Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 156 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Brems- und Sandstreu-Vorrichtungen an
Straßenbahnwagens. D. P. J. 1907, S.
124 u. 416 u. 1908, S. 254 u. 399..
In den letzten Jahren haben sich in England mehrere ernste
Straßenbahnunfälle ereignet, durch die die Tramways und
Light Railways Association veranlaßt wurde, die
Bremsvorrichtungen der Straßenbahnwagen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Der
mit dieser Aufgabe betraute Ausschuß teilte das große Arbeitsgebiet und ließ
von einem Unterausschusse die Bremswirkung selbst untersuchen, sowie den
Reibungskoeffizienten für verschiedene Stoffe unter normalen trockenen Verhältnissen
und bei Gegenwart von Nässe und Schmutz feststellen. Der andere Unterausschuß
beschäftigte sich mit der Untersuchung der verschiedenen zurzeit verwendeten
Bremsvorrichtungen sowie mit den brauchbarsten Sandstreuern. Auf Grund dieser
verschiedenen Untersuchungen ist eine Anzahl von Leitsätzen aufgestellt worden, die
allerdings mit Rücksicht auf die äußerst verschiedenen Betriebsbedingungen der
elektrischen
Bahnen zum Teil allgemein gehalten sind. Aus dem gleichen Grunde ist wohl auch
von der Empfehlung bestimmter Bremsen abgesehen. Die Hauptpunkte sind folgende:
Jeder Wagen muß mit zwei Bremsen ausgerüstet sein, von denen eine dann eine
Kraftbremse, d.h. eine elektrische oder Luftdruckbremse sein soll, wenn der Betrieb
ein häufiges und schnelles Anhalten erfordert. Ist der Verkehr mäßig und die
Höchstgeschwindigkeit gering, können beide Bremsen von Hand angestellt werden;
jedoch sollte bei Vorhandensein starker Steigungen nur eine von der Adhäsion der
Räder abhängig, die andere also eine Schienenbremse sein. Ferner sollte vor dem
Befahren starker Gefälle unbedingt angehalten und eine Schienenbremse angestellt
werden, damit einmal das Fahrzeug nicht bereits mit großer lebendiger Kraft auf das
Gefälle gelangt und damit ferner die dauernd benutzte und daher sichere
Betriebsbremse zur Verstärkung der Bremskraft in Notfällen zur Verfügung steht. Ist
eine Kraftbremse vorhanden, so muß diese auch als Betriebsbremse benutzt werden, da
eine derartige Bremse nur bei ständigem Gebrauch als verläßlich für den Notfall
anzusehen ist. Am günstigsten für den Betrieb ist eine Kraftbremse, die eine starke
und leicht regelbare Bremskraft für Betriebsbremsungen und bei Notbremsungen sofort
und gleichmäßig eine Kraft von der Größe des halben Wagengewichtes liefert, damit
sie im Notfall allein imstande ist, den Wagen ausreichend zu verzögern. Als
Grenzwert hierfür ist 2,4 m i.d. Sek. anzusehen. Magnetische Schienenbremsen, die
auf Bahnen mit sehr starken Steigungen benutzt werden, sollten eine Vorrichtung zum
Anstellen von Hand besitzen. Für den betriebsmäßigen Zustand sämtlicher Wagenbremsen
wird zweckmäßig in jedem Betriebe ein Mann verantwortlich gemacht, der sich durch
häufige und gründliche Untersuchungen aller Bremsen von deren Zuverlässigkeit zu
überzeugen hat.
Mit der Bremsfrage innig verknüpft ist die betreffend die Sandstreuvorrichtungen.
Auch an diese ist vor allem die Bedingung zu stellen, daß sie möglichst
betriebssicher sind. Allerdings trifft dies für zahlreiche zurzeit verwendete
Sandstreuer nicht zu und der Ausschuß regt daher den Bau vollkommenerer Sandstreuer
besonders an. Aus Sicherheitsgründen wird empfohlen, an jedem Wagenende zwei
Sandkästen anzubringen. Ist außerdem ein Zurückrollen des Wagens auf Steigungen
möglich, sollten auch von jedem Führerstande aus die Sandstreuer auf der anderen
Wagenseite angestellt werden können.
Besonders die Untersuchung der vorgekommenen Unfälle hat die Notwendigkeit ergeben,
die Wagenführer vor dem Eintritt in den Dienst ärztlich untersuchen zu lassen;
ferner sollte diese Untersuchung alle fünf Jahre wiederholt werden. Für die
Ausbildung der Wagenführer wird ferner ein bestimmter Lehrgang sowie Wiederholungen
der Prüfungen in gewissen Zeitabständen vorgeschrieben. Schließlich sollten
Wagenführer auf Bahnen mit schwierigen Steigungsverhältnissen erst verwendet werden,
wenn sie vorher sich ein Jahr lang unter einfacheren Betriebsverhältnissen als
brauchbar erwiesen haben.
Auf Schmalspurbahnen mit starken Steigungen und scharfen Kurven sollten
Decksitzwagen, besonders solche mit einen Dach über den Decksitzen, nicht verwendet
werden. (The Electrical Review London 1908, Bd. II, S. 878–879 und The Electrician
1908, S. 226–228,)
Pr.
Die elektrische Eisenbahn Castelraimondo–Camerino.
Die elektrische Bahn Castelraimondo–Camerino ist oferinsn von besonderem Interesse,
als mit ihr wohl die Grenzen der mit einfacher Adhäsion zu bewältigenden
Rampenneigung erreicht worden ist. Es handelt sich um ein sehr starkes Gefälle von
maximal 100 ‰ auf rund 500 m Länge. Die 11,54 km lange Bahn ist eingleisig mit 4
Ausweichen bei 1 m Spurweite. Der im ersten Teil der Linie einfache
Hartkupferfahrdraht hat 80 qmm Querschnitt. Die im zweiten Teil der Linie zur
Vermeidung von Spannungsverlusten bei zunehmendem Gefälle doppelt gezogene
Arbeitslinie ist gegen atmosphärische Entladungen durch auf 500 m Entfernung
aufgestellte Hörnerblitzableiter geschützt. Auf der Mitte der Strecke, an der
Haltestelle von Mergnano, erfolgt die Speisung der Leitung. Hier befindet sich die
Transformatorstation zur Umformung des Drehstroms von 5000 Volt in Gleichstrom von
650 Volt. Der positive Pol ist mit den Schienen, der negative mit dem Fahrdraht
verbunden. Der größte Spannungsabfall während des Verkehrs zweier Züge beträgt
ungefähr 10%. Das Kraftwerk besteht aus drei liegenden Reaktionsturbinen von je 180
PS, die mit 1000 l/sec. Wasser bei einem Gefälle von 17,22 m betrieben werden. Die
Turbinen, die 600 Umdrehungen in der Minute machen, sind mit je einem selbsttätigen
Oeldruckregler versehen und mittels elastischer Kupplung mit drei Drehstromdynamos
von je 120 KW und 5000 V gekuppelt. Die die Hochspannungslinie bildenden
imprägnierten Tannenholzmasten tragen mittels Hochspannungsisolatoren die drei
Leitungen des Drehstroms von 5000 V Spannung. Das Kraftwerk und die
Transformatorstation wird durch eine doppelte Reihe von Hörner- und
Rollenblitzableitern gegen atmosphärische Entladungen und Ueberspannungen geschützt.
Eine Fernsprechlinie verbindet das Kraftwerk mit allen Stationen der Bahn. Sie
besteht aus zwei Siliziumbronzedrähten auf mit 30000 V geprüften Isolatoren, die auf
den Masten der Arbeitsleitung befestigt sind. Die elektrische Ausrüstung der Wagen
besteht aus einem Bügelstromabnehmer, einem Hörnerblitzableiter auf dem Wagendache,
der unmittelbar mit der Erde verbunden ist, zwei Hauptausschaltern, einer Sicherung,
zwei Fahrschaltern, vier Widerständen, zwei Motoren und einer elektromagnetischen
Bremse. Die zweiteiligen Motore entwickeln je eine normale Leistung von 43 PS bei
einer Geschwindigkeit von 650 Umdrehungen in der Minute. Jeder Personenwagen ist mit
einer mechanischen Klotzbremse, einer elektrischen Kurzschlußbremse und einer zur
Verstärkung der Radreibung auf die Schienen wirkenden elektromagnetischen Bremse
versehen. Die Widerstände sind in vier besonderen, unter dem Wagen angebrachten
Kästen aus durchlöchertem Blech untergebracht. Die Motore und die sonstigen
elektrischen Apparate sind durch einen selbsttätigen Ausschalter und durch eine
Bleisicherung vor Ueberlastungen geschützt. (Elektrotechnische Zeitschrift 1908,
Heft 49, S. 1170.)
J.
Eisenbeton bei Lokomotivschuppen.
Bei ringförmigen Lokomotivschuppen besteht die innere Ringmauer aus Pfeilern, Toren
und die letzteren überwölbenden, von den Pfeilern getragenen Bögen. Die Pfeiler
erleiden durch die schweren eisernen Tore, durch den Bogenschub, die Dachlast und
den Winddruck eine erhebliche Beanspruchung auf Druck und Biegung, so daß die
bisherige Herstellung der Pfeiler in Ziegelmauerwerk große Abmessungen, in
Eisenkonstruktion eine teuere, ständig zu unterhaltende Ausführung erforderte. Durch
Verminderung des Säulenquerschnittes läßt sich an bebauter Fläche und Baukosten
bedeutend sparen.
Bei den zwei neuen Lokomotivschuppen in Chemnitz sind durch die Ausführung der
inneren Pfeiler und ihrer Verbindungen in Eisenbeton die Vorteile der Querschnittsverminderung- und des
Wegfalles der Unterhaltungskosten erzielt worden. Der eine Schuppen hat 14 Stände
für eine und 12 Stände für zwei Lokomotiven, der andere hat 13 einfache Stände. Die
Tore sind 4 m breit und 4,9 m hoch, also 0,2 m breiter und 0,1 höher als das
Normalmaß. Die 4,9 m hohen Pfeiler haben quadratischen Querschnitt mit 0,44 m
Seitenlänge und eine 28,8 cm breite und 9,5 cm starke äußere Vorläge. Eingelegt sind
4 Rundeisen von 15 mm und 4 Rundeisen von 20 mm , die durch wagerechte Bügel
verschnürt sind. Das Fundament besteht aus einer unteren 1,75 m langen, 1,1 m
breiten und 0,5 m hohen Betonplatte im Mischungsverhältnis 1 : 7 : 9 und aus einem
1,45 m langen, 0,8 m breiten und 0,9 m hohen Betonklotz im Mischungsverhältnis 1 : 4
: 5, in dem die Eiseneinlagen der Pfeiler verankert sind. Die Säulenköpfe sind durch
einen wagerechten Eisenbetonrahmen mit 0,3 m breitem und 0,5 m hohem Untergurt und
einem 0,3 m breiten und 0,55 m hohen, mit gesimsartigen Ausladungen versehenen
Obergurt verbunden. Beide Gurten sind durch 1 m hohe Vertikalstäbe in Verlängerung
der Pfeiler verbunden, so daß über den Toren 1 m hohe, durch Fenster verschlossene
Oeffnungen entstehen. Die Rahmenbalken sind durch Rundeisen von 15 und 20 mm
bewehrt, die in den Pfeilern verankert sind.
Textabbildung Bd. 324, S. 158
Fig. 1. Rauchröhrenüberhitzer.
Wegen der zu erwarten den Stöße bei dem Zuschlagen der Tore und bei
Unregelmäßigkeiten des Betriebes wurden im Beton nur 20 kg/qm Druck, im Eisen nur
500 kg/qm Zug zugelassen. Das Mischungsverhältnis der Eisenbetonteile ist 1 : 5.
Die eisernen Wellblechtore sind an einem Winkeleisenrahmen befestigt, dessen
senkrechte Stäbe in den Ecken der Pfeilervorlagen mit dem Pfeilerbeton fest
verankert sind. Außerdem sind die Winkeleisen durch zwei angenietete Laschen, die
durch den Beton hindurchgehen, mit den hinter den Pfeilern im Innern des Schuppens
stehenden hölzernen Dachstützen fest verschraubt. Hierdurch wird den Stößen eine
größere Masse entgegengesetzt.
Die äußere Ringmauer ist in Mauerwerk ausgeführt. Die Baukosten, die durch die
beschriebene Ausführung wesentlich vermindert wurden, betrugen 32 Mk. f.d. qm
Grundfläche oder 4,4 Mk. f.d. cbm umbauten Raumes. (Uhlfelder.) [Deutsche Bauzeitung, Mitteilungen über Zement, Beton und
Eisenbetonbau 1908, S. 113–115.]
Dr.-Ing. Weiske.
Die Anwendung von Heißdampf im Lokomotivbetriebe nach dem
System von W. Schmidt.
Den früheren BerichtenD. P. J. Bd. 321 S.
737 und Bd. 322 S. 524. über Heißdampflokomotiven tragen wir
einige Neuerungen und Erfolge nach. Fig. 1 zeigt
einen Rauchröhrenüberhitzer in seiner heutigen Ausführung. Man erkennt darin die
beiden Stutzen für die Zu- und Abführung des Dampfes, ferner die Enden der
Heizrohre, in welche die Ueberhitzerrohre hineingesteckt sind. In die Rauchkammer
werden die Ueberhitzerrohre heute nicht mehr eingebaut; aus den Heizröhren können
sie viel leichter entfernt und gereinigt werden, auch jedes einzelne
Ueberhitzerelement kann leicht ausgebaut und wieder eingesetzt werden. In D. P. J.
Bd. 322 S. 524 sind die baulichen Formen der Zylinder und Steuerungsorgane der
Heißdampf-Lokomotivmaschinen dargestellt. Als weitere Ausführungsform eines
Heißdampfschiebers sei noch der in Fig. 2
abgebildete Trickkolbenschieber mit federnden Ringen mitgeteilt, welcher dieselben
Einrichtungen aufweist wie der frühere beschriebene einfache Kolbenschieber, um die
Dichtungsringe gegen den Dampfdruck zu entlasten und Klemmungen bei verschiedener
Wärmedehnung zu verhüten.
Textabbildung Bd. 324, S. 158
Fig. 2. Kolbenschieber mit federnden Ringen und Trickkanal. Patent Wilh.
Schmidt.
Die beigefügte Zusammenstellung von Betriebsergebnissen gleichartiger Lokomotiven mit
Naßdampf- und Heißdampfbetrieben zeigt die große Ueberlegenheit der
Heißdampflokomotive zunächst in wärmewirtschaftlicher Beziehung. Die großen
Unterschiede in den Ersparnissen erklären sich aus den verschiedenen Betriebs
Verhältnissen, unter denen die Versuche jeweils stattfanden. Die Ergebnisse sind zum
größten Teil im mehrmonatlichen Betrieb gewonnen. No. 1–10 sind Zwillings-, No.
12–16 Verbundlokomotiven; No. 11 ist eine Vierzylinder-Verbundlokomotive.
Zusammenstellung von Versuchsergebnissen mit
Heissdampflokomotiven System Wilhelm Schmidt.
Textabbildung Bd. 324, S. 159
Laufende No.; Eisenbahn-Verwaltung;
Art der Lokomotive; Zyl.-Durchm. × Hub; Triebraddurchmesser; Gewicht der
Lokomotive; Heizfläche (Feuerseite); Rostfläche; Ersparnis der
Heißdampf-Lokomotiven; an Kohle; an Wasser; Preuß. Staatsbahnen
(Eisenbahndirektion Berlin); Dieselbe; Dieselbe (Eisenbahndirektion Breslau);
Belgische Staatsbahnen; K.K. priv. Außig-Teplitzer Eisenbahn-Ges. Teplitz;
Bergslagernas-Eisenbahn in Schweden; Orléans-Bahn Frankreich; Canad.
Pacific-Bahn Canada; Preuß. Staatsbahnen (Eisenbahndirektion Breslau); Münchener
Lokalbahn; Desgl.; N bedeutet Naßdampflokomotive,
H Heißdampflokomotive.
Nach den Erfahrungen verschiedener inländischer und
ausländischer Eisenbahndirektionen werden die wärmewirtschaftlichen Vorteile der
Heißdampflokomotive keineswegs erkauft durch erschwerte Bedienung und durch höhere
Anlage- und Unterhaltungskosten. Die Verbreitung der Heißdampflokomotive ist
denn auch eine entsprechend große; bis Ende 1908 sind 3668 Maschinen Schmidtschen Systems ausgeführt worden.
M.
Neuere Dampf- und Wasserkraft-Elektrizitätswerke in
Japan.
Die im Jahre 1888 gegründete Tokio Electric Light
Company, deren Werke mit der Zeit auf 30000 KW Leistung angewachsen sind
und deren Strom durch 8 Umformerwerke über die ganze Stadt verteilt wird, hat vor
einiger Zeit neben einem Dampfkraftwerk mit vier Westinghouse-Parsons-Turbodynamos von je 1000 KW bei 1500 Umdrehungen i.d.
Minute, das mit überhitztem Dampf von 10,15 Atmosphären betrieben wird, eine
Wasserkraftanlage am Kapura River, 80 km weit außerhalb Tokios, in Betrieb genommen,
welche gegenwärtig die größte von ganz Japan ist und auch mit der höchsten
Fernleitungsspannung arbeitet. Das Werk wird durch einen etwa 30 m langen, 2,4 m
hohen Staudamm und einen etwa 6650 m langen, teils offenen, teils als Tunnel
ausgeführten Oberwasserkanal sowie durch 6 genietete Druckrohre von 1520 mm
Durchmesser mit Kraftwasser von 103,5 m Nutzgefälle gespeist und ist mit 6 Francis-Doppel-Turbinen mit Lombard-Regulatoren schweizerischer Bauart ausgerüstet, welche je 4500 PS
bei 500 Umdrehungen i.d. Minute leisten. Die Turbinen sind mit Siemens-Schuckert-Drehstromerzeugern gekuppelt, welche
3900 Kilovoltampère bei 6600 Volt liefern. Der Strom wird in 2000
KW-Oeltransformatoren auf 60000 Volt erhöht und mit Freileitungen nach dem
Hauptempfängerwerk Waseda übertragen, von wo aus die weitere Stromverteilung mit
11000 Volt nach den vorhandenen Umformerwerken in der Stadt vorgenommen wird. [Kawara.] (Electrical World 1908 II. S. 897 bis
899.)
H.