Titel: | Biegung eines dünnwandigen Hohlzylinders durch achsensymmetrische Kräfte und ungleiche Wandtemperatur. |
Autor: | Max Ensslin |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 65 |
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Biegung eines dünnwandigen Hohlzylinders durch
achsensymmetrische Kräfte und ungleiche Wandtemperatur.
Von Dr.-Ing. Max Ensslin,
Stuttgart.
(Fortsetzung von S. 54 d. Bd.)
Biegung eines dünnwandigen Hohlzylinders durch achsensymmetrische
Kräfte und ungleiche Wandtemperatur.
V. Dünnwandiger Hohlzylinder bei ungleichmäßiger
Erwärmung in Richtung der Wandstärke.
Der Hohlzylinder ist frei von äußeren Kräften, in Richtung der Wandstärke herrscht
jedoch verschiedene Temperatur und zwar so, daß die Temperatur der Mittelfläche
ungeändert bleibt, während die Schichten auf der einen Seite der Mittelfläche
erwärmt, auf der andern abgekühlt sind. Die Temperaturänderung ist dem Abstand λ von
der Mittelfläche proportional angenommen und betrage ± λ . Tg, wobei Tg das Temperaturgefälle °C auf 1 cm der
Zylindernormalen bedeutet. Die Temperaturverteilung sei in allen Querschnitten
gleich.
Die Zylinderfläche „wirft sich“ unter dem Einfluß der ungleichmäßigen
Erwärmung, der Meridian der elastischen Mittelfläche erscheint von der kälteren
Seite aus gesehen, hohl gekrümmt.
Denkt man sich den Zylinder aus Zylinderelementen (Fig.
2), gleichsam aus Bausteinen zusammengefügt, und diese in der
beschriebenen Weise erwärmt, bezw. abgekühlt, so passen sie in der neuen Gestalt wie
leicht vorstellbar nicht mehr ohne Klaffen zusammen, Spannungen entstehen hierbei
noch nicht. Soll ein zusammenhängender Körper hergestellt werden, so müßte man die
Elemente mit Zwang zu einem fugenlosen Körper vereinigen; die entstehenden
Spannungen sind die Temperatur Spannungen, sie treten in der Achsen- und in der
Umfangsrichtung auf.
Gegenüber ungleicher Erwärmung in der Richtung der Wandstärke verhalten sich demnach
ebene PlattenS. Dinglers Polyt.
Journ. 1907, S. 706 u. ff. 1908, S. 529. und Hohlzylinder
verschieden. Die ersteren bleiben spannungsfrei, die letzteren erfahren
Temperaturspannungen. Eine Belastung durch äußere Kräfte ist in beiden Fällen nicht
vorhanden.
Die Gesamtdehnung eines Hohlzylinderelements setzt sich zusammen aus der Dehnung, die
es infolge der ungleichmäßigen Erwärmung allein erfahren würde bei ungehinderter
Wärmeausdehnung, und aus der Dehnung, welche die Temperaturspannungen für sich
allein hervorbrächten (Zwang infolge gehinderter Wärmedehnung): Die Gesamtausdehnung
ε' ist die algebraische Summe der freien Wärmedehnung εr und der von der Temperaturspannung herrührenden Dehnung ε:
ε' = εT + ε . . . . . (34)
Die Wärmedehnung für sich findet man wie folgt. Es werde ein Ring vom Halbmesser (r + λ) und vom Querschnitt dz . dr betrachtet, wenn er um λ . Tg erwärmt wird. Der ursprüngliche Umfang 2π . (r + λ) verlängert sich um 2π (r
+ λ) . αw . λ . Tg. Die Umfangsdehnung εϕr ist hiernach infolge der Erwärmung:
\begin{array}{rcl}\varepsilon_{\varphi\,T}&=&
\frac{2\,\pi\,(r+\lambda)+2\,\pi\,(r+\lambda)\,.\,\alpha_w\,.\,\lambda\,.\,T_g-2\,\pi\,(r+\lambda)}{2\,\pi\,(r+\lambda)}\\
&=& \alpha_w\,.\,\lambda\,.\,T_g\end{array}
Die radiale Abmessung dr wird zu dr . αw . λ . Tg, die radiale Dehnung durch die
Erwärmung ist
\varepsilon_{rT}=\frac{dr\,.\,\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,T_g}{dr}=\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,.\,T_g
Die achsiale Wärmedehnung findet man ebenso zu
\varepsilon_{zT}=\frac{dz\,.\,\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,.\,T_g}{dz}=\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,.\,T_g
Es ist also
εrT = εϕT = εzT = αw . λ . Tg .
. . . (35)
Von hier ab stimmt der Rechnungsgang mit demjenigen im vorigen
Abschnitt überein.
Wie dort kann man annehmen, daß die radiale Normalspannung σrr klein sei im Vergleich zu den Achsialspannungen
σzz und zu den Umfangsspannungen σϕϕ daß also angenähert sei
σrr = 0
Damit erhalten wir wieder die Gleichung (10) zwischen
Normalspannungen σ und den von ihnen herrührenden Normaldehnungen ε:
\left{{\sigma_{\varphi\varphi}=\frac{m}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,(m\,\varepsilon_{\varphi\varphi}+\varepsilon_{zz})}\atop{\sigma_{zz}=\frac{m}{m^2-1}\cdot
\frac{1}{\alpha}\,(\varepsilon_{\varphi\varphi}+m\,.\,\varepsilon_{zz})}}\right\}\
.\ .\ (35)
Wir setzen wiederum voraus, daß eine Zylinder-normale nach wie vor Eintritt der
Deformation gerade und senkrecht zur elastischen Mittelfläche sei und können unter
dieser Voraussetzung die resultierende Dehnung ε' in einem beliebigen Zylinderpunkt
(r + λz) ausdrücken;
wir erhalten wie in Gleichung (17),
\varepsilon'_{zz}=\varepsilon'_{zzo}-\lambda\cdot
\frac{d^2\,u_0}{dz^2}
sofern u0 die radiale Durchbiegung der Zylinderfläche und
ε'zzo die Dehnung der elastischen Mittelfläche
bedeutet.
Die resultierende Umfangsdehnung findet man wie in Gl. (19) zu
\varepsilon'_{\varphi\varphi}=\frac{u_0}{r+\lambda}
oder sofern man bei hinreichend kleiner Wandstärke λ
gegen r vernachlässigen kann, wie in Gl. (19a)
\varepsilon'_{\varphi\varphi}=\frac{u_0}{r}
Wir berechnen nun die durch die Temperatur-Spannungen hervorgerufenen Dehnungen,
indem wir den Wert der resultierenden Dehnung ε' und der Temperaturdehnung εT aus (17) und (19a), und (35) in (34) einsetzen.
Die so erhaltenen Dehnungen werden in (10) eingesetzt, womit sich für die
Temperaturspannungen ergibt
(36)\ \left\{{{\begin{array}{rcl}\sigma_{\varphi\varphi}&=&
\frac{m}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,\left[m\,\left(\frac{u_0}{r}-\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,T_g\right)+\left(\varepsilon'_{zzo}-\lambda\cdot
\frac{d^2\,u_0}{dz^2}-\alpha_{\omega}\,\lambda\,.\,T_g\right)\right]\\
&=& \frac{m}{m^2-1}\cdot
\frac{1}{\alpha}\,\left[m\,\frac{u_0}{r}+\varepsilon'_{zzo}-\lambda\cdot
\frac{d^2\,u_0}{dz^2}-(m+1)\,\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,.\,T_g\right]
\end{array}}\atop{\begin{array}{rcl}\sigma_{zz}&=&
\frac{m}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,\left[\left(\frac{u_0}{r}-\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,.\,T_g\right)+m\,\left(\varepsilon'_{zzo}-\lambda\cdot
\frac{d^2\,u_0}{dz^2}-\alpha_{\omega}\,\lambda\,.\,T_g\right)\right]\\
&=&
\frac{m}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,\left[\frac{u_0}{r}+m\,.\,\varepsilon'_{zzo}-m\,.\,\lambda\,\frac{d^2\,u_0}{dz^2}-(m+1)\,\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,.\,T_g\right]
\end{array}}}\right
Die noch unbekannte Dehnung ε'zzo der Mittelfläche bestimmt man aus der Bedingung, daß die
Achsialspannungen keine Resultierende haben und erhält genau wie in Gl. (21) mit.
der dort angedeuteten Vernachlässigung
\varepsilon'_{zzo}=-\frac{u_0}{mr}
Setzt man diesen Wert in die Gleichungen (36) für die
Normalspannungen ein, so nehmen diese die Form an
\left{{\sigma_{\varphi\varphi}=\frac{m}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,\left[\frac{m^2-1}{m}\,\frac{u_0}{r}-\lambda\cdot
\frac{d^2\,u_0}{dz^2}-(m+1)\,\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,T_g\right]}\atop{\sigma_{zz}=\frac{m}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,\left[\
\ \ \ \ \ \ \ \ \
-m\,\lambda\,\frac{d^2\,u_0}{dz^2}-(m+1)\,\alpha_{\omega}\,.\,\lambda\,.\,T_g\right]}}\right\}\
(37)
Für die Temperaturschubspannung ergibt sich aus (14) unter Benützung des Wertes σzz in (37)
\tau_{rz}=-\frac{m^2}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,.\,\frac{d^3\,u_0}{dz^3}\,\left(\frac{s^2}{8}-\frac{\lambda^2}{2}\right)
. . . . . . (38)
Die an einem Zylinderelement wirkenden Spannungen sind in Fig. (3) eingezeichnet; sie
sind im Gleichgewicht, was die bereits abgeleitete Bedingung (13) liefert:
\int\,\sigma_{\varphi\varphi}\,d\,\lambda=\frac{\delta}{\\delta\,z}\,\int\,\frac{\delta\,\sigma_{zz}}{\delta\,z}\,.\,(r+\lambda)\,\lambda\,d\,\lambda,
die Integrale genommen zwischen
\lambda=\pm\,\frac{s}{2}.
Setzt man in diese Gleichung die Werte von σϕϕ und
σzz aus (37) ein, so hat man die Differentialgleichung der elastischen Mittelfläche des
ungleich erwärmten Zylinders:
\frac{d^4\,u_0}{dz^4}+12\,\frac{m^2-1}{m^2}\,\frac{1}{r^2\,s^2}\,.\,u_0=0
. . (24)
das ist genau die Gleichung (24), die für den durch äußere
Kräfte beanspruchten Hohlzylinder gefunden wurde. Die Formänderung hat also in
beiden Fällen etwas Gemeinsames. Durch ungleiche Temperatur in
Richtung der Wandstärke erfährt der Hohlzylinder eine Art Biegung.
Mit der Abkürzung
n^4=3\,\frac{m^2-1}{m^2}\cdot \frac{1}{r^2\,s^2}
wird (24):
\frac{d^4\,u_0}{dz^4}+4\,n4\cdot u_0=0 . . . . .
(24a)
Beachtet man, daß die beiden Hälften eines Hohlzylinders von der Länge 2l sich unter dem Einfluß ungleicher Erwärmung
gleich verhalten, d.h. symmetrisch zum Querschnitt z =
0 deformiert werden, so kann man, wie im vorigen Abschnitt ausführlich dargelegt,
das Integral der Differentialgleichung (24a) in der Form anschreiben?
u0= f (enz
+ e– nz) cos nz + g (enz
– e– nz) sin nz. (26)
das ist die frühere Gleichung (26). Es gelten auch die schon
angeschriebenen Ausdrücke für die 1. bis 3. Ableitung, Gl. (27).
Aus der Bestimmung der 2 Integrationskonstanten wird noch ein wesentlicher Nutzen zu
ziehen sein.
Dazu braucht man die 2 Grenzbedingungen, daß an den Endflächen des Hohlzylinders in
z = ± l keine äußeren
Kräfte angreifen und daß daher dort σzz = 0 und τzr = 0 sein muß.
Das Fehlen von Normalspannungen in z = ± l bedingt, daß nach (37):
\left|\frac{d^2\,u_0}{dz^2}\right|_{z=\pm\,l}=-\frac{m+1}{m}\,\alpha_{\omega}\cdot
T_g
und das Fehlen von Schubspannungen an der gleichen Stelle, daß
nach (38):
\left|\frac{d^3\,u_0}{dz^3}\right|_{z=\pm\,l}=0
Mit diesen beiden Bedingungen liefern die Gl. (27)
0 = – (g +
f) (enl
+ e– nl) sin nl + (g – f) (enl
– e– nl) cos nl
-\frac{m+1}{m}\,\frac{\alpha_w\cdot
T_g}{2\,n^2}=g\,(e^{nl}+e^{-nl})\,\mbox{cos}\,nl-f\,(e^{nt}-e^{-nl})\,\mbox{sin}\,nl
Setzt man in der letzten Gleichung zur Abkürzung:
-M'_T=-\frac{m+1}{m}\,\frac{\alpha_w\cdot
T_g}{2\,n^2} . . . (39)
so erhält man für die Integrationskonstanten f und g durch
Auflösung:
\left{{\begin{array}{rcl}f&=& +\ \ \ \
\frac{(e^{nl}+e^{-nl})\,\mbox{sin}\,nl-(e^{nl}-e^{-nl})\,\mbox{cos}\,nl}{(e^{nl}+e^{-nl})\,(e^{nl}-e^{-nl})+4\,\mbox{sin}\,nl\cdot
\mbox{cos}\,nl}\cdot M'_T\\ &=& +\frac{1}{2}\cdot
\frac{\frakf{Cos}\,nl\cdot \mbox{sin}\,nl-\frak{Sin}\,nl\cdot
\mbox{cos}\,nl}{\frak{Sin}\,nl\cdot \frak{Cos}\,nl+\mbox{sin}\,nl\cdot
\mbox{cos}\,nl}\cdot M'_T\end{array}}\atop{\begin{array}{rcl}g&=& -\ \ \
\
\frac{(e^{nl}-e^{-nl})\,\mbox{cos}\,nl+(e^{nl}+e^{-nl})\,\mbox{sin}\,nl}{(e^{nl}-e^{-nl})\,(e^{nl}+e^{-nl})+4\,\mbox{sin}\,nl\cdot
\mbox{cos}\,nl}\cdot M'_T\\ &=& -\frac{1}{2}\cdot
\frac{\frakf{Sin}\,nl\cdot \mbox{cos}\,nl+\frak{Cos}\,nl\cdot
\mbox{sin}\,nl}{\frak{Sin}\,nl\cdot \frak{Cos}\,nl+\mbox{sin}\,nl\cdot
\mbox{cos}\,nl}\cdot M'_T\end{array}}}\right\}\ (40)
oder bei einem genügend langen dünnwandigen Zylinder:
\left{{f=+\frac{\mbox{sin}\,nl-\mbox{cos}\,nl}{e^{nl}}\cdot
M'_T}\atop{g=-\frac{\mbox{sin}\,nl+\mbox{cos}\,nl}{e^{nl}}\cdot
M'_{T'}}}\right\}\ .\ .\ .\ (40a)
Wir sahen schon, daß zwischen der Biegung eines Hohlzylinders durch äußere Kräfte und
der Biegung; durch ungleiche Temperatur in Richtung der Wandstärke etwas Gemeinsames
bestehen müsse, da die Gleichungen der elastischen Mittelflächen in beiden Fällen
von der gleichen Form sind; nur die Integrationskonstanten können verschieden sein.
Es läßt sich leicht angeben, unter welchen Bedingungen der Hohlzylinder durch äußere
Kräfte einerseits und durch ungleiche Erwärmung anderseits in gleicherweise gebogen
wird, m.a.W. welche äußeren Kräfte die Wand des Hohlzylinders ebenso biegen, wie
ungleiche Erwärmung in Richtung der Wandstärke: Die Integrationskonstanten in beiden
gleichgebauten Gleichungen der elastischen Mittelflächen müssen übereinstimmen. Um
die Bedingungen anzuschreiben, können wir von den vereinfachten Ausdrücken (31a) und
(40a) für die Integrationskonstanten ausgehen; vergleicht man diese, so findet man, daß
sie identisch sind, wenn:
S' = 0
M' = – M'T
oder wenn man die ursprünglichen Werte von M' und M'T in (30a) und (39) benutzt, –
sofern
12\,\frac{m^2-1}{m^2}\cdot \alpha\cdot \frac{M_l}{s^3}\cdot
\frac{1}{2\,n^2}=-\frac{m+1}{m}\cdot \alpha_w\cdot T_g\cdot
\frac{1}{2\,n^2}
woraus mit etwas geänderter Bezeichnung:
M_{lT}=-\frac{m}{m-1}\cdot \frac{\alpha_w}{\alpha}\cdot
T_g\cdot \frac{s^3}{12} . . . (41)
Die äußeren Kräfte, welche den Hohlzylinder ebenso biegen wie
ungleiche Erwärmung in Richtung der Wandstärke, müssen also in reinen
Biegungsmomenten bestehen, die gleichmäßig über die Endquerschnitte des
Hohlzylinders verteilt sind und für jedes cm des mittleren Umfanges 2rπ die Große (41) haben:
M_{lT}=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\alpha_w}{\alpha}\cdot T_g\cdot
\frac{s^3}{12}
Aeußere Schubkräfte dürfen nicht tätig sein.
Ferner folgt, daß die Biegung durch ungleiche Erwärmung in
Richtung der Wandstärke durch reine Biegungsmomente rückgängig gemacht werden
kann und zwar vollständig rückgängig, wenn diese Momente den in Gl. (41)
angegebenen Wert haben. In diesem letzteren Fall behält der durch ungleiche
Erwärmung in Richtung der Wandstärke und durch äußere Biegungsmomente in den Enden
beanspruchte Zylinder seine ursprüngliche Gestalt bei, und zwar eben dadurch, daß
die Wärmedehnung durch die äußeren Biegungsmomente vollständig gehindert wird. Da
die Wärmedehnung sich weder in der Achsrichtung noch in der Umfangsrichtung
ausbilden kann, so handelt es sich hier um eine in Richtung
einer Fläche vollständig gehinderte Warmedehnung.
Die in diesem Fall auftretende Temperaturspannung ist in D. P. J., 322, 1907 S. 706
angegeben; sie ist an der Außen- oder Innenfläche des Hohlzylinders in
\lambda=\pm\,\frac{s}{2}
\sigma_T=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\alpha_w}{\alpha}\,\frac{\triangle\,T}{s}\,\frac{s}{2}=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\alpha_w}{\alpha}\,T_g\,\frac{s^3}{12}
(42)
Sofern die größte Biegungsspannung diesen Wert hat, muß das
auf 1 cm entfallende Biegungsmoment, wie leicht nachgerechnet werden kann, sein
M_{lT}=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\alpha_w}{\alpha}\,T_g\,\frac{s^3}{12}
das ist, wie zu erwarten, der oben stehende Ausdruck.
Vorgreifend erwähne ich hier, daß die Belastung vier Endflächen eines verhältnismäßig
langen Hohlzylinders sich vorwiegend in der Randzone bemerklich macht; der
Belastungszustand der Endflächen ist auf die Formänderung und Spannung des mittleren
Teils des Zylinders fast ohne Einfluß, sofern nur der Zylinder genügend lang ist (s.
Abschn. VII). Faßt man nun ein Zylinderelement nahe der Zylindermitte ins Auge, wenn
der Zylinder in Richtung der Wandstärke ungleich erwärmt wird, so erkennt man, daß
die Wärmedehnung daselbst in der Flächenerstreckung nahezu vollständig gehindert ist
durch die Wirkung des anschließenden Materials das eben einem
Wärmeausdehnungsbestreben nur in der Nähe der Zylinderenden, in begrenztem Maße
nachgeben kann. Bei vollständig gehinderter
Flächenausdehnung entstehen in der mittleren Zone des Hohlzylinders nach D. P.
J. 322, 1907, S. 706 die Temperaturspannungen
\sigma_T=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\alpha_w}{\alpha}\cdot T_g\cdot
\lambda
Die Temperaturspannungen in; der
mittleren. Zone des Hohlzylinders besitzen mit großer Annäherung diesen Wert,
und zwar nahezu unabhängig davon, ob das Zylinderende belastet ist oder nicht.
Die mittlere Zone des Zylinders bleibt nahezu ungebogen.
Die Temperaturspannungen in dem von uns betrachteten Hohlzylinder sind dem Abstand
von der Mittelfläche proportional. Eine andere Spannungsverteilung muß sich
einstellen, wenn der Zylinder dickwandig ist – dann sind die in dieser Rechnung
eingeführten Vernachlässigungen nicht mehr zulässig und ferner wenn die Temperaturen
in Richtung der Wandstärke sich nicht nach einem linearen Gesetz, sondern nach einem
logarithmischen ändern. Fließt ein stationärer Wärmestrom senkrecht durch die
Zylinderwand, so folgt nach den Gesetzen der Wärmeleitung die Temperaturverteilung
einem logarithmischen Gesetz. Während bei dicker Wand die Berücksichtigung dieser
Gesetzmäßigkeit geboten sein kann, genügt es für eine dünne
Wand vollständig, einen linearen Temperaturabfall durch die Wand
anzunehmen. Die Temperaturspannung in einem dickwandigen Hohlzylinder sind von
Huber, V. LeonZtschr.
f. Math. und Physik 1905. und R.
LorenzZtschr. d.V.D. Ing.
1907, S. 743. untersucht worden. Die Temperaturverteilung ist in
allen Hohlzylinderquerschnitten als gleich angenommen. Huber und Lorenz rechnen mit einem
logarithmischen LeonLeon gibt in Z.d.V.D. Ing. 1907, S. 1315 den
Einfluß der Annahme einer logarithmischen und linearen Temperaturverteilung
zahlenmäßig an. Vergl. auch die Zuschriften
von Duffing, Föppl im gleichen Jahrgang d.Z.d.V.D. Ing. mit einem
linearen Temperaturgesetz. Schubspannungen zwischen den einzelnen Querschnitten sind
nicht berücksichtigt; die Zylinderwand bleibt also den Annahmen zufolge ungebogen.
Dies entspricht dem oben erwähnten Fall, daß die Wärmedehnung des Zylinders durch
zurückbiegende Momente an den Zylinderenden völlig aufgehoben wird, m.a.W. es
entspricht dem Zustand in hinreichender Entfernung von den Zylinderenden, mögen
diese im übrigen belastet sein oder nicht. Solche Momente kommen in der Lösung von
Huber, Leon und R.
Lorenz auch vor, sie haben auf allen Normalen der Zylinderfläche gleiche
Größe. Ist nun der Zylinder dickwandig, so werden die Wärmespannungen an der
Innenfläche des Hohlzylinders größer als bei dünner Wandstärke. Die in (42)
angegebene Temperaturspannung an der Innenfläche des Hohlzylinders (giltig für
vollständig gehinderte Wärmedehnung in dünnwandigen Hohlzylindern):
\sigma_T=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\alpha_w}{\alpha}\cdot T_g\cdot
\frac{s}{2}=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\alpha_w}{\alpha}\,(T_a-T_i)
muß mit einem Faktor größer als Eins multipliziert werden, für
den R. Lorenz a.a.O. und Leon (s. Fußnote) Zahlenwerte mitteilen, die in Abhängigkeit von dem
Radienverhältnis ra
: ri, tabellarisch
zusammengestellt sind.
Durch diese Betrachtung lassen sich die Verhältnisse in einem dickwandigen
Hohlzylinder, der in Richtung der Wandstärke ungleich temperiert ist, leicht
übersehen, wenn man den Spannungszustand in einem dünnwandigen Hohlzylinder
kennt.
(Fortsetzung folgt.)