Titel: | Goldgewinnung in Sibirien. |
Autor: | F. Thiess |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 139 |
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Goldgewinnung in Sibirien.
Goldgewinnung in Sibirien.
Hinsichtlich der Menge des erarbeiteten Goldes steht Rußland unter allen Staaten
an fünfter StelleIm Jahre 1903 betrug
die Goldausbeute der Welt 477454 kg. Von dieser Menge entfielen 119314 kg
auf Australien; 110729 kg auf die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika;
92467 kg auf Transvaal; 28337 kg auf Kanada; 21047 kg auf Rußland; 16859 kg
auf Indien; 15277 kg auf Mexiko; 14922 kg auf Neuseeland; 13438 kg auf das
chinesische Reich usw. Diese Angaben beziehen sich auf den Gehalt des
Gesamtertrages von chemisch reinem Golde
(Statistisches Jahrbuch der Montanindustrie Rußlands. Nach amtlichen Quellen
unter Redaktion von J. Popow, herausgegeben von
J. Dmitrijew und W.
Ryschkow. Ausgabe des Bergkomites. St. Petersburg 1906).
Goldlieferer des russischen Reichs sind Sibirien, der Ural und Finnisch-Lappland.
Etwa 70 v.H. des Gesamtertrages entfallen auf SibirienIm Zeitraum von 1882 bis 1891 schwankte der
Anteil Sibiriens zwischen 69 und 79 v. H (Siberia and the Gr. Sib. Railway.
Seite 148.), dessen Gold mit wenigen Ausnahmen aus den
Ablagerungen der Flüsse, aus lockeren oder festen Konglomeraten und aus
Sandschichten als sogenanntes „Seifen- oder Waschgold“ gewonnen wird.
Hauptlieferer des durch Gangbergbau gewonnenen Goldes, des sogenannten „Berg-
oder Adergoldes“ ist der Ural. In kleineren Mengen wird Berggold auch im
Marienkreise der westsibirischen Provinz Tomsk und im Kreise Nertschinsk
Transbaikaliens gewonnen. Die reichsten Goldlagerstätten Sibiriens liegen im
östlichen Teil, an den Nebenflüssen der Lena, an der Olékma und am Witim, ferner im
Quellgebiet des Amur, an der Schilka und am Argún, an den linken Zuflüssen des Amur,
an der Séja, Buréja und am Amgún. Jenes Gebiet liefert etwa zehnmal mehr Gold als
der Westen. Fast 25 v.H. der gesamten Goldausbeute Rußlands entfallen auf den Ural,
ein Bruchteil
entfallt auf Finnland (Finnisch-Lappland), den Rest erhält man durch Abscheidung auf
chemischem Wege.
Im Jahre 1903 betrug die gesamte Goldausbeute Rußlands 34723,80 kg; von dieser Menge
wurden 29709,51 kg aus Wäschen (Seifengold), 4302,04 kg durch Gangbergbau (Ader-
oder Berggold) und 712,25 kg durch Abscheidung auf chemischem Wege gewonnen. Die
größte Goldmenge von 44871,05 kg entfiel auf das Jahr 1893. Seitdem ist in der
Goldgewinnung Rußlands mit gewissen Schwankungen ein Rückschritt eingetreten, der
innerhalb des Zeitraumes von 1894 bis 1903 durch einen mittleren Jahresausfall von
etwa 95 kg gekennzeichnet wird. Auch der durchschnittliche Goldgehalt der Seifen (der goldführenden Konglomerate
und Sande) zeigt zwar eine gewisse Abnahme, betrug aber im Jahre 1903 noch immer
rund 1,60 g auf 1 t Sand. Der größte Goldgehalt der Seifen betrug im Jahre 1902
40,37 g, 1903 etwa 18 g auf 1 t Sand, des durch Gangbergbau gewonnenen Goldes 1902
42,33 g, 1903 etwa 53 gr auf 1 t GesteinStatistisches Jahrbuch der Montanindustrie Rußlands..
Ungeachtet der seit 1894 beobachteten Abnahme der erarbeiteten Goldmenge kann von
einem Niedergang der Goldindustrie Rußlands im allgemeinen, insbesondere Sibiriens,
nicht die Rede sein, um so weniger als die Methode der Goldgewinnung in den Wäschen
Sibiriens noch verbesserungsfähig ist, zurzeit dort nur verhältnismäßig reiche Lager
bearbeitet werden und zahlreiche Lagerstätten in den nördlicheren Gebietsteilen
Ostsibiriens, die außerhalb des Verkehrs und der Kultur liegten, sozusagen der
Bearbeitung harren. Nach Ansicht der Bergingenieure Sibiriens würden, unter
Verwendung der neuesten Waschapparate und Maschinen, manche Lager sich noch für die
weitere Bearbeitung als lohnend herausstellen, die bei der gegenwärtigen
Arbeitsmethode bereits aufgegeben worden sindIn
Amerika wird ein Goldgehalt von 0,05 gr auf 1 t Sand für die Bearbeitung
noch als lohnend erachtet (unter Verwendung verbesserter Waschapparate und
Maschinen); in Sibirien dagegen werden solche Lager nur sehr selten
bearbeitet.. Im übrigen besitzt Rußland in einzelnen Provinzen
seiner mittelasiatischen Besitzungen (Russisch Turkestan) unberührte Goldlager, die
sozusagen als Vorräte für die Zukunft gleiten können.
Die Lager von Olékma-Witimsk, auch Olekminsk-Witimskische genannt, werden von den
Ausläufern des Sajanischen Gebirges durchzogen, durch die Flüsse Lena, Witim und
Olékma begrenzt, und sind die reichsten Sibiriens. Die Wasserscheide der Olékma und
des Witim bildet die Grenze der beiden goldführenden Hauptgebiete. Die Witimskischen
Lagerstätten liegen etwa 1815 km nordöstlich der Stadt Irkutsk und besitzen im
allgemeinen bessere Verbindungen als die von Olekminsk. Auf dem Witim verkehren
Dampfer flußaufwärts bis zur Mündung des Bodaibo, von wo mangelhafte Wege nach den
Wäschen abzweigen. Die größte Goldmenge, die bisher im Kreise Olekminsk erzielt
worden ist, betrug im Jahre 1880 etwa 15381 kg. Einzelne Gesellschaften erarbeiten
dort auch noch heute mehr als 2000 kg Gold im JahrBeispielsweise wird die Goldausbeute der
Pribreschno-Witimskischen Gesellschaft im Kreise Olekminsk auf 2768 bis 3751
kg jährlich geschätzt. (Handels- und Gewerbebuch. Herausgegeben von F.P. Romanow in Tomsk.).
Die reichsten Goldlager des Amúrgebietes liegen unweit der Quellen der links in den
Amur mündenden Zuflüsse, an der Séja, Buréja und am Amgún. Um sie zu erreichen,
müssen zunächst auf diesen Flüssen weite Strecken und dann noch einige hundert
Kilometer über Land zurückgelegt werden. Kleinere Unternehmer lassen ihre
Vorräte durch Kosaken und Bauern von den nächstgelegenen Ortschaften heranführen,
größere Unternehmer (Gesellschaften) besitzen eigene Dampfer, die Waren und
Lebensmittel von Blagowétschensk oder Nikolájewsk möglichst weit flußaufwärts
befördern.
In Transbaikalien wird Gold im westlichen Teil, innerhalb der Kreise Bargusinsk und
Werchne-Udinsk, im östlichen Teil, innerhalb der Kreise Nertschinsk, Tschitinsk und
Atschinsk, gewonnen. Auch das sibirische Küstengebiet (Ussuri-Provinz einschl.
Ochotsk-Kamtschatka) liefert Gold. Dort wurden im Jahre 1902 2772,85 kg, 1903
3419,58 kg Gold aus Wäschen erzieltStatistisches
Sammelwerk der Montanindustrie Rußlands.. Ferner befinden sich
Goldlager in den Steppengebieten der Kreise Tobolsk-Akmolinsk und
Semipalatinsk-Semirjetschensk. Letzteres Gebiet wird in Verwaltungsbeziehung bereits
zu Rußlands mittelasiatischen Besitzungen gezählt. Goldlieferer sind noch die Kreise
Mariinsk, Biïsk und Kusnetzk der Provinz Tomsk, einzelne Gebiete im nördlichen und
südlichen Teil der Provinz Jenisseisk und das Altaigebiet.
Das Altaigebiet ist Privatbesitztum des Zaren und umfaßt eine Landfläche von etwa
429490 Geviertkilometern, die etwa zehnmal größer ist als die Schweiz. Fast ein
Drittel dieser Fläche ist Gebirge, dessen Erhebungen im östlichen Kegel des Bjelucha
rund 4500 m Höhe erreichen. Das Hauptgebirge besteht aus kristallinischen Gesteinen,
aus Graniten, Dioriten, Porphyren usw., die paläozoische Formationen (Silur, Devon
und Karbon) durchbrochen haben. Im Altai ist Gold im Bleiglanz und einigen
Kupfererzen als Nebenbestandteil enthalten. Die gröberen Ablagerungen einzelner
Gebirgsflüsse und die Sande enthalten Gold, aus denen es in größeren Mengen als
Seifengold gewonnen wird. Im übrigen wird im Altai Gold in kleineren Mengen (50 bis
100 kg) durch Gangbergbau mit der Silberausbeute gemeinsam erarbeitet. Im Jahre 1901
wurden noch 2260,5 kg, 1902 etwa 1038 kg, 1903 nur 937,33 kg Gold erzielt. Bis zu
Beginn des 20. Jahrhunderts sind aus dem Altaigebiet etwa rund 82 t Gold gewonnen
worden, eine Menge, die etwa nur 5 v. II. der gesamten Goldausbeute Rußlands für
denselben Zeitraum beträgtRußland, Vollständige
geogr. Beschreibung unseres Vaterlandes. Band XVI. Westsibirien. Kapitel
III/IV Berg- und Hüttenwesen. Herausgegeben von Semenow. Verlag von A.F. Devrient.
St. Petersburg 1907..
Im allgemeinen krankt die Goldgewinnung, überhaupt das Bergwesen im Altai, unter den
elenden örtlichen Zuständen. Der ganze Bergwerksbezirk besitzt keine Verbindung mit
der sibirischen Eisenbahn, alle Geräte, Apparate, Lebensmittel usw. müssen auf
mangelhaften Wegen, streckenweise auf Saum- und Bergpfaden, zugeführt werden. Im
Bergwerksbetrieb werden noch immer Strafgefangene beschäftigt, die für diesen
Betrieb gänzlich ungeeignet sind und auf die übrige Knappschaft einen verderblichen
Einfluß auszuüben pflegen. Die Feuerung der Lebensmittel, die dadurch bewirkte Höhe
der Arbeitslöhne für frei anzuwerbende Bergwerksarbeiter, der Mangel von örtlichen
Anstalten zur Prüfung goldführender Erze und goldhaltigen Sandes und dergleichen
mehr haben es bewirkt, daß bisher nur die reichsten Goldfunde verwaschen worden sind
und die Aufbereitung goldhaltiger ErzeMit
Ausnahme der Bleisilber- und Kupfererze. noch nicht stattgefunden
hat.
Für das Recht, nach Gold zu schürfen und Wäschen zu errichten, erhebt der Staat von
den Unternehmern in Sibirien einen Grundzins, verschiedene Abgaben und Gebühren. In
Ostsibirien ist der Grundzins bedeutend höher als in WestsibirienNach Angabe des sibirischen Handels- und
Gewerbebuches von Romanow betrug der jährliche
Grundzins Ende der neunziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts in
Ostsibirien 5 Rubel bis 10 Rubel für je 1 Dessjätine oder etwa 10 bis 20 M.
für 1 ha, in Westsibirien dagegen nur 1 Rubel für je 1 Dessjätine oder etwa
2 M. für 1 ha.. Die Abgabe richtet sich nach dem in den
staatlichen Goldschmelzereien zu Irkutsk oder Tomsk ermittelten Gehalt des chemisch
reinen Goldes und wird nach Hundertteilen desselben berechnet. Außerdem haben die
Unternehmer für die Beförderung des Edelmetalls aus den genannten Goldschmelzereien
nach dem St. Petersburger Münzhof und für die Ermittlung des Edelmetalls bestimmte
Gebühren zu entrichtenDiese betrugen gegen
Ende der neunziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts für je 1 Pud
Edelmetall der Goldschmelzerei zu Tomsk 33 Kreditrubel (etwa 433,15 M. für
100 kg), der Goldschmelzerei zu Irkutsk 46 Kreditrubel (etwa 603,80 M. für
100 kg). (Nach Sibirisches Handels- und Gewerbebuch von Romanow in Tomsk.). Nach Bestimmung
des Goldwertes in den staatlichen Prüfungsanstalten stellt der Staat den
Unternehmern Zahlungsanweisungen auf die Reichsbank aus, die indessen auch von den
sibirischen Banken eingelöst werden. Diese Anweisungen werden nach Goldrubeln
berechnet, von den Banken aber in Kreditrubeln ausgezahlt. Da für t Pud = 3840
Solotnik Gold etwa 14014 Goldrubel anzusetzen sind und 1 Rubel Gold etwa r,5
Kreditrubeln entspricht, erhalten die Unternehmer für je einen Solotnik reinen
Goldes etwa 5,50 Kreditrubel oder etwa 2,75 M. für 1 gIm Jahre 1903 wurden in den Goldschmelzereien
Rußlands für je 1 Pud Feingold durchschnittlich 22493 Rubel Kredit oder etwa
14996 Rubel Gold berechnet. (Statistisches Sammelwerk der Montanindustrie
Rußlands.).
Obgleich die russische Staatsregierung unter Androhung hoher Strafen bestimmt, daß
alles in Sibirien erarbeitete Gold den staatlichen Goldschmelzereien einzuliefern
ist, wird ein großer Teil des dort gewonnenen Goldes von Goldsuchern und kleinen
Unternehmern heimlich verkauft, im übrigen auch von Arbeitern gestohlen. In allen
Dörfern oder Ortschaften, die sich in der Nähe der Wäschen befinden, ist Goldstaub
erhältlich; teils stammt er aus den Fundstellen der Wäschereibesitzer, teils
ist er gestohlen. Andere Mengen werden heimlich über die chinesische Grenze
geschafft und von den Chinesen mit 3 bis 4,50 Kreditrubeln für je t Solotnik Gold
bezahltHandels- und
Gewerbebuch von Romanow.. Für die
Unternehmer ist indessen ein derartiger Goldschmuggel nach China nicht lohnend, weil
sie mit dem russischen Staate bessere Geschäfte erzielen. Die Goldmenge, die auf
diese Weise dem russischen Staate jährlich entzogen wird, haben russische
Schriftsteller bis zu ⅕ der Jahresausbeute geschätzt, die Aufsichtsbeamten der
Goldwäschen Sibiriens indessen als unzutreffend bezeichnet.
Neben den Goldschmelzereien zu Irkutsk und Tomsk besteht noch eine im Ural zu
Jekaterinenburg. In diesen drei Goldschmelzereien wurde aus der im Jahre 1903
eingelieferten Goldmenge von 24591,68 kg (einschließlich des bei der Silberausbeute
im Altai und zu Nertschinsk gewonnenen Goldes) ein Feingoldgehalt (chemisch reines
Gold) von rund 21047 kg im Werte von 28899232 Rubeln oder etwa 62422345 Mark
erzieltStatistisches
Sammelwerk der Montanindustrie Rußlands.. Diese Menge chemisch
reinen Goldes ist die kleinste, die Rußland seit Ende der achtziger Jahre des
verflossenen Jahrhunderts aus seinen Goldschmelzereien erzielt hat.
Der Goldreichtum Sibiriens allein hat es bewirkt, daß Rußland bereits im
Anfangszustande- seiner wirtschaftlichen Entwicklung die Goldwährung einführen
konnte, die sonst nur wirtschaftlich weit vorgeschrittenere Länder aufrechterhalten,
und im Zeitraum von 1871 bis 1898 fast dieselbe Goldmenge ausgeprägt hatNach „Bulletin russe de Statistique“
(1899 Seite 82) wurden im Zeitraum von 1871 bis 1898 in Deutschland etwa
1223713 kg Goldmünzen im Werte von 4215,011648 Mill. Fr., in Rußland etwa
1120940 kg im Werte von 3861,015811 Mill. Fr. ausgeprägt., wie
Deutschland, das innerhalb desselben Zeitraumes in wirtschaftlicher Beziehung auf
einer weit höheren Stufe stand.
F. Thiess.