Titel: | Der gegenwärtige Stand der Motorluftschiffahrt. |
Autor: | Ansbert Vorreiter |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 232 |
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Der gegenwärtige Stand der
Motorluftschiffahrt.
Von Ingenieur Ansbert
Vorreiter.
(Fortsetzung von S. 173 d. Bd.)
Der gegenwärtige Stand der Motorluftschiffahrt.
Textabbildung Bd. 324, S. 232
Fig. 33. Monoplan von Bleriot.
Der französische Flugtechniker Bleriot ist unermüdlich
und verfolgt trotz seines vielfachen Mißgeschicks beharrlich sein Ziel, einen
stabilen und einfachen Monoplan zu konstruieren. Bleriot hat bereits mehr als zehn Drachenflieger gebaut, meistens
Monoplane, und auch schon ganz ansehnliche Flugleistungen erzielt, aber die meisten
seiner Monoplane stürzten ab oder brachen durch den Aufstoß beim Landen. Auch sein
letzter Monoplan (Fig. 33, siehe auch Fig. 29 und 30, S. 171), stürzte,
wohl infolge schlechten Steuerns aus einer Höhe von über 10 m, zum Glück wurde Bleriot nicht erheblich verletzt, aber das Gestell des
Monoplans brach in der Mitte durch. Dieser sehr einfache Drachenflieger hat vorn ein
Paar Tragflächen, die stark in der Flugrichtung gekrümmt sind. An den Enden sind
bewegliche Flächen von Dreieckform angebracht, die mit dem hinten angebrachten
Seitensteuer so durch Seile in Verbindung stehen, daß beim Steuern nach links
beispielsweise die linke Stabilitätsfläche mit der hinteren Kante nach oben,
die rechte nach unten gedreht wird. Die gleiche Bewegung wird vom Führer des
Monoplans eingeleitet, wenn der Drachenflieger nach rechts kippen will. Beim Kippen
nach links oder Steuern nach rechts ist die Bewegung umgekehrt. Mit dieser Art der
Seitensteuerung und Stabilität sind Bleriot mehrere
gute Flüge von etwa 1 km gelungen; bei seinem letzten Flug jedoch am 22. Oktober muß
das hinten befindliche Höhensteuer nicht richtig funktioniert haben, denn nach einem
glatten Flug von über 500 m schlug der Schwanz des Monoplans hart auf den Boden und
brach ab, da das hintere durch eine lange Spiralfeder getragene Anlaufrad den Stoß
nicht genügend mildern konnte. Bleriot wird nun, um den
Monoplan in der Flugrichtung stabiler zu machen, die Flächen des Höhensteuers
vergrößern, im übrigen aber die Konstruktion dieses Drachenfliegers beibehalten.
Textabbildung Bd. 324, S. 232
Fig. 34. Monoplan „R E P No. 1“ Esnault-Pelterie.
Esnault-Pelterie hat nach längerem Schweigen wieder
etwas von sich hören lassen und seine Flugversuche mit seinem Monoplan R E P 2
(Fig. 35) in Buic bei Versailles wieder
aufgenommen. Die wesentliche Aenderung gegenüber dem R E P 1 (Fig. 34) ist die Verlegung des Höhensteuers nach
hinten, ferner wurde die untere Kielfläche verbreitert und die obere verlängert. An
ihrem Ende ist das Höhensteuer gelagert. Die Konstruktion der Tragflächen ist
unverändert geblieben, nur arbeitet der Steuerhebel zur Betätigung des Seitensteuers
und zum Verwinden der Tragflächen mit einer größeren Uebersetzung auf die Flächen,
indem der Doppelhebel, an dem die von den Kanten der Tragflächen ausgehenden Seile
angreifen, verkürzt wurde. Um die gleiche Verwindung der Tragflächen zu erhalten,
muß also dieser Hebel mehr gedreht werden, der Handhebel für die Seitensteuerung ist
dadurch leichter zu betätigen. Esnault-Pelterie hat
auch das Benzinreservoir vergrößert und höher gelegt und will nun, nachdem ihm Flüge
von mehreren Hundert Metern tadellos gelungen sind, Dauerflüge von einer Stunde und
darüber mit seinem Monoplan erreichen. Mit seiner letzten Konstruktion glaubt Esnault-Pelterie die Leistung der Biplane
(Doppeldecker) nicht nur bezüglich der Schnelligkeit, sondern auch in der Dauer zu
erreichen. Das wäre der Sieg des Monoplan über den Biplan, denn der Monoplan hat
einen geringeren Luftwiderstand und ist für die gleiche Tragfähigkeit leichter, er
braucht daher weniger Kraft, also einen kleineren leichteren Motor. Auch die
Herstellungskosten sind geringer und die Betriebskosten infolge des geringeren
Benzinverbrauchs billiger.
Textabbildung Bd. 324, S. 233
Fig. 35. Monoplan „R E P No. 2“ von Esnault-Pelterie.
Auf dem Uebungsfelde bei Buic hat auch der von der Gesellschaft „Astra“ gebaute Monoplan nach der Konstruktion von
Kapferer seine Flugversuche wieder aufgenommen
(Fig. 36). Mit seinen hintereinander
angeordneten Tragflächen erinnert dieser Monoplan an die Konstruktion von Langley, Kress und die älteren Monoplane von Bleriot.
Der von Kapferer konstruierte Monoplan fällt durch seine
große Länge auf. Die Gesamtlänge des Körpers inkl. dem hinten angebrachten Höhen-
und Seitensteuer beträgt etwa 11 Meter. Die Tragflächen haben eine Breite von 10,8
m, in der Flugrichtung messen sie 2 m. Durch Spanndrähte, die von den Ecken der
Tragflächen nach einer zwischen den Flächen im Körper befestigten vertikalen Stütze
führen, werden die Flächen befestigt und in ihrer Lage gehalten. Zum Transport auf
der Erde können die Flächen leicht abgenommen werden. Die äußeren Enden der
Tragflächen sind nach oben gekrümmt, von vorn gesehen bilden die Tragflächen demnach
ein stumpfes V, hierdurch soll die Seitenstabilität selbsttätig erhalten werden. Das
Anlaufgestell ist ähnlich wie bei den Biplanen von Farman und Delagrange (System Voisin) konstruiert und hat vorn zwei Räder, hinten ein
Rad. Der 7 Zylinder-Esnault-Pelterie-Motor, der etwa 35
PS leistet, ist vorn montiert und treibt eine Schraube mit vier Flügeln direkt an.
Der Durchmesser der Schraube beträgt 2 m, die Steigung 1,2 m.
Textabbildung Bd. 324, S. 233
Fig. 36. Monoplan „Astra“ von Kapferer.
Die Tragflächen und der Körper dieses Drachenfliegers ist wie die meisten
Flugapparate mit gummiertem Continentalstoff überzogen. Kapferer hat durch seine Arbeiten auf dem Gebiete des Motorballons als
Konstrukteur einen guten Namen, hat er doch den bekannten Ballon „Ville de Paris“ und die auf gleichen
Konstruktionsprinzipien gebauten Motorballons „Clement-Bayard“ und „Ville de
Bordeaux“ konstruiert. Man erwartete daher auch von seinem
Drachenflieger gute Flugleistungen, doch konnten dieselben bisher namentlich wegen
der ungenügenden Seitenstabilität nicht befriedigen. Es hat sich bei den
Flugversuchen ebenso wie bei den Biplanen von Voisin
gezeigt, daß man sich auf die automatische Stabilität nur bei windstillem Wetter
verlassen kann.
Auch Tatin, der Nestor der französischen Flugtechniker,
ist wieder mit einem Monoplan herausgekommen Zur Erzielung einer selbsttätigen
Seitenstabilität sind die Tragflächen sowohl V-förmig nach oben gerichtet, als auch
die Enden bogenförmig nach oben gekrümmt. Die Schraube hat zwei Flügel und ist
hinter den Tragflächen gelagert. Hinter der Schraube befindet sich das Höhen- und
Seitensteuer. Der Motor hat sieben Zylinder, die kreisförmig um die vertikale Welle
angeordnet sind. Zurzeit macht dieser Monoplan erst Anlaufversuche.
Textabbildung Bd. 324, S. 233
Fig. 37. Monoplan der Motorfabrik „Antoinette“.
Die Motorenfabrik „Antoinette“ hat jetzt eine
besondere Werkstatt für Flugapparate eingerichtet und nach den Erfahrungen mit dem
in dieser Werkstatt gebauten Drachenfliegern des Hauptmann Ferber und Mengin & Gastambide einen
neuen Monoplan gebaut (Fig. 37). Auch an diesem
Drachenflieger wird zur Erhaltung der seitlichen Stabilität das Prinzip der
Verstellbarkeit der Tragflächenenden angewandt. Diese verstellbaren Enden in
Dreieckform sind jedoch nicht wie bei Bleriot als
seitliche Verlängerung der Tragflächen angebracht, sondern hinten an die äußeren
Enden der Flächen angesetzt. Diese Stabilitäts- und Seitensteuer sind, weil an einem
langen Hebel wirkend, ebenso kräftig in ihrer Wirkung wie die Verdrehung der ganzen
Tragflächen bei Wright. Dabei ist die Ausführung weit
einfacher und es scheint, daß diese Konstruktion, die nicht unter das Wrightsche Patent fällt, zur allgemeinen Anwendung bei
Drachenfliegern gelangen wird. Außer den französischen Flugtechnikern Bleriot, Mengin und Gastambide,
Antoinette, Ferber und anderen, hat auch Curtis in den Vereinigten Staaten bei seinem Doppeldecker mit gutem
Erfolge diese Art der Stabilität angewandt. Am neuen Antoinette fällt die starke Krümmung der Tragflächen auf. Seiten- und
Höhensteuer sind hinten am Schwanz des Gerüstes angebracht, das Seitensteuer in der
Mitte zwischen zwei feststehenden Flächen von Dreieckform. Die zweiflügelige
Schraube ist vorn direkt auf der Motorwelle angebracht. Der 50 PS-Motor hat
Wasserkühlung, und zwar befindet sich der Kühler für das Wasser vorn am Gerüst des
Drachenfliegers unter den Tragflächen. Bemerkenswert ist die Konstruktion des
Kühlapparates, ähnlich dem am Flieger der Gebrüder
Wright besteht er aus einer großen Anzahl sehr dünner, flacher Rohre, die
jedoch nicht wie bei Wright senkrecht, sondern
wagerecht angeordnet sind. Das Anlaufgestell hat nur zwei Räder in Tandemanordnung.
Damit der Flieger nicht kippt, sind zu beiden Seiten unter den Tragflächen Stützen
angeordnet, die mit Hebeln versehen sind. Durch Anziehen eines Drahtseiles werden
diese Hebel nach unten bewegt und wirken so beim Landen als Bremsen.
Textabbildung Bd. 324, S. 234
Fig. 37a. Steuer des Monoplan der Motorfabrik „Antoinette“.
Der Monoplan „Antoinette“ der in der letzten Zeit
mehrere gelungene Flüge ausgeführt hat, ist bezüglich der Steuer verbessert worden.
Das Seitensteuer ist in 2 Steuerflächen geteilt, die übereinander liegen, zwischen
denselben befindet sich das Höhensteuer. Fig. 37 a.
Die beiden Seitensteuer als auch das Höhenhaben dreieckige Flächen und werden aus 2
T-förmig zusammengesetzten Stäben gebildet, an welchen dreieckige Segel befestigt
werden. Am unteren Seitensteuer ist ein Sporn befestigt, dessen hinteres Ende durch
eine Gummischnur nach unten gezogen wird und bei Landen den Stoß auffängt. Vor dem
oberen Seitensteuer befindet sich eine lange Kielfläche, ebenso vor dem Höhensteuer.
Auch die Flächen für die Seitenstabilität sind geändert worden, sie sind breiter
geworden und erhalten Trapezform, während sie dreieckig waren. Alle Aenderungen
haben sich bei den letzten Flügen auf dem Camp de Chalons als Verbesserungen
erwiesen.
Bereits seit zwei Jahren macht der österreichische Ingenier Wels Versuche mit Gleitfliegern, zu den der Großindustrielle Etrich in Trantenau die Mittel gab. Wels ging von den Versuchen Lilienthals aus, verbesserte aber wesentlich die Gleitflieger mit einer
Tragfläche und das Ergebnis waren Gleitflüge von einer Fluglänge, wie sie weder Lilienthal noch seine Nachfolger erreichten. Durch
Einbau eines Motors, 24 PS Antoinette, wurde der
Gleitflieger in einen Drachenflieger (Fig. 38)
verwandelt, mit dem seit einiger Zeit Flugversuche gemacht werden. Wenn es auch Wels bisher noch nicht gelang, die Fluglängen der
Franzosen und Amerikaner zu erreichen, so ist seine Konstruktion doch deshalb sehr
interessant, weil Wels ganz eigene Wege eingeschlagen
hat. Er erreichte eine gute Stabilität ohne Anwendung besonderer Steuer, nur allein
durch die besondere Form seiner Tragflächen. Diese Form läßt sich durch Zeichnung
kaum darstellen, besser an einem Modell. Die Tragflächen haben einen etwa
halbmondförmigen Umriß, vorn sind die Flächen nach unten gebogen, hinten an den
äußeren Enden nach oben. Durch Spanndrähte, die von den Enden der mit Stoff
überzogenen Stäbe nach zwei vertikalen Stäben führen, werden die Flächen in ihrer
Form erhalten, bzw. kann die Krümmung der Flächen eingestellt werden. Das Gerippe
der Tragflächen ist aus Bambusstäben hergestellt, das Schlittengestell, auf dem die
Tragflächen befestigt sind, aus Holz. Zum Anlauf sind bei den Versuchen zwei Räder
unter den Schlittenkufen befestigt, hinten ein Sporn als Stütze. Unter den Flächen
ist der Motor montiert, der eine Schraube mit zwei Flügeln direkt antreibt. Wels hat auch zwei Schrauben versucht, die zu beiden
Seiten in Ausschnitten der Tragflächen wirkten, eine Schraube vorn gab jedoch
bessere Resultate. Hinter dem Motor sitzt unter den Tragflächen der Führer, dieser
stellt mittels Veränderung der Tourenzahl des Motors die Höhe ein, durch die
Krümmung der Tragflächen wird die seitliche Stabilität und Seitensteuerung
erreicht.
Die Tragflächen haben eine Größe von etwa 26 qm, das Gewicht des Monoplans mit dem
Führer beträgt nur etwa 250 kg.
Der Motor hat Wasserkühlung, jedoch keinen Kühlapparat für das Kühlwasser, so daß
dieses schnell verdampft. Zu Dauerflügen ist der Drachenflieger von Wels vorläufig also nicht geeignet. Das Wasserreservoir
befindet sich über den Tragflächen, das Benzinreservoir unter denselben, hinter dem
Motor. Die Versuche finden am Platz vor der Rotunde im Wiener Prater statt; sobald
die Vorversuche beendet sind, wird ein ausgedehntes Versuchsfeld in der Nähe von
Wien aufgesucht werden.
Textabbildung Bd. 324, S. 234
Fig. 38. Monoplan von Etrich & Wels.
Einen Monoplan nach neuen Ideen konstruierte Guillebaud
in Rouen. Der Körper des Fliegers ist boots-förmig gestaltet und mit zwei Paar
bogenförmig nach aufwärts gekrümmten Tragflächen versehen, die nach dem Langley-Typ hintereinander stehen. Zur Steuerung ist,
ähnlich dem Monoplan Kapferer, hinten ein kreuzförmiges
Steuer angebracht, das nach allen Richtungen beweglich ist. Der Antrieb erfolgt
durch eine vorn gelagerte Holzschraube von 2,3 m , die durch einen 12 PS
Motor angetrieben wird. Zum Anlauf ist der Flieger auf ein Fahrgestell mit 4 Rädern
aufgebaut, doch hofft der Erfinder auch vom Wasser aufsteigen zu können. Das Gerüst
für Körper, Tragflächen und Steuer ist aus Bambus hergestellt, durch dieses leichte Material hat
dieser Monoplan bei 35 qm Fläche nur ein Gewicht von 220 kg.
In Frankreich bringt die in Dieppe neugegründete Fabrik zur Herstellung dynamischer
Flugapparate, die namentlich die Hölzer für Flugapparate nach einem besonderen
Verfahren herstellt, einen neuen Gleitflieger auf den Markt nach der Konstruktion
Künzli, der ebenfalls etwas an die Gleitflieger Lilienthals erinnert. Im wesentlichen besteht dieser
Flieger aus einem Paar Tragflächen, die V-förmig in einem Winkel von 14 Grad nach
oben gerichtet sind. Durch oben und unten angebrachte elastische Schnüre werden die
Tragflächen in ihrer Lage gehalten. Diese Flächen sind an einem Gerüst befestigt,
das oben mit Stoff, wie die Flächen selbst, überspannt ist, unten trägt es eine
Gleitbahn für den Sitz des Fliegers, und zwar wird durch die nach vorwärts oder
rückwärts gerichtete Gleitbewegung des Sitzes das hinten angebrachte Höhensteuer
bedient, indem vom Sitz Schnüre nach zwei am Höhensteuer angebrachten Hebeln führen.
Beim Vorwärtsgleiten des Sitzes wird das Steuer nach unten gedreht, hierdurch hebt
sich der ganze Apparat hinten und senkt sich vorn; unterstützt wird diese Bewegung
noch dadurch, daß der Schwerpunkt des Ganzen nach vorn verschoben wird. Beim
Rückwärtsgleiten dagegen hebt sich hinten der Schwanz, indem zwei oben an den Hebeln
des Höhensteuers angebrachte Spiralfedern die Steuerfläche heben. Hierdurch senkt
sich der ganze Apparat hinten und hebt sich vorn, eine Bewegung, die ebenfalls durch
die Schwerpunktverlegung nach hinten unterstützt wird. Da dann die Tragflächen
steiler in der Flugrichtung stehen, muß der Flieger höher in die Luft steigen,
vorausgesetzt, daß er eine genügende Eigengeschwindigkeit hat oder der Wind von vorn
bläst.
Das Gerüst des neuen Gleitfliegers besteht aus Holz, der Ueberzug der Flächen aus
Ballonstoff. Die Flächen ergeben zusammen 20 qm bei einer Länge des Apparates von
5,60 m und 7 m Breite. Das Gewicht des Gleitfliegers beträgt nur etwa 35 kg. Es sind
damit bessere Gleitflüge gelungen als mit der Apparaten nach Chanute.
Textabbildung Bd. 324, S. 235
Fig. 39. Monoplan Santos-Dumont.
Der kleinste Monoplan, „la Demoiselle“ genannt, von Santos-Dumont ist in letzter Zeit wesentlich verbessert worden (Fig. 39 [siehe Fig. 25 und 26, S. 170]). Die Tragflächen sind nicht mehr
V-förmig nach oben gerichtet, sondern gekrümmt, das vordere Höhen- und die beiden
vorderen Seitensteuer sind entfernt, dafür ist das hintere Höhensteuer vergrößert
worden. Die Hauptgerüststange, an welcher vorn der Motor, hinten das kombinierte
Höhen- und Seitensteuer montiert ist, wurde durch zwei schwächere Bambusstangen
verstärkt. Vorn sind diese Stangen mit der Achse der Anlaufräder verbunden. Ein
Stück Leder verbindet diese Stangen und dient als Sitz für den Führer. Vor dem Sitz
befindet sich rechts ein Handhebel zur Bedienung des Höhensteuers, links ein
Handrad für das Seitensteuer. Besondere Einrichtungen zur Erhaltung der
Seitenstabilität sind nicht vorhanden, der Schwerpunkt liegt ziemlich tief und der
Apparat bietet dem Seitenwind fast gar keine Fläche, und so richtet sich der
Drachenflieger selbst wieder auf, wenn er eine Kippbewegung macht, pendelt aber
ziemlich stark.
Textabbildung Bd. 324, S. 235
Fig. 40. Biplan von Farman.
Der Zweizylinder-Dutheil-Motor wiegt nur 75 kg. Die
Zylinder haben Kühlrippen, der Zylinderdeckel mit Ventilgehäuse ist mit Wasser
gekühlt. Der Kühlapparat befindet sich in Form langer dünner Röhren auf der oberen
Bambusstange des Gerüstes. Auf dieser Stange ist auch ein Reservoir für Wasser und
Benzin befestigt. Der Vergaser befindet sich unter dem Motor vor dem Führer.
Die Flächen dieses Monoplans haben nur 12 qm, das Gesamtgewicht, also incl. Wasser,
Benzin, Oel und dem Führer, der allerdings sehr leicht ist, beträgt 140 kg, das
Quadrameter ist also mit fast 12 kg belastet, was für Monoplane nicht hoch ist. Santos-Dumont konnte mit seinem verbesserten Monoplan
mehrere gelungene Flüge ausführen, jedoch ist es ihm noch nicht gelungen, einen
geschlossenen Rundflug von 1 km zu fliegen.
Wenn er auch die Rekordleistungen für Monoplane von Bleriot und Antoinette nicht erreichen,
geschweige überbieten konnte, so verdienen doch seine Flugversuche Beachtung, weil
Santos-Dumont das bestreben hat mit möglichst wenig
Pferdestärken zu fliegen, die Betriebskosten werden demnach mit einem Monoplan von
Santos-Dumont am geringsten sein.
Mit dem Motor von Dutheil & Chalmers ist auch der
Monoplan No. 3 von Pischoff & Koechlin ausgerüstet.
Hier treibt jedoch der Motor zwei Schrauben mittels Ketten an; um jedoch die
gekreuzte Kette zu vermeiden, ist eine Zahnradübersetzung für die rechte Schraube
eingeschaltet. Die Schrauben sind aus Holz geschnitzt. Die Holzschraube führt sich,
wie es scheint, allgemein ein, auch Santos-Dumont
benutzt jetzt Holzschrauben. Dies ist jedenfalls auf das Beispiel der Gebrüder Wright zurückzuführen. Die Herstellung der
Luftschrauben aus Holz hat auch viele Vorteile, einmal lassen sich die Schrauben
verhältnismäßig leicht korrekt herstellen, dann ist das Gewicht gering und dabei die
Festigkeit doch so groß, daß Holzschrauben weit seltener brechen als Schrauben mit
Stahlschäften und Alluminiumflügeln. In Paris gibt es bereits eine Spezialfabrik für
Holzschrauben in der Firma Chauviere; diese macht die
Schrauben für fast alle Konstrukteure von Flugapparaten.
Farman hat seinen Drachenflieger 1 (Fig. 40) bis in letzter Zeit vielfach verbessert,
augenscheinlich unter dem Einfluß von Wright. So
brachte er an den äußeren Enden der Tragflächen nach hinten bewegliche Flächen an,
die mit dem Seitensteuer so in Verbindung gebracht sind, daß z.B. beim
Kurvenfliegen nach links die beweglichen Flächen der rechten Seite gesenkt, die der
linken Seite gehoben werden, ebenso wenn der Flugapparat nach rechts kippen will,
und umgekehrt. Diese beweglichen Verlängerungen der Tragflächen ersetzen also das
Verwinden der Tragflächen bei Wright. Ferner hat Farman die vertikalen Flächen zwischen der oberen und
unteren Tragfläche wieder eingebaut, ebenfalls zur Erhöhung der seitlichen
Stabilität. Der Antoinette-Motor ist wieder an Stelle
des luftgekühlten Renault-Motors eingebaut, jedoch um
einen Dauerbetrieb, d.h. Flüge von einer Stunde und darüber zu erreichen, mit einem
Kühler für das Kühlwasser des Motors versehen worden. Dieser Kühlapparat ist über
dem Motor zwischen den Tragflächen montiert, wo er voll von dem Luftstrom der
dahinter gelagerten Treibschraube getroffen wird.
Textabbildung Bd. 324, S. 236
Fig. 41. Biplan von Wright.
Mit diesem verbesserten Biplan hat Farman auf dem
Truppenübungsplatz bei Chalons Stundenflüge ausgeführt und dabei auch größere Höhen
bis über 40 m erreicht. Seine Glanzleistung war jedoch der Flug vom 30. Oktober,
wobei Farman als Erster in der Welt mit einem
dynamischen Flugapparat von einer Stadt nach einer anderen flog. In 17 Minuten flog
Farman von Chalons nach Reims, wo er auf dem
Exerzierplatz vor den Toren der Stadt glatt landete. Die zurückgelegte Entfernung
beträgt in der Luftlinie 30 km. Farman hat demnach eine
mittlere Geschwindigkeit von 75 km i.d. St. erreicht. Bei diesem Distanzflug hielt
Farman eine Höhe von 50 m ein, weil er hohe
Pappelbäume und Häuser überfliegen mußte. Dieser Flug bedeutet das Erreichen einer
neuen Etappe in der dynamischen Luftschifffahrt.
Farman und Wilbur Wright
suchen sich in ihren Flugleistungen zu überbieten, aber Wright hält doch die Spitze. Nachdem Farman
über 50 km geflogen ist, hat Wilbur Wright diese
Leistung mit zwei Personen besetzt erreicht, indem er am 4. Oktober in 55 Minuten
über 50 km flog. Zu den Flügen mit zwei Personen hatte Wright seinen Doppeldecker mehrfach verbessert. Fig. 41 und 42. Er vergrößerte den
Durchmesser der Schrauben auf 2,60 m und verringerte etwas die Tourenzahl, indem er
die Uebersetzung von 1 zu 3 auf 1 zu 3½ änderte Ferner baute Wright ein größeres Benzinreservoir ein, das nicht mehr vertikal,
sondern zur Verringerung des Luftwiderstandes horizontal montiert ist. Dann baute
Wright zwischen dem Höhensteuer statt dem einen
kleinen Seitensteuer von Halbmondform zwei dieser Steuer ein, wodurch er noch engere
Kurven als zuvor fliegen kann. Selbst bei starkem Winde flog Wright mit absoluter Sicherheit. Abgesehen von den Vorzügen seiner
Konstruktion und der großen Uebung scheint auch der Motor von Wright im Dauerbetriebe zuverlässiger zu sein als die
leichteren französischen Motoren. Die Vorzüge sind augenscheinlich auf die
vorzügliche Kühlung und Schmierung zurückzuführen.
Maurice Farman, der Bruder Henry
Farmans, ist nun auch mit einem Drachenflieger herausgekommen, der
verspricht, die älteren Drachenflieger von Voisin zu
schlagen. Maurice Farman hat nämlich in glücklicher
Weise die Vorzüge der beiden Systeme Wright und Voisin vereinigt. Aeußerlich in der Anordnung der Trag-
und Schwanzflächen und der Steuer erscheint der Biplan Maurice Farman wie ein Voisinscher Apparat,
auch das Anlaufgestell ist fast das gleiche, er unterscheidet sich jedoch wesentlich
vom System Voisin durch die Art der Seitenstabilität.
Es fehlen die vertikalen Flächen, die Voisin anwendet,
um eine sogenannte automatische Stabilität zu erzielen, statt dessen sind die
Tragflächen wie bei Wright elastisch und lassen sich
wie bei Wright verwinden. Die Anordnung von Motor und
Schraube ist die gleiche wie an den Biplanen Voisins,
die Betätigung der Steuer der Stabilität erfolgt jedoch durch 2 Hebel, ähnlich wie
bei den Biplanen von Wright. Der Drachenflieger macht
einen sehr eleganten Eindruck und ist auch sehr solid gebaut. Die Herstellung
erfolgte in den vom Compte de la Vaulx geleiteten
Werkstätten der Compagnie d'Aviation.
Textabbildung Bd. 324, S. 236
Fig. 42. Biplan von Wright auf dem Transport.
Die Abmessungen dieses Biplanes sind die folgenden: Breite der Tragflächen 10 m,
Fläche etwa 40 qm, Länge des Apparates 10 m, Höhe 2 m, Gewicht 450 kg. Der Motor,
ein S-Zylinder Renault, leistet bei 1800 Touren 50 PS.
Die Schraube ist aus Holz gefertigt, hat einen Durchmesser von 2,5 m und wird
mittels Zahnrädern im Uebersetzungsverhältnis 1 zu 2 angetrieben. Die Flugversuche
werden in Buc bei Versailles vorgenommen.
(Fortsetzung folgt.)