Titel: | Zur Frage des Urheberrechtsschutzes an Konstruktionszeichnungen. |
Autor: | Hans Wettich |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 793 |
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Zur Frage des Urheberrechtsschutzes an
Konstruktionszeichnungen.
Von Dipl.-Ing. Hans Wettich,
Halle a. S.
(Fortsetzung von S. 776 d. Bd.)
Zur Frage des Urheberrechtsschutzes an
Konstruktionszeichnungen.
Soweit sich das Verbot des Nachdruckes nach § 41 auf einen Teil eines Werkes
bezieht, ist festzuhalten, daß dieser als solcher Gegenstand des Rechtsschutzes sein
muß, d.h. seine Vervielfältigung darf nicht nach den in §§ 16 – 27 gegebenen
Klauseln zulässig sein. Von diesen Klauseln besitzt nur § 19 Z. 1 ein, wenn auch
nicht wesentliches Interesse für den vorliegenden Fall. Hiernach können einzel ne
Stellen oder kleinere Teile eines Schriftwerkes in einer selbständigen literarischen
Arbeit angeführt werden, sofern das Schriftwerk bereits veröffentlicht, also einem
größeren Personenkreise bekannt gegeben war. Notizen oder Skizzen dürfen demnach aus
übermittelten Unterlagen nicht gezogen werden, da mit der Ausgabe der Unterlagen an
einen bestimmten Interessenten eine öffentliche Bekanntgabe nicht verbunden ist, und
da die Notizen vom Empfänger auch nicht zu einer selbstständigen literarischen
Arbeit verwandt werden, sondern nur im Geschäftsbetriebe des Empfängers eine
gelegentliche Verwendung finden.
Von größerem Interesse ist die Feststellung, daß es unzulässig ist, von den
Unterlagen z.B. nur den Text in Abschrift oder Abklatsch oder nur die Zeichnungen in
Kopie auf zeichnerischem oder photomechanischem Wege zurückzubehalten, da diese als
selbstständige Bestandteile des Werkes zweifellos Rechtsschutz genießen.
Eine einzige, aber sehr bedeutungsvolle Ausnahme, die eingeleitete Strafanträge im
Falle der Vervielfältigung von Unterlagen – in den bekannt gewordenen Fällen stets –
zum Scheitern bringt, besteht jedoch darin, daß nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes
bestimmt ist: „Eine Vervielfältigung zum persönlichen
Gebrauch Ist zulässig, wenn sie nicht den Zweck hat, aus dem Werke eine
Einnahme zu erzielen“ Die Interpretation geht noch darüber hinaus
und versteht unter einer Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch eine solche, die
zum Gebrauch eines bestimmten Personenkreises vorgenommen wurde.Vergl. Lindemann,
Urheberrecht S. 48 zu 3 und Schlittgen,
Urheberrecht S. 32, Anm. 2.
Hierauf baut im Falle der Strafverfolgung einer Vervielfältigung von Unterlagen
die Verteidigung des Beschuldigten ganz selbstverständlich auf, indem sie erklärt,
die Vervielfältigung, Abschrift oder Kopie sei nur zum persönlichen Gebrauche
entnommen, nicht aber, um daraus eine Einnahme irgend welcher Art zu erzielen. Dem
geschädigten Urheber liegt dann die Beweispflicht des Gegenteiles ob, die sich bei
der Abgeschlossenheit des Geschäftsbetriebes des Beschuldigten meist nur in
allgemeinen Umrissen bewegen kann, etwa in der Richtung, daß die ohne Erlaubnis,
bezw. gegen ausdrückliches Verbot unternommene Vervielfältigung zu dem Zwecke
vorgenommen wurde, um die in Schrift und Zeichnungen niedergelegten Gedanken und
Erfahrungen des Urhebers im Geschäftsbetrieb des Vervielfältigers irgendwie zu
verwerten. Dieser unbestimmten Anschuldigung gegenüber können natürlich vom
Vervielfältiger Ausreden bezw. Gegengründe in Hülle und Fülle entgegengehalten
werden. So findet sich im Text zu der eben angeführten Entscheidung der
Staatsanwaltschaft zu H. die Angabe, die beanstandete Handzeichnung decke sich aus
reinem Zufall mit dem Original, sie sei nach Besichtigung der Originalzeichnung nach
dem Gedächtnis angefertigt. – Das phänomenale Gedächtnis; das jede Maßzahl behält,
spielt, wie später gezeigt wird, überhaupt eine große Rolle in derartigen Angaben. –
Oder es wird, wie in dem nachstehend behandelten Falle die Angabe gemacht, es sei im
Geschäftsbetriebe des Beschuldigten Sitte, alle Eingänge ohne Ausnahme zu kopieren,
oder gleich hinterher in demselben Falle die Angabe, die Vervielfältigung sei
infolge der Ablehnung des Angebotes aus reinem Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber
der Direktion erfolgt. So bildet denn tatsächlich, selbst bei handgreiflich deutlich
nachgewiesenem Nachdruck die Ablehnung des Strafantrages auf Grund des Abs. 2 § 15
des Gesetzes die Regel.
Nur eine einzige dürftige, vollkommen von der persönlichen Auffassung des
Richters abhängige Handhabe bietet hier das Gesetz für die Wahrnehmung der Rechte
des geschädigten Urhebers, nämlich dann, wenn ein gegen Gehalt, Lohn oder gegen eine
Entschädigung (Remuneration) beschäftigter Angestellter die Vervielfältigung im
Auftrage eines Vorgesetzten vornimmt. Da der Angestellte damit die Vervielfältigung
gegen Entgelt vornimmt, kann ihm der Schutz des Abs. 2 § 15 des Gesetzes nicht zur
Seite stehen. Es würde demnach der Schreiber oder der Zeichner auf dem Bureau oder
der Lichtpauser im Falle eines nachgewiesenen Nachdruckes strafrechtlich und
vermögensrechtlich belangbar sein.Vergl. Lindemann, Urheberrecht, S. 48, Anm. 4 zu §
15. Der Angestellte wäre dann nach § 831 B. G. B. seinem
Auftraggeber gegenüber sicher gestellt, da derjenige, der einen anderen zu einer
Verrichtung bestellt, zum Ersatze des Schadens verpflichtet ist, den der andere in
Ausführung der Verrichtung einem Dritten gegenüber zufügt. Wie gesagt, ist es jedoch
sehr fraglich, ob sich Staatsanwalt und Gerichte dieser Auffassung der
Interpretation anschließen. Beispielsweise wurde in dem später zu behandelnden Falle
einer unerlaubten Vervielfältigung Strafantrag gegen den Direktor des Werkes und
alle diejenigen gestellt, die an der Vervielfältigung mitgewirkt haben. Die
Staatsanwaltschaft zu D. berücksichtigte jedoch die niederen Angestellten, die die
Ausführung der Vervielfältigung vorgenommen hatten, gar nicht und stellte das
Verfahren gegen die Direktoren des Werkes ein, da nicht festgestellt werden konnte,
daß sie von den fraglichen Vorgängen Kenntnis gehabt haben. Dagegen wurde gegen den
Oberingenieur, der den Auftrag zur Vervielfältigung gegeben hatte, Anklage wegen
Vergehens gegen §§ 15 und 38 des Gesetzes vom 19. Juni 1901 erhoben, dieser allein
also als Täter betrachtet.
Es ist demnach offensichtlich, daß in praktischen Fällen jede
Vervielfältigung von Unterlagen ohne Gesetzesverletzung möglich ist, sofern
sich der Beschuldigte auf § 15 Abs. 2 des Gesetzes vom 19. Juni 1901 bezieht. Damit
aber wird ein Moment großer Beunruhigung in die Industrie getragen. War man schon
bisher nicht sicher, daß das ausdrückliche Verbot der Vervielfältigung unbeachtet
bliebe, da der Fall einer Vervielfältigung ohne Einwilligung des Berechtigten nur
höchst selten und dann nur zufällig zu seiner Kenntnis gelangte, so muß die
Erkenntnis, daß jede Vervielfältigung bezw. Abschrift von Unterlagstexten und Kopie
von eingereichten Zeichnungen ohne weiteres vorgenommen werden kann, unbedingt zu
einer Verwirrung der Verhältnisse führen. Wozu dient noch der Schutzstempel, wenn
seine Wirkung gleich Null ist! Hier muß notwendigerweise Abhülfe geschaffen werden,
um so mehr als die Industrie, wie auch der einzelne Ingenieur und Erfinder gerade
daran ein Interesse hat, daß die übersandten Unterlagen nicht zum persönlichen Gebrauch der empfangenden Firma benutzt werden, der
immer, wenn auch gerichtlich nicht nachweisbar und zeitlich nicht feststellbar dazu
führt, daß die durch die Nachbildung festgehaltenen Gedanken und Erfahrungen
irgendwie im Geschäftsbetrieb des Empfängers verwertet werden.
Es müßten demnach Industrie und Ingenieurkreise darauf hinwirken, daß § 15 des
Gesetzes vom 19. Juni 1901 einen Zusatz erhält etwa in der Form:
Die Nachbildung technischer, schriftlicher Auseinandersetzungen und
technischer Zeichnungen fällt nicht unter den Begriff einer Vervielfältigung zum
persönlichen Gebrauch.
Ueberlegt man, ob eine derartige Einschränkung mit den Grundlagen und mit der
Entwicklung des Gesetzes im Einklang steht, so wird man zu einem bejahenden Ergebnis
kommen. Während das derzeitige Urheberrecht noch ebenso wie die früheren
ausgehend von der Privilegierung des einzelnen Schriftwerkes in der Hauptsache auf
den Schutz literarischer, im Buchhandel erschienener, veröffentlichter Schriftwerke
gegen den Nachdruck von anderer Seite und die entgeltliche Veräußerung der
Nachdrucksexemplare durch Dritte unter Schädigung der wirtschaftlichen
Erwerbsquellen des Schriftstellers zugeschnitten ist, dehnen die jüngeren Gesetze
den Schutz bereits auf schriftstellerische und zeichnerische Erzeugnisse geistiger
Tätigkeit aus, die weder im Buchhandel erscheinen noch eine sonstige
Veröffentlichung erfahren. Das Interesse der Urheber dieser Erzeugnisse ist aber
nicht wie das eines Schriftstellers in landläufigem Sinne auf die Verhinderung
vielfacher mechanischer Wiedergabe seines Werkes durch unbefugte Dritte beschränkt,
sondern ausgedehnt auf die Verhinderung der widerrechtlichen Benutzung seines Werkes
im engsten Kreise der Personen, denen er seine Unterlagen zum Zwecke
kaufmännisch-technischer Handelsgeschäfte zur „Einsicht“ überläßt, indem er
sich hierbei noch nicht einmal des körperlichen Eigentumsrechtes an seinen
Unterlagen zu begeben braucht. Auch in dieser Auffassung ist das jüngste Gesetz
entgegengekommen, indem es die widerrechtliche Vervielfältigung nicht nur auf
mechanischem Wege, sondern nach Verfahren jeder Art, selbst in einem Exemplar und
auch nur zu einem Teil des Werkes unter Strafe stellt. Es wird also das Bestreben
des Urhebers für die in seinem Schriftwerk und seinen Zeichnungen festgelegten,
unter Aufwand von Zeit und Mühe gefundenen, technisch verwertbaren Geistesprodukte
in jedem einzelnen Falle der Benutzung durch andere die entsprechende
wirtschaftliche Gegenleistung zu erhalten, vollkommen anerkannt. Dies Bestreben wird
aber geschädigt, wenn es jedem, der Einsicht in die nicht veröffentlichten
Unterlagen erlangt, gestattet ist, durch Schriftzüge oder Zeichnungen die fremden
Gedanken für sich festzuhalten und je nachdem es Zeit und Ort mit sich bringt, in
seinem eigenen Interesse zu verwenden. Denn daß hier ein eigenes wirtschaftliches
Interesse des Vervielfältigers vorliegt, kann nicht geleugnet werden, selbst wenn es
sich nur auf die Erweiterung seiner eigenen technischen Kenntnisse und Erfahrungen
erstrecken sollte, vermittels deren er seinen Lebensunterhalt verdient. Zwar wird
der Empfänger der Unterlagen unmittelbar und auch noch einige Zeit nach deren
Durchsicht vollständig über den Gedankengang des Verfassers unterrichtet sein, er
wird jedoch später in den auf dem Papier festgehaltenen Gedanken ein besseres
Werkzeug für deren Verwertung in seinem eigenen Interesse besitzen, als es nur mit
der Festhaltung in seinem Gedächtnis der Fall wäre. Hier liegt der wesentliche
Unterschied mit den Bestrebungen der älteren Urheberrechtsgesetze, indem diese auf
den körperlichen Verkauf von gleichlautenden Exemplaren
des zu schützenden Schriftwerkes zum Zwecke einer Belehrung oder dergl. des Käufers
und zur Erzielung eines Geldverdienstes für den Verfasser zugeschnitten waren. Bei
den Unterlagen im Sinne dieser Untersuchung wird aber ein körperlicher Verkauf des
Schrift- und Zeichenwerkes gar nicht beabsichtigt. Der wirtschaftliche Vorteil des
Verfassers liegt darin, daß sich der Empfänger der Unterlagen von der Güte der
dargestellten Konstruktionen oder dergl. überzeugen und diese technischen Gedanken
in Eisen und Stein von dem Verfasser gegen Entgelt beziehen oder ausführen lassen,
bezw. das in den Unterlagen beschriebene Patent kaufen soll.
Es hat demnach der Verfasser der Unterlagen, sofern er sich sein Eigentumsrecht
vorbehält und sie seiner Zeit zurückfordert, ganz gewiß ein Interesse daran, daß der
Empfänger durch sie eine augenblickliche Belehrung erhält, aber eine dauernde, durch
Nachschlagen jederzeit zu erneuernde Vermehrung, Weitergabe und Anwendung seines Wissens
unter Ausschaltung des Verfassers soll vermieden werden. Aber diese Verhinderung der
Verwendung der Belehrung zu wirtschaftlichen Zwecken im Geschäftsinteresse des
Empfängers ist ausgeschlossen, sobald dieser die vom Verfasser zurückgeforderten
Unterlagen in einer unerlaubten Nachbildung besitzt und sich aus ihr vorkommenden
Falles, ohne die Genehmigung des Verfassers einzuholen, von neuem belehren kann.
Freilich verlangt das Interesse der Allgemeinheit unter Umständen eine Beschränkung
der Rechte des Verfassers, so daß das Gesetz in einer Reihe von Fällen ausdrücklich
die Vervielfältigung auch ohne bezw. gegen die Einwilligung des Verfassers
gestattet. Alle diese Einschränkungen beziehen sich aber auf Werke, die der
Allgemeinheit, bezw. einem größeren Personenkreise zugänglich sind oder zugänglich
gemacht waren. Das ist aber bei technischen Unterlagen nicht der Fall. Für die
Allgemeinheit kann aus dem unter Benutzung von Unterlagen durchgeführten
Handelsgeschäften zweier technischer Firmen oder zwischen einem Privatmann und einer
Firma beim besten Willen kein Interesse konstruiert werden. Es kann demnach dem
vorgeschlagenen Zusatz zu § 15 die innere Berechtigung nicht abgesprochen werden, um
so mehr, als damit die Frage der widerrechtlichen Benutzung von technischen
Unterlagen folgerichtig und zweifelsfrei erledigt wird. Es wäre also eine
Willensäußerung von Industrie- und Ingenieurkreisen in dieser Richtung nur zu
begrüßen.
Sollte ein dergestaltiger Vorschlag Gesetzeskraft erlangen, so würde die Folge
zunächst die Bestrafung einzelner, weniger Vervielfältiger bilden, die auf die
beteiligten Kreise abschreckend wirkt, um so mehr als jeder mit etwaiger Anzeige
durch unzufriedene oder entlassene Angestellte des eigenen Betriebes rechnen muß und
somit für die Dauer nicht sicher ist, da der geschädigte Verfasser nach §45 des
Gesetzes vom 19. Juni 1901 und nach § 61 des Reichs-Strafgesetzbuches berechtigt
ist, den Antrag auf Strafverfolgung binnen drei Monaten von dem Tage ab zu stellen,
an dem er von der Handlung und der Person des Täters Kenntnis erlangte.
Inwieweit im vorliegenden Falle die Verjährung mitspricht, ist durchaus fraglich, da
das Gesetz nach § 50 eine Verjährung der Strafverfolgung in drei Jahren nach der Verbreitung der Nachdruckexemplare bestimmt. Unter
„Verbreitung“ wird dabei die Ueberlassung, nicht Verleihung von
Exemplaren an Dritte verstanden, die bei der Vervielfältigung von Unterlagen in der
Regel nicht stattfindet.
Bei einer gesetzlichen Regelung der angeschnittenen Fragen müßte auch diese Lücke
eine genügende Ausfüllung finden.
Mit der bekannt werdenden Bestrafung einiger Vervielfältiger würde Treu und Glauben
im geschäftlichen Verkehr unter Benutzung von Unterlagen wieder hergestellt werden,
denn zurzeit ist sich der widerrechtliche Vervielfältiger meist gar nicht bewußt,
daß er sich unter Umständen einer strafbaren Handlung, eines mit hohen Geld- und
Gefängnisstrafen bedrohten Vergehens schuldig macht, denn die Schutzgarantien des
Gesetzes gehen verhältnismäßig weit.
Neben der eben erwähnten Ahndung einer Uebertretung durch hohe Geld- und
Freiheitsstrafen kann auf Antrag des Verletzten auf Schadensersatz bezw. Buße und
Herausgabe oder Vernichtung der Nachdrucksexemplare erkannt werden. Hierbei schützt
Unkenntnis des Gesetzes nicht vor Strafe, da die Strafbestimmungen des Gesetzes als
Bestandteile des Strafgesetzbuches anzusehen sind.
Was die vom Gesetz gewährte Schutzfrist für Schriftwerke usw. anlangt, so bietet ein
Eingehen darauf nur ein geringes Interesse, indem sie sich bis auf 30 Jahre
nach dem Tode des Verfassers erstreckt, während die Unterlagen selbst nur wenige
Monate in den Händen des Empfängers bleiben, so daß die Zeit zur Begehung einer
strafbaren Handlung gegenüber der gesetzlichen Schutzfrist gering bemessen ist. An
Unterlagen, die dauernd in den Besitz des Empfängers übergehen, begibt sich der
Verfasser selbst seiner Urheberrechte, indem dem Empfänger deren Benutzung in seinem
Geschäftsbetriebe hiermit ermöglicht wird, ohne daß er sich zur Entnahme einer
Vervielfältigung veranlaßt zu sehen braucht. Hieran ändert auch ein aufgedruckter
Schutzstempel nichts.
Von höherem Interesse für technische Kreise sind die Schadensersatz- und
Bußbestimmungen des Gesetzes, indem nach § 36 bestimmt wird, daß derjenige, der
vorsätzlich oder fahrlässig unter Verletzung der ausschließlichen Befugnisse des
Urhebers ein Werk vervielfältigt oder seinen wesentlichen Inhalt öffentlich
mitteilt, dem Berechtigten zum Ersatze des hieraus entstehenden Schadens
verpflichtet ist. Bemerkt sei, daß nach dem angeführten Paragraphen zur Vollendung
der Straffälligkeit gewerbsmäßige Verbreitung nicht notwendig ist, was auf die
Vervielfältigung von Unterlagen durchgehends zutrifft. Die Schadensersatzpflicht
erstreckt sich nur auf den entstandenen Vermögensschaden, nicht aber auf Vergütungen
für persönliche Nachteile oder KränkungenLindemann, Urheberrecht S. 69 zu 4.,
sie umfaßt jedoch nach § 252 B. G. B. auch den entgangenen Gewinn und es kann nach §
246 B. G. B. zugleich ein Anspruch auf 4 v. H. Zinsen vom Tage der Klageerhebung ab
geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Schadensersatz muß im Wege des bürgerlichen
Rechtsstreites (Zivilprozeß) erfolgen. Statt der Geltendmachung eines
Schadensersatzes kann nach § 40 des Gesetzes auf eine an den Geschädigten zu
erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 M. erkannt werden, die jedoch einen weiteren
Anspruch auf Schadensersatz ausschließt. Hierbei hat sich der Geschädigte dem
Strafverfahren nach § 443 der Strafprozeßordnung als Nebenkläger anzuschließen. Ist
dabei der Nachweis erbracht, daß eine Schädigung durch die unerlaubte
Vervielfältigung eingetreten ist, ohne daß jedoch genaue Anhaltspunkte für die Höhe
des verursachten Schadens gegeben sind, so steht es trotzdem nicht im Belieben des
Richters, von der Erkennung einer Buße Abstand zu nehmen. Hier liegt eine Schwäche
im Gesetz, denn der Richter wird jedesmal eine Aufstellung über den erwachsenen
Schaden verlangen, um danach die Höhe der Buße feststellen zu können. Der
juristische Begriff der Buße fällt demnach nicht mit der im bürgerlichen Leben
üblichen Auffassung zusammen, nach der die Buße eine Strafzahlung an den
Geschädigten darstellt, während die Strafe eine Strafzahlung an die Staatskasse ist,
sondern deckt sich mehr oder weniger mit dem Begriff des Schadensersatzes, so daß §
36 des Gesetzes (Schadensersatz) gegenüber § 40 (Buße) nur dann eine praktische
Bedeutung erlangt, wenn der nachweisbare Schaden die Summe von 6000 M.
übersteigt.
Während sich nun bei dem Nachdruck eines im Buchhandel erschienenen Werkes oder bei
der unberechtigten Aufführung eines Theaterstückes der entstandene Schaden und der
entgangene Gewinn fast immer mit ziemlicher Sicherheit bestimmen läßt, ist dies bei
der widerrechtlichen Vervielfältigung von Unterlagen und deren Benutzung zum Schaden
des Verfassers, wie sich aus der Sachlage ergibt, keineswegs der Fall. Man nehme
beispielsweise den vom Verfasser erlebten Fall an, daß eine Firma, die bisher
Kompressoren noch nicht verfertigte, von einer Reihe Kompressorenfirmen Zeichnungen,
Projekte, Kataloge unter dem Vorgeben der Einrichtung einer Anlage für Preßluftwerkzeuge
einfordert und nun unter wesentlicher Benutzung ihrer eigenen Kenntnisse die in
Kopien zurückbehaltenen Unterlagen und Kostenanschläge dazu benutzt, eine eigene
nach Preislage und Leistung konkurrenzfähige Kompressorenkonstruktion auf den Markt
zu bringen. Hierbei erfolgte keineswegs eine getreue Kopie einer der eingereichten
Zeichnungen, es fanden nur Verbesserungen der aus eigenem Wissen entstandenen
Konstruktion an Hand der Angaben der Unterlagen statt, insbesondere wurde der Bau
der Maschinen derartig eingerichtet, daß die Kalkulation die Kostenanschläge der
Unterlagen etwas unterbieten konnte. Offenbar erfahren durch die hiermit geschaffene
Konkurrenz die Verfasser der benutzten Unterlagen eine dauernde Schädigung, die
jedoch in ihrer Höhe nicht feststellbar ist, insbesondere für den einzelnen der
beteiligten Verfasser nicht erkannt werden kann. (Die hier dargelegte Handlung fällt
zweifellos unter die Strafbestimmung des Gesetzes betr. das Urheberrecht vom 19.
Juni 1901, da § 9 Abs. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes
nicht zur Anwendung gelangen kann, denn die als Unterlagen eingereichten
Beschreibungen, Kostenanschläge, Projektzeichnungen und Kataloge sind hier
keinesfalls Geschäftsoder Betriebsgeheimnisse.)
Als ein weiteres Beispiel sei angeführt, daß eine Firma von einem Erfinder Unterlagen
über eine Erfindung erhält, die über den Rahmen der etwa noch gar nicht ausgelegten
Patentschrift weit hinausgehen, um auf Grund dieser Unterlagen eine Prüfung des
Erfindungswertes im Hinblick auf einen Ankauf der Erfindung vorzunehmen. Findet hier
bei einer Ablehnung der Erfindung von Seiten der Firma eine Kopie der Unterlagen mit
der Absicht gelegentlicher ganzer oder teilweiser Verwertung des Inhaltes im
Geschäftsbetriebe der Firma statt, so bietet die Festsetzung der Höhe des dem
Erfinder entstandenen Schadens, mehr aber noch eine Schätzung des entgangenen
Gewinnes die größten Schwierigkeiten. Man überlege nur, wie wenig der Wert einer
Erfindung von vornherein überhaupt geschätzt werden kann. Gelingt es dem Erfinder
nicht, seine Arbeit unterzubringen, so hat die Sache als solche überhaupt keinen
Geldwert, trotzdem kann der Vervielfältiger der Unterlagen aus deren Benutzung
wirtschaftlichen Vorteil für sich gezogen haben. Auch dann, wenn die Erfindung von
Bedeutung und später andererseits verwertet ist, läßt
sich der durch den Vertrauensmißbrauch für den Berechtigten entstandene Schaden auf
Mark und Pfennig nicht bestimmen, selbst wenn das eingeleitete Strafverfahren den
Umfang der Vervielfältigung voll aufdeckt.
Es muß daher notwendigerweise darauf gedrungen werden, daß in solchen Fällen, wo
eine klare Berechnung des dem Urheber verursachten Schadens nicht durchgeführt
werden kann, andere, als im Gesetz festgelegte Garantieen für die Feststellung der
Schadloshaltung der Berechtigten gegeben werden. Das kann meines Erachtens aber nur
dadurch erfolgen, daß in § 40 des Gesetzes der Begriff der Buße auf die bürgerliche
Auffassung normiert wird, etwa in der Art, daß je nach der Schwere der Uebertretung
der zu erlegende Bußsatz mit fester Abstufung im Gesetze fixiert und so der
Schätzung des Richters entzogen wird.
Unkosten und Verluste anderer Art, die dem geschädigten Urheber in der Wahrnehmung
seiner Rechte (Zeitverlust, Rechtsanwaltskosten usw.) erwachsen, lassen sich dagegen
ohne weiteres rechnerisch feststellen, bilden jedoch in der Regel den geringsten
Teil des entstandenen Schadens und gehören zu den Kosten des Strafverfahrens, über
deren Notwendigkeit und Höhe der Strafrichter im Wege des der Verurteilung folgenden
Kostenfestsetzungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Gesetz erkennt übrigens selbst die Schwierigkeit der Festsetzung eines durch
Nachdruck dem Berechtigten verursachten Schadens an, indem es nach § 49 für
sämtliche Bundesstaaten die Einsetzung von Sachverständigen-Kammern verlangt, die
auf das Ansuchen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften amtliche Gutachten über
die an sie gerichteten Fragen abzugeben haben, insbesondere auf Anrufen der
Beteiligten über Schadensersatzansprüche entscheiden müssen. Jedoch besteht eine
Verpflichtung der Gerichte zur Anrufung der Sachverständigen-Kammern nicht,
ebensowenig, wie diese die Berechtigung haben, über einen Bußanspruch zu
entscheiden.
Ueber die innere Zusammensetzung der Sachverständigen-Kammern ist dem Verfasser
nichts näheres bekannt, jedoch kann aus den Entscheidungen in Nachdruckstrafsachen
darauf geschlossen werden, daß sie sich in der Hauptsache aus buchhändlerischen,
bezw. schriftstellerischen Interessenten zusammensetzen, während in Technik und
Industrie bewanderte Männer ihnen fernstehen. Auch die Berufung besonderer
Sachverständiger, die nach § 49 nicht ausgeschlossen ist, bei der Vervielfältigung
technischer Unterlagen deutet darauf hin, daß dieser Teil des Urheberrechtsschutzes
in den Sachverständigen-Kammern nicht vertreten ist.
(Schluß folgt.)