Titel: | Moderne Aufzüge. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 657 |
Download: | XML |
Moderne Aufzüge.
Von K. Drews,
Posen.
(Schluß von S. 645 d. Bd.)
Moderne Aufzüge.
Auch in wirtschaftlicher Beziehung sind die Paternosteraufzüge, sofern sie
entsprechend ausgenutzt werden, trotz der höheren Anschaffungskosten den
Einzelaufzügen weit überlegen. Nach Angaben der Firma Carl
Flohr in Berlin beträgt der stündliche Energieverbrauch eines zehnzelligen
Paternosters etwa 1 KW. Dieser Wert entspricht auch den von Prof. Ernst und anderen ausgeführten Messungen.
Unter Annahme eines Preises von 20 Pf. für die Kilowattstunde betragen die
Stromkosten bei zehnstündigem Betriebe 2 M.
Die Eigenwiderstände des Aufzuges sind gegenüber der Nutzlast so groß, daß der
Stromverbrauch als konstant gelten kann, gleichgültig ob der Aufzug viel oder wenig
benutzt wird; zu dem gleichen die Abwärtsfahrenden die Aufwärtsfahrenden aus. Auch
der Mehrverbrauch an Strom beim Anfahren, der bei größeren schnellfahrenden
Einzellenaufzügen ganz beträchtlich sein kann, fällt hier fort.
Nimmt man nun ein Paternoster mit 0,25 m sekundlicher Geschwindigkeit an, so steht
bei 4 m Stockwerkshöhe alle 16 Sekunden in jedem Stockwerk je eine Zelle sowohl auf-
wie abwärts zur Verfügung. Die Höchstleistung eines Paternosters in zehnstündigem
Betriebe wird also bei Zellen für eine Person 2250, bei Zellen für zwei Personen
4500 nach oben geförderte Personen und ebensoviel nach unten betragen.
Zum Vergleich der Betriebskosten möge nun ein gewöhnlicher Fahrstuhl von der gleichen
Höchstleistung herangezogen werden. Als geeignet hierzu erscheinen die elektrischen
Fahrstühle der Firma Carl Flohr in dem Warenhause von
Tietz am Alexanderplatz zu Berlin.
Nach E. T. Z. 1906, S. 61 beträgt die Höchstlast jedes der dortigen Fahrstühle 900 kg
oder 12 Personen einschl. Führer. Es können mithin auf jeder Fahrt elf Personen nach
oben und ebensoviel nach unten befördert werden. Die ganze Förderhöhe beträgt 17,2
m, die Fahrgeschwindigkeit 1,1 m in der Sekunde; mithin Fahrzeit für eine
Doppelfahrt ohne Anhalten 32 Sekunden. Hält der Fahrstuhl nur an den Endstationen
und rechnet man für unten Einsteigen, oben Aus- und Einsteigen und unten Aussteigen
zusammen 40 Sekunden, so macht der Fahrstuhl alle 72 Sekunden eine Doppelfahrt oder
50 Fahrten i. d. Stunde. Es würden in zehnstündigem Betriebe 10 . 50 . 11 = 5500
Personen nach oben und ebensoviel nach unten befördert werden können.
Wenn nun bei den Paternosteraufzügen deren obengenannte Höchstleistung den
tatsächlichen Verhältnissen entspricht, so ist dies bei Einzellenaufzügen indes
nicht der Fall. In Wirklichkeit wird der Fahrstuhl nicht nur an den
Endstationen sondern auch in den Zwischenstockwerken halten. Der dadurch bedingte
Zeitverlust möge derart abgeschätzt werden, daß nicht 50, sondern nur 45 Fahrten i.
d. Stunde gemacht werden. Die Förderleistung beträgt dann 10 . 45 . 11 = 4950
Personen für die einfache Fahrt, ist also etwas größer als diejenige eines
Paternosters mit Zweipersonenzellen.
Die Firma Flohr gibt nun auf Grund ihrer Messungen den
Stromverbrauch bei der Höchstlast wie folgt an:
Fahrtrichtung
Anlauf
Beharrung
aufwärts
60 Amp.
40 Amp.
abwärts
50 Amp.
– 4 Amp.d.h. Bremsstrom insNetz
zurück
Spannung 216 Volt.
Vernachlässigt man den kleinen Stromgewinn bei Abwärtsfahrt und macht einen Zuschlag
von 12,5 v. H. für den Energiemehrverbrauch beim Anfahren, so erhält man etwa 10 KW
für eine Doppelfahrt. Da ein Energieverbrauch nur während der Aufwärtsfahrt
stattfindet, so beträgt die Verbrauchszeit etwa 16 Sekunden. Mithin verbraucht der
Aufzug
\frac{10\,\cdot\,16\,\cdot\,45}{3600}=2\mbox{ KW Stunden}.
Messungen bei halbbesetzter Zelle, fünf Personen und ein Führer ergaben:
Anlauf
Beharrung
aufwärts
54 Amp.
15–14 Amp.
abwärts
54 Amp.
14–12 Amp.
Da der Zeitverlust beim Aus- und Einsteigen hier geringer ist, so wird man wohl 60
Fahrten i. d. Stunde erreichen können; es werden dann in 10 Stunden 3000 Personen
nach oben und ebensoviel nach unten befördert werden. Als mittlere Stromstärke kann
man 14 Amp. einsetzen. Der Mehrverbrauch beim Anfahren dürfte 25 v. H. betragen. Auf
eine Doppelfahrt kommt demnach:
1,25 (216 . 14) = 3800 Watt.
Auf die Stunde bezogen
\frac{3,8\,\cdot\,32\,\cdot\,60}{3600}\,\sim\,2\mbox{ KW Stunden}
wie oben.
Unter den obigen Annahmen ändert sich der Kraftverbrauch für alle Belastungen
nur wenig.
Ungünstig würde der Fahrstuhl nur arbeiten, wenn die Fahrzelle oft unbesetzt abwärts
fährt, weil der Kraftverbrauch der leeren abwärtsfahrenden Zelle der vollbesetzten
aufwärtsfahrenden gleichkommt.
Da wir bei Einzellenaufzügen stets mit einem Führer rechnen müssen, dessen Tageslohn
3,50 M. beiragen möge, so belaufen sich die täglichen Betriebskosten eines einem
Paternosteraufzug gleichwertigen Fahrstuhles bei einem Grundpreis von 20 Pfg. f. d.
KW-Stunde
10 . 2 . 0,2 + 3,50 = 7,50 M.
gegenüber 2 M. bei dem Paternoster.
Zum Vergleich lassen sich ferner die Messungen an vier elektrischen Aufzügen
heranziehen, die P. Good in The Electrical Review 1906,
S. 7 veröffentlicht hat.
Wir wählen davon den ersten aus der Versuchsreihe, dessen Zelle sieben Personen
einschl. Führer faßt. Das Gegengewicht gleicht die Fahrzelle und 0,7 Nutzlast aus.
Die mittlere Fahrgeschwindigkeit beträgt 0,35 i. d. Sekunde, die Fahrhöhe 20,3 m. Es
mögen jedoch alle Zahlen auf 16 m Fahrhöhe entsprechend vier Stockwerken bezogen
werden. Ohne Zwischenstationen braucht der Fahrstuhl für eine einfache Fahrt 29
Sekunden. Für das Anhalten in den Stockwerken mögen je fünf Sekunden, zusammen 20
Sekunden eingesetzt werden. Die einfache Fahrt dauert mithin rund 50 Sekunden, die
Doppelfahrt 100 Sekunden. Die Anzahl der Fahrten i. d. Stunde beträgt 36 und die
Anzahl der in zehn Stunden nach oben beförderten Personen höchstens 2160. Dem würde
ein Paternosteraufzug mit Einpersonenzellen entsprechen, dessen Stromkosten wir
ebenfalls mit 2 M. für den Tag annehmen wollen. Nach den Messungen nahm der Motor
bei der Höchstlast aufwärts 8,2 Amp., abwärts 2,9 Amp. auf. Die mittlere
Betriebsspannung betrug 543 Volt. Die Stromaufnahme dauerte auf der einfachen Fahrt
29 Sekunden. Daraus folgt ein mittlerer Energieverbrauch von
1,74 KW/Std.
Weitere Messungen ergaben für das Anfahren insgesamt einen
Mehrverbrauch von 30 v. H.; ein Zuschlag von 25 v. H. möge jedoch genügen. Damit
erhalten wir, bezogen auf die Stunde
2,18 KW.
Der Energieverbrauch ist also hier größer als bei dem Flohrschen Fahrstuhl von mehr als doppelter Leistung,
was wohl in der Hauptsache auf den schlechteren Wirkungsgrad, 0,44 des
amerikanischen Aufzuges gegenüber 0,58 bei Flohr
zurückzuführen ist.
Die täglichen Betriebskosten einschl. Führerlohn betragen 3,5 + 10 . 2,18 . 0,2 =
7,86 M., verhalten sich also zu denjenigen eines gleichwertigen Paternosters nahezu
wie 4 : 1. Prof. A. Ernst stellte in einer Zuschrift an
den Verein deutscher IngenieureZ. d. V. d.
I. 1907. S. 624. nicht wie hier einen Fahrstuhl mit großer Zelle,
sondern zwei Fahrstühle mit kleinerer Zelle in Vergleich mit einem
Paternosteraufzug. Auch bezog er sich bei Bemessung der Stromkosten nicht auf
unmittelbare Messungen des Energieverbrauchs, sondern teils auf Schätzungen, teils
auf Durchschnitte aus Monatsrechnungen. Zudem beziehen sich die zum Vergleich
herangezogenen Kosten nur auf mittlere Benutzungsstärken.
Wenn man nun auch wohl zugeben kann, daß eine Aufzugsanlage nur zeitweise voll
ausgenutzt wird, so müssen meines Erachtens beide Aufzugssysteme doch auch bezüglich
ihrer Höchstleistung miteinander verglichen werden, um ein richtiges Bild zu
erhalten. Dies habe ich an den obigen Beispielen auf Grund von vorhandenen Messungen
und unter gewissen Annahmen versucht.
Als Tatsache kann man wohl gelten lassen, daß bei Einzellenaufzügen die Belastung
wenig Einfluß auf den Stromverbrauch ausübt, sofern nur der Gewichtsausgleich
zweckentsprechend gewählt ist und sofern die Aufwärtsfahrenden den Fahrstuhl auch
abwärts möglichst in der gleichen Gruppierung benutzen. Eine Stromersparnis
gegenüber der Höchstleistung wird also nur durch eine geringere Anzahl von Fahrten
oder teilweise Fahrten zu erzielen sein.
In wirtschaftlicher Beziehung wird außerdem ein großer Fahrstuhl zwei kleineren von
entsprechender Leistung überlegen sein. Die Fahrgelegenheit ist jedoch in letzterem
Falle größer, natürlich unter der Annahme, daß beide Fahrstühle nicht gleichzeitig
ihre Fahrten beginnen.
Prof. Ernst kommt nun in seiner Zuschrift zu dem
Resultat, daß sich die täglichen Betriebskosten eines Paternosters zu denjenigen
zweier Einzellenaufzüge wie 3 : 13 verhalten. Da sich diese Vergleiche, wie erwähnt,
nicht auf direkte Messungen und nicht auf die Höchstleistung beziehen, so mögen die
Ernstschen Darlegungen nach dieser Richtung noch an
Hand eines mir s. Zt. von der Firma C. Wüst & Cie. in Seebach-Zürich zur Verfügung gestellten
Berichtes über Messungen an einem ihrer elektrischen Fahrstühle ergänzt werden.
Von den fünf Versuchsreihen bei verschiedener Belastung möge diejenige für Vollast
zum Vergleich herangezogen werden.
Die Fahrzelle faßt vier Personen einschl. Führer; sie ist durch ein Gegengewicht
ausgeglichen. Die Förderhöhe beträgt 15,17 m. Die Messungen ergaben nun:
Aufwärts
Abwärts
Fahrzeit in Sekunden
48,9
35,6
Energieverbrauch in W.-Std.
35,9
5,6
Mehrverbrauch beim Anfahren
30 v. H.
80 v. H.
Setzt man nun für den Aufenthalt in den einzelnen Stockwerken für die Doppelfahrt 30
Sekunden ein, so erhält man 30 Fahrten i. d. Stunde. Der Fahrstuhl befördert mithin
in 10 Stunden
10 . 32 . 3 = 960 Personen nach oben.
Selbst zwei solcher Fahrsühle würden noch nicht die höchste Förderleistung eines
Paternosteraufzuges mit Einpersonenzellen erreichen.
Der stündliche Energieverbrauch des Wüstschen
Fahrstuhles beträgt bei 32 Fahrten
32 (35,9 + 5,6) = 1320 W.-Std. = 1,32 KW.-Std.
Hierzu kommt noch der Mehrverbrauch infolge des öfteren Anfahrens, der nach den
Messungen recht beträchtlich ist. Es seien indes hierfür nur 25 v. H. des mittleren
Kraftverbrauches eingesetzt; demnach 1,65 KW-Stunde.
Die täglichen Betriebskosten zweier Einzellenaufzüge stellen sich bei 20 Pf.
Grundpreis für die KW.-Stunde und 3,50 M. Führerlohn, wenn sie voll ausgenutzt
werden, auf
2 . (3,50 + 10 . 1,65 . 0,2) = 13,60 M.,
gegen 2 M. bei einem gleichwertigen Paternosteraufzuge.
Die Betriebskosten beider Aufzugssysteme verhalten sich mithin wie 1 : 6,8.
Es sei noch erwähnt, daß der mittlere Energieverbrauch des Wüstschen Aufzuges bei einer Nutzlast von 100 kg einschl. 25 v. H.
Mehrverbrauch beim Anfahren 1,42 KW/Std. betrug. Auch hieraus geht hervor, daß die
Belastung von geringem Einfluß auf die Stromkosten ist.
Durch die obigen Darlegungen ist die wirtschaftliche und betriebstechnische
Ueberlegenheit der Paternosteraufzüge gegenüber gewöhnlichen Fahrstühlen zur Genüge
gekennzeichnet. Das bezieht sich natürlich nur auf solche Anlagen, die genügend
ausgenutzt werden.
Leider hat man sich in dem weitaus größeren Teile Deutschlands die großen Vorteile
dieses Verkehrsmittels nicht zu nutze machen können, da die Aufsichtsbehörden in
Preußen und in anderen Bundesstaaten derartigen Anlagen, abgesehen von einigen
wenigen Ausnahmen, bisher stets die Genehmigung versagt haben. Ihr Einspruch
gründete sich auf folgende Bestimmungen der Polizeiverordnungen für den
Fahrstuhlbetrieb:
§ 13 I. Jede Zugangsöffnung zur Fahrbahn muß mit einer verschließbaren Tür versehen sein, welche bündig mit der inneren
Schachtebene angebracht sein muß.
II. Jede Zugangstür darf nur geöffnet weiden können, wenn der Fahrkorb dahinter steht
und zur Ruhe gebracht ist; der Fahrkorb darf nicht eher in Bewegung gesetzt werden
können, bevor alle Zugangstüren zur Fahrbahn geschlossen sind.
§ 29 I. Aufzüge, mit welchen Personen befördert werden, einschl. der Lastenaufzüge
mit Personenbeförderung, dürfen nur in Begleitung besonderer Führer benutzt
werden.
II. Die Begleitung des Führers kann erlassen werden und es genügt die bloße Aufsicht
desselben, wenn die Benutzung eines Fahrstuhles ausschl. von bestimmten nicht
wechselnden Personen erfolgt, oder sofern nur zwei Geschosse miteinander verbunden
werden.
Da es sich bei den Paternosteraufzügen um ein ganz neues von den gewöhnlichen
Fahrstühlen in den wesentlichsten Punkten verschiedenes Aufzugssystem handelt, das
zur Zeit, als die Polizeiverordnungen für den Fahrstuhlbetrieb entworfen wurden,
noch fast unbekannt war, und dessen eigenartige Betriebsbedingungen in dem Entwurf
daher auch keine Stelle fanden, so konnte nur eine rein schematische Auslegung die
Paternosteraufzüge in die Paragraphen jener Verordnungen zwängen.
Der Widerstand, den die Behörden in Preußen, Sachsen und anderen Bundesstaaten der
Einführung von Paternosteraufzügen entgegensetzten, konnte natürlich nur so lange
andauern, wie die Größe der Betriebsgefahr lediglich eine Funktion der
Einbildungskraft der Aufsichtsbehörden ein Gegenstand spekulativer Erörterungen
war.
Es war daher ein dankenswertes Unternehmen der zuständigen Behörden Hamburgs, hierfür
statistische Unterlagen zu schaffen. Im Jahre 1905 fand im Hamburger Staatsgebiet
eine Zählung der die Paternosteraufzüge benutzenden Personen statt. Diese Zählung
erstreckte sich indes nur auf die Aufwärtsfahrenden; sie ergab einen
Jahresdurchschnitt von zehn Millionen Personen. Prof. ErnstZ. d. V. d. I. 1907,
S. 411. nimmt nun an, daß nur ¾ dieser Anzahl den Aufzug auch
abwärts benutzten und gelangt damit für 1905 zu einer jährlichen Förderleistung der
vorhandenen Paternoster von 17,5 Millionen Personen. Diese verteilten sich auf 80
Aufzüge; die mittlere Tagesleistung des einzelnen betrug also bei 300 Betriebstagen
730 Personen. Gegen Ende 1906 gab es ferner nach amtlichen Quellen in Hamburg schon
92 Paternosteraufzüge. Professor Ernst schließt daraus,
daß heute die Zahl der mittels Paternoster beförderten Personen 20 Millionen
übersteigt.
Die Hamburger Unfallstatistik zeigt nun, daß die Unfälle im Paternosterbetriebe sich
trotz der riesigen Verkehrszunahme immer mehr vermindert haben, nachdem man die
Ursachen der anfangs zahlreicheren Unfälle, die hauptsächlich durch
versehentliches Besteigen der Zellendecken entstanden, durch zweckentsprechende
Maßnahmen beseitigt hatte. Für die 16 Monate von Juli 1905 bis Dezember 1906 betrug
nach der Statistik der Jahresdurchschnitt 4,36 Unfälle, darunter keiner mit
tötlichem Ausgang. Es kommen mithin auf 20 Millionen beförderte Personen
durchschnittlich 4,36 Unfälle.
Dabei bestehen in Hamburg nicht einmal Polizeiverordnungen für den Fahrstuhlbetrieb,
sondern es sind hierfür nur allgemeine Grundsätze ohne Gesetzeskraft
aufgestellt.
Angesichts dieser Erfolge der Paternosteraufzüge sowohl nach der wirtschaftlichen wie
nach der betriebstechnischen Seite hin haben sich denn auch die preußischen Behörden
zu einer Revision der von ihnen bisher geübten Praxis entschließen müssen. In dem
neuen Entwurf der Polizeiverordnung betreffend die Einrichtung und den Betrieb von
Aufzügen ist den Paternostern eine Stelle eingeräumt worden (Ministerialblatt der
Handels- und Gewerbe-Verwaltung vom 28. März 1908).
Auf Seite 108 heißt es dort:
Paternosterwerke für Personenbeförderung können wegen der Notwendigkeit ihrer zu
Lasten der Unternehmer auszuführenden Abnahme und regelmäßigen Untersuchung von dem
Geltungsbereich der Polizeiverordnung nicht ausgenommen werden. In der Zulassung
sind Ausnahmen auf Grund des § 40 zu gestatten, wobei
in der Regel folgende Bedingungen zu stellen sind:
1. Die Fahrkörbe der Paternosterwerke für Personenbeförderung dürfen höchstens zur
Aufnahme von je zwei Personen eingerichtet werden; sie dürfen nur an der
Zugangsseite offen sein; sie sind an den übrigen drei Seiten mit dichten Wandungen
zu umgeben. Die Decke der Fahrkörbe ist entweder nach der Zugangsseite hin soweit
als möglich auszuschneiden, um das Betreten der Decke an Stelle der Plattform (des
Fußhodens) zu verhindern, oder es sind Schutzwände für die Räume zwischen zwei
aufeinanderfolgenden Zellen anzubringen. In letzterem Falle muß die Decke so
eingerichtet werden, daß das Schmieren der Führungen vom Fahrkorb aus möglich
ist.
2. Die lichte Höhe eines Korbes darf nicht unter 2,0 m, die Grundfläche für jede
zuzulassende Person nicht unter 0,75 × 0,75 m betragen. Die Breite der Zugänge muß
der der Fahrkörbe entsprechen.
3. Die Geschwindigkeit der Fahrkörbe darf 0,25 m i. d. Sekunde nicht überschreiten.
Am Triebwerke muß eine Vorrichtung vorhanden sein, die eine Steigerung der
Geschwindigkeit über dieses Maß verhindert.
4. Im vorderen Teile des Fußbodens jedes Fahrkorbes und im Fußboden der einzelnen
Zugangsöffnungen an der Auffahrtsseite sind in ganzer Breite des Fahrkorbes
Schutzklappen (nach oben bewegliche Klappen) von etwa 20 cm Tiefe anzubringen, deren
Abstand voneinander höchstens 4 cm betragen darf. Zwischen der Vorderkante des
Fahrkorbes und der Schachtwand darf ein Abstand von höchstens 25 cm eingehalten
werden. Die Schachtwände müssen an den Zugangsseiten glatt und ohne hervorspringende
Teile ausgeführt werden. Drahtwände von nicht mehr als 2 cm Maschenweite gelten als
glatte Wände.
5. Im höchsten und tiefsten Punkte, wo der Wechsel der Bewegungsrichtung stattfindet,
ist der Schachtraum an der offenen Seite der Fahrkörbe durch Schutzwände nach
Möglichkeit abzuschließen. Diese sind derart mit einer Sicherheitsvorrichtung zu
verbinden, daß das Paternosterwerk bei einem Drucke gegen die Schutzwände
selbsttätig stillgesetzt wird.
6. In jedem Geschoß muß sich eine Einrichtung zum Anhalten des Fahrstuhles befinden
(Druckknopf, Ausrücker), auf deren Anwendung durch ein Schild hinzuweisen ist. Die
Einrichtung zur Wiederinbetriebsetzung darf den Benutzern des Fahrstuhles nicht
zugänglich sein.
7. Die Ketten müssen in Führungen laufen, die verhindern, daß zerrissene Ketten auf
die Fahrkörbe fallen. Die Abmessungen der Ketten müssen den Bestimmungen des § 13
Abs. II mit der Maßgabe entsprechen, daß beim Reißen einer Kette die andere nicht
höher als mit ⅕ ihrer Tragfähigkeit beansprucht wird.
8. Der Fahrschacht muß so tief herabgeführt werden, daß zwischen dem Schachtboden und
den Führungsteilen eines in tiefster Stellung befindlichen Fahrkorbes ein
Zwischenraum von mindestens 50 cm verbleibt.
9. An den Zugangsöffnungen jedes Geschosses und in jedem Fahrkorbe sind beiderseits
lange Handgriffe anzubringen. Der Fußboden der Fahrkörbe und der Zugangsöffnungen
darf nicht glatt sein.
10. Der offenen Seite der Fahrkörbe gegenüber sind an geeigneten Stellen deutlich
sichtbare Geschoßbezeichnungen anzubringen.
11. Die Fahrkörbe, die Zugangsöffnungen zum Fahrschacht und die Umsatzstellen der
Fahrkörbe sind durch Tageslicht oder künstlich während des Betriebes des Fahrstuhls
hell zu beleuchten. So lange der Fahrstuhl außer Betrieb ist, sind die einzelnen
Zugangsöffnungen abzusperren.
12. An den Zugangsöffnungen und in jedem Fahrkorbe sind deutlich lesbare Aufschriften
anzubringen, welche enthalten müssen:
a) die Höchstzahl der Personen, die einen Fahrkorb gleichzeitig benutzen dürfen;
b) einen Hinweis, daß die Fahrt über den höchsten und tiefsten Punkt der
Fahrstuhlbewegung mit Gefahren nicht verbunden ist;
c) die Art der Einrichtungen zum Anhalten des Fahrstuhles;
d) eine Warnung vor der Benutzung durch gebrechliche Personen und Kinder.
Andere Schilder und Aufschriften, insbesondere zur Reklame, sind daneben nicht
statthaft.
13. Der Aufzug ist der Aufsicht eines verantwortlichen, geprüften Aufzugswärters zu
unterstellen, der während des Betriebes des Aufzuges stets anwesend oder leicht
erreichbar sein muß.
Der oben angezogene § 40 des Entwurfes lautet:
Die höheren Verwaltungsbehörden oder die etwa von ihnen ermächtigten Polizeibehörden
sind befugt, Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Polizeiverordnung, insbesondere
auch den bei Erlaß dieser Polizeiverordnung im der Ausführung begriffenen Aufzügen,
zu gewähren.
Der erste auf Grund der neuen Polizeiverordnungen in Preußen genehmigte
Paternosteraufzug wird in dem neuen Geschäftshause der Norddeutschen Kreditanstalt in Danzig errichtet werden.
Wenn nun auch die Paternosteraufzüge in dem Entwurf Berücksichtigung finden, so
geschieht dies doch nicht in dem Sinne, wie es die Industrie und Geschäftsweit wohl
erwarten durfte Denn die Paternoster sind auch jetzt nicht den gewöhnlichen
Fahrstühlen darin gleich gestellt, daß sie, wenn sie obigen Vorschriften Genüge
leisten, genehmigt werden müssen, sondern ihre
Genehmigung ist von dem diskretionären Ermessen der Provinzial- und Lokalbehörden
abhängig gemacht.
Gegen diesen durch nichts gerechtfertigten Ausnahmezustand hat sich denn auch der
Verein deutscher Ingenieure in einer erneuten EingabeZ. d. V. d. I. 1908, S. 563. an den
Herrn Reichskanzler gewandt.