Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 142 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Elektrische Stadt- und Vorortbahn
Blankenese-Ohlsdorf.
(Schluß von S. 94.)
Die Verschiebbarkeit des Fahrdrahtes auf dem Tragdraht ermöglicht einen einfachen
Einbau von selbsttätigen Nachspannvorrichtungen, die in Abständen von 800 bis 1300 m
angeordnet sind. Durch diese Vorrichtungen wird ohne Nachregulieren bei sämtlichen
Temperaturen eine gleichmäßige Spannung des Fahrdrahtes erhalten. Sie bestehen aus
je zwei 9 m voneinander entfernten Masten, deren Ausleger gegeneinander durch einen
gitterförmigen Druckträger Versteift sind. Zwischen diesen Masten laufen die
Fahrdrähte der beiden Streckenabschnitte nebeneinander und zwar in einer geringen
Neigung zur Wagerechten, wobei an ihre Enden je eine Kette angreift, die über Rollen
geführt und mit einem Gewicht von 400 kg belastet ist. Der Uebergang des
Stromabnehmers von einem Fahrdraht auf den anderen findet mitten zwischen den beiden
Masten statt. An fünf Stellen sind derartige Nachspannvorrichtungen gleichzeitig zur
Streckentrennung und so zur Herstellung von unabhängigen Speisebezirken benutzt.
Diese Speisebezirke werden unmittelbar mit Strom von 6300 Volt Spannung versorgt bis
auf einen, der über die 14,6 km lange, mit 30 000 Volt Spannung betriebene
Fernleitung gespeist wird. Der Speiseleitungsanschluß an die Fahrleitung erfolgt
teils über einfache, teils über selbsttätige Oelschalter, die mit Fernsteuerung
versehen sind und vom Bahnsteig aus gesteuert werden können. Das Oeffnen der
Schalter bei einem Kurzschluß wird sowohl durch ein Glockenzeichen als auch durch
ein rotes Licht gemeldet, während nach dem Schließen ein weißes Licht
aufleuchtet.
Das am Ende der Hochspannungsfernleitung am Bahnhof Barmbeck errichtete Transformatorenhaus besitzt vier Stockwerke und
enthält im dritten Stockwerk zwei wassergekühlte Oeltransformatoren von je 650 K VA.
Im gleichen Stockwerk sind die Oelschalter für 30000 Volt, sowie der
Hochspannungsschutz untergebracht. Im darüber liegenden Stockwerk befinden sich der
Blitzschutz, sowie die Ein- und Ausführungen der Leitungen für 30000 und 6300 Volt,
im zweiten Geschoß die Oelschalter und der Ueberspannungsschutz für 6300 Volt, sowie
die Niederspannungsschalttafel und im ersten Geschoß eine elektrisch angetriebene
Kapselpumpe, die das Kühlwasser für die Transformatoren liefert.
Die Leitungsmaste sind als U-Eisen-Flachmaste oder Winkeleisen-Quadratmaste
ausgeführt und, sofern sie nicht an Bauteilen verankert sind, 2 bis 3 m tief in den Erdboden
eingelassen, sowie mit einem Betonfuß versehen. Zur Erhöhung der Standsicherheit
sind vielfach Erdanker oder Druckplatten und bei besonders großen Horizontalzügen,
sowie bei Auslegermasten auf steilen Böschungen Mastfüße mit einer starken
Betonplatte an deren unterem wagerechten Teil verwendet. Auf der Außenstrecke Barmbeck–Ohlsdorf sind Joche und auf Bahnhof Bahrenfeld
Querdrahtaufhängungen ausgeführt. Die Stadtstrecke besitzt meist Auslegermaste, für
die zum Teil Zierformen gewählt sind. Unter Straßenüberführungen sind Tragseil und
Hilfstragdraht an wagerechten Rohren befestigt, die seitlich unter Zwischenschaltung
von Isolatoren an den Brückenträgern aufgehängt sind.
Für das rollende Material ist eine neue Einheit gewählt, die eine leichte Anpassung
der Zuglängen an die wechselnde Verkehrsdichte gestattet. Diese Einheit besteht aus
zwei dreiachsigen, kurzgekuppelten Wagenhälften, die je ein zweiachsiges Drehgestell
an den freien Enden und je eine Laufachse vor der Kurzkupplung besitzen. Fünfzig
Wagen enthalten je zwei Führerabteile an den Enden, neun Abteile dritter Klasse und
fünf Abteile zweiter Klasse, die in der Mitte zu beiden Seiten der Kurzkupplung
angeordnet sind. Zehn weitere Wagen besitzen außer den Führerabteilen nur Abteile
dritter Klasse. Die Zahl der Sitzplätze zweiter Klasse beträgt 44, die der dritten
74 in jeder Einheit. Sämtliche Abteile sind mit Seitentüren versehen und
gruppenweise durch schmale Seitengänge miteinander verbunden. Zur Bremsung werden
nur die Drehgestellachsen herangezogen, und zwar kann sowohl die Luftdruckbremse
Knorr, als auch eine Handbremse benutzt werden. Die
Lieferung der Wagen erfolgte von der Breslauer
Aktien-Gesellschaft für Eisenbahnwagenbau und von van der Zypen & Charlier in Cöln-Deutz.
Die von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft mit
elektrischer Ausrüstung versehenen Wagen besitzen zwei durch Druckluft gesteuerte
Stromabnehmerbügel für Hochspannung, sowie getrennte Stromabnehmer für
Niederspannung, die als Rollenstromabnehmer ausgebildet sind und für die Bewegung
vor und innerhalb der Wagenschuppen unter Benutzung einer entsprechend gespeisten
Hilfs-Oberleitung dienen. Von den Stromabnehmern gelangt der hochgespannte Strom
über Trennschalter, eine Drosselspule, eine Hochspannungssicherung und einen
Handölschalter mit selbsttätiger Höchststromauslösung zu dem Leistungstransformator,
der Strom von 450 und 720 Volt liefert. Ferner sind zwei Erregertransformatoren
vorhanden, die drei verschiedene Spannungen abgeben können. Die Umsetzung in
mechanische Energie erfolgt in drei Motoren, die mittels einfachem Zahnradvorgelege
(1 : 4,22) die zugehörigen Fahrzeugachsen antreiben. Die Motoren besitzen ein
zweiteiliges Gehäuse und Lagerschilder an den Stirnseiten. Der Stator ist nach Art
von Induktionsmotoren aus genuteten Blechen aufgebaut und trägt eine vierpolige
Wicklung. Der Rotor ist wie ein Gleichstromanker ausgeführt. Auf dem Kommutator
schleifen zwei Satz Kurzschlußbürsten und ein Satz Erregerbürsten. Die letzteren
werden an den Stufentransformator, die Klemmen des Stators an den
Leistungstransformator mittels elektrisch gesteuerter Schützen angeschlossen. Durch
entsprechende Wahl dieser Spannungen wird eine Regelung der Motoren bewirkt. Die
Umkehrung der Motordrehrichtung wird mittels eines elektrisch gesteuerten
Fahrtrichtungsschalters ausgeführt, mit dessen Umstellung gleichzeitig ein
selbsttätiges Umlegen der Stromabnehmerbügel in die entsprechende Fahrtrichtung
bewirkt wird. Die Motoren haben eine Stundenleistung je von ungefähr 115 PS. Sie
werden durch einen auf der Ankerachse sitzenden Ventilator kräftig gelüftet,
der durch die hohle Achse frische Luft ansaugt. Die zur Steuerung der Motoren
dienenden Fahrschalter haben je eine Hauptwalze für die Steuerung der Schützen und
eine Fahrtrichtungswalze für die Steuerung des entsprechenden Schalters. Neben den
hierzu nötigen durch den Zug gehenden Leitungen sind vier weitere Hilfsstromkreise
vorhanden, die zur Speisung der Luftpumpenmotoren, der Wagenbeleuchtung, der
Signalbeleuchtung und der Heizung dienen. Die Heizleitung ist über den Fahrschalter
geführt und nur in der Nullstellung desselben geschlossen, damit das Kraftwerk neben
dem Anfahrstrom nicht auch noch gleichzeitig den immerhin beträchtlichen Heizstrom
zu liefern hat. Infolgedessen wird die Große der Belastungsspitzen im Kraftwerk
verringert. Die Hochspannung- und die Niederspannungsstromabnehmer sind
gegeneinander verriegelt; ferner ist von der Stellung der Hochspannungsbügel die
Lage eines Schalters abhängig gemacht, der die Steuer- und Hilfsstromkreise entweder
an die 300 Volt-Leistung des Leistungstransformators oder an die
Niederspannungsrolle anschließt. Im Führerstand befindet sich außer dem Fahrschalter
ein Bremsventil der Luftdruckbremse, das Handrad der Handbremse, sowie der
sogenannte Ordnungshebel, durch den eine Scheibe vor der roten Schlußlaterne, die
Signalbeleuchtung, sowie ein in der zur Steuerung der Hochspannungsbügel dienenden
Luftleitung liegender Hahn gesteuert werden. Außerdem sitzen noch ein Strommesser
und zwei Manometer an der Wand. Sämtliche Hochspannung führende Apparate sind in
einer besonderen Kammer untergebracht, deren Tür ein Ventil steuert, das in der
Luftleitung zur Steuerung der Hochspannungsbügel liegt. Hierdurch wird beim Oeffnen
der Hochspannungskammer ein Abziehen der Stromabnehmer bewirkt. Zur Sicherung gegen
Blitzschläge dient ein Rollenblitzableiter mit Kohlewiderständen.
Die von den Siemens-Schuckertwerken gelieferten
Wagenausrüstungen sind ähnlich ausgeführt. Nur sind an Stelle von drei Motoren zwei
von je 175 PS Stundenleistung in das Drehgestell der Wagenhälfte mit den
Stromabnehmerbügeln eingebaut. Die Motoren sind als Reihenschlußmotoren ausgeführt
und besitzen auf dem Stator neben der Kompensationswicklung zwei Erregerwicklungen,
eine für jede Fahrtrichtung. Ein Teil der Kompensationswicklung dient gleichzeitig
zur Erregung der Wendepole. Die Speisung erfolgt aus einem einzigen
Leistungstransformator, dem zur Regelung der Spannung Strom von 150 bis 330 Volt in
fünf Stufen mittels elektrisch gesteuerter Schützen entnommen wird. Der auf diesen
Wagen verwendete Hochspannungs-Stromabnehmerbügel legt sich beim
Fahrtrichtungswechsel selbsttätig um. Das Gesamtgewicht eines Motorwagens mit
A.E.G.-Ausrüstung beträgt 71 t, mit S.S.W.-Ausrüstung 69 t. Auf die elektrische
Ausrüstung entfallen hiervon 17 und 15,5, auf einen Motor 2,9 und 2,85 t.
Für die Bildung der Züge, die Untersuchung, Reinigung und Ausbesserung der Wagen
dient ein Betriebsbahnhof in Ohlsdorf, der einen
Wagenschuppen mit 30 Motorwagenständen und die nötigen Werkstattanlagen besitzt. Der
Wagenschuppen besitzt eine Dampfheizungsanlage, die so bemessen ist, daß durch sie
die Vorheizung der Motorwagen erfolgen kann. Eine besondere Wagenrevisionshalle
enthält fünf Ausbesserungsstände und ein Aufstellgleis für Ersatzdrehgestelle.
Die Kosten des Kraftwerkes, dessen Gesamtleistung 5950 KW beträgt, belaufen sich
einschließlich Grunderwerb auf 3270000 M. Die Leitungsanlage mit etwa 63 km
Fahrleitung hat 1650000 M., die Kraft- und Lichtleitung der Bahnhöfe 150000 M. gekostet. Die
Betriebswerkstatt Ohlsdorf erforderte ausschließlich der
Bahnhofsgeleise, Stellwerke usw. rund 1000000 M. und die Beschaffung der 60
Motorwagen rund 6000000 M.
Bezüglich des Betriebes sei angegeben, daß die Zugstärke sich möglichst dem Verkehr
anpaßt und vorläufig zwischen ein und drei Motorwagen wechselt. Als Reserve wird in
Ohlsdorf und Altona je ein
Reservezug und auf den Stationen Hasselbrock und Blankenese je ein Ersatzwagen bereit gehalten. Werktags
werden 8050 Zugkilometer und 12900 Motorwagenkilometer, Sonntags 8010 und 11340 km
geleistet. Der Stromverbrauch für das Motorwagenkilometer hat sich ohne Heizung und
Beleuchtung zu etwa 2,7 KW/St. ergeben. Infolgedessen hat das Kraftwerk jährlich
rund 13000000 KW/St, für den Antrieb der Motorwagen und für Heizung und Beleuchtung
noch etwa 2000000 KW/St, zu leisten. Die Steuerung der Motorwagen wird zur Zeit
durch geprüfte Lokomotivheizer bewirkt, die jedoch nach und nach durch geprüfte
Hilfswagenführer ersetzt werden sollen. Außerdem befindet sich auf jedem Zuge ein
den Befehl führender Schaffner, der während der Fahrt seinen Platz im Führerabteil
hat. Zu der nachts in der Betriebspause vorzunehmenden Untersuchung der Leitungen
sind zwei Gleichstrommotorwagen mit Akkumulatoren beschafft. Diese enthalten eine
kleine Werkstatt und sind auf dem Dache mit einer drehbaren Plattform versehen, die
herausgeschwenkt werden kann und alsdann auch die Vornahme von Arbeiten an der
Oberleitung des Nebengeleises gestattet. (Röthig).
(Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen 1908 Bd. II, S. 87–93 und 109–116).
Pr.
Die Einphasen-Wechselstrombahn Thamshavn-Lokken.
Während in Schweden die Versuche mit dem elektrischen
Betriebe von Vollbahnen erst kürzlich zum Abschluß gebracht wurden, ist in Norwegen die 28 km lange Bahn von Thamshavn am Orkedals Fjord nach den Lokken-Bergwerken bereits dem Verkehr übergeben worden. Die elektrische
Energie für die Bahn wird von dem Turbinenkraftwerk Skyennald
Fossen als Drehstrom von 15000 Volt und 50 Perioden geliefert und
gleichzeitig für die Beleuchtung von Thamshavn und
anderer Orte an der Bahnstrecke, sowie für den Antrieb von Bergwerksmaschinen
verwendet. Zur Speisung der Bahn wird die elektrische Energie mittels zweier
Motorgeneratoren von je 250 KVA Leistung in Einphasen-Wechselstrom von 6600 Volt und
25 Perioden umgewandelt. Jeder Umformer, der übrigens kurze Zeit 500 KVA leisten
kann, besteht aus einem Drehstrominduktionsmotor und einem Einphasenstromerzeuger
mit umlaufendem Felde, sowie einer angebauten Erregermaschine. Zur Speisung des
Drehstrommotors wird die mit einer Spannung von 15000 Volt zugeführte elektrische
Energie in zwei Oeltransformatoren auf 600 Volt herabgesetzt.
Das aus Schienen von 22 kg/m hergestellte Gleis hat Meterspur und ist auf
Holzschwellen verlegt. Die Strecke ist eingleisig, zum größten Teil eben und gerade
und weist nur am Ende einige schärfere Kurven und Steigungen bis 4 v.H. auf. Die
Stromzuführung erfolgt durch einen etwa 5,5 m über S.O. mittels Tragseiles
aufgehängten Kupferdraht von 65 qmm Querschnitt. Das Tragseil ist unter
Zwischenschaltung von Porzellanisolatoren auf Auslegern, in den Bahnhöfen auf
Querträgern gelagert, die an hölzernen Masten befestigt sind. Als Betriebsmittel
sind drei Lokomotiven von je 20 t Gewicht beschafft, die je vier Motoren und
zwei zweiachsige Drehgestelle besitzen. Zur Stromentnahme aus der Fahrleitung sind
auf dem Lokomotivdach durch Luftdruck gesteuerte Scherenstromabnehmer mit
Gleitbügeln angeordnet. Von diesen fließt der Strom über einen Hauptschalter und
eine Sicherung zu einem Transformator mit Sparschaltung, dessen freie Klemme geerdet
ist. Dieser Transformator besitzt mehrere Anschlüsse, von denen Strom mit
stufenweise von 240 Volt bis 540 Volt steigender Spannung mittels der an jedem
Fahrzeugende angebrachten Fahrschalter den parallel liegenden Motorgruppen zugeführt
wird, die aus je zwei dauernd hintereinanderliegenden Motoren bestehen. Die Motoren
haben je 40 PS Stundenleistung und treiben mit der Uebersetsung 14 :76 die etwa 1 m
besitzenden Laufräder an. Die Anfahrzugkraft jeder Lokomotive beträgt etwa
3600 kg. Neben den Lokomotiven ist ein mit zwei Drehgestellen versehener Motorwagen
vorhanden, dessen Antrieb durch zwei in demselben Drehgestell untergebrachte 40
PS-Motoren erfolgt. Die elektrische Ausrüstung der Bahn wurde von der britischen Westinghouse-Gesellschaft geliefert. (The Electrician
1908 S. 908–911)
Pr.
Talsperrenanlagen in Oberschlesien.
Die im Laufe der letzten Jahre in Schlesien erbauten Talsperren dienen der Mehrzahl
nach weniger zur Verwertung der aufgespeicherten Wassermengen für Trink- oder
Kraftzwecke, als zum Zurückhalten schadenbringender Hochwasser. Beide Zwecke lassen
sich bei einer und derselben Talsperre nicht immer vereinigen, weil häufig gerade zu
Zeiten des größten Wassermangels, wo also möglichste Füllung der Talsperre erwünscht
wäre, auch die Wahrscheinlichkeit des Eintretens plötzlicher Hochwässer am größten
ist, welche nur durch möglichst entleerte Staubecken unschädlich gemacht werden
können. Auch in bezug auf bauliche Einzelheiten bestehen Unterschiede in den
Talsperren für Nutzzwecke gegenüber denjenigen, welche nur Hochwasserschutz bieten
sollen, insofern als bei den letzteren die Frage der Abdichtung der Staumauer und
der Beckensohle zur Verhinderung von Wasserverlusten keine Rolle spielt.
Der Nutzen, den die schlesischen Talsperren gebracht haben, ist also in den meisten
Fällen in einer wesentlichen Verminderung der Hochwasserabflußmengen zu erblicken.
Bei dem südlichsten Staubecken im Goldbach, einem Zuflüsse der aus dem
Altvatergebirge kommenden Hotzenplotz, ist mit Hilfe eines 60 m langen Dammes ein
Behälter von 2,5 Millionen cbm Inhalt geschaffen worden, durch welchen die größte
Abflußmenge von 145 cbm in der Sekunde auf 65 cbm in der Sekunde vermindert worden
ist. In ähnlicher Weise sind in dem benachbarten Flußgebiete der Glatzer Neiße durch
die Staubecken in der Wölfel und der Mohre die Größtabflußmengen von 90 cbm in der
Sekunde auf 35 cbm in der Sekunde, bzw. von 104 cbm auf 26 cbm in der Sekunde
herabgesetzt. Die meisten Staubecken weist ferner das Bobergebiet auf, wo u.a. bei
Buchwald im Quellbober eine Anlage von 2 Millionen cbm Inhalt errichtet worden ist,
um die Hochwasserabflußmenge von 120 auf 30 cbm in der Sekunde zu verringern.
Im Gegensatz zu den erwähnten Talsperren dient die bekannte Talsperre bei Marklissa,
die schon seit einigen Jahren im Betriebe ist, bei 15 Millionen cbm Inhalt auch
Nutzzwecken. Ein Drittel des Wasserinhaltes der Talsperre wird in Turbinen
ausgenutzt, die 700 PS liefern. In großem Maßstab wird ferner die Krafterzeugung aus Talsperren
durch die zurzeit im Bau begriffene Anlage an dem Bober bei Mauer beabsichtigt. Hier
soll künftig das ganze Hochwasser des Boberflusses in einem Becken von 50 Millionen
cbm Inhalt aufgespeichert werden, welches durch eine 50 m hohe Staumauer gewonnen
wird und durch das die Größtabflußmenge von 1300 auf 300 cbm in der Sekunde
verringert wird, um die benachbarten Städte Bunzlau, Sprottau, Sagan usw. vor
Hochwasser zu schützen. Daneben soll der Inhalt dieses etwa 8 km langen Stausees
aber auch zur Lieferung von Kraft ausgenutzt werden. Selbst bei geringer Füllung-
des Beckens dürften 2000 PS verfügbar sein, die in der nahen Stadt Hirschberg-
verwertet werden können. (Reißner.) (Technische
Rundschau 1908, S. 665 bis 666.)
H.
Eisenbeton-Bogenbinder.
Die Dach- und Deckenkonstruktion der 8 m breiten und 15 m langen Turnhalle des
Pensionates Kox in Dresden ist in Eisenbeton
ausgeführt. Das Gebäude besteht aus Keller und Erdgeschoß. Im Keller liegen die
Bade- und Ankleideräume, das Erdgeschoß dient zu Turnzwecken. Um den lichten Raum
der Turnhalle von Dachteilen frei zu halten, sind 3 Eisenbetonbogenbinder in 3,75 m
Abstand angeordnet, die auf ihrer Oberseite die Dachhaut tragen, und deren
Zugstangen in der Höhe des Fußbodens der Halle Hegen. Die Bogenbinder bestehen aus
zwei 6,45 m hohen senkrechten Säulen von 52/65 cm Querschnitt und einem rd. 3 m
hohen trapezförmigen Dachbinder mit ausgerundeten Ecken von 52/40 cm Querschnitt.
Die Säulen stehen innerhalb der Umfassungswände auf dem 1,25 m breiten und 0,95 m
hohen Betonfundament derselben und hüllen eine Eisensäule aus 2 ⊏-Eisen mit
gitterartiger Verbindung aus Flacheisen ein. Die trapezförmigen Dachbinder haben
eine doppelte Bewehrung aus je 5 Rundeisen von 18 mm erhalten, deren Enden
in die Säulen hinabgebogen sind und die durch Rundeisenbügel in 5 bis 20 cm Abstand
verschnürt sind. Die oben wagerechte, 2 m breite Trapezseite der Dachbinder trägt
ein Oberlicht, während die beiden schrägen Trapezseiten durch eine 8 cm starke, mit
8 Rundeisen von 7 mm für 1 m Breite bewehrte Eisenbetonplatte verbunden
sind, deren Unterseite durch je 3 Dachpfetten von 20/35 cm Querschnitt zwischen den
Dachbindern verstärkt ist. Diese Pfatten haben 7 Rundeisen von 18 mm
als Einlage; mehrere derselben sind in der Nähe der Binder aufgebogen und in das
benachbarte Feld übergeführt. Auf der Dachplatte sind Dachlatten und Ziegel als
Eindeckung befestigt. Der Fußboden der Turnhalle bzw. die Kellerdecke ist als
Plattenbalken ausgebildet. Die 15 cm starke Deckenplatte ist durch 10 Rundeisen von
11 mm bewehrt. Die 25 cm breite und 36 cm hohe Rippe enthält 8 Rundeisen von
17 mm und 1 Rundeisen von 22 mm als Einlage. In der Mitte ist der 8 m lange
Plattenbalken durch eine Eisenbetonsäule unterstützt. Die Enden der je zwei
Binder-Säulen verbindenden Rippen lagern auf schmiedeeisernen Konsolen der in den
Bindersäulen angeordneten Eisenstützen auf. Zu beiden Seiten der Rippen, jedoch ohne
Betonhülle, laufen die 45 mm starken, runden Zugstangen, die in der Mitte durch ein
Spannschloß gestoßen und an den Enden mit den Eisenstützen durch Bolzen verbunden
sind. Die Unterkante der Rippen der Kellerdecke liegt 2,5 m über dem Kellerfußboden
bzw. über dem Fundament der Bogenbinder. Die Binderfüße sind in der Höhe des
Kellerfußbodens durch einen auf Druck beanspruchten Eisenbetonbalken von 48/22 cm
Querschnitt verbunden, der durch 4 Rundeisen von 16 mm bewehrt ist. Die
Zugstangen und der Verstrebungsbalken am Binderfuß sind mit der Annahme berechnet,
daß der trapezförmige Teil des Binders als Dreigelenkbogen und der senkrechte Teil
als Stütze des ersteren angesehen wird. Hierdurch sind die auf den Säulenkopf
wirkenden Kräfte H und V
in wagerechter und senkrechter Richtung aus der Belastung des Dreigelenkbogens
bestimmt. Ist T die Säulenhöhe, t der Abstand des Säulenkopfes von den Zugstangen, v der Abstand des Säulendruckes V von der
Säulenachse, Z die Zugkraft in den Zugstangen und D die Druckkraft im Verstrebungsbalken am Säulenfuß, so
ist:
Z=\frac{H\cdot T-V\cdot v}{T-t}
und
D=\frac{H\cdot t-V\cdot v}{T-t}
Hierbei wird die Säule als ein durch die Kräfte D und
Z festgehaltener Balken mit Kragende t betrachtet, an dessen Ende die Kräfte H und V wirken. (Bachner, Beton und Eisen 1908, S. 290 ff.)
Dr.-Ing. P. Weiske.