Titel: | Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre 1907. |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 811 |
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Die Tätigkeit des Königlichen
Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre
1907.
(Schluß von S. 781 d. Bd.)
Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen
Hochschule usw.
Die Abteilang für Papier- and textiltechnische
Prüfungen bearbeitete neben den zahlreichen Prüfungen von Papier nach den
bestehenden Vorschriften eine große Zahl interessanter Fragen, unter anderem die
folgenden, welche den Wert derartiger Untersuchungen für Handel und Industrie
deutlich hervortreten lassen:
1. Eine Druckerei hatte eine Lieferung von Briefumschlägen beanstandet, weil diese angeblich so sandhaltig waren, daß
sich die Klischees und Lettern nach kurzer Zeit abnutzten und infolgedessen die zu
bedruckenden Stellen keine Druckerschwärze annahmen und helle Stellen zeigten. Die
Untersuchung ergab, daß das Muster etwa 0,007 v. H., die Lieferung etwa 0,004 v. H.
Sand, also weniger als das Muster, enthielt und die Größe der Sandkörnchen bei
beiden gleich war. Weder Kaufmuster noch Lieferung enthielten mehr Sand als andere
Papiere dieser Art, von denen eine größere Anzahl zum Vergleich auf Sandgehalt
untersucht wurde. Die Bemängelung der gelieferten Briefumschläge aus dem angegebenen
Grunde war daher nicht gerechtfertigt.
2. In einer Beschwerdesache wegen Zollbehandlung von Zellulosepackpapier wurde das
Amt um Auskunft darüber ersucht, ob die braune Farbe des Papiers lediglich durch
Kochen der Rohstoffe erzielt worden sei oder ob es, wie ein ausländisches Zollamt
annahm, künstlich in der Masse mit Teerfarben gefärbt sei. Es handelte sich um eins
der sogen. „Sealings“, die meist aus ungebleichtem Holzzellstoff hergestellt
und nicht besonders gefärbt werden, da der gekochte Stoff an sich braun ist. Bei dem
eingereichten Papier war indessen dem Stoff etwas Farbstoff, vermutlich zum
Vertiefen der braunen Naturfarbe, zugesetzt worden. Die Annahme des ausländischen
Zollamtes traf also zu.
3. In einer Zollstreitigkeit einer Lederpappenfabrik mit Argentinien bedurfte die
Fabrik eines Nachweises, daß der von ihr nach dem betreffenden Lande ausgeführte
Karton aus „minderwertigem Altmaterial“ hergestellt und weder besonders
geleimt noch gefärbt war. Da eine Bescheinigung hierüber nur nach Beobachtung der
Fabrikation an Ort und Stelle abgegeben werden konnte, begab sich ein Angestellter
des Amtes nach der Fabrik und beobachtete an zwei Tagen die Herstellung der
Kartonsorte in allen ihren Teilen vom Eintragen des Rohmaterials an bis zum fertigen
Karton. Es konnte bescheinigt werden, daß der in seiner Gegenwart gefertigte Karton
ausschließlich aus alten Tageszeitungen, Zeitschriften, Kursbüchern usw. hergestellt
und der Masse weder Leim noch Farbe zugesetzt worden war. Die graue Farbe des
Kartons rührte von der Druckerschwärze her.
4. An Ansichtspostkarten, deren Golddruck angelaufen war, war festzustellen, ob das
Schwarzwerden durch den zu den Ansichtskarten verwendeten Karton verursacht sei.
Gleichzeitig waren unbedruckte Kartonblätter darauf zu untersuchen, ob auch diese
Blätter Stoffe enthielten, welche geeignet seien, Golddruck zu schwärzen.
Um diese Frage zu beantworten, wurden unechte Blattgoldstücke zwischen die
unbedruckten Seiten der Ansichtskarten sowie zwischen die Kartonblätter gelegt und
diese Packungen bei verschiedener Luftfeuchtigkeit eine Zeitlang aufbewahrt. Sowohl
die Ansichtskarten wie die Kartonblätter, erstere mehr als die letzteren, bewirkten
Anlaufen des Blattgoldes,
Bei der chemischen Untersuchung wurde keine freie Säure gefunden, jedoch konnte in
den Karten und in den Kartonblättern wirksames Chlor nachgewiesen werden und zwar in
den Karten merklich mehr als in den Kartonblättern. Auf diese Chlorverbindungen war
vermutlich das Anlaufen des Golddruckes der Karten zurückzuführen.
5. Das Amt hat die Papierfabriken wiederholt angeregt, Zementsäcke aus Papier
herzustellen, um die Jutesäcke, die jetzt zur Versendung des Zementes benutzt
werden, zu verdrängen. Da die Preise für Jutesäcke immer noch hoch sind, haben sich
jetzt auch Vertreter anderer Industrien (Zucker, Kunstdünger, Kalisalz)
entschlossen, Versuche mit den Papiersäcken vorzunehmen.
6. Im Hinblick auf den bedenklichen Zustand, in dem sich viele Bücher unserer
Bibliotheken infolge der Verwendung ungeeigneten Papiers befinden, ist die Prüfung
einer größeren Anzahl von Büchern und Zeitschriften ausgeführt worden und hat zu
einem sehr betrübenden Ergebnis geführt. Von 101 abgeschlossenen Werken und 334
Zeitschriften waren nur sehr wenige auf Papier gedruckt, das als ausreichend
angesehen werden konnte. Zu der Mehrzahl war Papier verwendet, das weder in der
Stoffzusammensetzung noch in der Festigkeit berechtigten Ansprüchen genügte. Die
durch diese Prüfung aufgedeckten Zustände sind derart besorgniserregend, daß alle
beteiligten Kreise mit größtem Ernst an ihrer Beseitigung arbeiten sollten. Es wird
dringend empfohlen, daß zunächst eine Kommission von Vertretern aller beteiligten
Kreise eingesetzt wird, die die Frage dauernd im Auge behält und Mittel zur Abhilfe
sucht.
7. Im Kalenderjahr 1907 wurden im Auftrage von Behörden 947 Papiere vollständig
untersucht, hiervon gefügten 870 Papiere = 91,9 v. H. den vorgeschriebenen
Lieferungsbedingungen, während 77 Papiere = 8,1 v. H. ihnen nicht entsprachen. Die
Anzahl der nicht genügenden Papiere ist gegen das Vorjahr um 1,3 v. H.
zurückgegangen; die Verstöße waren im allgemeinen nicht schwer. Der bessernde
Einfluß der Papiernormalien auf die Güte der den Behörden gelieferten Papiere zeigt
sich von Jahr zu Jahr deutlicher.
8. Die Prüfung von zwei Asbestdichtungen auf Fett, Bitumen und Gehalt an
Pflanzenfasern ergab, daß beide Proben aus einem aus
Asbestfäden geklöppelten Schlauch bestanden, der mit losem Asbest gefüllt
war. Der Fett- und Bitumengehalt betrug bei den Schläuchen 0,34 bezw. 0,28 v. H.,
bei der Füllung 0,12 bezw. 0,17 v. H. Der Gehalt an Pflanzenfasern (Baumwolle)
betrug bei den Schläuchen rund 12 v. H., bei der Füllung 1 bezw. 6 v. H.
Eine Umfrage bei den bedeutendsten deutschen Asbestspinnereien ergab, daß eine
Beimengung von etwa 5 v. H. Baumwolle das Verspinnen des Asbestes wesentlich
erleichtert, ohne die Eigenschaften des Materials schädlich zu beeinflussen.
9. Blau gefärbtes Papier und daraus gefertigte Papierspulen waren auf das Verhalten der Farbe gegen ungefärbtes
Wollengarn bei der Einwirkung von Wasserdampf zu prüfen. Es sollte ermittelt werden,
ob das Papier zu Spulen für Wollspinnereizwecke
geeignet sei.
Die Prüfung ergab, daß das um Abschnitte des Papiers und um die Spulen gewickelte
ungefärbte Wollengarn bei einer halbstündigen Einwirkung von Wasserdampf bis zu 85°C
sich nicht anfärbte; bei 95 – 100°C trat jedoch teilweise Färbung des Garnes ein. Da
beim Dämpfen der Spulen in den Wollgarnspinnereien höhere Wärmegrade als 85°C nicht
angewendet werden, so war die Farbe des Papiers als dampfecht für
Wollspinnereizwecke anzusehen.
10. Ein Baumwollenband sollte auf sein Verhalten gegen erhitztes Oeltransformatoren-
und Schaltapparatespezialöl geprüft werden.
Es wurde 400 Stunden in das auf 100°C erhitzte Oel gelegt und dann im Vergleich mit
dem nicht behandelten Bande auf Festigkeit und Dehnung geprüft.
Hierbei ergab sich, daß das Band durch die Behandlung an Festigkeit und Dehnung in
erheblichem Maße verloren hatte. Wurden Bruchlast und Dehnung des unbehandelten
Bandes = 100 gesetzt, so betrugen sie für das mit dem heißen Oel behandelte Band nur
19,9 bezw. 34,7.
11. Die Prüfung von zwei Putztüchern inbezug auf
Aufsaugevermögen für warmes Maschinenöl ergab, daß die Tücher in einer Minute 4,1 g
bezw. 3,7 g Oel, auf 1 g Gewebe berechnet, aufzunehmen vermochten.
Erwähnt seien ferner die Untersuchungen: gewebter Treibriemen auf die Art des
verarbeiteten Haargarnes; von Teppichen, Läuferstoffen und Garnen auf die Faserart
und Art der Färbung zwecks Zolltarifierung; von Seide auf Art der Behandlung,
Fettgehalt und Ursache für die Entstehung eines Ausschlages; von Waschmitteln
hinsichtlich des Einflusses auf die Festigkeit von Baumwolle und feinen; von
Baumwollstoff auf Fleckenbildung; über die Ursache von Schäden an Halbleinenstoffen,
Handtüchern und Servietten, sowie der Umklöppelung eines Telephodrahtes auf
vollständige Durchtränkung mit Wachs.
Die Abteilung für Metallographie macht wiederholt darauf
aufmerksam, daß bei Stellung von Anträgen aus der Praxis vielfach unterlassen wird,
die Heranziehung der metallographischen Verfahren zur Aufklärung der Ursache
besonderer Erscheinungen z.B. Bruchursache, Ursache von Zerstörungen, Anfressungen
usw. zu beantragen.
Die Arbeiten der Abteilung betrafen mehrfach Untersuchungen über den Rostangriff von
Siederohren in Dampfkesseln, Warmwasseranlagen usw. Festgestellt ist, daß die
chemische Zusammensetzung des Eisens in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine
sehr untergeordnete Rolle beim Rostangriff spielt.
Auch der Einfluß der verschiedenen chemischen Zusammensetzung der zur Verwendung
gelangenden Speisewasser tritt häufig zurück gegenüber dem Einfluß der von dem
Speisewasser mitgeführten Luft.
Vollkommene Verhinderung des Rostangriffs könnte nur bei Verwendung völlig
sauerstoff-(luft-)freien Wassers erzielt werden, was aus technischen Gründen nicht
erreichbar ist. Wohl aber gelang es, dem Speisewasser durch Einhängen von
Holzkohlenbeuteln einen Teil seines Sauerstoffgehaltes zu entziehen und auf diese
Weise den Rostangriff von Versuchsproben auf den vierten bis fünften Teil
herunterzudrücken, also eine wesentliche Verlängerung der Lebensdauer der mit dem
Wasser in Berührung stehenden Bauteile zu erzielen.
Versuche über den Einfluß der Berührung verschiedener Metalle unter Wasser auf den
Rostangriff führten im wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:
Bei Berührung von Eisen mit Kupfer wurde bei Verwendung von Charlottenburger
Leitungswasser der Rostangriff auf das Eisen um etwa 25 v. H. und bei Verwendung von
Seewasser um etwa 47 v. H. erhöht. In Berührung mit Nickel rostete Eisen unter den
angewandten Versuchsbedingungen in Wasser etwa 14 – 19 v. H. mehr als ohne Berührung
mit diesem Metall. Berührung mit Gußeisen bildete einen wesentlichen Schutz für das
Flußeisen. Berührung von Gußeisen oder Flußeisen mit Messing ergab keine deutliche
Beeinflussung des Rostangriffes durch Wasser. Sehr stark trat sie jedoch bei
Berührung von Bronze mit Eisen hervor.
Verzinkte Eisendrähte im Gesamtgewicht von etwa 10 g verloren bei Berührung mit
Bronze nach 30 tägigem Verweilen in Seewasser rund 0,4 g an Gewicht, während 10 g
Drähte derselben Art, ohne in Berührung mit Bronze zu stehen, in derselben Zeit nur
etwa 0,02 g an Gewicht abgenommen hatten. Die Zinkschicht war bei den in Berührung
mit Bronze stehenden Drähten stellenweise vollständig verschwunden und das Eisen mit
knotenförmigen, starken Rostwucherungen bedeckt. Die Drähte, die nicht in Berührung
mit Bronze in Wasser gestanden hatten, waren fast völlig unversehrt.
Vergleichsversuche über den Angriff von Zink- und Kupferblech in wässeriger
schwefliger Säure ergab, daß Zink elf mal stärker angegriffen wird als Kupferblech.
– Traufwasser, das Sulfate von Eisen und Kupfer gelöst enthielt, griff Zink stark
an.
Zur Untersuchung verzinnter eiserner Gegenstände auf Porosität der Verzinnung hat
sich folgendes Verfahren als sehr brauchbar erwiesen: Das Versuchsstück wird unter
Ausschluß von Sauerstoff in kohlensäurehaltiges Wasser gehängt. Hierbei geht selbst
bei der kleinsten Undichtigkeit der Verzinnung Eisen in Lösung und kann im
Versuchswasser nachgewiesen werden. Bei vollkommen dichter Verzinnung bleibt das
Versuchswasser eisenfrei. Das Verfahren beruht auf der Schwerlöslichkeit von Zinn in
kohlensäurehaltigem Wasser, während Eisen bei Ausschluß von Sauerstoff als
Bikarbonat in Lösung geht.
Die Ursache für das Aufreißen von Kondensatorrohren aus Messing wurde in starken
Spannungen im Material infolge Kaltziehens, und in der Einwirkung von Wasserarten,
die Messing stark angreifen (Seewasser, salzhaltiges Wasser), gefunden. Wenn die
betreffenden Messinggegenstände ausgeglüht sind, wird Aufreißen nicht beobachtet,
wenigstens ist bisher im Amt kein solcher Fall bekannt geworden, und eine Reihe hier
ausgeführter Versuche mit kaltgezogenen Messingnäpfchen hat gezeigt, daß die Neigung zum
Aufreißen durch das Glühen beseitigt werden kann.
Wird die Oberfläche eines Spannungen enthaltenden Messingrohres durch Aetzmittel
(z.B. Seewasser, verschiedene Salzlösungen, Quecksilberchlorid) angeätzt, so kann
das Rohr aufreißen. Ebenso können auch gewisse Farbanstriche unter Umständen
Aufreißen der Rohre veranlassen, wenn der Farbanstrich Zersetzungen unterworfen ist
und die Zersetzungsstoffe Zink-Kupferlegierungen angreifen.
Von den weiteren Untersuchungen der Abteilung seien erwähnt die Ermittlung der
Ursache für Brüche an Werkzeugen und mangelhaftes Verhalten von Metallen bei der
Verarbeitung in Materialfehlern und Spannungen.
Für Rotguß und Weißmetall konnte festgestellt werden, daß die Abkühlungsverhältnisse
beim Guß auf die Festigkeitseigenschaften wesentlichen Einfluß ausüben. Niedrige
Gießhitze und nicht zu langsame Abkühlung wirkt günstig, während hohe Gießhitze und
nachfolgende langsame Abkühlung die Festigkeitseigenschaften nachteilig
beeinflußt.
Unter den Arbeiten der Abteilung für allgemeine Chemie
mögen die folgenden genannt sein: Untersuchungen von Wasser auf Verwendbarkeit in
der Papierfabrikation, von Sprengstoffen auf Zulässigkeit der Beförderung durch die
Eisenbahn, von Brennmaterialien auf Heizwert, über die Fehler, die entstehen bei der
Phosphorbestimmung im Stahl durch Gegenwart von Arsen und bei der Ermittlung des
Wolframgehaltes durch Chrom, sowie von Eisengallustinten.
Die Prüfung der Frage nach der Entwicklung giftiger Gase aus elektrolytisch
hergestelltem Ferrosilizium ergab, daß Arsen nicht in merklichen Mengen zugegen war,
daß aber bei gewissen Materialien beim Hinzutritt von Feuchtigkeit erhebliche
Entwicklung von Phosphorwasserstoff stattfand.
Untersuchungen von Beton, der an der Oberfläche teilweise eine dünne, leicht
abzuhebende Schicht von kohlensaurem Kalk aufwies, führten zu dem Schluß, daß diese
Zerstörungserscheinung wahrscheinlich dadurch veranlaßt seien, daß kohlensaure- und
schwefelsäurehaltiges Wasser durch undichte Stellen des Betons hindurchgedrungen war
und den Zement zersetzt hatte.
Verschiedene Betonmischungen, die längere Zeit dem Rauch aus Lokomotiven ausgesetzt
waren, zeigten sämtlich an der Oberfläche Zerstörungen infolge Bildung von
schwefsaurem Kalk.
Im Beton aus Koksasche, Zement und Sand trat kein Rosten des eingebetteten Eisens
ein, solange der Beton dicht blieb. Da aber Eisen in Koksasche allein stark rostet,
und zwar annähernd proportional dem Gehalt der Asche an Sulfidschwefel, so steht zu
befürchten, daß das Rosten des Eisens im Beton durch die Koksasche beschleunigt
wird, sobald Luft und Wasser durch undichte Stellen zum Eisen gelangen.
Die Untersuchungen der Abteilung für Oelprüfung
erstreckten sich im wesentlichen auf Rohöle, Schmieröle und Fette, Benzin,
Petroleum, Brennöle, Teer, Asphalt, Terpentine, Firnisse, Lacke, Putzmittel,
Lötmittel, Gummi, Seifen usw.