Titel: | Zur Frage des Urheberrechtsschutzes an Konstruktionszeichnungen. |
Autor: | Hans Wettich |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 803 |
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Zur Frage des Urheberrechtsschutzes an
Konstruktionszeichnungen.
Von Dipl.-Ing. Hans Wettich,
Halle a. S.
(Schluß von S. 796 d. Bd.)
Zur Frage des Urheberrechtsschutzes an
Konstruktionszeichnungen.
Es sei nunmehr zu Illustration der vorstehenden Ausführungen an der Hand des
Aktenmateriales auf einen besonderen Fall der Vervielfältigung technischer
Unterlagen eingegangen.
Eine im Rheinland gelegene Hütte äußerte zu Beginn des Jahres 1905 auf das Ansuchen
zweier Maschineningenieure, die einen bestimmten Apparat zum Patent angemeldet
hatten, den Wunsch zur Einsendung der Unterlagen der Patentanmeldung, um in eine
Prüfung über den Ankauf der Erfindung eintreten zu können. Während die Hütte in dem
vorhergehenden Briefwechsel bereits über Art und Gattung des zum Patent angemeldeten
Apparates unterrichtet war, verschwieg sie, daß sie selbst zur gleichen Zeit
Apparate zur Durchführung desselben Gedankens zum Patent angemeldet habe. Offenbar
würden bei Kenntnis dieser Sachlage der Hütte die erbetenen Unterlagen nicht
ausgehändigt sein, da in diesem Falle eine Ablehnung des Verkaufsangebotes mit
Sicherheit zu erwarten stand, denn die eigenen Anmeldungen würden sich für die Hütte
billiger gestellt haben, als die mit Lizenzen belastete fremde Erfindung. Die
Prüfung fiel auch dementsprechend in aller Kürze ablehnend aus. Das Vorgehen der
Hütte macht demnach auf jeden Unbeteiligten den Eindruck einer arglistigen Handlung,
darauf ausgehend, aus dem Gedankengang der fremden Erfinder für ihre eigenen
Patentanmeldungen, bezw. für den Konkurrenzkampf Nutzen zu schlagen, wobei bemerkt
sei, daß die beiderseitigen Patentanmeldungen zu der Zeit noch nicht ausgelegt waren
und erst kurz nach der Rücksendung der Unterlagen der Oeffentlichkeit zugänglich
wurden.
Dieser Eindruck mußte sich verstärken, als sich nach der Rücksendung der fraglichen
Unterlagen – deren Schrifttext auf der Schreibmaschine mit Anilinfarbband
hergestellt war –, an kleinen Beschädigungen, insbesondere am Auslauf der Schrift
und am Abklatsch anderer Schriftzüge auf der Rückseite der Blätter zeigte, daß diese
– 25 Seiten Text – genäßt und somit vollständig kopiert Waren. Von den 20 zum Teil
in großem Format beigefügten Zeichnungsblaupausen, die keinerlei Beschädigungen oder
Veränderungen zeigten, war dasselbe anzunehmen, da der Text ohne Zeichnungen
unverständlich bleiben mußte. Ausdrücklich sei bemerkt, daß die Zeichnungen mit
Schutzvermerk unter Bezugnahme auf das Gesetz vom 11. Juni 1870 versehen waren, und
daß im Begleitschreiben ausdrücklich der Eigentumsvorbehalt und das Verbot der
Kopieentnahme und Weitergabe enthalten war.
Die Verfasser der Unterlagen mußten sich nach der Erkenntnis der unerlaubten
Kopieentnahme nunmehr darüber unterrichten, in welchem Maße und zu welchen Zwecken
ein Nachdruck ihrer Unterlagen erfolgt sei, um danach die Höhe des ihnen etwa
erwachsenen Schadens feststellen zu können. Der gegebene Weg hierfür war der
Strafantrag in Gemäßheit des § 45 des Gesetzes betr. das Urheberrecht an Werken der
Literatur usw. vom 19. Juni 1901 unter Bezugnahme auf die §§ 15 und 38 desselben
Gesetzes, indem der oben dargelegte Tatbestand mitgeteilt wurde. Der Strafantrag
richtete sich gegen den Direktor der Hütte und gegen alle diejenigen, die an der
Vervielfältigung der Unterlagen teilgenommen hatten.
Hierauf unternahm die zuständige Staatsanwaltschaft zu D. folgende Schritte: Sie
erkundigte sich bei der zuständigen Polizeiverwaltung, wer der Vorstand der
Hütte sei und gab darauf dem Vorstande der Hütte den Strafantrag bekannt, der der
Staatsanwaltschaft die Kopie der Unterlagen – wobei sich auch sämtliche Zeichnungen
im Lichtpauseverfahren kopiert fanden – aushändigte und ein Schreiben beifügte, in
dem die Hütte sich zu einer Entschuldigung an die Verfasser bereit erklärte. Dies
Schreiben wurde, nachdem seit der Stellung des Strafantrages zwei Monate und sechs
Tage vergangen waren, zur Kenstnis der Verfasser der Unterlagen gebracht.
Hierbei zeigte sich, daß die Staatsanwaltschaft das auf Grund des
Urheberrechtsgesetzes beantragte Strafverfahren als Strafverfolgung wegen
Patentverletzung bezeichnete. Dies Versehen in der Bezeichnung machte sich die Hütte
zu nutze, indem sie schrieb, die Kopie wäre unberührt liegen geblieben, man hätte
sich ihrer wohl erinnert, wenn das angebliche Patent zur Auslage gelangt sei; dann
hätte jedoch der Benutzung der Kopie nichts im Wege gestanden, da mit der Auslegung
eine freie Einsichtnahme in die Patentanmeldung für jedermann erfolge, sie selbst
würde dann von ihrem Berliner Patentanwalt sofort eine Abschrift der Anmeldung
erhalten haben. Eine Erfindung habe übrigens nur dann Handelswert, wenn sie
patentiert sei. Außerdem erklärt die Hütte, daß in dem Begleitschreiben der
Unterlagen eine Frist von zwölf Tagen für die Zurücksendung gestellt worden sei. Der
Leiter der Maschinenbauanstalt, Oberingenieur R., sei
aber während dieser Zeit auf Urlaub abwesend gewesen, es seien daher die Unterlagen
von anderer Seite mit einem negativen Ergebnis geprüft worden. R. habe sich dem einstweilen angeschlossen, jedoch
ersucht, eine Kopie der Unterlagen zurückzubehalten, um die Angelegenheit später
nachprüfen zu können. Sie fährt dann fort, es sei auf ihren Werken zu S. wegen deren
räumlicher Trennung von den anderen Werken Brauch, alle eingehenden Geschäftsbriefe,
Entwürfe und Abschlüsse zu kopieren, um selbe den Akten einzuverleiben und als
geschlossenes Ganze zu besitzen. Daher seien die Unterlagen gedankenlos ohne
Kenntnis des Direktors der Werke zu S. kopiert worden. Die Hütte erbietet sich
darauf, die Verfasser der Unterlagen um Entschuldigung zu bitten und ihnen die Kopie
der Unterlagen auszuhändigen.
Auf diese Auslassungen der Hütte wurde von den Verfassern der Unterlagen erwidert,
daß der im Begleitschreiben angegebene Termin für die Rücksendung der Unterlagen
keine Rolle spiele, da derartige Fristen bei Anträgen auf Kauf von Patenten von den
Maschinenfabriken durchweg nicht genau eingehalten, im Gegenteil oft um Wochen
überschritten würden, ohne daß auch nur eine Entschuldigung erfolge. Da der
Obringenieur R. aber seinen Urlaub Ende Juli beendete,
die Frift aber am 22. Juli ablief, so handele es sich zudem nur um eine Woche. Eine
einfache Benachrichtigung der Verfasser durch Brief oder Karte hätte genügt, um die
zur Prüfung der Unterlagen durch R. erforderliche Zeit
herbeizuführen. Außerdem sei es schwer verständlich, daß eine Firma auf einen
Kaufantrag definitiv ablehnenden Bescheid gebe und dann behaupte, sie habe nachher
an der Hand von Kopien durch einen ihrer Angestellten in eine nochmalige Prüfung
eintreten wollen. Ferner müsse es der Hütte und Herrn R. eben so gut bekannt sein, wie jedem Fachmann, daß eine Nachprüfung nach
geschehener Ablehnung des Antrages zwecklos sei, weil sich nach einem solchen der
Antragsteller
unmittelbar mit anderen Firmen der Branche in Verbindung setze. Es sei dann auch
unglaubwürdig, daß wegen der räumlichen Trennung der Werke zu S. vom Hauptwerk eine
gedankenlose Kopieentnahme sämtlicher Schriftstücke und
Zeichnungen erfolgte, da sich eine derartige Maßnahme aus Gründen der Rentabilität
bei einem Werk von dem Umfang der beschuldigten Hütte von selbst verböte. Der Umfang
der Unterlagen schließe aber die gedankenlose
Kopieentnahme völlig aus, da der Auftrag zur Kopierung derartig umfangreicher
Unterlagen von einer maßgebenden Stelle aus erteilt werden müßte. Hier aber mußte es
bekannt sein, daß im Begleitschreiben und auf einem Teile der Zeichnungen alle
Rechte der Verfasser vorbehalten waren. Eine Entnahme von Kopien aller Eingänge sei
auch bei räumlicher Trennung des Werkes nirgends Brauch, vielmehr würden die
Eingänge vom Zentralbureau im Original an die einzelnen Abteilungen überwiesen und
nach der Erledigung an das Hauptbureau zurückgegeben, so daß die Kopieentnahme für
den Geschäftsgang ganz überflüssig sei. Eine solche geschehe auch nur aus besonderen
Gründen, namentlich dann, wenn das Werk glaube, aus der kopierten Abhandlung oder
Zeichnung Nutzen für sich ziehen zu können. Außerdem stehe dem Einwand einer
„gedankenlosen“ Kopieentnahme die eigene Behauptung der Hütte entgegen,
daß die Entnahme der Kopie auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn R. erfolgt sei. Wie solle der mit dem Geschäftsgang
jedenfalls wohlvertraute Oberingenieur dazu kommen, ausdrücklich um Kopierung zu
bitten, wenn eine solche auch ohnehin erfolgt wäre. Es ergebe sich sonach aus den
unwahrscheinlichen und sich widersprechenden Angaben der Hütte unzweifelhaft, daß
hier ein auf Erlangung eines unberechtigten Vorteiles zum Schaden der Urheber
berechnetes Verhalten der Hütte vorliege, das zu verdrehen und zu bemänteln sie
Ursache habe. Bezüglich der Ausführungen der Hütte über die Benutzung der Kopie nach
Erteilung des Patentes an die Verfasser, bezw. über den Schutz einer patentierten
Erfindung, sei bemerkt, daß es sich nicht um eine Patentverletzung, sondern um ein
Vergehen gegen das Urheberrecht handele. Es seien die Unterlagen keine
Patentschrift, sondern eine mit eingehenden Berechnungen und
Konstruktionszeichnungen versehene Arbeit, die Aufschluß gebe über den Inhalt der in
Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingereichten
Patentanmeldungen und über Konstruktionsformen, die noch nicht angemeldet seien. Sie
gäben Aufschluß über die wirtschaftliche Lage gegenüber der Konkurrenz und über die
über den fraglichen Gegenstand bekannt gewordene Literatur. Es sei ferner eine
Konstruktion angegeben, die bestimmt sei, mit einem anderen derartigen Apparat
neuerer Konstruktion in erfolgreichen Wettbewerb zu treten. Nun habe aber die Hütte
selbst inzwischen Patente auf Apparate ähnlicher Art erhalten, die direkt nach
diesem anderen, von den Erfindern überbotenen System arbeiteten. Es mußten daher
gerade diese Ausführungen für die Hütte von besonderem Interesse sein, so daß
anzunehmen sei, daß die Kopieentnahme nicht zufällig und absichtslos, sondern zur
Verwertung der in den Unterlagen enthaltenen Gedanken im eigenen Nutzen der Hütte
geschehen sei. Das lasse auch die Aeußerung der Hütte erkennen: „Man würde sich
der Kopie erinnert haben, wenn die Patentauslage erfolgt wäre“, denn nach
der Auslage des Patentes würde der Hütte so nicht nur die jedermann offenstehende
Einsicht in die Patentbeschreibung möglich gewesen sein, die im Interesse der
Anmeldenden naturgemäß nur einen gedrängten Bericht enthalte, sondern sie würde aus
den kopierten Unterlagen, die den Patentanspruch bis ins Kleinste begründeten,
sämtliche neuen Gedanken, Pläne, Berechnungen gekannt haben, wodurch sie in den
Stand gesetzt sei, Entgegnungen und Widersprüche gegen die Patentanmeldung
zugunsten ihrer eigenen Konstruktionen geltend zu machen; worauf sie ohne die
unerlaubte Entnahme der Kopie nie verfallen wäre. Es wird dann nachgewiesen, daß
auch eine erst zur Auslegung angenommene Patentanmeldung Gegenstand von
Kaufverträgen sein könne und unter Zusammenfassung aller Gegengründe erklärt, daß
die Behauptung einer gedankenlosen Kopieentnahme ganz unglaubhaft sei, und der
Schutz des § 15 Abs. 2 aus den angeführten Gegengründen nicht eintreten könne. Eine
Aufklärung des Sachverhaltes und die Ermittlung der Schuldigen sei durch die
widerspruchsvolle und unwahrscheinliche Erklärung der Hütte nicht gebracht, sondern
nur von einer gerichtlichen Vernehmung der beteiligten Personen zu erwarten.
Hierauf wurde der Generaldirektor der Hütte von der Staatsanwaltschaft geladen, der
die Erklärung abgab, von der ganzen Sache nichts zu wissen, die Anordnung zur
Kopieentnahme sei offenbar vom Direktor der Maschinenbauabteilung und von deren
Oberingenieur R. ausgegangen. In einem weiteren Termin
wurden dann diese Herren vernommen, von denen Oberingenieur R. angab, die Anordnung zur Kopieentnahme erteilt zu haben. Seine
Rechtfertigung erbat er schriftlich einreichen zu dürfen.
In diesem Rechtfertigungsschreiben erklärt Oberingenieur R., daß er infolge peinlichster Geschäftspünktlichkeit und Genauigkeit aus
dem Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber seiner Direktion die Kopieentnahme
angeordnet habe, um seiner Direktion gegenüber gedeckt zu sein, falls die abgelehnte
Erfindung doch noch eine Bedeutung erlange. Der bekannte Name der Hütte bürge
übrigens dafür, daß die Kopie nicht zu unredlichen Zwecken entnommen sei. Außerdem
zeige das Aussehen der Zeichnungen und Schriftstücke auf den ersten Blick, daß eine
Kopieentnahme erfolgt sei. Für ihn selbst und für seine Konstrukteure sei die Kopie
nicht notwendig gewesen, da diese Herren in der Lage seien, derartige Konstruktionen
im Geiste getreu genug festzuhalten, ja unmittelbar zum geistigen Eigentum zu
machen; es sei daher die Entnahme der Kopie nur erfolgt, um sämtliche ursprügliche
Verhandlungen zu besitzen, falls später neue Verhandlungen aufgenommen werden
sollten, wenn das fragliche Patent auf Kosten anderer über das Stadium des Versuches
hinaus sei. Uebrigens sei es tatsächlich Brauch im Geschäftsgang der Hütte, alle Eingänge zu kopieren, was durch die räumliche
Trennung der Bureaus durch eine verkehrsreiche Straße bedingt sei. Es seien daher
die Kosten und der Arbeitsumfang bei der Entnahme einer Kopie von den fraglichen
Unterlagen überhaupt nicht anzuschlagen. Es sei zudem eine Benutzung der kopierten
Unterlagen zur Erzielung eines unberechtigten Vorteiles nicht erfolgt, da die Hütte
nicht in den schwebenden Patentprozeß eingegriffen habe. Sämtliche Literatur über
die fraglichen Apparate besitze die Hütte übrigens selbst. Herr R. schließt dann unter Versteifung auf patentrechtliche
Fragen, daß die erfolgte Kopieentnahme nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes vom 19. Juni
1901 zulässig sei, da die Hütte keine Einnahmen daraus erzielt habe.
Die hierauf befragten Verfasser äußerten sich gleichfalls schriftlich, indem sie
angaben, daß durch die neuerliche Auslassung der Beschuldigten abermals eine andere
Darstellung der Gründe gegeben werde, die zur Kopieentnahme geführt hätten, als in
dem ersten Schreiben der Hütte, indem nunmehr gegenüber der ursprünglich angegebenen
Gedankenlosigkeit der Grund der Verantwortlichkeit gegenüber der Direktion angeführt
werde. Aber selbst wenn man diesen Grund gelten lassen wolle, so sei unter
Verweisung auf den ausdrücklichen Rechtsvorbehalt auf allen Unterlagen
festzustellen, daß Herr R. bei seiner peinlichsten
Geschäftspünktlichkeit diesem Umstand hätte Rechnung tragen und die Verfasser um
die Erlaubnis zur Kopieentnahme hätte ersuchen müssen. Da dies nicht geschehen sei,
müsse daran festgehalten werden, daß die erfolgte Kopieentnahme den Berechtigten
verheimlicht werden sollte, was als unredliches Geschäftsgebahren bezeichnet werden
müsse und erkennen lasse, daß das Gegenargument des guten Rufes und bekannten Namens
der Hütte nicht so hoch zu bewerten sei, wie es von dem Beschuldigten dargestellt
werde. Ferner zeige das Aussehen der Originalunterlagen keineswegs die erfolgte
Kopierung auf den ersten Blick, es sei vielmehr der Argwohn nur durch den zufälligen
Umstand geweckt worden, daß einzelne mit Anilinstift vorgenommene Korrekturen der
Schrifttexte durch Wasserbenetzung kaum merklich ausgelaufen waren. Es ergebe sich
sonach mit zwingender Notwendigkeit, daß die Beschuldigten die Kopieentnahme im
Bewußtsein der Unzulässigkeit und in der Hoffnung begangen hätten, daß die Verfasser
die Tatsache nicht erkennen würden. Was ferner die Behauptung des Herrn R. anlange, daß er und seine Konstrukteure alle
derartigen Unterlagen getreu genug im Geiste festhalten könnten, ohne der Hilfe
durch Schriftzüge zu bedürfen, so sei sie in dieser Allgemeinheit und bei derartig
umfangreichen Unterlagen zu bestreiten, andernfalls dürfte es keine im Examen
durchfallende Kandidaten geben, denen doch in den meisten Fällen niemand
intensivstes Interesse an den Examensfächern absprechen wolle. Es sei außerdem nur
die große Menge der im Geschäftsbetrieb von außen eingehenden Gedanken und
Konstruktionsformen zu berücksichtigen, um zu erkennen, daß das Gehirn auch dieser
Herren in kurzer Frist nur noch die groben Umrisse der geäußerten Gedanken zu
bewahren vermöchte. Es sei aber dies Gegenargument ganz zwecklos, da den Empfängern
nicht die erfolgte Kenntnisnahme, sondern die materielle Kopierung der Unterlagen
gegen Wissen und Willen der Verfasser zum Vorwurf gemacht werde. Was die Bedeutung
der Kopie für Wiederanknüpfung von Unterhandlungen betreffe, nachdem das Patent auf
Kosten anderer über das Stadium des Versuches hinaus sei, so sei zu bemerken, daß
die Hütte selbst Patente über den Gegenstand besitze, also an anderen Patenten
dieser Art nur insoweit Interesse nehmen könne, wie es ihre Stellungnahme gegenüber
der hierdurch geschaffenen Konkurrenz erfordere, um so mehr, als sich fremde Patente
infolge der Lizenzbelastung unwirtschaftlicher als eigene für die Hütte stellen
würden. Es sei daher auch hier nicht zu verkennen, daß die Kopie der Unterlagen ein
Mittel an die Hand geben sollte, lästiger Konkurrenz entgegenzutreten. Wenn eine
wirtschaftliche Schädigung der Verfasser in dieser Weise nicht eintreten konnte, so
sei das die Folge des rechtzeitig gestellten Strafantrages. Was den Brauch der
Kopierung aller Unterlagen anbetreffe, so sei dieser nach der Erkundigung der
Verfasser bei anderen, durch Bahnstrecken und Landesgrenzen getrennten
Werkseinheiten so eigenartig, daß seine genaue Feststellung durch Zeugenvernehmung
nötig erscheine. Aber selbst Wenn dieser Brauch zugestanden werde, hätten sich die
Beschuldigten der Kopieentnahme enthalten müssen, da ihnen diese beim Bekanntwerden
infolge des Eigentumsvorbehaltes gerichtliche Weiterungen unter Voraussetzung der
Schädigung der Betroffenen bringen mußte. Charakteristisch sei des weiteren der
Umstand, daß die Rechtfertigungsschrift an keiner Stelle auf den mehrfach betonten
Rechtsvorbehalt der Verfasser an allen Unterlagen eingehe. Es sei ferner § 15 Abs. 2
des Gesetzes vom 19. Juni 1901 im Sinne des Beschuldigten anzuziehen, denn wenn auch
eine Benutzung der Kopie zur Erzielung einer Einnahme noch nicht stattgefunden habe,
so sage die betreffende Gesetzesstelle ausdrücklich von der Vervielfältigung:
„wenn sie nicht den Zweck hat, eine Einnahme
daraus zu erzielen“. Demnach mache bereits die Absicht, aus der Vervielfältigung unter Umständen eine Einnahme zu
erzielen, straffällig. Es wird dann vorgeschlagen, technische Sachverständige zur
Entscheidung über Gründe und Gegengründe zu befragen und zum Schlusse bemerkt, daß
es in technischen Kreisen durchweg üblich sei, ausgegebene Zeichnungen mit
Schutzstempel zu versehen. Es unterliege keinem Zweifel, daß auch die Hütte
derartige Stempel benutze, von deren Bezugnahme auf das Urheberrecht sie sich
zweifellos einen Erfolg verspreche. Es wäre demnach durch den Nachweis der Benutzung
gleichartiger Schutzstempel durch die Hütte unwiderleglich der Beweis erbracht, daß
die Kopieentnahme nach Ansicht der Hütte selbst eine strafbare Handlung im Sinne des
Gesetzes sei, was überhaupt der Ansicht technischer Kreise entspreche.
Hierauf stellte die Staatsanwaltschaft zu D. das Verfahren gegen den Vorstand der
Hütte ein, da nicht festgestellt werden konnte, daß er von den fraglichen Vorgängen
Kenntnis gehabt habe. Dagegen wurde gegen den Oberingenieur R. Anklage wegen Vergehens gegen §§ 15 und 38 des Gesetzes vom 19. Juni
1901 erhoben und hiervon mit Rücksicht auf § 40 desselben Gesetzes (Geltendmachung
eines Bußanspruchs) den Verfassern Kenntnis gegeben.
Im Verfolg dieser Mitteilung sahen die Verfasser von der Erhebung einer
Schadensersatzklage wegen der Unmöglichkeit der festen Aufstellung des entstandenen
Schadens ab und schlössen sich dem Strafverfahren unter Beanspruchung einer Buße als
Nebenkläger an, wobei die Nebenklage im späteren Verlaufe vom Kgl. Landgericht zu D.
zugelassen wurde. Den Maßstab für die Festsetzung der Buße gaben die im bisherigen
Verlauf des Verfahrens erwachsenen baren Ausgaben und Zeitverluste, für die die
Sätze der Gebührenordnung des Vereins deutscher Ingenieure zugrunde gelegt
wurden.
Inzwischen aber wandte sich Oberingenieur R. in
persönlichem Schreiben an die Verfasser mit der Mitteilung, daß ihm das öffentliche
Strafverfahren höchst peinlich sei, und mit der Anfrage, unter welchen Bedingungen
die Verfasser den Strafantrag zurückziehen würden. Es wurde ihm darauf die Endsumme
der dem Gerichte zur Begründung des Bußanspruches eingereichten Aufstellung des
bisher erwachsenen Schadens mitgeteilt.
Eine außergerichtliche Einigung kam aber nicht zustande, weil das Kgl. Landgericht zu
D., Ferienstrafkammer l, inzwischen den Beschluß faßte, die Eröffnung des
Hauptverfahrens abzulehnen mit der Begründung: „Die Angaben des Angeschuldigten,
er habe die Vervielfältigung der Beschreibungen und Zeichnungen zu seinem
persönlichen Gebrauch bewirkt, ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht zu
widerlegen. Andererseits liegt kein ausreichender Anhalt dafür vor, daß der
Angeschuldigte bezweckte, aus dem Werke eine Einnahme zu erzielen. Es liegt
somit nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes vom 19. Juni 1901 keine strafbare
Vervielfältigung vor.“
Hiergegen legten die abgewiesenen Verfasser sofort Beschwerde beim zuständigen
Oberlandesgericht zu D. ein, während die Staatsanwaltschaft nicht beabsichtigte, vom
Rechtsmittel sofortiger Beschwerde Gebrauch zu machen.
In der Beschwerdebegründung wurde angeführt, daß die Auffassung, die Vervielfältigung
solle nur zum persönlichen Gebrauch, nicht aber dem Zwecke der Erzielung einer
Einnahme dienen, nicht zutreffe, denn nach den Ermittlungen der Kgl.
Staatsanwaltschaft zu D. habe Oberingenieur R. die
Kopieentnahme in seiner Eigenschaft als Oberingenieur der Hütte veranlaßt, so daß
die Vervielfältigung zu persönlichem Gebrauch
ausgeschlossen sei. Des weiteren würde die Angabe, daß aus dem Werke keine Einnahme erzielt
werden solle, in allen technischen und patenttechnischen Kreisen auf Unglauben
stoßen, weil
1. die Hütte ein wirtschaftliches Interesse an der Kenntnis der
Grundlagen der mit ihren eigenen Patenten konkurrierenden Patente haben
mußte;
2. der Angeschuldigte trotz ausdrücklichen Verbotes der
Berechtigten die Kopieentnahme veranlaßte;
3. die Angaben über die Gründe der Kopieentnahme durchaus
verschieden lauteten und so auf Glaubwürdigkeit keinen Anspruch erheben
könnten;
4. zweifellos der Gebrauch von Schutzstempeln seitens der Hütte
selbst anzunehmen sei, so daß R. die fragliche
Kopieentnahme selbst als straffällig hätte ansehen müssen:
Dazu komme
1. daß nach dem Ausweis der kopierten Unterlagen eine Kopie
durch Netzung und Abklatsch genommen sei, die nur auf durchsichtigem Papier
einseitige Positivkopien liefere. Dagegen sei die bei den Akten befindliche
Kopie zweiseitig auf Konzeptpapier mit positiven Schriftzügen, so daß angenommen
werden müsse, daß mindestens zwei Kopien genommen seien, von denen eine sich
noch im Besitze der Hütte befinde;
2. daß Oberingenieur R. einen
außergerichtlichen Vergleich nachgesucht hätte, der sicher unterblieben wäre,
wenn er sich bei der Kopieentnahme auf dem Boden des Rechts geglaubt habe. Es
wurde dann beantragt, Herrn Professor H. Karlsruhe
und Herrn Dipl.-Ing. K S. Berlin als
Sachverständige zu vernehmen.
Hierauf erfolgte von Seiten des Strafsenates des Kgl. Oberlandesgerichts zu D. der
Beschluß, die Beschwerde auf Kosten der Beschwerdeführer abzuweisen, mit der
Begründung: Es ist nicht zu leugnen, daß ein Verdacht
gegenüber dem Beschuldigten R. besteht, sich eines
Vergehens im Sinne der §§ 15, 38 des Gesetzes vom 19. Juni 1901 schuldig gemacht zu
haben. Dafür spricht u.a. der Umstand, daß sich auf den Zeichnungen der deutliche
Hinweis auf die Bestimmungen des älteren Gesetzes vom 11. Juni 1870 befindet, und
ferner die widerspruchsvolle Einlassung des Beschuldigten gegenüber der gegen ihn
erhobenen Beschuldigung.
Nachdem aber durch den als Sachverständigen vernommenen Handelsrichter S. zu D. bekundet worden ist, daß die Einlassung des
Beschuldigten: er habe die Kopieen lediglich im Gefühl der Verantwortlichkeit
gegenüber der Direktion anfertigen lassen – glaubhaft ist, eine Widerlegung dieser
Einlassung hiernach nicht möglich erscheint, da ferner infolgedessen eine
Feststellung dahin, daß die stattgehabte Vervielfältigung seitens des Beschuldigten
den Zweck gehabt habe, eine Einnahme zu erzielen, nicht getroffen werden kann, so
ist der Verdacht gegenüber dem Beschuldigten nicht hinreichend, um die Eröffnung des
Hauptverfahrens begründet erscheinen zu lassen. Der angegriffene Beschluß ist
sonach gerechtfertigt. Nach §505 St. P. O. ist die Kostenentscheidung begründet.
Gegen diesen Bescheid des Oberlandesgerichts auf die eingelegte Beschwerde ist ein
weiteres Rechtsmittel für die Nebenkläger nicht gegeben, ebensowenig kann die
Staatsanwaltschaft, nachdem das Gericht die Verfolgung abgelehnt hat, weitere
Schritte ergreifen. Es blieb den Nebenklägern nur noch der Weg der im Zivilprozeß
durch Klage zu verfolgenden Schadensersatzansprüche offen, unter Geltendmachung der
fahrlässigen, nicht der vorsätzlichen Verletzung des Urheberrechtes. Unter
Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Mangels der Möglichkeit, den durch
die Kopieentnahme im Betriebe der Hütte etwa verursachten Schaden an den Interessen
der Kläger festzustellen, schienen die Aussichten auf ein obsiegendes Urteil so
gering, daß die Kläger von der Einleitung eines zivilen Schadensersatzprozesses
absahen.
Der Ausfall und die Handhabung des im vorstehenden dargelegten Falles dürfte die
treffendste Erläuterung für die Notwendigkeit der vom Verfasser geforderten
gesetzgeberischen Maßnahmen zum Schütze solcher technisch-literarischer und
technisch-zeichnerischer Erzeugnisse, die weder im Buchhandel erscheinen noch
veröffentlicht werden, sein. Da diese Erzeugnisse oft einen großen Aufwand von
geistiger Tätigkeit, Zeit, Geld und Mühe verlangen, augenblicklich aber so gut wie
keinen Schutz genießen, erscheint es dringend notwendig, daß die beteiligten
Körperschaften solche Schritte ergreifen, die zur Schaffung ausreichender, nicht
umgehbarer gesetzlicher Schutzgarantien zu führen geeignet sind.
Nicht erreicht werden kann aber ein derartiger Schutz nach dem Vorschlage der
Patentanwälte Riechers und KüsterD. p. J. S. 541 d.
Bd., der darin besteht, die Verbreitung und Benutzung der
Unterlagen auf Grund des Patent- und Gebrauchsmusterschutzgesetzes zu verhindern.
Hierbei soll auf jeden einzelnen der in den Unterlagen dargestellten Gegenstände ein
Patent, bezw., wenn dieses nicht erteilt werde, ein Gebrauchsmuster nachgesucht
werden. Das ist durchaus ausgeschlossen, denn abgesehen davon, daß zurzeit Patente
und Gebrauchsmuster bereits in sehr empfindlicher Weise die freie
Konstruktionstätigkeit beengen, so ist es gar nicht möglich, auf die in jedem neuen
Projekt geänderte Zusammenstellung gleicher Organe, auf jeden Kostenanschlag oder
jede Beschreibung ein besonderes Patent oder Gebrauchsmuster nachzusuchen. Es soll
sich doch der Schutz der Unterlagen nicht nur auf die dargestellten Gegenstände,
sondern darüber hinaus auch auf die in ihnen festgelegten Gedanken erstrecken, für
die ein Schutz nach dem Patentrecht nicht erlangt werden kann.
Bei dem Bedürfnis nach klaren und ausreichenden Schutzbestimmungen für die technische
Seite des Urheberrechts dürfte die weitere Bekanntgabe und Besprechung von
Entscheidungen in ähnlichen Fällen sehr erwünscht sein.