                                 										Mechanischer Wirkungsgrad, v. H.**); Temp. d. Speisewassers im Saugrohr; Stündl.
                                 										Kohlenverbrauch für 1 PSe, kg; desgl. vorgewärmt; Stündl. Dampfverbrauch für 1
                                 										PSe, kg; Erzeugungswärme von 1 kg Naßdampf, WE; desgl. für 1 PSi, kg;
                                 										Ueberhitzungswärme*) von 1 kg Dampf, WE; Stündl. Oelverbrauch; Erzeugungswärme
                                 										d. überhitzten Dampfes, WE; Lufttemperatur im Versuchsraum; Rohverdampfung;
                                 										Verdampfung berechnet auf Wasser von 0° u. Dampf v. 1 at, f. Kohlen v. 7500 WE;
                                 										*) Cp = 0,6; **)
                                 										Die Art der Verbindung des Indikators mit den Zylinderseiten hat eine geringe
                                 										Drosselung verursacht die die indizierte Leistung etwas zu klein, den
                                 										mechanischen Wirkungsgrad also etwas zu groß erscheinen läßt.